Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei der Verteilung eines Liquidationspools
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbart ein Krankenhausträger mit seinen Chefärzten, daß diese zur privaten Liquidation berechtigt sein sollen, jedoch Teile des Liquidationserlöses in einen Fonds abführen müssen, an dem nachgeordnete Ärzte zu beteiligen sind, so gilt für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG folgendes:
a) Ist die Regelung von dem Krankenhausträger veranlaßt, um den nachgeordneten Ärzten zusätzliche Vergütung zu verschaffen, so handelt es sich bei den Regeln, nach denen die Fondsmittel verteilt werden, um mitbestimmungspflichtige Entlohnungsgrundsätze.
b) Entspricht die Regelung jedoch lediglich dem Interesse der Chefärzte, standesrechtlichen Obliegenheiten zu genügen, so handelt es sich nicht um Entlohnung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
c) Werden Einzelheiten der Verteilungsgrundsätze mit den Chefärzten abschließend vertraglich geregelt, so spricht der erste Anschein für die Alternative a).
2. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kommt bei beiden Alternativen nicht in Betracht.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 10, 8
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Juni 1997 - 5 TaBV 13/96 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat mitzubestimmen hat bei der Verteilung eines sogenannten Liquidationspools, der aus Honorareinnahmen der Chefärzte gespeist und von der Arbeitgeberin treuhänderisch verwaltetet wird.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus. Den Chefärzten ist arbeitsvertraglich das Recht eingeräumt, Leistungen gegenüber Patienten privat abzurechnen (Liquidationsrecht). Sie können zu solchen Leistungen ärztliches und nichtärztliches Personal der Arbeitgeberin in Anspruch nehmen. In der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns in der Fassung vom 14. Oktober 1990 ist hierzu bestimmt:
"§ 15
Kollegiales Verhalten
...
(4) Ärzte, die andere Ärzte zu ärztlichen Verrichtungen bei Patienten heranziehen, denen gegenüber nur sie einen Liquidationsanspruch haben, sind verpflichtet, diesen Ärzten eine angemessene Vergütung zu gewähren."
Die Arbeitsverträge der Chefärzte enthalten insoweit folgende Regelung:
"Die ärztlichen Mitarbeiter des Chefarztes werden an seinem Einkommen aus Liquidation beteiligt. Für diesen Zweck liefert der Chefarzt von seinen Bruttohonorareinnahmen aus stationärer Tätigkeit (bzw. Nebentätigkeit im Ausnahmefall) ... v.H. an einen Sonderfonds, den der Krankenhausträger treuhänderisch verwaltet und im Einvernehmen mit dem Chefarzt an die ärztlichen Mitarbeiter verteilt.
...
Für die Verteilung werden ebenfalls im Einvernehmen mit dem Chefarzt Rahmenrichtlinien erlassen ... ."
Die erwähnten Rahmenrichtlinien werden jeweils zwischen dem einzelnen Chefarzt und der Arbeitgeberin ausgehandelt und stimmen daher nicht in allen Einzelheiten überein. Durchweg ist in ihnen aber folgendes bestimmt:
"...
§ 2
Bemessung der Mitarbeiterbeteiligung
Die Mitarbeiterbeteiligung bemißt sich nach dem Betrag, der sich aus § 8 des Chefarztvertrages ergibt (im folgenden als "Abgabe" bezeichnet).
...
§ 4
Aufteilung
Von den eingehaltenen Abgaben werden 65 v. H. nach einer starren Staffelung (Punktsystem) an die nach § 5 zuwendungsberechtigten nachgeordneten Ärzte und 35 v. H. nach Bestimmung des abgebenden Chefarztes an nachgeordnete Ärzte und in Sonderfällen an nichtärztliche Krankenhausbedienstete (§ 6) verteilt.
§ 5
Zuwendungen an nachgeordnete Ärzte nach dem Punktsystem
(1) Im Rahmen der Mitarbeiterbeteiligung sind für die nach dem Punktsystem zur Verteilung kommenden Beträge (= 65 v. H. gemäß § 4) die nachstehend aufgeführten nachgeordneten Ärzte mit folgenden Punktzahlen zuwendungsberechtigt:
..."
(Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 10 nach abstrakten Merkmalen bestimmten Kategorien von Ärzten)
"§ 6
Zuwendungen an Mitarbeiter nach Bestimmung des abgebenden Chefarztes
(1) Die nach Abzug der Zuwendungen an nachgeordnete Ärzte nach dem Punktsystem (§ 5) verbleibenden Abgaben (= 35 v. H. gemäß § 4) werden an nachgeordnete Ärzte und in Sonderfällen an nichtärztliche Krankenhausbedienstete (z. B. Pflegepersonal, ärztliches Hilfspersonal, ärztliche Schreibkräfte) verteilt.
..."
Bei der Aufstellung dieser Verteilungsregelungen war der Betriebsrat nicht beteiligt.
In den Arbeitsverträgen der nachgeordneten Ärzte ist jeweils eine Vergütung nach dem BAT vereinbart. Regelungen über eine Beteiligung am Liquidationspool sind nicht getroffen. Im übrigen enthalten die Arbeitsverträge, die generell auf den BAT verweisen, u.a. noch folgende Bestimmungen:
"...
§ 6
Die/Der Angestellte ist verpflichtet, ihre/seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Krankenhauses zu stellen...
Die Ausübung einer eigenen Praxis oder von Praxisvertretungen ist ihr/ihm nicht gestattet.
§ 7
Die/Der Angestellte ist verpflichtet, als Nebentätigkeit auf Weisung des Krankenhausträgers an den dem Krankenhauszweckverband angeschlossenen Berufsfachschulen für Krankenpflege und für medizinisch-technische Assistenten Unterricht zu erteilen sowie Gutachten, gutachtliche Äußerungen und wissenschaftliche Ausarbeitungen, die von einem Dritten angefordert und vergütet werden, zu erstellen, und zwar auch im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit des jeweiligen Chefarztes.
Für Nebentätigkeiten, die im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit des Chefarztes ausgeübt werden, sind dem Krankenhausträger Kosten für die Inanspruchnahme von Räumen, Einrichtungen, Personal und Material zu erstatten. Die Kostenerstattung richtet sich nach dem zwischen dem jeweiligen Chefarzt und dem Krankenhausträger vereinbarten prozentualen Abgabesatz. Die/Der Angestellte erklärt sich damit einverstanden, daß aus den ihr/ihm vom Chefarzt überlassenen Honoraranteilen vorweg der jeweils vereinbarte prozentuale Abgabesatz seitens des Chefarztes einbehalten und an den Krankenhausträger abgeführt wird. Zuwendungen aus dem Mitarbeiterpool sind abgabenfrei.
Grundsätzlich gehört zu ihren Dienstaufgaben, für die keine besondere Entschädigung gewährt wird, auch die Erfüllung von Aufträgen des Chefarztes für die Behandlung Kranker, für die diesem Liquidationsrecht eingeräumt ist.
..."
Unter dem 28. Juni 1995 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, daß Chefärzte eine Änderung der Rahmenrichtlinien wünschten, z. B. in § 4 eine Erhöhung des Anteils, den sie allein verteilen können, und eine Neufestlegung der Punktwerte, die nach § 5 für die übrigen Zuwendungen an nachgeordnete Ärzte maßgeblich sind.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Verteilung des Liquidationspools mitzubestimmen, da es insoweit um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gehe. Unschädlich sei, daß die Mittel des Fonds nicht von der Arbeitgeberin, sondern von den Chefärzten aufgebracht würden. Insoweit bestehe nämlich eine vertragliche Verpflichtung gegenüber der Arbeitgeberin. Danach seien die Zuwendungen eine zusätzliche Vergütung für Tätigkeiten, welche die nachgeordneten Ärzte der Arbeitgeberin vertraglich schuldeten.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, daß er ein Mitbestimmungsrecht darüber habe, wie die von den Chefärzten der Arbeitgeberin einbehaltenen Honorarabgaben aus Liquidation an die nachgeordneten Ärzte und in Sonderfällen an nichtärztliche Krankenhausbedienstete verteilt werden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Nach ihrer Meinung hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht, weil es nicht um das Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und der Arbeitgeberin gehe. Die Zuwendungen aus dem Liquidationspool seien kein Lohn, da sie nicht aus dem Vermögen der Arbeitgeberin stammten. Alle arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten der nachgeordneten Ärzte seien mit deren BAT-Gehalt abgegolten. Die Verpflichtung der Chefärzte zur Beteiligung der Mitarbeiter an den Liquidationserlösen beruhe auf der ärztlichen Berufsordnung und berühre nicht die Arbeitsverhältnisse. Die mit den Chefärzten getroffenen Vereinbarungen über den Liquidationspool konkretisierten lediglich bereits vorhandene Standespflichten. Im übrigen müßte ein Mitbestimmungsrecht leerlaufen, da es in die Dispositionsbefugnisse der Chefärzte nicht eingreifen könne.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat ihn das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise beantragt er - erstmals mit der Rechtsbeschwerde - festzustellen, daß er wenigstens bei Änderungen der Verteilungsgrundsätze mitzubestimmen habe. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Der Rechtsbeschwerde ist stattzugeben. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt den angefochtenen Beschluß nicht. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat allerdings nicht möglich.
