Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung bei Entsendung an einen anderer Arbeitsort
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs iS von § 95 Abs 3 Satz 1 BetrVG liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitsort entsandt wird, ohne daß sich seine Arbeitsaufgabe ändert oder er in eine andere organisatorische Einheit eingegliedert wird (Bestätigung von BAG Beschluß vom 18. Februar 1986 - 1 ABR 27/84 = BAGE 51, 151 = AP Nr 33 zu § 99 BetrVG 1972).
2. Bedingt die Entsendung zu einem anderen Arbeitsort eine wesentlich längere Fahrtzeit, so ist die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 07.07.1988; Aktenzeichen 7 TaBV 2/88) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.12.1987; Aktenzeichen 27 BV 8/87) |
Gründe
A. Betriebsrat und Arbeitgeber streiten darüber, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Entsendung des Leiters der Qualitätskontrolle P und des Meisters in der Anlagenschlosserei W in das 160 km entfernte in Bergwitz/DDR gelegene Schokoladewerk zu unterrichten hat und der Betriebsrat die Zustimmung zu diesen Maßnahmen verweigern kann, wenn einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt.
Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Schokoladeindustrie. Er hat mit einem Schokoladewerk in Bergwitz in der DDR eine vertragliche Vereinbarung über eine sogenannte Gestattungsproduktion geschlossen. Im Rahmen dieser Gestattungsproduktion stellt der Arbeitgeber seine Technik und sein know-how zur Verfügung. Zu diesem Zweck sandte er in der Zeit von März bis Juli 1987 von Berlin aus für jeweils vier bis neun Tage den Arbeitnehmer Lothar P zur Durchführung von Qualitätskontrollen und den Meister Jürgen W zur Betreuung der technischen Anlagen in das Schokoladewerk in Bergwitz.
Der Antragsteller ist der in dem Werk Berlin gebildete Betriebsrat. Er hat die Auffassung vertreten, bei den Entsendungen der Arbeitnehmer P und W nach Bergwitz handele es sich um mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG. Beide Arbeitnehmer hätten ihren ständigen Arbeitsplatz in Berlin-West: Der seit 10. Februar 1964 beschäftigte Mitarbeiter P werde als Leiter der Qualitätskontrolle beschäftigt und leite die Stabsstelle. Zu seinen Aufgaben gehöre die Kontrolle der Fertigware und Packstoffe, auch für Produkte, die bei Subunternehmern hergestellt und bei Lohnpackern verpackt würden. Ihm seien drei Mitarbeiterinnen unterstellt. Der seit 8. April 1963 beschäftigte Mitarbeiter Jürgen W sei in Berlin-West Meister in der Anlagenschlosserei seit Anfang 1987, davor sei er Leiter der Betriebsfeuerwehr und der Arbeitssicherheit gewesen. Er werde nur nach Bedarf nach Bergwitz abgeordnet. Die vier- bis neuntägigen Entsendungen nach Bergwitz mit täglicher Rückkehr seien Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG, weil der Arbeitsort sich ändere und die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit geleistet werden müsse. Das Gestattungswerk liege nämlich etwa 160 km vom Wohnort der Mitarbeiter entfernt. Die Arbeitnehmer müßten also täglich erheblich längere Fahrzeiten in Kauf nehmen. Hinzu kämen Erschwernisse, mit denen die Einreise in die und die Rückreise aus der DDR wegen der Hemmnisse an der Grenze und wegen des Fehlens eines individuell ausgerichteten Rechtsschutzsystems verbunden seien. Gegen eine Versetzung spreche auch nicht, daß sich beide Arbeitnehmer in ihren Arbeitsverträgen mit der Entsendung in die DDR einverstanden erklärt hätten.
Der Betriebsrat hält eine Verurteilung des Arbeitgebers zur Unterlassung für erforderlich, weil er, der Betriebsrat, den Arbeitgeber aufgefordert hätte, in Zukunft vor der Entsendung die Zustimmung für die beiden Arbeitnehmer einzuholen und darauf die Antwort erhalten habe, es handele sich nicht um eine Versetzung und deshalb bestehe auch keine Veranlassung, den Betriebsrat vorher zu informieren.
