Der Master im Fernstudium
Ein Fernstudium bietet viele Vorteile: Die Studierenden müssen im Beruf nicht pausieren und sie können ihre Studienzeiten frei einteilen. Aber sie müssen sich auch darauf einstellen, abends und am Wochenende zu lernen. Freizeit findet nur dosiert statt. Das führt bei fast der Hälfte der Studierenden dazu, dass sie sich angestrengt oder gestresst fühlen. Dennoch ist die Zufriedenheit hoch. Nur etwas mehr als fünf Prozent der Fernstudierenden zeigen sich unglücklich mit ihrem Fernstudium. Und zwei Drittel sehen das Fernstudium gleichwertig zu einem Präsenzstudium an (acht Prozent sogar als hochwertiger), ermittelte die Trendstudie Fernstudium 2023 der IU Internationalen Hochschule.
Management-Know-how im Fernstudium
Ein Masterstudium als Fernstudium kommt laut Studie noch relativ selten vor. Lediglich 15 Prozent der Befragten gaben an, dass sie via Fernstudium einen Master- oder MBA-Abschluss erwerben wollen oder erworben haben. Am Studienangebot liegt es nicht, denn dieses ist vielfältig und viele Programme sind auf Berufstätige zugeschnitten, die ihr Management-Know-how erweitern wollen. Bei Wings, dem Fernstudienanbieter der Hochschule Wismar, sind beispielsweise 15 der 30 Fernstudiengänge spezialisierte Masterprogramme für Berufstätige. "Alle unsere Masterstudiengänge sind weiterbildend und setzen neben einem ersten Hochschulabschluss auch entsprechende Berufspraxis voraus. Acht der 15 Masterprogramme haben zudem einen eindeutigen Managementschwerpunkt, darunter auch unsere drei MBA-Programme", berichtet André Senechal, Pressesprecher von Wings-Fernstudium.
Ähnlich ist die Lage beim ZFH – Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund: 55 Fernstudiengänge sind aktuell im Angebot. Darunter finden sich 36 Masterstudiengänge, von denen 30 als weiterbildende Master konzipiert sind. 20 davon sind Masterstudiengänge in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften und 15 dieser wirtschaftswissenschaftlichen Masterstudiengänge enden mit Abschluss MBA, einer mit dem Abschluss MBA and Engineering (MBA Eng.). "Unsere Fernstudiengänge im langjährig erprobten Distance- Education-Format waren bereits vor der Pandemie digital sehr gut aufgestellt. In Zeiten von Homeoffice und Social Distancing entwickelten sie sich zum bevorzugten Studienmodell", sagt Dr. Margot Klinkner, stellvertretende Geschäftsführerin des ZFH.
Steigende Nachfrage während der Pandemie
Daher wundert es nicht, dass die Fernstudiengänge der ZFH zu Beginn der Coronapandemie deutliche Zuwächse verzeichnen konnten – im Zeitraum 2020 bis 2021 erzielten sie zehn bis 20 Prozent mehr Teilnehmende. "Seit 2022 pendelt sich die Nachfrage wieder auf dem Vor-Corona-Niveau ein", so Margot Klinkner. Professor Ralf Haderlein, Leiter des ZFH, beobachtet zudem, dass Qualifikationen im betriebswirtschaftlichen Bereich besonders stark nachgefragt sind und hier insbesondere spezialisierte Studiengänge mit MBA-Abschluss. "Fernstudieninteressierte haben immer genauere Vorstellungen davon, welche Weiterbildung sie benötigen, um ihr Profil passgenau auszubauen. Die Hochschulen reagieren darauf mit neuen Vertiefungsrichtungen", sagt er.
Auch Wings wurde von einer beflügelten Nachfrage nach Fern- und Onlinestudiengängen während der Coronapandemie überrascht und verzeichnet jetzt einen leichten Rückgang bei den Teilnehmenden für die berufsbegleitenden Masterprogramme. "Aufgrund der gedämpften wirtschaftlichen Aussichten reagieren Unternehmen wie Angestellte eher verhalten. Dabei sollten Unternehmen gerade jetzt in die Weiterbildung ihrer Fach- und Führungskräfte investieren, um so dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen", meint André Senechal.
