Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang - Befristeter Arbeitsvertrag bei einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zuweisung eines Arbeitnehmers im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme enthält gegenüber dem Arbeitgeber auch die bindende Feststellung, daß der zugewiesene Arbeitnehmer die persönlichen Förderungsvoraussetzungen nach § 93 Abs 1 AFG erfüllt.
2. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie darauf abzielt, den durch § 613a BGB bezweckten Bestandsschutz bei rechtsgeschäftlichen Betriebsübergängen zu vereiteln.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis infolge Befristung am 31. März 1993 geendet hat.
Die Klägerin war seit August 1971 zunächst als Pionierleiterin und ab 1976 als pädagogische Mitarbeiterin bei dem Rat des Kreises F im Haus der Jungen Pioniere in Bad F - beschäftigt. Mit Formschreiben vom 21. Dezember 1990 teilte die Kreisverwaltung auf Veranlassung des Brandenburgischen Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport der Klägerin unter Hinweis auf den Einigungsvertrag mit, daß ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 ruhe und mit dem 30. Juni 1991 ende, weil ihre Beschäftigungseinrichtung abgewickelt werde. Dennoch wurde die Klägerin bis zum 30. Juni 1991 weiterbeschäftigt und vergütet.
In dem Haus der Jungen Pioniere - seit Februar 1991 Haus der Freizeit - betreibt die Beklagte seit dem 1. Juli 1991 eine offene Jugendeinrichtung und eine Musikschule. Im Hinblick darauf beantragte sie im Februar 1991 bei dem zuständigen Arbeitsamt eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) für Betreuungspersonal. Diese wurde mit Bescheid vom 9. März 1991 zunächst bezogen auf fünf Arbeitskräfte für den Zeitraum vom 18. März 1991 bis zum 17. März 1993 bewilligt. Zugleich wurde die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 1991 ab diesem Zeitpunkt bis zum 17. März 1993 in diese ABM eingewiesen. Daraufhin schlossen die Parteien am 28. Juni 1991 beginnend mit dem 1. Juli 1991 einen bis zum 17. März 1993 befristeten Arbeitsvertrag, mit dem die Klägerin als vollzeitbeschäftigte Zeitangestellte nach der Vergütungsgruppe VI b BAT eingestellt wurde.
Im Oktober 1992 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, daß ihr Arbeitsverhältnis mit Fristablauf zum 17. März 1993 ende. Nachdem das Arbeitsamt am 19. März 1993 den Beginn des ursprünglichen Förderungszeitraums für die ABM auf den 1. April 1991 verschoben und danach eine Förderungszeit bis zum 31. März 1993 errechnet hatte, verlängerten die Parteien das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt durch die Vereinbarung vom 19. März 1993.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Beschäftigungseinrichtung sei nicht abgewickelt, sondern von der Beklagten fortgeführt worden. Es habe lediglich ein Trägerwechsel stattgefunden; ihr Tätigkeitsbereich sei unverändert geblieben. Das mit dem Rat des Kreises begründete Arbeitsverhältnis sei demzufolge auf die Beklagte übergegangen. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs sei ihr Arbeitsverhältnis unbefristet gewesen. Die Abwicklungsentscheidung sei rechtswidrig. Die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, es fehle an einem sachlichen Grund.
Die Klägerin hat (soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung) beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien unbefristet über den 31. März 1993
hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie betreibe seit dem 1. Juli 1991 im Haus der Freizeit eine neugeschaffene offene Jugendfreizeiteinrichtung. Das Haus der Jungen Pioniere habe sie nicht fortgeführt. Die Kosten des Betreuungspersonals könne sie nur im Wege der vom Arbeitsamt zur Verfügung gestellten ABM-Mittel finanzieren. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin sei zulässig, da die Befristungsdauer und der vom Arbeitsamt bewilligte Förderungszeitraum übereinstimmten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit dem 31. März 1993. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Befristung des Arbeitsverhältnisses für wirksam erachtet.
