Entscheidungsstichwort (Thema)
13. Monatseinkommen - Gleichbehandlung von Angestellten und Arbeitern
Leitsatz (redaktionell)
Differenziert eine tarifliche Regelung über die Zahlung eines 13. Monatseinkommens zwischen Arbeitern und Angestellten, indem sie nur für die Arbeiter eine Kürzung des 13. Monatseinkommens bei Fehltagen vorsieht, so verstößt eine Betriebsvereinbarung, die diese Unterscheidung aufnimmt, nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Fortführung der Entscheidung des Senats vom 19. April 1995 - 10 AZR 136/94 - NZA 1996, 133).
Normenkette
BGB §§ 242, 611; BetrVG § 75
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 1991.
Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten als Baufachwerker mit einem Stundenlohn von 19,21 DM brutto beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern, davon ca. 50 Angestellte und ca. 350 gewerbliche Arbeitnehmer. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.
Die Beklagte zahlte ihren gewerblichen Arbeitnehmern (im folgenden: Arbeiter) seit mehreren Jahren zum Jahresende ein "13. Monatseinkommen". Während diese Zahlung in den früheren Jahren ohne nähere Vereinbarung erfolgte, liegt der Zahlung des 13. Monatseinkommens seit dem Jahre 1990 eine Betriebsvereinbarung vom 12. November 1990 zugrunde. Nach § 4 Abs. 1 dieser Betriebsvereinbarung beträgt das volle 13. Monatseinkommen im Jahre 1991 156 Stundenlöhne. Weiter schreibt § 4 Abs. 2 zur Höhe des 13. Monatseinkommens vor:
"Von dem nach Nr. 1 berechneten Teil eines
13. Monatseinkommens werden Tage "fehlt unent-
schuldigt" pro Tag mit zwei Stunden ... in Abzug
gebracht.
Übrige Fehltage ... werden in Abstimmung mit dem
Betriebsrat mit 1/2 bis 2 Stunden pro Tag ... in
Abzug gebracht.
Bei der Berechnung der Fehltage werden Kranktage
vom 01.11. des Vorjahres bis zum 31.10. des lau-
fenden Jahres erst wenn sie 10 Tage übersteigen
... in Abzug gebracht."
Für die Errechnung der Abzüge hat die Beklagte, nach ihrer Behauptung in Abstimmung mit dem Betriebsrat, am 5. Dezember 1990 eine Anweisung herausgegeben, in der es u.a. heißt:
"Die Abzüge bei der Errechnung des Teiles eines
13. Monatseinkommens für gewerbliche Mitarbeiter
werden wie folgt ermittelt:
1. Unter 10 Kranktage = kein Abzug
von 11 bis 20 Kranktage = 1/2 Stunde pro
Tag (1-10 Tage)
von 21 bis 30 Kranktage = 1 Stunde
(11 bis 20 Tage)
über 30 Kranktage = 2 Stunden
(über 20 Tage)
..."
Die Angestellten der Beklagten erhalten ein 13. Monatseinkommen nach von der Beklagten in einem Schreiben vom 29. Januar 1991 einheitlich aufgestellten Grundsätzen. Eine Kürzung des 13. Monatseinkommens wegen krankheitsbedingter und sonstiger Fehlzeiten sehen diese Grundsätze nicht vor.
Der Kläger war im Jahr 1991 an 88 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat daher nach § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung diese Zeiten anspruchsmindernd bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens berücksichtigt und deshalb kein 13. Monatseinkommen an den Kläger gezahlt.
