Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
- Das Regelungsermessen der Einigungsstelle wird durch den Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts bestimmt. Dem Zweck dieses Mitbestimmungsrechts muß der Spruch Rechnung tragen. Die getroffene Regelung muß sich als Wahrnehmung dieses Mitbestimmungsrechts darstellen.
- Ein Spruch der Einigungsstelle über eine Provisionsregelung muß die Frage, in welchem Verhältnis die Provisionssätze der einzelnen Vertriebsrepräsentanten zueinander stehen sollen, jedenfalls insoweit selbst regeln, daß die Festsetzung unterschiedlicher Provisionssätze sich an bestimmten Kriterien zu orientieren hat. Er darf die Festsetzung der Provisionssätze nicht ohne solche Kriterien dem Arbeitgeber allein überlassen.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 5 Sätze 3-4, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 77 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 07.10.1986; Aktenzeichen 4 TaBV 5/86) |
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.10.1985; Aktenzeichen 4 BV 10/85) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerden des Arbeitgebers und des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1986 – 4 TaBV 5/86 – werden zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs vom 25. Februar 1985, mit dem mit Wirkung vom 1. April 1985 ein neuer Provisionsplan für die Vertriebsrepräsentanten des Arbeitgebers aufgestellt worden war.
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens war der Betriebsrat der S… GmbH, einem Tochterunternehmen des amerikanischen Konzerns S…. Die S… GmbH war ein Unternehmen, das in Deutschland Anlagen und Systeme der Datenverarbeitung vertrieb. Im Vertrieb waren Vertriebsrepräsentanten beschäftigt, die neben festen Bezügen für die von ihnen vermittelten Geschäfte Prämien und Provisionen erhielten. Bis zum Inkrafttreten des hier strittigen Spruchs der Einigungsstelle bestimmten sich Provisionen und Prämien seit dem 1. Oktober 1981 nach einem Provisions- und Prämienplan, der ebenfalls durch Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommen war.
Die Beschäftigten der S… GmbH, die in Deutschland offensichtlich eine Reihe von Niederlassungen unterhielt, hatten gemeinsam nur einen Betriebsrat, den Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gewählt.
Im September 1986 schlossen sich die amerikanischen Konzerne S… und B… zusammen. Am 12. Dezember 1986 erfolgte die Verschmelzung der S… GmbH mit der B… Deutschland GmbH als aufnehmende Gesellschaft, die später in die U… Deutschland GmbH, der Rechtsbeschwerdeführerin des vorliegenden Verfahrens, umbenannt wurde. Anläßlich der Betriebsratswahl 1987 wählten die Beschäftigten der nunmehrigen U… Deutschland GmbH in den verschiedenen Betrieben und Niederlassungen getrennt Betriebsräte, die einen Gesamtbetriebsrat, den Rechtsbeschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens, bildeten. Zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der U… Deutschland GmbH wurde mit einem Spruch der Einigungsstelle vom 19. Mai 1987 ein neuer Provisionsplan für alle Vertriebsrepräsentanten der U… Deutschland GmbH beschlossen, der am 1. Januar 1988 in Kraft trat.
Kernstück der Regelung des Provisionsplans 85 (PP) ist eine “Provision”, die “den Vertriebsrepräsentanten zusätzlich zu ihrem sonstigen Entgelt finanzielle Anreize für die Erfüllung der … aufgestellten Vertriebsziele bieten soll”, § 1 PP.
Provisionen werden dabei für bestimmte provisionsfähige Geschäfte, § 8 PP, gezahlt, die aus einem in § 7 PP festgelegten Aufgabengebiet des Vertriebsrepräsentanten kommen.
Die Provision berechnet sich nach einer in § 12 PP festgelegten Formel, die wie folgt lautet:
In dieser Formel bedeuten:
Awg |
= |
der provisionsfähige gewichtete Auftragswert, wobei sich die Gewichtung des Wertes aus einem Anhang ergibt, |
ZP |
= |
die Zielprovision, |
Quote |
= |
die Zielvorgabe für den Auftragseingang, |
PG |
= |
Produktgewichtung, wobei sich die Gewichtung der einzelnen Produkte wiederum aus einem Anhang ergibt, |
ÜZ |
= |
Übererfüllungszuschlag |
GF |
= |
Geschäftsfaktor des jeweiligen Geschäftes, wie er in einem Anhang festgelegt ist. |
Von Bedeutung für die Höhe der jeweiligen Provision sind vor allen Dingen die Größen “Zielprovision” und “Zielvorgabe” (= Quote).
