Verfahrensgang

ArbG Kempten (Beschluss vom 24.01.1996; Aktenzeichen 5 BV 20/95)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Kempten vom 24.1.1996 – 5 BV 20/95 – aufgehoben und der Antrag des Betriebsrats abgewiesen.

 

Tatbestand

A

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Verteilung des sog. Liquidationspools.

Der Arbeitgeber betreibt ein gemeinnütziges Krankenhaus mit etwa 1.000 Mitarbeitern in der Rechtsform einer GmbH. Die vom Arbeitgeber mit den liquidationsberechtigten Chefärzten abgeschlossenen Arbeitsverträge enthalten in bezug auf den sog. Liquidationspool folgende Regelung:

Die ärztlichen Mitarbeiter des Chefarztes werden an seinem Einkommen aus Liquitation beteiligt. Für diesen Zweck liefert der Chefarzt von seinen Bruttohonorareinkommen aus stationärer Tätigkeit (bzw. Nebentätigkeit im Ausnahmefall) … v. H. an einen Sonderfond, den der Krankenhausträger treuhändlerisch verwaltet und im Einvernehmen mit dem Chefarzt an die ärztlichen Mitarbeiter verteilt.

Für die Verteilung werden ebenfalls im Einvernehmen mit dem Chefarzt Rahmenrichtlinien erlassen …

Die Rahmenrichtlinien werden individuell zwischen Chefarzt und Arbeitgeber ausgehandelt, unterscheiden sich dementsprechend von Chefarzt zu Chefarzt, enthalten aber durchwegs folgende Regelung:

Aufteilung

Von den eingehaltenen Abgaben werden … v.H. nach einer starren Staffelung (Punktsystem) an die nach § 5 zuwendungsberechtigten nachgeordneten Ärzte und … v.H. nach Bestimmung des abgebenden Chefarztes an nachgeordnete Ärzte und in Sonderfällen an nichtärztliche Krankenhausbedienstete (§ 6) verteilt.

Die Arbeitsverträge mit den nachgeordneten Ärzten enthalten generell Vereinbarungen mit folgendem Inhalt:

§ 4

Die/Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe II der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT).

§ 7

Für Nebentätigkeiten, die im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit des Chefarztes ausgeübt werden, sind dem Krankenhausträger Kosten für die Inanspruchnahme von Räumen, Einrichtungen, Personal und Material zu erstatten. Die Kostenerstattung richtet sich nach dem zwischen dem jeweiligen Chefarzt und dem Krankenhausträger vereinbarten prozentualen Abgabesatz. Die/Der Angestellte erklärt sich damit einverstanden, daß aus den ihr/ihm vom Chefarzt überlassenen Honoraranteilen vorweg der jeweils vereinbarte prozentuale Abgabesatz seitens des Chefarztes einbehalten und an den Krankenhausträger abgeführt wird. Zuwendungen aus dem Mitarbeiterpool sind abgabenfrei.

Grundsätzlich gehört zu ihren Dienstaufgaben, für die keine besondere Entschädigung gewährt wird, auch die Erfüllung von Aufträgen des Chefarztes für die Behandlung Kranker, für die diesem Liquidationsrecht eingeräumt ist.

Nachdem der Arbeitgeber dem Betriebsrat am 28.6.1995 mitgeteilt hatte, daß Chefärzte eine Änderung der vereinbarten Rahmenrichtlinien verlangten, beanspruchte der Betriebsrat diesbezüglich ein Mitbestimmungsrecht.

In dem eingeleiteten Beschlußverfahren hat der Betriebsrat aufgrund § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht darüber beansprucht, „welcher Personenkreis welche Zuwendungen in welcher Höhe erhält” bzw. wie der Liquidationspool verteilt wird. Das Arbeitsgericht hat antragsgemäß den folgenden Beschluß vom 24.1.1996 gefaßt:

Es wird festgestellt, daß der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht darüber hat, wie die von den Chefärzten der Antragsgegnerin einbehaltenen Honorarabgaben aus Liquitation an die nachgeordneten Ärzte und in Sonderfällen an nichtärztliche Krankenhausbedienstete verteilt werden.

Im übrigen wird auf diesen Beschluß Bezug genommen.

Der Arbeitgeber hat gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt. Er macht wie schon im ersten Rechtszug in erster Linie geltend, daß es sich bei den Zuwendungen aus dem Liquidationspool um keinen Lohn im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handele und deswegen das streitige Mitbestimmungsrecht nicht bestehe.

Der Arbeitgeber beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abweisung des vom Betriebsrat gestellten Antrags.

Der Betriebsrat beantragt Zurückweisung der Beschwerde. Er macht weiterhin wie schon im ersten Rechtszug das streitige Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in bezug auf die Verteilung der Zuwendungen aus dem Liquidationspool geltend.

Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Rechtsvortrags der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die Beschwerdebegründung und die Beschwerdebeantwortung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

B

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Entgegen dem angefochtenen Beschluß besteht das vom Betriebsrat beanspruchte Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung des Liquidationspools gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht, weil es sich bei der Verteilung dieses Pools nicht um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handelt.

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, in Fragen der betr...

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