I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
1. Er bedarf allerdings der Auslegung. Der Betriebsrat beansprucht ein Mitbestimmungsrecht nur bei den Aufteilungsgrundsätzen, vor allem hinsichtlich fester Verteilungsschlüssel. Dagegen will der Betriebsrat die von der Arbeitgeberin gemeinsam mit den Chefärzten getroffene Festlegung des an den Pool abzuführenden Prozentsatzes der Liquidationserlöse sowie des Kreises der Begünstigten, insbesondere also den weitgehenden Ausschluß der nichtärztlichen Mitarbeiter, als mitbestimmungsfrei akzeptieren. Das hat der Betriebsrat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt.
2. Mit diesem Inhalt besteht für den Antrag das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden (z. B. Beschluß vom 23. Juli 1996 - 1 ABR 17/96 - AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B II 1 der Gründe). Das Feststellungsinteresse beschränkt sich nicht etwa auf die Änderung der bisher bestehenden Regelungen. Zwar war eine solche Änderung Anlaß des Streits zwischen den Beteiligten. Darüber hinaus nimmt der Betriebsrat aber ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Verteilungsregelungen in Anspruch, und die Arbeitgeberin bestreitet ihm dieses Recht.
II. Ob der Antrag auch begründet ist, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen. In Betracht kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Verteilung der Zuwendungen aus dem Liquidationsfonds kann eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne dieser Vorschrift sein. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt und deshalb den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt.
1. Das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. BAGE 69, 134, 158 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 1 a der Gründe) die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern. Erfaßt werden alle Formen der Vergütung, die aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses gewährt werden (BAGE 52, 171, 174 = AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B 2 a der Gründe). Das kann auch die hier streitigen Zuwendungen betreffen. Es handelt sich um Zahlungen der Arbeitgeberin aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses (a). Allerdings fließen diese nicht unmittelbar aus dem Vermögen der Arbeitgeberin. Das ist aber dann unerheblich, wenn diese die Bereitstellung der Mittel veranlaßt (b).
a) Der Anteil am Liquidationspool ist eine zusätzliche Vergütung für einen Teil der Arbeit, welche die nachgeordneten Ärzte und nichtärztlichen Mitarbeiter der Arbeitgeberin vertraglich schulden, nämlich die Mitwirkung an Tätigkeiten des Chefarztes, für welche diesem ein Liquidationsrecht eingeräumt ist. Auf der Grundlage dieser Wertung hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen, daß eine Ärztin, die als Personalratsmitglied freigestellt ist, ihren Anspruch auf Zuwendungen aus dem Liquidationspool nicht verliert (BAGE 72, 268, 273 = AP Nr. 2 zu § 42 LPVG Rheinland-Pfalz, zu II 1 der Gründe).
b) Sind die Zuwendungen von der Arbeitgeberin veranlaßt, so sind sie auch mitbestimmungsrechtlich ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen. Es handelt sich dann nämlich um Zahlungen, die in ihrem Interesse für die ihr geschuldete Arbeit geleistet werden.
