Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde. Aussetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts im Beschlussverfahren. Rechtsbeschwerde gegen Aussetzung im Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
Gegen einen Aussetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ist eine Rechtsbeschwerde nach § 90 Abs. 2, § 83 Abs. 5, § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO entgegen § 90 Abs. 3 ArbGG statthaft.
Orientierungssatz
1. Lässt das Landesarbeitsgericht gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG die Rechtsbeschwerde zu, ist diese trotz der gesetzlichen Regelung des § 90 Abs. 3 ArbGG, die ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts ausschließt, statthaft. Soweit der Gesetzgeber bei der Neukonzeption des Beschwerderechts der §§ 567 ff. ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 anders als für das Urteilsverfahren durch Aufhebung des § 70 ArbGG aF im Beschlussverfahren § 90 Abs. 3 ArbGG nicht angepasst hat, handelt es sich um ein Redaktionsversehen.
2. Aus einem Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG muss sich ergeben, für welchen Zeitpunkt eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften festgestellt werden soll sowie weiterhin, aus welchen Gründen sich vernünftige Zweifel am Vorliegen der jeweiligen Eigenschaft ergeben sollen und die Entscheidung allein von ihrem Vorliegen abhängt.
3. Wird die Wahl der Arbeitnehmervertreter zu einem Aufsichtsrat nach § 22 Abs. 1 MitbestG von mehreren Anfechtungsberechtigten iSd. § 22 Abs. 2 MitbestG angefochten, kann über die identischen Anträge aufgrund der bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 1 ZPO nur einheitlich entschieden werden. Infolge der erforderlichen einheitlichen Sachentscheidung kann die Klärung der Anfechtungsberechtigung für einzelne Antragsteller nicht dahinstehen.
Normenkette
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 4, §§ 78, 83 Abs. 5, § 90 Abs. 2-3, § 97 Abs. 1, 5; MitbestG § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 6; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. bis 5. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 2016 – 9 TaBV 240/15 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Aussetzung eines Wahlanfechtungsverfahrens.
Für den mitbestimmten Aufsichtsrat der Beteiligten zu 8. fanden am 27. März 2014 die Wahlen der sechs Arbeitnehmervertreter nach dem MitbestG statt. Dabei entfiel auf den Wahlvorschlag des zu 1. beteiligten DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) kein Sitz.
In einem bereits am 28. November 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg eingeleiteten Beschlussverfahren (– 1 BV 2/14 –) stellte dieses durch Beschluss vom 19. Juni 2015 fest, dass der DHV nicht tariffähig ist. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 4. Mai 2016 (– 5 TaBV 8/15 –) den Antrag zurück. Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig (– 1 ABR 37/16 –).
Nach Veröffentlichung des Ergebnisses der Aufsichtsratswahl am 23. April 2014 haben der DHV sowie die im Konzern der Beteiligten zu 8. beschäftigten Beteiligten zu 2. bis 5. mit am 6. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen die Wahl angefochten. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der gewählten Arbeitnehmer, Gewerkschaftsvertreter sowie deren Ersatzmitglieder und der betroffenen Gewerkschaften (Beteiligte zu 9. bis 16.) hat das Landesarbeitsgericht das Verfahren durch Beschluss vom 20. Oktober 2016 bis zur Erledigung des beim Bundesarbeitsgericht geführten Beschlussverfahrens (– 1 ABR 37/16 –) ausgesetzt. Hiergegen richten sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden des DHV und der Beteiligten zu 2. bis 5.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist zulässig.
a) Sie ist nach § 90 Abs. 2, § 83 Abs. 5, § 78 Satz 1 und 2 ArbGG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Zwar findet gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren – anders als im Urteilsverfahren – nach dem Wortlaut des § 90 Abs. 3 ArbGG kein Rechtsmittel statt. Diese Anordnung beruht aber auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers und ist infolge dessen außer Acht zu lassen.