Der Kläger ist der Auffassung, der Anspruch auf das volle 13. Monatseinkommen stehe ihm wegen jahrelanger vorbehaltloser Zahlung durch die Beklagte aus betrieblicher Übung zu. Da es außerdem eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Arbeiter gegenüber den Angestellten darstelle, wenn lediglich bei den Arbeitern krankheitsbedingte Fehlzeiten anspruchsmindernd berücksichtigt würden, habe er jedenfalls einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.996,00 DM
brutto mit 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit
22. Februar 1992 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ein Anspruch auf das 13. Monatseinkommen aus einer betrieblichen Übung stehe dem Kläger nicht zu, da dieses in der Vergangenheit stets mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit verbunden gezahlt worden sei. Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da auch die Tarifverträge für das Baugewerbe beim 13. Monatseinkommen für die Arbeiter einerseits und die Angestellten andererseits unterschiedliche Regelungen enthielten. Auch die tarifvertragliche Regelung sehe die anspruchsmindernde Berücksichtigung krankheitsbedingter Ausfalltage bei den Arbeitern vor. Die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Arbeiter gegenüber den Angestellten folge auch daraus, daß die Arbeiter anders als die Angestellten der Witterung ausgesetzt seien, die Fluktuation unter den Angestellten gering und der Krankenstand der Angestellten niedrig sei. Die Anrechnung von Krankheitstagen auf die Sondervergütung der Arbeiter solle dafür sorgen, daß diese mit ihrer Gesundheit sorgsam umgingen, insbesondere die zur Verfügung gestellte Sicherheits- und Schutzkleidung auch benutzten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat für das Jahr 1991 keinen Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatseinkommens.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf die ungekürzte Zahlung eines 13. Monatseinkommens, da die Beklagte nicht berechtigt sei, die Sonderzahlung wegen krankheitsbedingter Ausfallzeiten des Klägers entsprechend der Betriebsvereinbarung vom 12. November 1990 zu kürzen. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf die Sonderzahlung aus betrieblicher Übung, da die Auszahlung der Sonderleistung stets unter dem Vorbehalt der Einmaligkeit und Freiwilligkeit erfolgt sei. Eine betriebliche Übung vorbehaltloser Zahlungen sei auch nicht ersichtlich. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des 13. Monatseinkommens folge jedoch aus der Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Kürzungsregelung im § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung stelle eine Diskriminierung der Arbeiter dar. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, die von einer Anwesenheitsprämie ausgehende Anreizfunktion nur in bezug auf die Arbeiter zu verwirklichen, nicht jedoch für die Angestellten. Der einzelne arbeitsunfähig erkrankte Arbeiter werde dadurch gegenüber einem Angestellten mit entsprechendem Umfang krankheitsbedingter Fehlzeit grundlos schlechter gestellt. Der Kläger könne daher die ungekürzte Leistung nach der Betriebsvereinbarung beanspruchen. Diese sei zwar wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG rechtsunwirksam, da die Beklagte aber die Leistungen aus der Betriebsvereinbarung erbracht habe, könne sie den Kläger hiervon nicht ausnehmen.
Dieser Begründung vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des 13. Monatseinkommens für das Jahr 1991.
1. Der Anspruch des Klägers kann nicht auf eine betriebliche Übung gestützt werden.
Eine betriebliche Übung entsteht nicht, wenn die Leistung unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Widerruflichkeit bzw. unter Ausschluß eines Rechtsanspruchs erfolgt. Das ist vorliegend geschehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht haben die Parteien bestätigt, daß bis einschließlich des Jahres 1989 bei der Auszahlung der "Weihnachtsgratifikation" üblicherweise ein Freiwilligkeits- und Rückzahlungsvorbehalt erklärt worden sei. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, hätte der Kläger daher im einzelnen darlegen und aufgrund des Bestreitens der Beklagten beweisen müssen, daß gerade ihm gegenüber die Leistung vorbehaltlos erfolgt sei. Eine betriebliche Übung wird durch einen kollektiven Tatbestand gekennzeichnet, so daß für sie im vorliegenden Fall die üblicherweise unter dem Vorbehalt erfolgte Zahlung und das daraus resultierende gleichförmige Verhalten der Beklagten kennzeichnend ist.
Im übrigen hat der Kläger auch in den Jahren vor 1990 stets eine im Hinblick auf Fehltage gekürzte Zuwendung erhalten.
2. Der Tarifvertrag über das 13. Monatseinkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe vom 27. April 1990 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Beklagte nicht tarifgebunden ist und dieser Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde.
3. Auf die Betriebsvereinbarung vom 12. November 1990 kann der Kläger seinen Klageanspruch nicht stützen. Diese Betriebsvereinbarung ist, auch soweit sie eine Kürzung des 13. Monatseinkommens wegen krankheitsbedingter Fehltage vorsieht, wirksam.
a) Die Betriebsvereinbarung verstößt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Der hier geregelte Tarifvorbehalt gilt nicht für Betriebsvereinbarungen über Angelegenheiten, die nach § 87 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen (BAG Beschluß vom 24. Februar 1987, BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972). Gewährt der Arbeitgeber eine freiwillige Leistung, so hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich der näheren Ausgestaltung dieser freiwilligen Leistung mitzubestimmen. Das ist mit der Betriebsvereinbarung vom 12. November 1990 geschehen. Dieses Mitbestimmungsrecht wurde durch den Tarifvertrag über das 13. Monatseinkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe nicht ausgeschlossen, da diese Regelung mangels Tarifbindung der Beklagten für deren Betrieb nicht galt.