aa) Für die Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist es bedeutungslos, ob der Arbeitgeber die Mittel für die Vergütung der Arbeitnehmer unmittelbar seinem Vermögen entnimmt oder ob er einen Dritten im Rahmen eines mit diesem bestehenden Austauschverhältnisses verpflichtet, aus dessen Vermögen im Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmern Zahlungen zu leisten. Wirtschaftlich stellen sich solche Zuwendungen als Leistungen des Dritten in dessen Austauschverhältnis mit dem Arbeitgeber dar; gleichzeitig treten sie an die Stelle von Leistungen, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern unmittelbar erbringen würde. Der auf die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des betrieblichen Lohngefüges gerichtete Zweck des Mitbestimmungsrechts läßt eine Unterscheidung danach, auf welchem Wege der Arbeitgeber den Arbeitnehmern Zahlungen für die geleistete Arbeit zukommen läßt, nicht zu.
Die hiergegen von der Arbeitgeberin angeführten Rechtsprechungshinweise passen nicht; sie betreffen andere Normzusammenhänge. So ist es unerheblich, daß vergleichbare Zuwendungen nach einem Urteil des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 43, 339, 345 ff. = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu 2 b der Gründe) kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 70 BAT darstellen. Für diese Erkenntnis waren Sinn und Zweck der tariflichen Verfallklausel maßgeblich, die vorliegend keine Rolle spielen. Auch die Rechtsprechung zum fehlenden Entgeltcharakter der Trinkgelder von Serviererinnen (BAGE 80, 230 = AP Nr. 112 zu § 37 BetrVG 1972) ist hier nicht einschlägig. Die Entscheidung betraf nicht die mitbestimmungsrechtliche Einordnung von Trinkgeldern, sondern deren Berücksichtigung im Rahmen verschiedener Vorschriften über die Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung. Auch ging es - anders als im vorliegenden Fall - um Leistungen Dritter, hinsichtlich derer keine Rechtspflicht besteht; überdies wurden die Trinkgelder von den Gästen der Serviererin unmittelbar, also ohne Einschaltung des Arbeitgebers zugewendet.
bb) Der Umstand, daß die Arbeitgeberin keine arbeitsvertragliche Verpflichtung gegenüber den nachgeordneten Ärzten und nichtärztlichen Mitarbeitern zur Zahlung von Zuwendungen aus dem Liquidationspool übernommen hat, schließt die Annahme nicht aus, daß es sich dennoch um Arbeitsentgelt im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handelt. Zum einen besteht jedenfalls insoweit eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, als die Arbeitgeberin gehalten ist, die von den Chefärzten geschuldete Dotierung des Fonds sicherzustellen (BAGE 43, 232, 236 = AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu I 1 d der Gründe). Zum anderen ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht auf Entgeltbestandteile beschränkt, hinsichtlich derer einer Rechtspflicht des Arbeitgebers besteht. Vielmehr umfaßt es nach ständiger Rechtsprechung auch freiwillige Leistungen (BAGE 52, 171, 176 = AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B 3 der Gründe).
cc) Auch der Hinweis des Landesarbeitsgerichts darauf, daß die Zuwendungen aus dem Mitarbeiterpool nach § 7 Abs. 2 Satz 4 des Standardarbeitsvertrages abgabenfrei sind, geht hier fehl. Da mit dem Begriff "Abgaben" in dem betreffenden Absatz des Arbeitsvertrages Zahlungen an den Arbeitgeber für die in Inanspruchnahme von Betriebsmitteln gemeint sind, fehlt jeder Bezug zur Frage des Entgeltcharakters der Zuwendungen.
dd) Schließlich greift auch der Einwand nicht durch, ein Mitbestimmungsrecht müsse wegen der vertraglichen Bindungen zwischen der Arbeitgeberin und den Chefärzten inhaltsleer bleiben. Die Arbeitgeberin verkennt, daß sie über die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht verfügen kann. In mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kann sie sich Dritten gegenüber nicht in einer Weise binden, die eine Einflußnahme des Betriebsrats faktisch ausschließen würde. So ist anerkannt, daß ein Mitbestimmungsrecht auch bei Leistungen besteht, über die der Arbeitgeber deshalb, weil sie von einer gemeinsamen Einrichtung mehrerer Unternehmen erbracht werden, nur gemeinsam mit Dritten bestimmen kann (BAGE 51, 387, 393 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu B II 2 der Gründe; BAGE 31, 11, 17 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II B 2 a der Gründe; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 209; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 87 Rz 254; GK-BetrVG/Wiese, 5. Aufl., § 87 Rz 597, 644; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 87 Rz 667 f.). In solchen Fällen hat das Mitbestimmungsrecht die Festlegung von Positionen zum Gegenstand, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten zu vertreten hat.