Der Betriebsrat hat beantragt,
dem Arbeitgeber unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 20.000,-- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, - unbeschadet der Möglichkeit der Durchführung vorläufiger personeller Maßnahmen nach § 100 BetrVG - den Arbeitnehmern Lothar P und Jürgen W keine Tätigkeiten in dem Gestattungs-Schokoladewerk in Bergwitz/DDR zuzuweisen, ohne vorher seine Zustimmung oder eine ersetzende Entscheidung eingeholt zu haben.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen, bei den Entsendungen der Arbeitnehmer P und W nach Bergwitz/DDR handele es sich nicht um Versetzungen. Beide Arbeitnehmer seien schon nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt. Abgesehen davon werde ihnen bei ihrer Entsendung kein anderer Arbeitsbereich zugewiesen, da sie nicht in die Arbeitsorganisation des Schokoladewerks Bergwitz integriert würden und dort auch nicht den Weisungen des Betriebsleiters oder anderer Personen unterlägen. Selbst wenn man die Einordnung in eine neue Arbeitsorganisation nicht für erforderlich halte, so handele es sich um sogenannte Bagatellfälle. Eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten sei, liege schon deshalb nicht vor, weil Bergwitz nur 160 km von Berlin entfernt liege und im übrigen die Arbeitnehmer auch keine Belastungen bei der Grenzüberschreitung und wegen des Fehlens eines individuell ausgerichteten Rechtsschutzsystems hätten, da das Schokoladewerk in Bergwitz ein Staatsbetrieb sei und deshalb die Behörden der DDR ein Interesse hätten, die beiden Arbeitnehmer aus Berlin-West zuvorkommend zu behandeln.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig, weil es sich bei den Entsendungen der Arbeitnehmer P und W in das Schokoladewerk Bergwitz/DDR zwar um Versetzungen handelt, die Rechtslage aber - wie der Beschluß des Landesarbeitsgerichts zeigt - nicht so klar war, daß das Beharren auf dem entgegengesetzten Rechtsstandpunkt als grober Verstoß angesehen werden kann.
I. Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden.
Das Landesarbeitsgericht geht - ohne dies ausdrücklich auszuführen - davon aus, daß die beiden Arbeitnehmer einen ständigen Arbeitsplatz in Berlin-West haben. Diese Annahme des Landesarbeitsgerichts steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats.
1. Der Senat hat im Beschluß vom 18. Februar 1986 (BAGE 51, 151 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972 mit Anm. Misera) entschieden, die Vorschrift des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG erfasse Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht festliege, sondern üblicherweise wechsele. Gerade der übliche und ständige Wechsel des Arbeitsplatzes muß daher für das Arbeitsverhältnis typisch sein. Davon kann aber nach Auffassung des Senats nicht gesprochen werden, wenn einem Arbeitnehmer gelegentlich, sei es in Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, sei es mit Einverständnis des Arbeitnehmers, ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen wird. Ein solcher gelegentlicher Wechsel kommt in jedem Arbeitsverhältnis vor. Würde er schon die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllen, gäbe es praktisch keine Versetzung im Sinne des Satzes 1. Die Auffassung, daß der Wechsel für das Arbeitsverhältnis typisch sein muß, entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. statt vieler Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 21; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 87 und Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 99 Rz 28, alle m.w.N.). Dementsprechend werden als Beispiele für Arbeitnehmer, die nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden, Monteure, Außendienstangestellte und Arbeitnehmer des Baugewerbes genannt, deren Beschäftigungsort mit den Baustellen wechselt.