Die Festlegung der Quote ist in § 6 PP geregelt. Die Regelung geht von einer für den Arbeitgeber aufgestellten Gesamtquote aus. Damit ist ein Umsatzwert für das jeweilige Geschäftsjahr gemeint, den zu erreichen – von der Konzernmutter vorgegebenes – Ziel des Arbeitgebers ist.
Von dieser Gesamtquote werden zunächst Quoten für besondere Vertriebswege wie Händler oder Wiederverkäufer abgezogen. Danach werden den “Leitern Vertrieb III” bestimmte Quoten zugewiesen. Die verbleibende Quote wird nach einem festgelegten Schlüssel auf die verschiedenen Berufsgruppen der Vertriebsrepräsentanten verteilt. Die Quote einer Berufsgruppe wird auf die einzelnen Vertriebsrepräsentanten dieser Gruppe aufgeteilt. Diese Aufteilung muß nicht gleichmäßig erfolgen. Die Quotenaufteilung führt im Ergebnis dazu, daß jeder Vertriebsrepräsentant eine persönliche Quote von x DM vorgegeben erhält, die z.B. eine Million DM betragen kann. Der einzelne Vertriebsrepräsentant ist nicht gehindert, einen Umsatz zu tätigen, der seine Quote übersteigt.
Nach § 5 PP ist für jeden Vertriebsrepräsentanten eine “Zielprovision” festgelegt. Das ist das Provisionseinkommen, das der Vertriebsrepräsentant – ohne Zuschläge – verdient, wenn sein Umsatz seiner persönlichen Quote entspricht. Das Zieleinkommen soll in der Regel 2 % der Quote betragen, kann aber unter Berücksichtigung besonderer Umstände von diesem Wert abweichen, jedoch nicht niedriger als 1,5 % der Quote liegen. Die Summe aller Zielprovisionen der Vertriebsrepräsentanten einer Berufsgruppe darf 2 % der Summe ihrer persönlichen Quoten nicht unterschreiten.
Der Quotient aus Zielprovision und Quote ist damit der “persönliche Provisionssatz” des Vertriebsrepräsentanten, ausgedrückt in Prozent.
Für die Höhe des Provisionssatzes ist danach die Höhe der Quote allein nicht entscheidend. Auch ohne Festlegung einer Quote und eines Zieleinkommens für jeden Vertriebsrepräsentanten ließe sich ein Provisionssatz von in der Regel 2 %, aber auch niedriger oder höher, festsetzen. Dessen Festlegung durch einen Quotienten aus Zieleinkommen und Quote beruht darauf, daß die Erfüllung der Quote oder deren Übererfüllung einen Zuschlag, den sog. Übererfüllungszuschlag auslöst.
Dieser Übererfüllungszuschlag beträgt nach Anhang 1 zum Provisionsplan 0,2 für den Teil des Auftragswertes, der dem Teil entspricht, um den die Quotenerfüllung nach den jeweils geltenden “Nettobookings-Rules” 110 % übersteigt. Diese Nettobookings-Rules sind konzerneinheitliche Richtlinien, nach denen verkaufte Waren und Dienstleistungen bewertet werden.
Der in der Provisionsformel weiter erwähnte Geschäftsfaktor beträgt im Normalfall 1, bei einem Neukundengeschäft 1,6. Das bedeutet, daß sich die Provision des Vertriebsrepräsentanten um 60 % erhöht.
Der Betriebsrat der S… GmbH hat den Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 mit einem am 18. März 1985 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz angefochten. Er hat geltend gemacht, der Spruch der Einigungsstelle sei nichtig und dies mit Verfahrensfehlern der Einigungsstelle sowie damit begründet, der Spruch enthalte in einer Vielzahl von Regelungen Rechtsverstöße, und die getroffene Regelung überschreite die Grenzen des Ermessens der Einigungsstelle. Er hat beantragt
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle … vom 25. Februar 1985 nichtig ist,
hilfsweise,
den Beschluß den Einigungsstelle … vom 25. Februar 1985 aufzuheben,
- die S… GmbH zu verpflichten, den Spruch der Einigungsstelle … (vom 25. Februar 1985) nicht anzuwenden, insbesondere keine personellen Maßnahmen auf ihn zu stützen, und den bisherigen Provisions- und Prämienplan, gültig ab 1. Oktober 1981, weiter anzuwenden, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt wird.
