Was Unternehmen von den Bundesligaklubs lernen können
Der Parkplatz des Firmengeländes steht wahrscheinlich nicht voller Ferraris, es gibt auch keinen Fanshop, in dem Trikots mit der Rückennummer des Logistikleiters verkauft werden. Und wenn die Belegschaft morgens die Arbeit aufnimmt, dann steht niemand auf der Tribüne und jubelt ihr zu. Dennoch gibt es Parallelen zwischen Unternehmen und Fußballklubs.
Ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr Unternehmen so leiten, als wären Sie der Manager eines Bundesligavereins. Dann hätte plötzlich jeder Mitarbeiter einen konkreten Marktwert und Sie befänden sich ständig im Kampf mit der Konkurrenz um die besten Talente. Was wären Sie bereit zu zahlen, um die besten Spieler, also Mitarbeiter, zu gewinnen und im Unternehmen zu halten? Gewiss: Ein neuer Finanzdirektor würde Sie nicht 120.000 Euro pro Woche kosten. Und für die arbeitsweltliche Entsprechung von Messi oder Ronaldo müssten Sie auch nicht 100 Millionen Euro Ablösesumme hinblättern. Dennoch hält die Art und Weise, wie sich Bundesligavereine am Ende eines Transferfensters verhalten, einige interessante Lektionen bereit: Unternehmen können sich daraus erschließen, wie sie Talente besser aufspüren und halten.
Nur auf den ersten Blick also hat die Bundesliga wenig mit dem Rest der Geschäftswelt gemein. Die 18 Mitglieder der Liga haben allein vor Beginn der laufenden Saison unglaubliche 547 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Und ähnlich wie die Fußballklubs stehen auch Unternehmen im Wettbewerb um die gefragtesten Talente, im sogenannten war for talents. Insbesondere in drei Bereichen können sie hier von der Bundesliga lernen.
Gutes Talentmanagement weiß: Kultur hat ihren Wert
Alle Vereine der Bundesliga erhalten einen Anteil an der Vermarktung der TV-Rechte – 2017 geht es dabei um eine Gesamtsumme in Höhe von 1,16 Milliarden Euro. Aber nicht alle Klubs arbeiten mit den gleichen Budgets: Größere Vereine wie Bayern München und Borussia Dortmund bewegen sich auf einem deutlich anderen Level als Darmstadt 98, der FC Augsburg oder der SC Freiburg. Die Platzhirsche können sich höhere Gehälter leisten und winken mit der Aussicht auf Titel. Wie aber überzeugen die kleinen Klubs neue Talente? Wie gelingt es Mainz 05 trotz des kleinen Etats Jahr für Jahr Potenzialträger wie Yunus Malli oder Shinji Okazaki zu verpflichten? – Indem der Verein ein attraktives Arbeitsumfeld bietet, in dem die Spieler sich wohl fühlen.
Die eigene Unternehmenskultur zu begreifen, wird daher immer wichtiger. Der Deloitte-Studie "Global Human Capital Trends 2016" zufolge sind 84 Prozent der Personaler und Unternehmensentscheider überzeugt, dass "Kultur ein potenzieller Wettbewerbsvorteil ist". Dennoch geben nur 28 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Unternehmenskultur verstehen; nur 19 Prozent sind überzeugt, dass es in ihrem Unternehmen die "richtige Kultur" gibt.
Wie Mitarbeiter ihre beste Position selbst finden
Der Kader von Bundesliga-Krösus Bayern München klotzt mit einem Gesamtmarktwert von 556 Millionen Euro. Ein Verein wie Darmstadt 98 muss mit 22 Millionen Euro wesentlich kleinere Brötchen backen. Im Wettbewerb um Talente sind sie mit ihren finanziellen Möglichkeiten unterschiedlich gut aufgestellt. Ihm entziehen kann sich jedoch niemand. Das gilt auch für Unternehmen aller Größen: Recruiting und – noch wichtiger – Mitarbeiterbindung sind nach wie vor die bedeutsamsten Herausforderungen für Personalverantwortliche.
Wie kann man Mitarbeiter bei der Stange halten und sie davon überzeugen, dass sie im eigenen Unternehmen ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und vorankommen können? Finanzielle Kompensation motiviert meist nur kurzfristig und selbst die bestbezahlten Fußballer wechseln den Verein, um mehr Spielzeit zu bekommen oder mehr Aussichten auf Titel zu haben. Einer Studie von Willis Towers Watson zufolge geben mehr als 70 Prozent der Mitarbeiter mit hohem Absprungrisiko an, dass sie das Unternehmen verlassen wollen, um ihre Karriere voranzubringen.