2. In der Entscheidung vom 18. Februar 1986 (aaO) hat der Senat weiter ausgeführt, wenn es jährlich drei- bis viermal zu externen Einsätzen komme und diese nur für eine begrenzte Zeit erfolgten, die auch kürzer als ein Monat sein könnten, könne schon von daher nicht gesagt werden, die Arbeitnehmer würden üblicherweise extern eingesetzt.
a) Vorliegend ist der Arbeitnehmer P zehnmal für vier bis neun Tage im Jahr 1987 nach Bergwitz entsandt worden, der Mitarbeiter W erheblich weniger oft. Schon von dorther ergibt sich auch in diesem Falle, daß die externen Einsätze die Ausnahme gewesen sind und sich der ständige Arbeitsplatz in Berlin-West befindet.
b) Auch aus der Funktion der beiden Mitarbeiter ergibt sich, daß es sich bei ihnen gerade um Arbeitnehmer handelt, die nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise an einem bestimmten Arbeitsplatz im Betrieb in Berlin-West beschäftigt werden. Der Mitarbeiter P ist Leiter der Qualitätskontrolle und hat im Betrieb Berlin-West drei Arbeitnehmer unter sich. Seine Funktion als Leiter der Qualitätskontrolle setzt voraus, daß er keinen üblicherweise wechselnden, sondern einen bestimmten Arbeitsplatz in Berlin-West hat.
Richtig ist, daß der Arbeitnehmer P aufgrund der Schlußbestimmung seines Arbeitsvertrages verpflichtet ist, im Rahmen der Lizenz- und Gestattungsproduktion unterstützend in seinem Aufgabenbereich temporär tätig zu werden. Das Einverständnis eines Arbeitnehmers zu einer personellen Einzelmaßnahme schließt aber das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht aus, da dieses dem Betriebsrat in erster Linie zur Wahrung der kollektiven Interessen des Betriebes gegeben worden ist. Jede Entsendung eines Arbeitnehmers führt aber zu einer Mehrbelastung der übrigen Arbeitnehmer im Betrieb, so daß die kollektiven Interessen immer berührt sind. Abgesehen davon kommt es auf das Einverständnis des Arbeitnehmers deshalb nicht an, weil auch der individuelle Schutz durch den Betriebsrat beim Vorliegen des Einverständnisses nicht überflüssig sein muß. Es muß dabei gar nicht an die Fälle gedacht werden, in denen der Arbeitgeber einen gewissen Druck ausübt. Es reicht schon aus, wenn der Arbeitnehmer sich in dem Glauben befindet, er könne irgendwelche Nachteile erleiden, wenn er der personellen Maßnahme nicht Folge leiste.
Aus dem Arbeitsvertrag kann sich allerdings ergeben, daß der Arbeitnehmer einen ständig wechselnden Arbeitsplatz hat, z.B. bei Außendienstmitarbeitern. Im vorliegenden Falle ergibt sich aber gerade aus dem Arbeitsvertrag, daß die ständige Aufgabe des Mitarbeiters P die Leitung der Qualitätskontrolle im Betrieb Berlin-West seines Arbeitgebers ist, und er nur temporär, d.h. vorübergehend unterstützend bei der Qualitätskontrolle in dem Staatsbetrieb Bergwitz/DDR tätig sein soll. Gerade auch der Arbeitsvertrag zeigt also, daß der Arbeitnehmer P einen bestimmten Arbeitsplatz als Leiter der Qualitätskontrolle in dem Betrieb Berlin-West hat.
Das gleiche gilt für den Mitarbeiter Jürgen W. Dieser wird aufgrund des Arbeitsvertrages vom 24. Februar 1987 als Meister in der Anlagenschlosserei eingesetzt. Das bedeutet, daß er einen Arbeitsplatz in dem Betrieb in Berlin-West als Meister hat, anders kann er die dortigen Schlosser als Meister nicht beaufsichtigen. Auch er hat nach der Schlußbestimmung seines Vertrages nur temporär unterstützend in der Gestattungsproduktion auszuhelfen. Auch hier ergibt sich also bereits aus dem Arbeitsvertrag, daß der Arbeitnehmer seinen ständigen Arbeitsplatz im Betrieb Berlin-West hat, so daß die Ausnahmebestimmung des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auf ihn keine Anwendung finden kann.
II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei den Entsendungen der Mitarbeiter P und W auch um Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG.
Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
1. Der Senat hat bereits im Beschluß vom 18. Februar 1986 (BAGE 51, 151) entschieden, eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG liege auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsort zugewiesen werde, ohne daß sich seine Arbeitsaufgabe ändere oder er in eine andere organisatorische Einheit eingegliedert werde. Der Senat ist zunächst von dem allgemeinen Sprachgebrauch ausgegangen, wonach Versetzung die Zuweisung eines anderen Dienst- oder Arbeitsortes ist. Er hat darauf hingewiesen, daß insbesondere die Entstehungsgeschichte gegen eine einschränkende Auslegung des Begriffs Versetzung spreche. Nach § 60 Abs. 3 BetrVG 1952 habe als Versetzung nicht die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes innerhalb der gleichen selbständigen Betriebsabteilung oder des gleichen Betriebs am selben Ort bei gleichen Arbeitsbedingungen gegolten, wenn damit eine Schlechterstellung des Arbeitnehmers nicht verbunden gewesen sei. Das habe aber umgekehrt auch bedeutet, daß schon die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes am gleichen Ort eine Versetzung gewesen sei, wenn sie zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers geführt habe. Daraus sei aber erst recht zu folgern, daß eine Versetzung dann vorgelegen habe, wenn ein anderer Arbeitsplatz an einem anderen Ort zugewiesen wurde (so für die damalige Rechtslage Fitting/Kraegeloh/Auffarth, BetrVG, 9. Aufl., § 60 Rz 15). Der Senat hat dann weiter darauf hingewiesen, daß mit § 95 Abs. 3 BetrVG 1972 der Versetzungsbegriff hat erweitert werden sollen. Der Gesetzgeber wollte die als "Umsetzung" bezeichnete Maßnahme unter den Begriff der Versetzung fallen lassen (Entwurf der Bundesregierung für ein BetrVG, BT-Drucks. VI/1786, S. 50; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. VI/2729, S. 30). Auch deshalb sei davon auszugehen, daß auch die bloße Veränderung des Arbeitsortes nach § 95 Abs. 3 BetrVG eine Veränderung des Arbeitsbereichs und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine Versetzung ist.
Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus dem systematischen Zusammenhang von § 95 Abs. 3 Satz 1 und § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG (vgl. Misera, Anm. zu AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972). Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Arbeitsplatz bedeutet hier - darin ist Misera zuzustimmen - nichts anderes als Arbeitsbereich in Satz 1 (ebenso Kraft, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung, § 99 Rz 44 ff., 47). Durch den Begriff Arbeitsplatz wird der örtliche Bezug des Begriffs Arbeitsbereich besonders deutlich. So wird allgemein die Vorschrift des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG primär auf die wechselnde Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung bezogen und eine Versetzung für ausgeschlossen gehalten, wenn ein Arbeitnehmer an ständig wechselnden Orten zu arbeiten hat (Monteure, Außendienstmitarbeiter). Dann folgt aus § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG aber auch, daß die Zuweisung eines anderen Ortes bei Arbeitnehmern, die nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt sind, als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches anzusehen ist (ebenso Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 41; Gamillscheg, Arbeitsrecht II, 6. Aufl., S. 426; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 213; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 99 Rz 22 a; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 99 Rz 31 ff.; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1987, Rz 665; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 208; wohl auch Dietz/Richardi, aaO, § 99 Rz 79; a.A. Kraft, GK-BetrVG, § 99 Rz 50; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 99 Rz 9).
2. Ist aber die Entsendung der Arbeitnehmer P und W von dem Betrieb Berlin-West zu dem 160 km entfernten Schokoladewerk in Bergwitz/DDR die Zuordnung eines anderen Arbeitsbereichs, so handelt es sich hierbei um eine Versetzung, wenn dieser externe Einsatz mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Dies ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Fall.