aa) Durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (ZPO-RG, BGBl. I S. 1887) wurde das Beschwerderecht der Zivilprozessordnung neu konzeptioniert (BT-Drs. 14/4722 S. 68 ff.). Der Neuordnung des zivilprozessualen Beschwerderechts entsprechend wurde § 78 ArbGG angepasst (Art. 30 Nr. 15 ZPO-RG), um eine Anwendung der Vorschriften über das Beschwerderecht (§§ 567 ff. ZPO) auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren zu erreichen. Die Verweisung erfasst auch die Vorschriften der §§ 574 bis 577 ZPO über die Rechtsbeschwerde. Das zeigen die Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 14/4722 S. 139) und § 78 Satz 2 ArbGG (BAG 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – zu B I 1 b der Gründe, BAGE 105, 195). Über die Aufhebung von § 70 ArbGG aF (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) durch Art. 30 Nr. 10 ZPO-RG sollte gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden „nach dem im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 ZPO-E die Rechtsbeschwerde statthaft” sein, wenn sie zugelassen wurde (BT-Drs. 14/4722 S. 138). Damit wird im Urteilsverfahren des ArbGG ein Gleichlauf mit den Bestimmungen des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO erreicht. Die Rechtsbeschwerde ist auch dann eröffnet, wenn das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht eigene Erstentscheidungen trifft und die Rechtsbeschwerde zulässt (vgl. BAG 21. Juni 2006 – 3 AZB 65/05 – Rn. 9; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 78 Rn. 38 mwN).
bb) Für Beschlussverfahren ist aufgrund der Verweisung in § 90 Abs. 2, § 83 Abs. 5 ArbGG eine Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Landesarbeitsgericht über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts entscheidet (BAG 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – zu B I 1 b der Gründe, BAGE 105, 195).
cc) Die Rechtsbeschwerde ist entgegen dem Wortlaut von § 90 Abs. 3 ArbGG auch dann eröffnet, wenn sie sich gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts iSd. § 78 Satz 1 ArbGG richtet. Soweit § 90 Abs. 3 ArbGG bestimmt, dass ein Rechtsmittel insoweit nicht stattfindet, liegt – wie aus dem Regelungsplan, dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang und den Gesetzesmaterialien folgt – ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vor (so GK-ArbGG/ Ahrendt Stand Dezember 2016 § 90 Rn. 21; GWBG/Greiner ArbGG 8. Aufl. § 90 Rn. 10; B. Kaiser DB 2002, 324, 325; ErfK/Koch 17. Aufl. § 90 ArbGG Rn. 1; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2016 ArbGG § 90 Rn. 5; aA Schwab/Weth/Busemann 4. Aufl. ArbGG § 90 Rn. 28a; Görg in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 90 Rn. 4; wohl auch NK-GA/Breinlinger § 90 ArbGG Rn. 7; GMP/Matthes/Schlewing 8. Aufl. § 90 Rn. 13 mwN; offengelassen in BAG 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – zu B I 1 b der Gründe, BAGE 105, 195; BVerwG 8. März 2010 – 6 PB 47/09 – Rn. 11 ff.).
(1) Der erkennbare Regelungsplan des Gesetzgebers bei der Neufassung des Beschwerderechts sieht vor, durch die Einführung einer Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO „auch in Beschwerdesachen Fragen grundsätzlicher Bedeutung einer Klärung” durch das Rechtsbeschwerdegericht zuzuführen und damit neben dem Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung „den Rechtsmittelzug in Nebenentscheidungen dem Hauptsacherechtsmittelzug” anzupassen und Ausnahmeregelungen überflüssig zu machen (BT-Drs. 14/4722 S. 116). Dem ist der Gesetzgeber für die Gerichte für Arbeitssachen durch Aufhebung des § 70 ArbGG aF nachgekommen. Er hat allerdings übersehen, den für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren maßgebenden § 90 Abs. 3 ArbGG entsprechend anzupassen. Dessen uneingeschränkte Anwendung hätte zur Folge, dass entgegen des beabsichtigten Regelungsziels das Bundesarbeitsgericht als Rechtsbeschwerdegericht „seine Funktion als Wahrer der Rechtseinheitlichkeit und Rechtsfortbildung auf allen Rechtsgebieten” (so zur Einführung der Rechtsbeschwerde BT-Drs. 14/4722 S. 116) im Rahmen eines Beschlussverfahrens nach § 2a ArbGG lediglich bei Entscheidungen des Arbeitsgerichts iSd. § 78 Satz 1 ArbGG wahrnehmen kann. Demgegenüber wäre – anders als im Urteilsverfahren – im Beschlussverfahren bei entsprechenden Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts eine Rechtsbeschwerde nicht statthaft. Die Rechtsbeschwerde würde für den Bereich der arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren keine bundeseinheitliche Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen für alle prozessualen Rechtsfragen gewährleisten.
(2) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber entgegen seinem verlautbarten Regelungsplan für das Beschlussverfahren hiervon Abstand nehmen wollte, soweit es sich um Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts iSd. § 78 Satz 1 ArbGG handelt, sind den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Sie können auch nicht aus dem Umstand gefolgert werden, der Gesetzgeber habe im Rahmen des ZPO-RG im Regelungsbereich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nur Änderungen in § 83 Abs. 1a, §§ 87, 89 und § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vorgenommen. Es fehlt an Hinweisen für die weitergehende Annahme, er habe sich damit bewusst auf diese beschränkt, zumal sich die angeführten Gesetzesänderungen für das Beschlussverfahren nicht mit dem Beschwerderecht der §§ 567 ff. ZPO nF befassen.