Vielfältige Gründe für die Wahl eines Fernstudiums
Seiner Erfahrung nach sind die Gründe für ein berufsbegleitendes Masterstudium vielfältig. "Häufig berichten Fernstudierende, dass ihnen im Arbeitsalltag fundiertes Wirtschaftswissen und Managementkompetenzen fehlen. Andere wiederum benötigen als Quereinsteiger zudem entsprechendes Fach- und Branchenwissen, um erfolgreich im neuen Job ein- und aufzusteigen", sagt er. André Senechal stellt fest, dass Studieninteressierte heute viel gezielter suchen. "Ging es früher verstärkt um den Masterabschluss für die Visitenkarte, so spielt die Wahl der Studieninhalte heute eine deutlich größere Rolle", berichtet er. Sein Fazit: Die zunehmende Komplexität der Jobwelt muss sich auch in den Studienangeboten widerspiegeln.
Margot Klinkner unterscheidet bei den Fernstudierenden im Master zwischen zwei Gruppen: den Studieninteressierten mit erstem Hochschulabschluss und denjenigen ohne Erststudium. Letzteres ist möglich, wenn eine vorgegebene Jahreszahl an einschlägiger Berufserfahrung vorhanden ist. "Diese Studierenden sehen die Möglichkeit eines Masters ohne Bachelor als die Chance auf eine hohe akademische Qualifikation, um in ihrem langjährigen Arbeitsbereich weiterzukommen", sagt sie. Unter den Studieninteressierten mit erstem Hochschulabschluss wollen ihrer Beobachtung nach die jüngeren, die erst kürzlich ihren ersten Abschluss erworben haben, häufig so schnell wie möglich ihren Master erwerben, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben oder ihre Ausbildungsplanung abzuschließen. "Diese wählen eher einen zum Erststudium passenden oder aufbauenden MBA-Schwerpunkt", weiß sie. Die Studieninteressierten, die bereits einen ersten Abschluss in der Tasche haben und schon länger im Beruf sind, wählten oftmals eine andere Fachrichtung als im Erststudium, so Margot Klinkner: "Die meisten wollen sich in dem Bereich weiterqualifizieren, in dem sie aktuell tätig sind."
Nur wenige Arbeitgeber helfen finanziell
Nur wenige Arbeitgeber unterstützen ihre Fernstudierenden finanziell, lautet ein weiteres Ergebnis der Trendstudie Fernstudium 2023. Die meisten Fernstudierenden finanzieren sich durch die eigene Arbeit, einige auch durch Unterstützung ihrer Familie oder mithilfe staatlicher Förderung. Nur knapp sieben Prozent geben an, dass der Arbeitgeber die Hauptfinanzierung übernimmt oder übernommen hat.
Dass Probleme bei der Finanzierung dazu führen, dass Studieninteressierte ihre Pläne, einen Master- oder MBA-Abschluss zu erwerben, doch nicht in die Tat umsetzen, ist den Studienanbietern bewusst und sie informieren ausführlich über Förderungen. Wings hat einen Online-Finanzierungsratgeber, in dem sich Studieninteressierte über die Möglichkeiten von Bildungsprämie über das Deutschlandstipendium bis zum KfW-Kredit informieren können. Auch das ZFH informiert in einer Broschüre und online über die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, etwa über die steuerliche Absetzbarkeit des Fernstudiums und über Regelungen zur Bildungsfreistellung in den Bundesländern, und stellt Antragsunterlagen zur Verfügung. "Sollten Studierende im Laufe ihres Studiums in Finanzierungsprobleme geraten, haben sie zum einen die Möglichkeit, Ratenzahlung in Anspruch zu nehmen. Neben Studienkrediten bieten auch spezielle Förderprogramme einzelner Hochschulen im Einzelfall Abhilfe", ergänzt Margot Klinkner.
Die Doppelbelastung Studium und Beruf meistern
Besser als bei der finanziellen Hilfe durch den Arbeitgeber sieht es laut Studie bei der organisatorischen Unterstützung aus: Mit flexiblen Arbeitszeiten, Planungssicherheit für Klausurtermine, reduzierten Arbeitszeiten oder Lernurlauben greifen relativ viele Arbeitgeber ihren nebenberuflich studierenden Beschäftigten unter die Arme. Und wenn es doch zu einer Überlastung kommen sollte, besteht seitens der Studienanbieter viel Flexibilität: "Bei Überlastung empfehlen wir das Fernstudium zu strecken oder für ein Semester zu pausieren. Auch eine Verlängerung der Studienzeit ist problemlos möglich", sagt André Senechal. Ähnlich sieht das beim ZFH aus: "Die Studienzeit kann je nach Bedarf verlängert werden. Bei einzelnen Studiengängen ist eine Verlängerung von bis zu zwei Semestern kostenfrei möglich", so Margot Klinkner.