Die S… GmbH hat die Abweisung dieser Anträge beantragt und den Spruch der Einigungsstelle als wirksame und angemessene Regelung verteidigt.
Das Arbeitsgericht hat am 22. Oktober 1985 festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 nichtig ist, den weitergehenden Antrag des Betriebsrats jedoch abgewiesen mit der Begründung, ein Spruch der Einigungsstelle, über dessen Wirksamkeit gestritten werde, sei bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Beschlusses im Betrieb weiter anzuwenden.
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hat zunächst die S… GmbH Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, die Abweisung auch des Feststellungsantrags des Betriebsrats zu erreichen. Der Betriebsrat hat Anschlußbeschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag, die S… GmbH zu verpflichten, den bisherigen Provisions- und Prämienplan weiter anzuwenden, weiter verfolgt. Er hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens den Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 zum 31. März 1986 gekündigt.
Das Landesarbeitsgericht hat am 7. Oktober 1986 die Beschwerde der S… GmbH mit der Begründung zurückgewiesen, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam, da die Regelung die Grenzen des Ermessens der Einigungsstelle überschreite. Die unselbständige Anschlußbeschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig verworfen. Es hat die Rechtsbeschwerde für beide Beteiligten zugelassen.
Mit Rücksicht auf die kurz nach der Verkündung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eingetretenen – oben dargestellten – betriebsverfassungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Änderungen haben der neu gebildete Gesamtbetriebsrat und die U… Deutschland GmbH Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eingelegt, mit der sie jeweils die vom Betriebsrat der S… GmbH bzw. der S… GmbH vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiterverfolgen.
Der Senat hat durch Zwischenbeschluß vom 18. Oktober 1988 (– 1 ABR 31/87 – AP Nr. 10 zu § 81 ArbGG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, daß die Rechtsbeschwerden des Gesamtbetriebsrats und der U… Deutschland GmbH sowie die Anträge des Gesamtbetriebsrats zulässig sind.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und des Arbeitgebers sind nicht begründet.
I. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seines Leistungsantrages durch das Arbeitsgericht zurückgewiesen.
1. Mit diesem Leistungsantrag begehrt der Betriebsrat einmal, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Provisionsplan 85 nicht anzuwenden, insbesondere keine personellen Maßnahmen auf ihn zu stützen. Dieser Antrag ist ein auf die Unterlassung einer Handlung gerichteter Antrag. Der Arbeitgeber soll es unterlassen, den Provisionsplan 85 anzuwenden und auf ihn personelle Maßnahmen zu stützen. Was mit den personellen Maßnahmen gemeint ist, die auf den Provisionsplan 85 gestützt werden, ist nicht ersichtlich. Darauf wird auch in der Antragsbegründung vom Betriebsrat nicht näher eingegangen. Die Frage kann dahingestellt bleiben. Wenn dem Arbeitgeber zu untersagen ist, den Provisionsplan 85 anzuwenden, ist ihm jede Handlung verboten, die sich als Anwendung des Provisionsplans 85 darstellt, gleichgültig ob dies eine “personelle Maßnahme” oder eine andere Maßnahme ist.
Dieser Unterlassungsanspruch ist unbegründet. Für die Vergangenheit kann eine Unterlassung nicht verlangt werden. Für die Zukunft besteht schon deswegen kein Anspruch auf Unterlassung der Anwendung des Provisionsplans 85 mehr, weil der Arbeitgeber seit dem 1. Januar 1988 nicht mehr den Provisionsplan 85, sondern den Provisionsplan vom 19. Mai 1987 anwendet.
2. Der Betriebsrat begehrt weiter, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Provisionsplan 81 weiter anzuwenden.
a) Trotz des weit gefaßten Wortlautes begehrt damit der Betriebsrat jedoch nicht, daß der Arbeitgeber verpflichtet wird, den Provisionsplan 81 auch jetzt noch und in Zukunft anzuwenden. Der Betriebsrat verlangt vielmehr, daß der Arbeitgeber den Provisionsplan 81 für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 zur Anwendung bringt. Das wird aus seiner Begründung deutlich. Der Betriebsrat hält den Provisionsplan 85 für unwirksam. Er nimmt daher folgerichtig an, daß der Provisionsplan 81 entweder kraft Gesetzes oder aufgrund seiner Bestimmung in § 3 Abs. 5 solange nachwirkt, bis für diesen Zeitraum ein neuer – gültiger – Provisionsplan vereinbart wird.
b) Auch dieser Anspruch des Betriebsrats ist nicht begründet.
aa) Der Senat hat wiederholt entschieden, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Betriebsvereinbarung so durchzuführen, wie sie abgeschlossen wurde. Der Betriebsrat habe einen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber Maßnahmen unterläßt, die gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen (Beschluß vom 10. November 1987 – 1 ABR 55/86 – BAGE 56, 313 = AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972; Beschluß vom 24. Februar 1987 – 1 ABR 18/85 – BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Beschluß vom 28. September 1988 – 1 ABR 41/87 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).
Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1987 war eine vom Betriebsrat beantragte Feststellung, daß nach einer Betriebsvereinbarung eine bestimmte Erholungszeit auf die Grundzeit aufzuschlagen sei. Der Senat hat diesem Feststellungsantrag stattgegeben und ausgeführt, daß der Betriebsrat verlangen könne, daß der Arbeitgeber entsprechend der in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelung verfährt. In der Entscheidung von 10. November 1987 hat der Senat einem Arbeitgeber aufgegeben, bestimmte Maßnahmen zur Überwachung eines mit dem Betriebsrat vereinbarten Alkoholverbots zu unterlassen, weil die Betriebsvereinbarung die zulässigen Überwachungsmaßnahmen abschließend geregelt und damit die vom Arbeitgeber praktizierte Überwachung durch Detektive verboten habe. In der Entscheidung vom 28. September 1988 hat der Senat einem Antrag des Betriebsrats stattgegeben, wonach dem Arbeitgeber aufgegeben werden sollte, entsprechend einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer einer bestimmten Arbeitsschicht zuzuweisen und sie nicht nach Bedarf zu beschäftigen.
In allen genannten Verfahren ging es darum, dem Arbeitgeber ein Verhalten aufzugeben, zu dem er nach dem Inhalt der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung verpflichtet war, bzw. ein Verhalten zu untersagen, das zu unterlassen er sich nach dem Inhalt der Betriebsvereinbarung verpflichtet hatte.
bb) Auch im vorliegenden Falle begehrt der Betriebsrat die Durchführung eines Spruchs der Einigungsstelle, was der Durchführung einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung gleichsteht. Gleichwohl sind die bislang entschiedenen Fallgestaltungen mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Was der Betriebsrat mit seinem Antrag begehrt, ist letztlich, die Verpflichtung des Arbeitgebers auszusprechen, die Provisionsansprüche der Vertriebsrepräsentanten für alle in der Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 abgeschlossenen Geschäfte nach dem Provisionsplan 81 zu berechnen und zur Auszahlung zu bringen. Geht man davon aus, daß im genannten Zeitraum die Vertriebsrepräsentanten Anspruch auf Provisionen haben, die sich nach dem Provisionsplan 81 bestimmen, so kann jeder Vertriebsrepräsentant seine Provisionsansprüche in entsprechender Höhe selbst – notfalls im Wege einer Klage – geltend machen. Diese individuelle Geltendmachung von Provisionsansprüchen nach dem Provisionsplan 81 will der Betriebsrat mit seinem Antrag entbehrlich machen. Die Fallgestaltung und die Zielsetzung des Antrages des Betriebsrats entsprechen daher der Fallgestaltung in einem Verfahren, über das der Senat am 10. Juni 1986 entschieden hat (– 1 ABR 59/84 – BAGE 52, 150 = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972). In diesem Verfahren hatte der Betriebsrat die Feststellung beantragt, daß der Arbeitgeber verpflichtet sei, an bestimmte Arbeitnehmer für bestimmte Arbeitsstunden einen Überstundenzuschlag zu zahlen. Der Senat ha diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß aus der Aufgabe des Betriebsrats, über die richtige Anwendung von tariflichen Vorschriften zu wachen, kein eigener Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber sich ergebe, Vorschriften eines Tarifvertrages zutreffend anzuwenden.
Die gleichen Erwägungen müssen gelten, wenn der Betriebsrat vom Arbeitgeber als “Durchführung einer Betriebsvereinbarung” die Erfüllung von durch die Betriebsvereinbarung normativ begründeten Ansprüchen einzelner Arbeitnehmer verlangt. Der Betriebsrat hat keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber, daß dieser solche normativ begründeten Ansprüche der Arbeitnehmer erfüllt.