I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht nicht nur den letzten Arbeitsvertrag vom 19. März 1993 für die Zeit bis zum 31. März 1993, sondern auch den Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1991 für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 17. März 1993 der Befristungskontrolle unterzogen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BAG Urteile vom 8. Mai 1985, BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe; 4. April 1990, BAGE 65, 86, 93 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu A II 1 der Gründe, m.w.N.) ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen arbeitsgerichtlicher Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Denn durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Vertragsbeziehungen maßgebend sein soll.
Zweifeln die Parteien an der Wirksamkeit der Befristung eines früheren Vertrages und können sie deswegen nicht ausschließen, sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu befinden, müssen sie einen entsprechenden Vorbehalt vereinbaren. Fehlt es daran, liegt im Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages konkludent die Aufhebung eines früheren unbefristeten Vertrages. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn die Parteien irrtümlich davon ausgegangen sind, sie hätten zuvor in einem wirksam befristeten Arbeitsverhältnis gestanden. Denn nach dem objektiven Erklärungswert ihrer übereinstimmenden Willenserklärungen wollen sie ihre Rechtsbeziehungen hinsichtlich der Dauer auf eine neue Grundlage stellen. Weder die Verkennung der Rechtslage bei der Beurteilung der früheren arbeitsvertraglichen Beziehungen noch die möglicherweise fehlende Bereitschaft des Arbeitnehmers, auf einen tatsächlich bereits erworbenen Kündigungsschutz freiwillig zu verzichten, stellen den objektiven Erklärungswert der bei einem Neuabschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses abgegebenen Erklärungen in Frage (BAG Urteil vom 4. April 199O, aaO).
2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien den letzten Arbeitsvertrag am 19. März 1993 abgeschlossen. Einen Vorbehalt im Sinne der Rechtsprechung des Senats haben sie nicht vereinbart. Dennoch ist für die Prüfung, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam befristet worden ist, der vorletzte Vertrag zugrunde zu legen. Denn es hat sich bei dem nachfolgenden Vertrag um einen unselbständigen Annex zum vorherigen Vertrag gehandelt, mit dem das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunktes modifiziert werden sollte. Ob es sich um einen Annexvertrag in diesem Sinne handelt, ergibt sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls. Solche liegen vor, wenn der Anschlußvertrag lediglich eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunktes betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrages orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit an später eintretende, im Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsabschlusses nicht vorhersehbare Umstände besteht. Alles in allem darf es den Parteien nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrages mit dem Sachgrund für die Befristung in Einklang zu bringen (BAG Urteile vom 21. Januar 1987 - 7 AZR 265/85 - AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu I 2 der Gründe; vom 31. Januar 1990, BAGE 65, 16, 21 = AP Nr. 1 zu § 57 b HRG, zu I 2 der Gründe; BGB-RGRK-Dörner, 12. Aufl., § 620 Rz 56).
Davon ist vorliegend auszugehen. Die am 19. März 1993 vereinbarte Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um weitere 14 Tage diente der Anpassung der Laufzeit des bisherigen Arbeitsvertrages an die vom Arbeitsamt am gleichen Tag vorgenommene und um den gleichen Zeitraum verlängerte Förderungsdauer der ABM. Mit dieser Verlängerung konnten die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluß des Vertrages nicht zwingend rechnen. Damit stellen beide Verträge zusammen den letzten der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrag im Sinne der Rechtsprechung des Senats dar.
II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Befristung des Arbeitsvertrages vom 28. Juni 1991 für wirksam gehalten, weil die Befristung sachlich gerechtfertigt war und damit nicht zur Umgehung der Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 BGB vereinbart sein konnte.
1. Die nach § 620 BGB grundsätzlich mögliche Befristung eines Arbeitsverhältnisses darf dem Arbeitnehmer nicht den Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen nehmen. Insoweit bedarf die Befristung eines sachlichen Grundes. Fehlt es daran, liegt eine objektiv funktionswidrige und deshalb objektiv rechtsmißbräuchliche Vertragsgestaltung vor mit der Folge, daß sich der Arbeitgeber auf die Befristung nicht berufen kann (BAG Urteile vom 4. April 1990, aaO, zu A II 2 der Gründe; zuletzt vom 10. August 1994 - 7 AZR 695/93 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
2. Die Befristung ist nicht schon deswegen unwirksam, weil sie in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem von der Klägerin behaupteten Betriebsübergang stehen könnte.