2.a) Dennoch ist die Sache nicht entscheidungsreif. Denkbar und nach den bisherigen Feststellungen nicht ganz auszuschließen ist auch eine Fallgestaltung, bei der die Zahlungen nach ihrem Zweck und Rechtsgrund außerhalb des Verantwortungsbereichs der Arbeitgeberin bleiben würden. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entfällt hinsichtlich solcher Zuwendungen aus dem Liquidationspool, die ausschließlich im Interesse der Chefärzte geleistet werden, um deren standesrechtlicher Obliegenheit gegenüber den nachgeordneten Ärzten zu genügen. Solche Leistungen können mitbestimmungsrechtlich nicht der Arbeitgeberin zugerechnet werden, weil sie nicht von ihr veranlaßt sind. Die Arbeitgeberin wird nicht dadurch, daß sie diese Zahlungen im Fremdinteresse als Treuhänderin abwickelt, für die Verteilungsgrundsätze verantwortlich. Diese richten sich nicht nach Arbeitsrecht, sondern nach Standesrecht.
b) Ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - die Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Mitarbeiter an den Liquidationserlösen hier von der Arbeitgeberin oder von den Chefärzten veranlaßt ist, bleibt noch aufzuklären. Insoweit kommt es zum einen auf den Inhalt der in Bayern bestehenden ärztlichen Standespflichten an. Zum anderen ist von Bedeutung, wie die hier maßgeblichen Absprachen zwischen der Arbeitgeberin und den Chefärzten zustandegekommen sind, und welche Ziele damit verfolgt wurden.
aa) Zu Unrecht macht die Arbeitgeberin geltend, die Verpflichtung der Chefärzte zur Beteiligung der Mitarbeiter an den Liquidationserlösen bestehe unabhängig von den mit der Arbeitgeberin geschlossenen Vereinbarungen. Sie beruhe nämlich unmittelbar auf § 15 Abs. 4 BO. Diese von der Landesärztekammer aufgrund der Ermächtigung in Art. 20 des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes geschaffene standesrechtliche Regelung begründet keine von den Begünstigten durchsetzbaren Zahlungsansprüche (vgl. Genzel in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 1992, § 91 Rz 65, 71; Luxenburger, Das Liquidationsrecht der leitenden Krankenhausärzte, 1981, S. 359; MünchArbR/Richardi, § 197 Rz 54). Mangels einer gesetzlichen Ermächtigung könnte sie das auch nicht. Die in Art. 17 - 19 des Heilberufe-Kammergesetzes aufgeführten ärztlichen Berufspflichten, die Gegenstand von Regelungen in der Berufsordnung sein können, umfassen keine derartigen Vergütungspflichten. Bisher sind hiervon offenkundig auch die Arbeitgeberin und die Chefärzte ausgegangen. Bestünden wirklich bereits aufgrund der Berufsordnung konkrete Ansprüche der Mitarbeiter gegenüber den Chefärzten auf Beteiligung an den Liquidationserlösen, dann könnten nicht durch Vereinbarung mit dem Krankenhausträger deren Gesamtvolumen und die den einzelnen Berechtigten zustehenden Beträge festgelegt werden.
Andere außerhalb der Vereinbarung mit der Arbeitgeberin bestehende Grundlagen für eine Verpflichtung der Chefärzte, Mitarbeiter an den Liquidationseinnahmen zu beteiligen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht regelmäßig kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Chefarzt und Mitarbeitern der Klinik (BAG Urteil vom 15. November 1989 - 5 AZR 626/88 - Das Krankenhaus 1990, 243; BAGE 43, 232, 237 = AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu I 1 d der Gründe). Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, daß es hier ausnahmsweise anders sein könnte.