Die Betriebsvereinbarung ist ebenso wie der Tarifvertrag ein Normenvertrag und kein schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter. Ebensowenig wie die Gewerkschaft einen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat, tarifvertraglich begründete Ansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen, steht dem Betriebsrat ein solcher Anspruch aus eigenem Recht zu. Die Bejahung eines solchen Anspruchs würde im Ergebnis bedeuten, daß Rechtsstreitigkeiten über solche Ansprüche der Arbeitnehmer, die in den Normen einer Betriebsvereinbarung ihre Grundlage haben, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgetragen werden. Der Individualrechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers würde auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert. Dem Betriebsrat käme die Rolle eines gesetzlichen Prozeßstandschafters für die Arbeitnehmer zu, wie sie etwa in § 25 HAG den Arbeitsbehörden des Landes für die in Heimarbeit Beschäftigten ausdrücklich zugewiesen worden ist. Daß auch dem Betriebsrat eine so weitgehende Befugnis eingeräumt werden sollte, kann weder § 77 Abs. 1 noch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entnommen werden. Gegen einen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung von normativ begründeten Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung sprechen daher die gleichen Erwägungen, aus denen heraus der Senat in seiner Entscheidung vom 10. Juni 1986 (aaO) einen eigenen Anspruch des Betriebsrats auf die zutreffende Anwendung von Tarifverträgen gegenüber den Arbeitnehmern verneint hat (Beschluß des Senats vom 17. Oktober 1989 – 1 ABR 75/88 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Betriebsrat kann daher nicht verlangen, daß der Arbeitgeber den Provisionsplan 81 für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 weiter zur Anwendung bringt. Damit ist seine Rechtsbeschwerde unbegründet.
II. Auch die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Spruch der Einigungsstelle die Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens überschreitet.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, daß die Ermessensüberprüfung eines Einigungsstellenspruchs die Frage zum Gegenstand hat, ob die durch den Spruch getroffene Regelung als solche die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt und zu einem billigen Ausgleich bringt, wobei diese Belange und auch diejenigen tatsächlichen Umstände, die das jeweilige Gewicht dieser Belange begründen, festzustellen sind (BAGE 40, 107 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Zutreffend ist auch der weiter vom Landesarbeitsgericht herangezogene Gesichtspunkt, daß bei dieser Überprüfung auch der Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts zu beachten ist, d.h., daß die getroffene Regelung in ihrem Ergebnis auch denjenigen Interessen Rechnung tragen muß, um deren Willen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Ausgehend von diesen Überlegungen ist das Landesarbeitsgericht in einer ausführlichen Begründung zu dem Ergebnis gelangt, daß die im Spruch der Einigungsstelle dem Arbeitgeber letztlich eingeräumte Möglichkeit, den Provisionssatz für den einzelnen Vertriebsrepräsentanten – wenn auch im Rahmen vorgegebener Grenzen – selbst unterschiedlich zu bestimmen, dem Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats widerspricht. Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung eines Entlohnungssystems sei die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und die Durchsichtigkeit und Einsehbarkeit des jeweiligen Entlohnungssystems. Diese Durchsichtigkeit und Einsehbarkeit lasse der Spruch der Einigungsstelle jedoch nicht erkennen, wenn für eine unterschiedliche Festsetzung des Provisionssatzes für jeden Vertriebsrepräsentanten Kriterien fehlten, anhand derer die Richtigkeit der Festsetzung des Provisionssatzes erkannt und gemessen werden könne.
2. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.