Nach § 613 a Abs. 4 BGB in der nach Art. 232 § 5 EGBGB im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs des Betriebes unwirksam. Der Zweck der gesetzlichen Regelung geht dahin, durch ein Kündigungsverbot an den früheren und den nachfolgenden Arbeitgeber den Übergang der Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübertragungen (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB) zu gewährleisten und Umgehungsgeschäfte, durch die dieses Regelungsziel vereitelt werden könnte, zu verhindern (BAG Urteile vom 31. Januar 1985, BAGE 48, 40, 49 ff. = AP Nr. 40 zu § 613 a BGB, zu II 2 c der Gründe; vom 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP Nr. 47 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe). Untersagt sind damit auch Aufhebungsverträge aus Anlaß des Betriebsübergangs, wenn sie von dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber allein veranlaßt werden, um dem bestehenden Kündigungsverbot auszuweichen (BAG Urteil vom 28. April 1987, BAGE 55, 228, 232 f. = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu II 2 a der Gründe) und Vereinbarungen zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses wegen eines bevorstehenden oder vollzogenen rechtsgeschäftlichen Betriebsinhaberwechsels (BAG Urteile vom 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 -, n.v., zu B V der Gründe; vom 17. Oktober 1990 - 7 AZR 614/89 -, n.v.; BGB-RGRK-Dörner, 12. Aufl., § 620 Rz 75; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 620 BGB Rz 113 a). Denn die Befristung kann sachlich nicht gerechtfertigt sein, wenn sie darauf abzielt, den durch § 613 a Abs. 1 BGB bezweckten Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse bei rechtsgeschäftlichem Betriebsübergang zu vereiteln.
3. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der von der Klägerin behauptete Betriebsübergang nur äußerer Anlaß, nicht aber Motiv der Befristung gewesen sein. Zu der Frage, ob die Befristung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist, hat sich das Landesarbeitsgericht allerdings nicht geäußert. Es hat sich darauf beschränkt festzustellen, ob für die Befristung ein sachlicher Grund vorgelegen hat. Diese Annahme ist frei von Rechtsfehlern, weil das Vorliegen eines sachlichen Grundes bei Befristungen einen Umgehungsfall im Sinne des § 613 a Abs. 4 BGB ausschließt.
a) Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Befristung wirksam, weil die Klägerin im Rahmen einer ABM im Sinne der §§ 91 ff. Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Beklagten zugewiesen worden war und die Dauer der Befristung mit der Dauer der Zuweisung übereinstimmte. Diese vom Landesarbeitsgericht vertretene Rechtsansicht entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das die Befristungskontrolle bei ABM-Verträgen auf die Prüfung beschränkt, ob die Laufzeit des Arbeitsvertrages am konkreten Förderungszeitraum orientiert ist; dagegen sieht das Bundesarbeitsgericht - außer in Fällen der Nichtigkeit - von einer Überprüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der ABM ab (Urteile vom 3. Dezember 1982, BAGE 41, 110, 115 = AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 3 der Gründe; vom 12. Juni 1987, BAGE 55, 338, 343 = AP Nr. 114 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe; vom 11. Dezember 1991 - 7 AZR 170/91 - AP Nr. 145 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; vom 13. April 1994 - 7 AZR 651/93 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 14. September 1994 - 7 AZR 186/94 -, n.v.; zustimmend: BGB-RGRK-Dörner, 12. Aufl., § 620 Rz 99; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 620 BGB Rz 150). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß der Arbeitgeber die Einstellung des ihm von der Arbeitsverwaltung zugewiesenen Arbeitnehmers nur im Vertrauen auf die zeitlich begrenzte Förderungszusage und Zuweisung vorgenommen hat, ohne die er entweder keinen oder einen leistungsfähigeren Arbeitnehmer eingestellt hätte. Demgegenüber kommt es nicht mehr auf die in der Entscheidung vom 3. Dezember 1982 (BAG, aaO) zur Begründung angeführten Parallelen mit der Befristung aus Haushaltsgründen und im Bereich der Drittmittelfinanzierung an.