Der Senat hat in den Beschlüssen vom 28. September 1988 (- 1 ABR 37/87 - EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und 18. Oktober 1988 (- 1 ABR 26/87 - AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972) entschieden, der bloße Wechsel des Arbeitsortes sowie die Tatsache, daß der Arbeitnehmer unter einem anderen Vorgesetzten und mit anderen Arbeitskollegen zu arbeiten hat, stellten noch keine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände dar. Daran wird festgehalten. Würden nämlich die Umstände, die die Annahme der Zuordnung eines anderen Arbeitsbereichs rechtfertigen, zugleich zu einer erheblichen Änderung der Umstände führen können, unter denen die Arbeit zu leisten ist, hätte diese weitere Voraussetzung für eine Versetzung bei der kurzfristigen Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs kaum noch eine selbständige Bedeutung.
Der Senat hat aber auch in dem Beschluß vom 18. Oktober 1988 (aaO) entschieden, daß unter einer erheblichen Änderung der Umstände, mit der die Arbeit verbunden ist, nicht nur die Arbeitsleistung als solche anzusehen ist, sondern auch die äußeren Bedingungen der Arbeit (Ort, Art und Weise: Gestaltung des Arbeitsplatzes, Lage der Arbeitszeit, Umwelteinflüsse, Beanspruchung). In dieser Entscheidung hat der Senat ausdrücklich auch darauf hingewiesen, daß eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände auch darin gesehen werden kann, daß die Entsendung mit einer erheblich längeren An- und Rückfahrt verbunden ist. Vorliegend haben die beiden Arbeitnehmer bei ihren externen Einsätzen täglich eine Entfernung von 320 km für Hin- und Rückfahrt und damit eine wesentlich längere Fahrzeit zum Arbeitsort in Kauf zu nehmen. Mit der Entsendung nach Bergwitz ist also auch eine erhebliche Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
III. Obwohl es sich bei der Entsendung der Arbeitnehmer P und W nach Bergwitz/DDR um eine Versetzung handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht begründet.
Ein Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG, wie ihn der Betriebsrat vorliegend geltend macht, setzt einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz voraus.
Eine grobe Pflichtverletzung setzt zwar nicht unbedingt ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers voraus, da der Arbeitgeber hier nicht als Einzelperson, sondern als Organ der Betriebsverfassung angesprochen ist und insoweit das gleiche gilt wie bei der Auflösung des Betriebsrats (im Ergebnis ebenso Dietz/Richardi, aaO, § 23 Rz 72; Thiele, GK-BetrVG, 2. Bearbeitung, § 23 Rz 95; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 23 Rz 44; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 23 Rz 48). Gleichwohl liegt eine grobe Pflichtverletzung dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Rechtsansicht in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt (BAGE 25, 415 = AP Nr. 4 zu § 40 BetrVG 1972).
Vorliegend war die Rechtslage insofern ungeklärt, als erstmals durch Beschluß vom 18. Oktober 1988 (aaO) entschieden wurde, daß eine längere Fahrzeit eine erhebliche Änderung der Umstände bedeuten kann, unter denen die Arbeit zu leisten ist und die Tragweite der Senatsentscheidung vom 18. Februar 1986 (aaO) auch dem Landesarbeitsgericht noch nicht bewußt geworden war. Dementsprechend hat der Arbeitgeber seine objektiv unrichtige Rechtsansicht verteidigen dürfen, ohne daß ihm vorgeworfen werden könnte, er habe gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten grob verstoßen.
Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Mager Schneider
Fundstellen
BAGE 62, 314-322 (LT1-2) |
BAGE, 314 |
DB 1990, 537-538 (LT1-2) |
EBE/BAG 1990, 10-12 (LT1-2) |
BetrVG, (2) (LT1-2) |
ARST 1990, 25-26 (LT1-2) |
Gewerkschafter 1990, Nr, 39 (ST1) |
NZA 1990, 198-200 (LT1-2) |
RdA 1989, 383 |
SAE 1990, 187-190 (LT1-2) |
AP § 95 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 18 |
AR-Blattei, ES 1700 Nr 14 (LT1-2) |
AR-Blattei, Versetzung des Arbeitnehmers Entsch 14 (LT1-2) |
EzA § 95 BetrVG 1972, Nr. 18 (LT1-2, ST1) |