(3) Ebenso sprechen die zeitlich nach dem ZPO-RG erfolgten Änderungen nicht deshalb gegen ein Redaktionsversehen, weil der Gesetzgeber es bisher unterlassen hat, § 90 Abs. 3 ArbGG aufzuheben (aA Schwab/Weth/Busemann 4. Aufl. ArbGG § 90 Rn. 28a; Görg in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 90 Rn. 4). Eine solche Wertung wäre geboten, sofern sich der Gesetzgeber mit der Regelung und deren Auswirkungen für das Beschwerderecht im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens befasst hätte. Das ist nicht der Fall. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348) oder dem Gesetz zur Tarifeinheit (vom 3. Juli 2015, BGBl. I S. 1130). Durch das erstgenannte Gesetz wurde für das neue besondere Beschlussverfahren des § 98 ArbGG zwar in dessen Abs. 3 Satz 1 ua. die Vorschrift des § 90 Abs. 3 ArbGG für entsprechend anwendbar erklärt. Damit sollten aber lediglich die allgemeinen Vorschriften des Beschlussverfahrens auch in dem Verfahren nach § 98 ArbGG gelten, soweit nicht Besonderheiten des Streitgegenstands Rechnung zu tragen war (BT-Drs. 18/1558 5. 45). Gleiches gilt für das weitere besondere Beschlussverfahren des § 99 ArbGG, das durch das Tarifeinheitsgesetz in das ArbGG eingefügt wurde. Auch dort soll durch die Verweisung in § 99 Abs. 2 ArbGG lediglich die entsprechende Geltung der „allgemeinen Vorschriften des Beschlussverfahrens” angeordnet werden (BT-Drs. 18/4062 S. 16).
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Unschädlich ist, dass die Rechtsbeschwerden des DHV und der Beteiligten zu 2. bis 5. bereits am 8. November 2016 beim Bundesarbeitsgericht und damit vor Zustellung des in schriftlicher Form abgefassten Aussetzungsbeschlusses eingelegt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Rechtsbehelf schon vor Zustellung wirksam eingelegt werden, sofern die anzufechtende Entscheidung bereits in der Welt ist (BAG 29. Oktober 2007 – 3 AZB 25/07 – Rn. 4 mwN). Dies war für den anzufechtenden Beschluss mit seiner Verkündung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 ZPO am 20. Oktober 2016 der Fall.
2. Die Rechtsbeschwerde des DHV und der Beteiligten zu 2. bis 5. ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Wahlanfechtungsverfahren nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG zu Recht ausgesetzt.
a) Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ua. auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Über die Eigenschaft der Tariffähigkeit einer Vereinigung soll in einem objektivierten Verfahren, in dem die jeweils beteiligten Personen und Stellen anzuhören sind (§ 97 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 3 ArbGG), einheitlich mit Wirkung gegenüber jedermann entschieden werden. Zu den formellen Voraussetzungen eines Aussetzungsbeschlusses, der die Grundlage für das nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG einzuleitende Beschlussverfahren bildet, gehören neben der Darlegung begründeter Zweifel am Fehlen einer der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften auch die Begründung deren Entscheidungserheblichkeit (vgl. BAG 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12 – Rn. 9).
b) Das Landesarbeitsgericht hat die formellen Voraussetzungen eines Aussetzungsbeschlusses hinreichend dargelegt.
aa) Das Landesarbeitsgericht will für den Zeitpunkt des Eingangs des Wahlanfechtungsantrags des DHV am 6. Mai 2014 dessen Eigenschaft als Gewerkschaft, verstanden als Tariffähigkeit iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1 ArbGG geklärt wissen.
bb) Das Landesarbeitsgericht konnte auch davon ausgehen, dass für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG vernünftige Zweifel am Vorliegen der Tariffähigkeit (zu diesem Erfordernis BAG 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12 – Rn. 14) des DHV und damit der Gewerkschaftseigenschaft iSd. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 MitbestG bestehen. Dazu hat sich das Landesarbeitsgericht auf das am 28. November 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg eingeleitete Beschlussverfahren zur Klärung der Tariffähigkeit des DHV berufen (ArbG Hamburg 19. Juni 2015 – 1 BV 2/14 –). Eine rechtskräftige Entscheidung über dieses derzeit beim Senat anhängige Verfahren (– 1 ABR 37/16 –) steht noch aus.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Entscheidungserheblichkeit der von ihm als maßgebend angesehenen Vorfrage einer Tariffähigkeit des DHV ausreichend begründet.
