Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Dem Rechtsmittelgegner ist gem. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe grundsätzlich erst zu gewähren, wenn das Rechtsmittel begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind.
Orientierungssatz
Die Prozesskostenhilfe stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar. Wegen dieses Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der damit verbundenen Belastung der Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung ergeben sich für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Grenzen. Voraussetzung ist, dass sich die bedürftige Partei erst dann eines Rechtsanwalts bedient, wenn das im Einzelfall wirklich notwendig ist.
Normenkette
ZPO § 119 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Tatbestand
I. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2004 hat der Kläger selbst gegen das Berufungsurteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2004 (– 2 Sa 643/02 –) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die persönliche Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger damit begründet, seine Anwältin habe kurzfristig das Mandat niedergelegt. Nachdem der Kläger durch den Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen wurde, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nur durch einen zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden könne, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen und dem Beklagten Prozesskostenhilfe zu gewähren. Am 27. Oktober 2004 hat der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.
- Nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel einlegt. Diese Vorschrift bedarf im Hinblick auf den Zweck der Prozesskostenhilfe einer einschränkenden Auslegung. Die Prozesskostenhilfe dient dazu, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen Rechtsstaats und im allgemeinen Gleichheitssatz findet (BGH 26. Oktober 1989 – III ZR 147/88 – BGHZ 109, 163, 168). Wegen dieses Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der damit verbundenen Belastung der Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung ergeben sich für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Grenzen. Voraussetzung ist, dass sich die bedürftige Partei erst dann eines Rechtsanwalts bedient, wenn das im Einzelfall wirklich notwendig ist (vgl. BGH 7. Februar 2001 – XII ZR 26/99 – NJW-RR 2001, 1009). Nur dann ist es gerechtfertigt, die Staatskasse mit den hierdurch entstehenden Kosten zu belasten. Dem Rechtsmittelgegner ist deshalb Prozesskostenhilfe grundsätzlich erst zu gewähren, wenn das Rechtsmittel begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind (vgl. BGH 10. Februar 1988 – IVb ZR 67/87 – FamRZ 1988, 942). Dies führt nicht zu einer Benachteiligung der bedürftigen Partei, weil eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei auch erst dann ihre Rechte verteidigen würde.
- Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Beklagten nicht vor. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers war offensichtlich unzulässig, weil sie entgegen § 11 Abs. 2 ArbGG nicht von einem Rechtsanwalt, sondern von der Partei selbst eingelegt wurde. Hierauf sind die Prozessparteien durch Verfügung des Vorsitzenden vom 12. Oktober 2004 hingewiesen worden. Auf Grund dieses Hinweises wäre es dem Beklagten zumutbar gewesen abzuwarten, ob der Kläger anwaltlich vertreten einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt, und hierauf dann schriftsätzlich zu entgegnen. Auf Grund der Verfügung des Senatsvorsitzenden konnte der Beklagte davon ausgehen, dass ohne einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine ihm nachteilige Entscheidung in der Sache nicht ergehen konnte.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen
Haufe-Index 1330011 |
BAGE 2006, 313 |