Über Fröhlichkeit und Zuversicht in der Führung


Über Fröhlichkeit und Zuversicht in der Führung

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Wie wichtig ist Positivität in der Führung?

Diese Kolumne entsteht in Tagen, während die Welt gebannt auf Amerika schaut. Dort entscheiden die Wähler gerade, ob sie ihr Land und ihre Demokratie "der lachenden" Kamala Harris ("laughing Kamala", wie sie ihr Kontrahent nennt) oder dem grimmigen Mitbewerber Donald Trump anvertrauen (der noch dazu mehrfach des Betrugs, der Lüge und der Bestechung überführt ist).

Wie immer das Rennen ausgeht: Das Attribut der lachenden Präsidentschaftskandidatin ist es wert, näher betrachtet zu werden. Denn wenn etwas in diesem Wahlkampf mit dem Wechsel von Joe Biden zu Kamal Harris ins Auge sprang, dann war es das: Ein aus dem Trump-Lager heraus nur mit Griesgram, Häme, Verleumdung und Untergangsprophezeiungen betriebener Wahlkampf erhielt plötzlich eine andere Note.

Fröhlichkeit und Zuversicht gegen Griesgram und Untergangsprophezeiungen

Das Duo Kamala Harris und ihr Vize Tim Walz setzten vom Start weg vor allem auf Fröhlichkeit und Zuversicht: "Never go back", "United we will win" und jede Menge Videoclips fröhlich lachender Wahlkämpfer. Und beides, Fröhlichkeit wie Zuversicht, sind, wie auch der Volksmund weiß, ansteckend. Ob es zum Wahlerfolg reicht? Wir werden sehen – denn über den Wahlsieg entscheidet ja noch mehr als nur die Art des Auftritts.

Dennoch: Die Art, wie Leader auftreten, hat Einfluss darauf, wie Follower sich verhalten. Dazu gibt es ausreichend Forschung. Und die zeigt: Positive Emotionen bei Führungskräften fördern nicht nur deren eigenes Wohlbefinden. Sie wirken sich auch entscheidend auf das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeitenden aus. Zuversicht und Fröhlichkeit machen daher etwas mit denen, die führen – und etwas mit denen, die folgen müssen oder sich überlegen, ob sie folgen wollen.

Was positive Einstellungen und Gefühle mit Menschen und Gruppen machen

So zeigen Studien zur positiven Psychologie, dass positive Emotionen das sogenannte "Broaden-and-Build"-Prinzip fördern. Dieses Prinzip bewirkt, dass Menschen flexibler, kreativer und resilienter auf Herausforderungen reagieren. Zuversicht und Fröhlichkeit versetzen Führungskräfte daher in die Lage, ihre Perspektive zu erweitern, komplexe Probleme besser zu lösen und stressige Situationen mit mehr Gelassenheit zu meistern.

Ein weiteres Forschungsfeld, das dieses Thema beleuchtet, ist die sogenannte "Emotional Contagion Theory" – die Idee, dass Emotionen ansteckend wirken können und sich im Umfeld der Führungskraft verbreiten. Wenn Führungskräfte Zuversicht und Fröhlichkeit ausstrahlen, werden diese Gefühle oft von ihrem Team übernommen, was eine positive Atmosphäre schafft und die Motivation steigert.

Nach der "Leader-Member Exchange Theory" (LMX) beeinflusst die Qualität der Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden entscheidend die Bereitschaft, Vertrauen zu entwickeln und sich auf die gemeinsamen Ziele einzulassen. Zuversicht und Fröhlichkeit tragen also dazu bei, diese Beziehung zu stärken, sofern sie eine Atmosphäre schaffen, die auf Offenheit und gegenseitigem Respekt beruht.

Gefühle und Haltungen müssen echt sein, damit sie wirken

Doch was, wenn Führungskräfte weder Zuversicht noch Fröhlichkeit empfinden? Wenn Führungskräfte versuchen, beides lediglich vorzutäuschen, wird dies für sie selbst belastend sein. Eine Studie von Ashforth und Humphrey aus dem Jahr 1993 zeigt, dass "emotionale Dissonanz", also der Zustand, in dem Führungskräfte ihre Gefühle unterdrücken oder fälschen, langfristig zu Burnout und geringer Arbeitszufriedenheit führen kann.

Diese "emotionale Dissonanz" kann aber auch dem Team schaden. Denn Menschen haben durchaus ein Gespür dafür, ob Emotionen und Haltungen vorgetäuscht werden oder nicht. Und das umso mehr, je näher Leader und Follower zusammenarbeiten. Wer positives Denken und Zuversicht nur vorgibt, untergräbt das Vertrauen und die Ansteckungswirkung, die beide auslösen können.

Daher ist es im Führungsalltag wichtig, dass Führungskräfte nicht nur positive Emotionen vermitteln. Sie müssen auch authentisch in ihrer Zuversicht und Fröhlichkeit sein. Und beides richtig dosieren. Einiges deutet nämlich darauf hin, dass authentisches Führungsverhalten sowie ein Prise Skepsis noch wichtiger sind als das bloße Zeigen positiver Emotionen. Führungskräfte, die offen mit ihren tatsächlichen Gefühlen umgehen und gleichzeitig konstruktiv und lösungsorientiert agieren, werden tendenziell als vertrauenswürdiger wahrgenommen als Leader, die alles weglachen.

Problembewusstsein sollte mit positiver Zukunftsorientierung einhergehen

Was bedeutet das nun konkret? Fröhlichkeit und Zuversicht, wenn sie denn als echt und nicht als gespielt empfunden werden, schaffen beste Bedingungen, um im Schulterschluss mit Menschen, die man gewinnen muss, große Herausforderungen zu bewältigen. Dennoch braucht es auch offene Kommunikation über diese Herausforderungen. Fehlt diese Offenheit und Ehrlichkeit, gerät man schnell in den Verdacht, bloß mächtig Wind zu machen. Eine lösungsorientierte Haltung fördert dagegen Vertrauen und Respekt im eigenen Umfeld.

Es geht also im alltäglichen Führungshandeln – anders als im Wahlkampf – darum, Problembewusstsein mit positiver Zukunftsorientierung zu verbinden. Echte Probleme wegzulachen, ist dabei kein gutes Rezept. Mit robuster Fröhlichkeit und Zuversicht Probleme anzugehen, dagegen schon. Wir werden sehen, wie die amerikanischen Wähler das im Falle Harris/Walz bewerten.


Randolf Jessl ist Inhaber der  Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er berät, trainiert und coacht Menschen und Organisationen an der Schnittstelle von Führung, Kommunikation und Veränderungsanliegen. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas Wilhelm hat er bei Haufe das Buch " Shared Leadership" veröffentlicht.


Schlagworte zum Thema:  Leadership, Mitarbeiterführung