(1) Eine Entscheidungserheblichkeit iSd. § 97 Abs. 5 ArbGG liegt dann vor, wenn der im ausgesetzten Verfahren geltend gemachte prozessuale Anspruch ausschließlich vom Vorliegen der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit der Vereinigung abhängt. Eine Aussetzung hat deshalb zu unterbleiben, wenn über den erhobenen Anspruch ohne die Klärung der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften entschieden werden kann (vgl. BAG 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 5, BAGE 142, 366).
(2) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für eine Sachentscheidung die Antragsbefugnis des DHV für einen Anfechtungsantrag nach § 22 Abs. 1 MitbestG nicht dahinstehen kann. Ob der DHV eine nach § 16 Abs. 2 MitbestG vorschlagsberechtigte und damit nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 MitbestG antragsberechtigte Gewerkschaft ist, beurteilt sich nach dessen Tariffähigkeit. Aufgrund der aus prozessualen Gründen notwendigen Streitgenossenschaft zwischen dem DHV und den weiteren Antragstellern ist eine einheitliche Sachentscheidung erforderlich. Deshalb kann bei einem im Übrigen zulässigen Antrag die Tariffähigkeit des DHV nicht dahinstehen. Auch scheidet eine Verfahrenstrennung aus.
(3) Ist eine Wahl von Arbeitnehmervertretern in einen Aufsichtsrat durch unterschiedliche Antragsteller und der damit bestehenden subjektiven Antragshäufung angefochten, liegt eine – auch im Beschlussverfahren mögliche – notwendige Streitgenossenschaft iSd. § 62 Abs. 1 ZPO vor. Über die identischen Anträge kann im Rahmen einer notwendigen Streitgenossenschaft nur einheitlich entschieden werden. Die einzelnen Prozessvoraussetzungen sind jedoch für sämtliche Antragsteller getrennt zu prüfen (BAG 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 32 mwN, BAGE 136, 302).
(4) Über den innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 22 Abs. 2 Satz 2 MitbestG eingegangenen Antrag des DHV kann eine Sachentscheidung erst ergehen, wenn dessen Antragsbefugnis geklärt ist. Bei der gesetzlich eingeräumten Antragsbefugnis nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 MitbestG müssen deren Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Begründetheit des Anfechtungsbegehrens feststehen (vgl. BAG 20. April 2010 – 1 ABR 85/08 – Rn. 10 f., BAGE 134, 56).
(a) Antragsbefugt für die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist der DHV, wenn er bei Eingang des Anfechtungsantrags eine Gewerkschaft und damit tariffähig iSd. § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG war. Damit kann über seinen Antrag – gemeinsam mit den zulässigen Anträgen der nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestG weiteren anfechtungsberechtigten Beteiligten zu 2. bis 5. – erst befunden werden, wenn über dessen Tariffähigkeit in dem vor dem Senat anhängigen Verfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Der Antrag kann infolge dessen weder als unzulässig abgewiesen, was eine Sachentscheidung gegenüber den anderen Antragstellern erlauben würde, noch kann eine Sachentscheidung über ihn getroffen werden. Sollte der Antrag zulässig sein, müsste gegenüber sämtlichen Antragstellern zwingend eine einheitliche gerichtliche Sachentscheidung als Gestaltungsentscheidung (WKS/ Wißmann 5. Aufl. MitbestG § 22 Rn. 56 mwN) ergehen. Das Verfahren kann daher nicht lediglich in Bezug auf den Antragsteller DHV ausgesetzt werden.
(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde würde eine rechtskräftige Entscheidung über die Tariffähigkeit des DHV in dem beim Senat anhängigen Verfahren nicht ohne Weiteres dazu führen, dass dessen Gewerkschaftseigenschaft erst ab Rechtskraft dieser Entscheidung entfallen würde und deshalb für die Zulässigkeit des Wahlanfechtungsantrags ohne Bedeutung sein. In zeitlicher Hinsicht umfasst der Antrag, über den das Arbeitsgericht Hamburg entschieden hat, die Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit des DHV ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift am 16. Dezember 2013 und damit vor Einreichung des Wahlanfechtungsantrags.
Unterschriften
Schmidt, K. Schmidt, Treber
Fundstellen
Haufe-Index 10685191 |
BAGE 2017, 315 |
DB 2017, 7 |