In der Fußballwelt versuchen Vereine solche Abgänge zu vermeiden, indem sie ihre Spieler an andere Klubs verleihen. Die Verliehenen erhalten so Spielzeit und können mehr Erfahrung sammeln. Insgesamt haben die Bundesligaklubs in der laufenden Saison 98 Leihgeschäfte abgeschlossen. TSG 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen gaben dabei die meisten Spieler ab. Ein prominenter Leihspieler: Holger Badstuber von Bayern München. Nach einer langen Verletzungszeit sammelt er bei Schalke 04 Spielpraxis.
Für ein Unternehmen ist es selbstverständlich weniger wahrscheinlich, dass es Teile seiner Belegschaft verleiht. Dennoch erhalten Mitarbeiter zunehmend Möglichkeiten, zwischen unterschiedlichen Abteilungen ihres Arbeitgebers zu rotieren. Berufliche Weiterentwicklung vollzieht sich heute nicht mehr zwangsläufig als linearer Aufstieg an die Spitze einer Organisation. Verschiedenartige Rollen auszufüllen erweitert den Horizont, hilft Erfahrungen zu sammeln und Fähigkeiten auszubauen. Eine Studie der Rotman School of Management an der University of Toronto in Zusammenarbeit mit Odgers Berndtson kommt zu dem Ergebnis, dass „Unternehmen CFOs benötigen, die ihre Karriere nach dem Korkenzieher-Prinzip gestaltet haben und keinem linearen Pfad gefolgt sind.“
Dank Big Data: Datenwissen statt Rätselraten
Ein weiterer Trend, eine weitere Gemeinsamkeit: Big Data und Analytics werden im Profisport mittlerweile zur Selbstverständlichkeit. Viele große Fußballklubs greifen auf die Technologie zurück, um die besten Talente aufzuspüren und deren Leistungsfähigkeit besser erkennen zu können. Daten haben die Art und Weise, wie neue Spieler gesucht und gefunden werden, von Grund auf verändert. Die Vereine nutzen Software, um erkenntnisbasierte Systeme aufzubauen, die vollständige Bilder von Spielern und deren Attributen zeichnet. Das datengestützte Scouting ist ein Teilbereich einer neuen Disziplin, die sich „Soccer Analytics“ nennt. Bayern München, Borussia Dortmund, aber zum Beispiel auch der Hamburger SV haben entsprechende Lösungen im Einsatz.
Wenn Sie Personalentscheider sind, kommt Ihnen dieses Vorgehen bekannt vor?
In der Geschäftswelt setzen mehr und mehr Personaler auf Daten, um besser diejenigen Personen einschätzen zu können, die das Unternehmen nach vorne bringen sollen. Gerade weil das berühmte Bauchgefühl oftmals irrt und der Mensch nun einmal nicht unfehlbar ist, wird es immer wichtiger, Personalentscheidungen datenbasiert zu unterstützen. Der Irrglaube, dass die offensichtlichste Wahl stets die beste ist, und eine Mentalität, die sich in Aussagen wie „Wir haben diese Position schon immer nach diesem Fähigkeitsprofil besetzt“ erschöpft, werden von harten Fakten in Frage gestellt. Daten eröffnen neue Perspektiven auf und Erkenntnisse über Personalbeschaffung und Mitarbeiterbindung.
Genau wie Fußball ist der Geschäftsbetrieb schließlich ein Teamsport – und wie viele Beispiele aus der Bundesliga zeigen, können verstärkte Anstrengungen beim Rekrutieren von neuem Personal, die richtigen Leistungsanreize und die richtige Motivation letztlich zu einem Wettbewerbsvorteil führen, durch den sich selbst etablierte Hierarchien und Konkurrenten mit riesigen Budgets zu Fall bringen lassen.
In einer Zeit, in der technologische und kulturelle Faktoren gemeinsam für ein Klima beständiger Veränderung gesorgt haben, können etablierte Unternehmen ebenso wie dynamische Start-ups von Fußballklubs viel über das Aufspüren und Halten von Talenten lernen.
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