b) Demgegenüber wendet die Revision ein, die Rechtsprechung des Senats erleichtere bei ABM-Verträgen die Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften, indem sie dem Arbeitgeber eine Befristung für die Dauer einer gesicherten Arbeitsplatzfinanzierung gestatte. Die Revision greift damit eine in der Literatur geäußerte Kritik auf (Bieback in Gagel, AFG, Band I, Stand Dezember 1994, § 93 Rz 80 ff.), die dem Senat vorhält, er verzichte bei der Befristungskontrolle von ABM-Verträgen auf die Prüfung eines aufgabenbezogenen Befristungsgrundes und entlaste damit den Arbeitgeber von allen Unsicherheiten der künftigen Entwicklung seines Arbeitskräftebedarfs. Demzufolge wird die Befristung solcher ABM-Verträge für unwirksam gehalten, bei denen der Arbeitnehmer zur Bewältigung von Daueraufgaben eingesetzt wird. Diese Sichtweise der Revision läßt den geänderten Ansatz der Rechtsprechung zur Befristungskontrolle bei ABM und lohnkostenzuschußfinanzierten Arbeitsverhältnissen außer acht und übersieht, daß im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als wesentlich angesehen wird, daß die Zusage eines erheblichen Lohnkostenanteils durch die Arbeitsverwaltung den Arbeitgeber dazu veranlaßt, Daueraufgaben auf den ihm zugewiesenen Arbeitnehmer zu übertragen und er ohne die Zuweisung von der Bewältigung der Daueraufgaben abgesehen oder sie auf seine übrigen Arbeitnehmer verteilt hätte oder sie erst zu einem späteren Zeitpunkt hätte verrichten lassen. Die Befristung eines ABM-Vertrages ist sachlich begründet, weil der Arbeitgeber im Vertrauen auf eine zeitlich begrenzte Förderungszusage und Zuweisung den Arbeitnehmer eingestellt hat und er ohne diese Zusage einen leistungsfähigeren oder keinen Arbeitnehmer eingestellt hätte. Im übrigen entspricht es nicht dem Zweck der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, die von der Arbeitsverwaltung verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen durchzusetzen. Dies ist Aufgabe der Bundesanstalt, die durch geeignete Nebenbestimmungen in ihren Förderungs- bzw. Zuweisungsbescheiden ihre personenbezogenen oder strukturpolitischen Zielvorgaben umzusetzen vermag.
c) Der Anwendung der zur Befristungskontrolle von ABM-Verträgen entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze steht nicht entgegen, daß die Klägerin vor Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages am 28. Juni 1991 im Haus der Freizeit noch tätig war, also nicht arbeitslos gewesen ist. Dieser Einwand der Revision verkennt die tragenden Grundsätze der Befristungsrechtsprechung und die Besonderheiten der Förderungsberechtigung bei ABM im Beitrittsgebiet. Nach der Rechtsprechung des Senats darf der Arbeitgeber, außer in Fällen der Nichtigkeit, auf die Bestandskraft des Förder- und des jeweiligen Zuweisungsbescheides vertrauen. Ob der zugewiesene Arbeitnehmer im einzelnen die persönlichen und sonstigen Fördervoraussetzungen erfüllt, kann er regelmäßig nicht beurteilen. Ihm gegenüber enthält die Zuweisung durch die Arbeitsverwaltung auch die Feststellung, daß der zugewiesene Arbeitnehmer die Voraussetzungen zur Förderung nach dem AFG erfüllt und der Arbeitgeber danach im Rahmen des zur Bundesanstalt bestehenden sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses berechtigt ist, diesen Arbeitnehmer zu beschäftigen (Bieback, aaO, § 93 Rz 35 f.). Daher ist es nicht gerechtfertigt, ihn für fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Arbeitsverwaltung einstehen zu lassen, indem in Fällen rechtswidriger aber bestandskräftiger Zuweisungs- oder Förderungsbescheide eine darauf gestützte Befristung unwirksam wäre mit der weiteren Folge, daß zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestünde.