a) Das Landesarbeitsgericht hat erkannt, daß es sachliche Gründe gibt, die eine unterschiedliche Ausgestaltung der Provisionsformel für einzelne Vertriebsrepräsentanten oder Gruppen von ihnen erforderlich machen. Solche sind in der Tat vorhanden. Die Marktbedingungen für die Produkte des Arbeitgebers sind nicht in jedem Aufgabengebiet eines Vertriebsrepräsentanten gleich. Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung sind in einem ländlichen Raum schwerer und nur in geringerem Umfange zu verkaufen als in Industriegebieten oder Ballungsräumen des Dienstleistungsgewerbes, wo nicht nur ein Bedarf nach solchen Anlagen überhaupt, sondern auch ein Markt für Großanlagen mit einem hohen Auftragswert besteht. Diesen Besonderheiten trägt zunächst die Festsetzung einer Quote für jeden Vertriebsrepräsentanten Rechnung. Da die Zuweisung eines Aufgabengebietes Sache des Arbeitgebers ist, in den einzelnen Aufgabengebieten aber ein unterschiedlicher Markt anzutreffen ist, muß auch die Quote des einzelnen Vertriebsrepräsentanten den Marktverhältnissen entsprechend unterschiedlich bemessen werden. Ein Vertriebsrepräsentant mit einem ländlich strukturierten Aufgabengebiet kann nicht unter gleichem Arbeitseinsatz eine Quote von einer Million DM erarbeiten, wie dies einem Vertriebsrepräsentanten in einer Großstadt möglich ist. Gleichwohl muß dem Vertriebsrepräsentanten ein angemessenes Entgelt für seine Arbeit gezahlt werden, auch wenn diese Arbeit nur einen geringeren wirtschaftlichen Erfolg zur Folge hat. Der Gewährleistung eines angemessenen Entgelts für die geleistete Arbeit dient die Festsetzung des sogenannten Zieleinkommens. Die Überlegung hinsichtlich des Zieleinkommens kann dahin gehen, daß dieses für alle Vertriebsrepräsentanten gleich ist. In diesem Fall wäre für einen Vertriebsrepräsentanten mit einer geringen Quote ein hoher Provisionssatz und für einen Vertriebsrepräsentanten mit einer großen Quote ein geringer Provisionssatz festzusetzen. Ein gleicher Provisionssatz würde bei nahezu gleichem Arbeitseinsatz zu Unterschieden in der Provisionsvergütung führen, die nicht gerechtfertigt wären.
Die Festsetzung letztlich eines persönlichen Provisionssatzes für jeden Vertriebsrepräsentanten durch die Bestimmung der Größen “Quote” und “Zielprovision” dient daher der Regelung des Verhältnisses der möglichen Provisionsverdienste der einzelnen Vertriebsrepräsentanten zueinander und damit der Wahrung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit. Das aber ist Zweck und Inhalt des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich jeder betrieblichen Lohngestaltung (Beschluß des Senats vom 22. Dezember 1981, BAGE 37, 255 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, von da an in ständiger Rechtsprechung).
b) Diese Zielvorstellung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung eines Entlohnungssystems verfehlt die im Spruch der Einigungsstelle getroffene Regelung. Sie überläßt die Bestimmung dieses Verhältnisses allein dem Arbeitgeber. Die von den Betriebspartnern gemeinsam zu gestaltende innerbetriebliche Lohngerechtigkeit wird damit allein durch die Vorstellungen und Wertmaßstäbe des Arbeitgebers über ein angemessenes Verhältnis der Provisionen zueinander bestimmt. Damit hat die Einigungsstelle keine Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit geschaffen, sondern ihre Regelungsbefugnis auf den Arbeitgeber übertragen. Nicht ihre unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer getroffene Ermessensentscheidung (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG), sondern das Ermessen des Arbeitgebers gestaltet die mitbestimmungspflichtige Provisionsordnung in ihrem wesentlichen Kern. Auch mit dem Unterlassen einer eigenen Ermessensentscheidung überschreitet die Einigungsstelle die Grenzen ihres Ermessens.
Der Senat hat allerdings wiederholt ausgesprochen, daß eine durch Betriebsvereinbarung oder einen Spruch der Einigungsstelle geschaffene mitbestimmte Regelung dem Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – eine Freiheit einräumen kann, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahekommt, ohne damit gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu verstoßen (BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 51, 217 = AP Nr. 14 zu § 8 BetrVG 1972 Überwachung). Er hat in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1986 (– 1 ABR 11/85 – AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) jedoch schon darauf hingewiesen, daß ein solcher Spruch der Einigungsstelle die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschreiten kann. Nicht jede Regelung, die die Betriebspartner einvernehmlich treffen können, kann auch Inhalt des Spruchs einer Einigungsstelle sein. Die Einigungsstelle als im Verhältnis zu den Betriebspartnern “Dritter” muß bei der von ihr zu treffenden Regelung noch von dem jeweiligen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats einen angemessenen Gebrauch machen. Sie darf dieses Mitbestimmungsrecht nicht ignorieren oder ausschließen.