b) Eine Regelung wie in § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung, die eine Kürzung des 13. Monatseinkommens für krankheitsbedingte Fehlzeiten vorsieht, ist zulässig.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. Oktober 1994 (- 10 AZR 482/93 - AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie) entschieden, daß eine Betriebsvereinbarung wirksam ist, nach der eine vom Arbeitgeber freiwillig gewährte Gratifikation durch Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und sonstige Fehlzeiten gemindert werden kann, und zwar auch dann, wenn krankheitsbedingte Fehlzeiten berücksichtigt werden, für die dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Es steht den Betriebspartnern frei, im einzelnen zu bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollen. Eine Sonderzahlung kann nach der Dauer der tatsächlichen Arbeitsleistung im Betrieb bemessen werden und daher diejenigen Zeiten außer Betracht lassen, in denen es an einer tatsächlichen Arbeitsleistung fehlt, soweit der Arbeitgeber nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes für eine solche Zeit verpflichtet ist. Es ist ein sachlicher, die Differenzierung rechtfertigender Grund, wenn zusätzliche Entgeltleistungen danach bemessen werden, in welchem Umfang der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat.
Auch die Kürzung des 13. Monatseinkommens um 1/2 bis 2 Stunden je Fehltag, wobei zehn Krankheitstage unberücksichtigt bleiben, liegt im Beurteilungsspielraum der Betriebspartner. Den Betriebspartnern steht nach der Entscheidung des Senats vom 26. Oktober 1994 hinsichtlich der Bewertung der Interessen des Betriebes und der Arbeitnehmer bei ihrer Regelung ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Zweck der in § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung getroffenen Regelung ist es, dem Arbeitnehmer einen Anreiz zu bieten, die Zahl seiner - berechtigten oder unberechtigten - Fehltage im Bezugszeitraum möglichst gering zu halten, indem jeder Fehltag zum Verlust eines Teils der Sonderzahlung führt. Von dieser Zwecksetzung her müssen einer solchen Regelung, soll sie ihren Zweck erreichen, Überlegungen zugrunde liegen, wie hoch der finanzielle Anreiz sein muß, damit der Arbeitnehmer sich auch veranlaßt sieht, die Zahl seiner Fehltage zu verringern, und welches Interesse der Arbeitgeber an der Verminderung der Fehltage hat, das es rechtfertigt, den Aufwand einer Sonderzahlung zur Erreichung des Zwecks einzusetzen. Diese Überlegung anzustellen ist Sache der Betriebspartner. Sie sind in der Lage, angesichts der konkreten betrieblichen Situation die widerstreitenden Interessen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers und die für die Arbeitnehmer gerade dieses Betriebes bestehenden Gefahren tatsächlich zu erkennen und zu bewerten. Die vorstehende Regelung, nach der erst 88 Fehltage zum gänzlichen Wegfall des Anspruchs auf das 13. Monatseinkommen führen, läßt eine unvertretbare Wertung dieser Interessen nicht erkennen. Der Sechste Senat hat in seiner Entscheidung vom 15. Februar 1990 (BAGE 64, 179 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie) schon eine Regelung für interessengerecht angesehen, nach der die Sonderzahlung für jeden Fehltag um 1/60 gekürzt wird.
c) Die Kürzungsregelung in § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung ist auch nicht deswegen unwirksam, weil das 13. Monatseinkommen für die Angestellten nicht durch Fehltage gekürzt wird.
Zwar sind die Betriebspartner bei ihrer Regelung nach § 75 BetrVG gehalten, die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu beachten, zu denen insbes. der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gehört, die getroffene Regelung verstößt jedoch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwehrt der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen (BAGE 49, 346 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 86 = AP Nr. 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip Leistungen, so muß er die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, daß kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (BAG Urteile vom 6. Oktober 1993 - 10 AZR 450/92 - AP Nr. 107 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vom 12. Januar 1994 - 5 AZR 6/93 - AP Nr. 112 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Nach diesen Grundsätzen ist die unterschiedliche Behandlung der Arbeiter und Angestellten bei der Berücksichtigung von Fehlzeiten für das von der Beklagten freiwillig gezahlte 13. Monatseinkommen sachlich gerechtfertigt.