bb) Beruhen somit die Zahlungen allein auf den von der Arbeitgeberin mit den Chefärzten getroffenen Regelungen, kommen zwei unterschiedlich zu beurteilende Fallgestaltungen in Betracht: Die Vereinbarungen können dadurch bedingt sein, daß die Chefärzte eine standesrechtliche Obliegenheit erfüllen und bei deren Abwicklung die Dienste der Arbeitgeberin in Anspruch nehmen wollen. Den Vereinbarungen kann aber auch der Wunsch der Arbeitgeberin zugrunde liegen, den nachgeordneten Ärzten durch Beteiligung an den Liquidationserlösen der Chefärzte zusätzliches Entgelt zu verschaffen, das mit dem Liquidationsrecht der Chefärzte verbunden ist (vgl. Luxenburger, aaO, S. 359). Auch deren Liquidationsrecht ist nämlich eine besondere Form der Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis, die zum BAT-Gehalt hinzukommt (Genzel in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 1992, § 91 Rz 48).
Allerdings spricht hier der erste Anschein dafür, daß die Zuwendungen im Sinne der zweiten Alternative von der Arbeitgeberin veranlaßt wurden und daher als Arbeitsentgelt anzusehen sind, das als zusätzlicher Anreiz zur Bindung qualifizierten Personals dient. Dies ergibt sich daraus, daß die Arbeitgeberin mit den Chefärzten präzise Regelungen über die Höhe der an den Liquidationsfonds abzuführenden Beträge und deren Verteilung an die Mitarbeiter getroffen hat. Für eine bloße Erfüllung standesrechtlicher Obliegenheiten der Chefärzte mit technischer Unterstützung der Arbeitgeberin hätte es ausgereicht, eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme der Klinikverwaltung zur Abwicklung dieser Leistungen und über das hierfür gegebenenfalls von den Chefärzten zu entrichtende Entgelt zu schließen. Um den Beweiswert des Vertragstextes zu entkräften, müßte die Arbeitgeberin bei ihrer erneuten Anhörung dartun, daß der Wunsch der Chefärzte, ihrer Standespflicht zu genügen, für den Abschluß der Vereinbarungen maßgeblich war, während sie selbst an einer zusätzlichen Vergütung ihrer Mitarbeiter kein eigenes Interesse hatte.
3. Sollte vorliegend ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu verneinen sein, so wäre der Antrag des Betriebsrats unbegründet. Sein Begehren kann nicht etwa unter dem Gesichtspunkt, daß es sich bei dem Liquidationspool um eine betriebliche Sozialeinrichtung handelte, auf § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gestützt werden.
Diese Vorschrift ist im Verhältnis zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine Sonderregelung. Sie setzt voraus, daß bestimmte geldwerte Sozialleistungen von einem zweckgebundenen Sondervermögen erbracht werden, das eine abgrenzbare, auf Dauer gerichtete Organisation aufweist und der Verwaltung bedarf (BAGE 58, 156, 162 = AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II 3 a der Gründe; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 87 Rz 655, jeweils mit weiteren Nachweisen). Für das Leistungsprogramm einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG scheiden indessen solche Bestandteile des Arbeitsentgelts aus, die unmittelbar im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehen (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 87 Rz 226; GK-BetrVG/Wiese, 5. Aufl., § 87 Rz 582; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 87 Rz 653, 661; wohl auch Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 208). Insoweit fehlt der Charakter einer Sozialleistung und damit ein wesentliches Merkmal der Sozialeinrichtung.
Es kann dahinstehen, ob der Liquidationspool einen hinreichenden organisatorischen Rahmen aufweist. Jedenfalls geht es vorliegend um Entgeltteile außerhalb des Regelungsbereichs des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Die Zuwendungen stellen nämlich für die Begünstigten eine zusätzliche Honorierung bestimmter arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten dar.
III. Da demnach der Hauptantrag des Betriebsrats noch nicht beschieden werden kann, steht der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung.
Unterschriften
Dieterich Rost Wißmann Rösch Kehrmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.06.1998 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 128 |
BB 1998, 1956 |
DB 1998, 1339 |
FA 1998, 259 |
FA 1998, 356 |
JR 1999, 220 |
NZA 1998, 1185 |
RdA 1998, 382 |
ZTR 1998, 523 |
AP, 0 |
ArztR 1999, 60 |