Aus ähnlichen Erwägungen hat der Senat auch in seiner Entscheidung vom 18. April 1989 (– 1 ABR 100/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgesprochen, daß die Tarifvertragsparteien durch Bestimmungen in einem Tarifvertrag Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz nur dadurch ausschließen können, daß sie die kraft Gesetzes mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regeln, nicht aber dadurch, daß sie das einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers wiederherstellen.
b) Die durch den Spruch der Einigungsstelle dem Arbeitgeber letztlich überlassene Bestimmung des Provisionssatzes des einzelnen Vertriebsrepräsentanten stellt auch nicht deswegen eine angemessene Regelung dar, weil die in den §§ 5 und 6 PP getroffenen Regelungen über die Festlegung der Zielprovision und der Quoten einige Vorgaben für diese Entscheidung des Arbeitgebers beinhalten.
Für die Zielprovision wird bestimmt, daß diese in der Regel 2 % der dem Vertriebsrepräsentanten übertragenen Quote, jedoch nicht weniger als 1,5 % dieser Quote betragen soll. Auch darf die Summe aller Zielprovisionen dividiert durch die Summe aller Quoten den Satz von 2 % nicht unterschreiten. Damit wird zwar das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Zielprovision in einem gewissen Umfange eingeschränkt, die zulässigen Abweichungen vom Regelsatz, die zu erheblichen Differenzen im Provisionseinkommen führen können, werden jedoch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen nicht näher konkretisiert. Insoweit heißt es nur, daß die Abweichung unter “Berücksichtigung besonderer Umstände” zulässig ist. Welche Umstände das sein sollen, wird nicht geregelt und ist auch sonst aus dem Provisionsplan nicht ersichtlich. Die vom Arbeitgeber nach § 5 PP festgesetzten Werte der Zielprovision schwanken zwischen rd. 1,5 und 2,5 %. Ein Vertriebsrepräsentant mit einer Zielprovision von 2,5 % erhält damit gegenüber einem solchen mit einer Zielprovision von 1,5 % einen um 66 % höheren Provisionssatz. Nicht näher konkretisierte “besondere Umstände” allein lassen eine so erhebliche Differenz nicht angemessen erscheinen.
Auch für die Zuweisung der persönlichen Quote wird lediglich bestimmt, daß sie sich in der Regel an der Durchschnittsquote der Berufsgruppe, der der Vertriebsrepräsentant angehört, orientieren soll. Auch die Möglichkeit des Vertriebsrepräsentanten, gegen die zugeteilte Quote Einspruch einzulegen, beschränkt die Befugnis des Arbeitgebers zur Festlegung der Quote nicht, zumal es wiederum an jeder Regelung darüber fehlt, unter Berücksichtigung welcher Umstände Arbeitgeber und Betriebsrat aufgetretene “Unstimmigkeiten” klären sollen.
Schließlich vermögen auch Gründe der Praktikabilität der Regelung die alleinige Befugnis des Arbeitgebers, den Provisionssatz des einzelnen Vertriebsrepräsentanten festzulegen, nicht zu rechtfertigen. Soll die Entscheidung des Arbeitgebers an sachlichen Kriterien orientiert sein und nicht allein in seinem Belieben stehen, so müssen dem Arbeitgeber diese Kriterien bekannt und einer Wertung zugänglich sein. Dann ist es aber nicht unmöglich oder unpraktikabel, diese Kriterien und ihre jeweilige Gewichtung zum Inhalt der normativen Regelung zu machen, so daß dem Arbeitgeber nur deren Vollziehung – wenn auch möglicherweise unter Einräumung eines gewissen Beurteilungsspielraums – verbleibt und der einzelne Vertriebsrepräsentant die Möglichkeit hat, anhand der getroffenen Regelung zu überprüfen, ob die Bestimmung seines Provisionssatzes zutreffend erfolgt ist.
3. Ist damit die in § 12 PP getroffene Bestimmung über die Provisionsformel unwirksam, so folgt daraus die Unwirksamkeit des gesamten Spruchs der Einigungsstelle. Die Provisionsformel stellt das Kernstück der getroffenen Regelung dar. Aus ihr ergibt sich die Höhe des Provisionssatzes des einzelnen Vertriebsrepräsentanten. Ohne eine gültige Provisionsformel verlieren die anderen Bestimmungen des Provisionsplans ihren Inhalt und ihren Sinn. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Provisionsplan auch in anderen Bestimmungen ermessensfehlerhaft ist oder gegen Rechtsvorschriften verstößt.
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers war daher zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Dr. Schmidt, Dr. Wohlgemuth
Fundstellen
Haufe-Index 873893 |
RdA 1990, 126 |