Wo viele Arbeitgeber laut Studie erheblichen Nachholbedarf zeigen, sind konkrete Entwicklungsperspektiven für ihre Beschäftigten, die sich im Fernstudium weiterqualifizieren. Nur selten wird ein konkretes Aufstiegsangebot für diejenigen, die ihr Studium erfolgreich abgeschlossen haben, ausgearbeitet. Daher wundert es nicht, dass die Beschäftigten nach erfolgreich absolviertem Studium häufig woanders nach neuen beruflichen Perspektiven suchen. Wie die Studie besagt, wird mehr als die Hälfte der Fernstudierenden während der Studienzeit nicht von ihrem Arbeitgeber unterstützt. "Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels in Deutschland sind das erschreckende Zahlen, insbesondere weil mehr als die Hälfte der Befragten angibt, dass sie ihr im Studium erworbenes Wissen bereits proaktiv im Beruf anwenden kann", spricht Holger Sommerfeld, Rektor der IU Internationale Hochschule, das große Potenzial an Fachwissen, an Motivation und Loyalität an, das viele Arbeitgeber verschenken.
Chancen und Risiken für Arbeitgeber
Dass Arbeitgeber einem Fernstudium ihrer Mitarbeitenden nicht immer positiv gegenüberstehen und es finanziell nicht unterstützen wollen, liegt nicht nur daran, dass sie weniger Einsatzbereitschaft im Beruf für die Dauer des Studiums befürchten. Für sie birgt das Fernstudium zwar Chancen, aber auch Risiken. Eine Chance liegt darin, dass die Mitarbeitenden während ihrer Studienzeit neue Fachkenntnisse erwerben und sich zudem persönlich weiterentwickeln. Wer die Doppelbelastung von Studium und Beruf gut bewältigt, beweist Durchhaltevermögen und viel Selbstorganisation. Eine Gefahr ist, dass die Unternehmen gute Beschäftigte verlieren, weil diese sich nach ihrem Abschluss neu orientieren, wenn sie im Unternehmen keine Entwicklungsmöglichkeiten für sich sehen. Aber dieses Risiko könnten sie stark minimieren, wenn sie entsprechende Angebote für ihre Mitarbeitenden erarbeiten.
Dieser Beitrag ist im Sonderheft "Personalmagazin plus: MBA-Programme 2023" erschienen, das Sie hier kostenlos als PDF herunterladen können.
Das könnte Sie auch interessieren:
Hochschulranking: Wo digitale Führungskräfte "gemacht" werden
Master in Management: Die besten MiM-Programme gibt es in Europa
So viel Gehalt bekommen MBA- und Business-Master-Absolventen
-
Die verschiedenen Führungsstile im Überblick
508
-
Die besten Business Schools für Master in Management
322
-
Microlearning: Definition, Beispiele und Mehrwert für Unternehmen
168
-
Investitionen in Weiterbildung nehmen zu, aber verpuffen
111
-
Der EQ – und wie er sich steigern lässt
106
-
Kulturdimensionen: Interkulturelle Unterschiede verstehen
971
-
Psychologische Sicherheit: Erfolgsfaktor für Teamerfolg jenseits der Teamzusammensetzung
761
-
Personalentwicklungsmaßnahmen
75
-
Mini-MBA: Gut und günstig, aber weniger wertvoll
74
-
Wie Künstliche Intelligenz in der Personalentwicklung im Einsatz ist
70
-
Lern-Communitys im Unternehmen aufbauen
19.12.2024
-
Podcast Folge 41: Der "Wellenreiter-Club" von Bosch
17.12.2024
-
So gelingt generationenübergreifende Zusammenarbeit
12.12.2024
-
KI, was sonst
11.12.2024
-
Wie Unternehmen und Verbände den Aufbau von KI-Kompetenz fördern
09.12.2024
-
Lernkultur sichtbar machen und gestalten
04.12.2024
-
Podcast Folge 40: Lernreise mit Dominik Klein
03.12.2024
-
KI und die Angst vor Kontrollverlust
29.11.2024
-
Wie Führungskräfte Druck analysieren können
28.11.2024
-
DVCT-Award geht an Programm zu Selbstführung bei Bosch
25.11.2024