aa) Diese unterschiedliche Behandlung findet ihre sachliche Rechtfertigung zunächst darin, daß die Arbeiter der Beklagten erheblich höhere krankheitsbedingte Fehlzeiten haben als die Angestellten. Nach der vom Kläger nicht bestrittenen Aufstellung der Beklagten stellen sich die krankheitsbedingten Fehltage der Arbeiter und Angestellten wie folgt dar:
Krankheitstage Angestellte Gewerbliche Arbeitnehmer
Anzahl Prozent Anzahl Prozent
-----------------------------------------------------------------
49 100,-- 347 100,--
0 Tage 38 77,56 87 25,8
1 - 5 Tage 4 8,16 39 11,24
6 - 10 Tage 2 4,08 36 10,37
11 - 30 Tage 3 6,12 108 31,12
über 30 Tage 2 4,08 77 22,19
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. April 1995 (- 10 AZR 136/94 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgesprochen, daß es sachlich gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitgeber aufgrund erheblicher Unterschiede in den krankheitsbedingten Ausfallzeiten - und daraus folgend auch der Kosten für die Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle - die Berücksichtigung der krankheitsbedingten Fehlzeiten bei der Jahressonderzahlung in unterschiedlicher Weise vornimmt. Daran hält der Senat fest.
bb) Dem steht auch nicht entgegen, daß gerade im Baugewerbe das Risiko, arbeitsunfähig zu erkranken, für die Arbeiter infolge der Witterungsbedingungen und der erhöhten Unfallgefahr ungleich größer ist als für die Angestellten.
Auch die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben trotz der ihnen sicherlich bekannten unterschiedlichen Krankheitsrisiken bei der tariflichen Regelung des 13. Monatseinkommens für die Angestellten und Arbeiter Regelungen getroffen, nach denen sich krankheitsbedingte Fehlzeiten auf das 13. Monatseinkommen der Angestellten nicht auswirken, krankheitsbedingte Fehlzeiten ohne Entgeltfortzahlung den Anspruch des Arbeiters auf das 13. Monatseinkommen jedoch mindern oder vom Grundsatz her ganz ausschließen könnten, wenn nicht ein 13. Monatseinkommen in Höhe von mindestens 102 Stundenlöhnen garantiert wäre. Auch diese Garantie soll künftig entfallen, wenn es im Bezugszeitraum an einer nennenswerten tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers fehlt.
Dafür, daß die Tarifvertragsparteien für diese unterschiedliche Behandlung der Arbeiter und Angestellten sachliche Gründe hatten, ist auszugehen. Es ist Ausfluß der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten Tarifautonomie, wenn die Tarifvertragsparteien bei ihrer Regelung darüber entscheiden, in welcher Weise sie dem begründeten Interesse des Arbeitgebers an der Verringerung auch unverschuldeter Fehlzeiten einerseits und dem Interesse der Arbeitnehmer an einer nicht durch Krankheitszeiten gekürzten Sonderleistung andererseits Rechnung tragen. Sie können dabei auch Gründe der Praktikabilität berücksichtigen und in ihre Überlegungen miteinbeziehen, daß auch Arbeitsentgelt, das nicht unmittelbar arbeitsleistungsbezogen ist, letztlich durch tatsächliche Arbeitsleistung erarbeitet sein muß. Haben daher die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer Tarifautonomie in sachlich begründbarer Weise zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden, so kann auch eine betriebliche Regelung, die die Grundsätze der tariflichen Regelung aufgreift, nicht gegen § 75 BetrVG verstoßen, auch wenn sie in Einzelheiten anders ausgestaltet ist als die tarifliche Regelung.
Nach allem waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Matthes Dr. Freitag Böck
Thiel Tirre
Fundstellen
BB 1996, 1383 |
BB 1996, 1383-1385 (LT1) |
BB 1996, 540 |
DB 1996, 2342-2343 (LT1) |
DStR 1996, 1215 (K) |
DRsp, VI(608) 234a (LT1) |
ARST 1996, 79-80 (LT1) |
EEK, I/1179 (ST1-3) |
EWiR 1996, 587 (L1) |
NZA 1996, 531 |
NZA 1996, 531-533 (LT1) |
Quelle 1996, Nr 9, 24 (L1) |
ZAP, EN-Nr 359/96 (S) |
ZIP 1996, 928 |
ZIP 1996, 928-931 (LT1) |
AP § 611 BGB Gratifikation (LT1), Nr 186 |
AP § 75 BetrVG 1972 (L1), Nr 33 |
EzA-SD 1996, Nr 5, 15-16 (LT1) |
EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr 68 (LT1) |
ZfPR 1996, 198 (L) |