Im übrigen war die Arbeitsverwaltung im Falle der Klägerin an einer Zuweisung in eine ABM aus Rechtsgründen nicht gehindert. Der Klägerin war mit Formschreiben vom 21. Dezember 1990 die Abwicklungsentscheidung des Landes Brandenburg nach Maßgabe des Einigungsvertrags und das sich daran anschließende Ruhen des Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 1991 bekanntgegeben worden. Ungeachtet der Rechtmäßigkeit dieser Abwicklungsentscheidung war die Arbeitsverwaltung gegenüber den in der sogenannten Warteschleife befindlichen Arbeitnehmern und damit auch der Klägerin von Verfassungs wegen zu besonderen Vermittlungsangeboten verpflichtet (BVerfGE 84, 133, 154). Nach der ABM-Anordnung-Beitrittsgebiet-vom 1. Juli 1990 (GBl. DDR I, S. 1115), die nach dem Einigungsvertrag zu fortgeltendem Recht der früheren DDR gehörte (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe e und Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe a zum Einigungsvertrag vom 31. August 199O in Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 199O, BGBl. II 199O, 885, 12O9), konnte die Bundesanstalt für Arbeit ABM mit dem Ziel fördern, Impulse zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur und zu sonstigen Strukturverbesserungen zu geben, um dadurch zusätzliche Dauerarbeitsplätze zu schaffen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ABM-Anordnung-Beitrittsgebiet-). Zu diesem Zwecke durfte sie auch Personen zuweisen, die weder nach dem AFG leistungsberechtigt und auch nicht mindestens sechs Monate arbeitslos gemeldet waren (§ 2 Abs. 1 Satz 4 ABM-Anordnung-Beitrittsgebiet-), sofern dies aus arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Gründen in besonderer Weise geboten war. Die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin scheitert daran also nicht.
Der Übertragbarkeit der bisherigen Senatsrechtsprechung zu ABM-Verträgen steht nicht entgegen, daß sie zu Sachverhalten entwickelt worden ist, in denen der Arbeitnehmer vor Beginn der ersten Maßnahme arbeitslos war. In den einzelnen Entscheidungen (Urteile vom 3. Dezember 1982 und vom 12. Juni 1987, jeweils aaO) hatte der Senat auf die Feststellung der Förderungsberechtigung der einzelnen Arbeitnehmer verzichtet. Das hat seine Ursache darin, daß die Senatsrechtsprechung die Bestandskraft der jeweiligen Bescheide in den Vordergrund stellt und von dem Arbeitgeber keine eigenständige Prüfung der jeweiligen Förderungsvoraussetzungen verlangt. Entscheidend ist nach der Senatsrechtsprechung nicht die Förderungsberechtigung des Arbeitnehmers, sondern die Bestandskraft des jeweiligen Zuweisungsbescheides. Daran fehlt es im vorliegenden Fall nicht.
d) Es ist auch unschädlich, daß die Dauer der Befristung die Dauer der Zuweisung unterschreitet. Die Klägerin wurde durch Schreiben der Arbeitsverwaltung vom 19. März 1991, geändert durch das Schreiben vom 19. März 1993, der Beklagten mit Wirkung zum 1. April 1991 zugewiesen, das Arbeitsverhältnis jedoch erst am 1. Juli 1991 begründet. Damit unterschreitet der Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1991 den Bewilligungszeitraum um drei Monate. Das ist darauf zurückzuführen, daß die Beklagte mit der geförderten Maßnahme erst am 1. Juli 1991 begonnen hat. Damit liegt ab Beginn der Maßnahme eine Deckungsgleichheit der Beschäftigungsdauer mit der Förderungsdauer vor. Das schließt eine funktionswidrige Ausschaltung des Bestandsschutzes aus (BAG Urteile vom 16. März 1983 - 7 AZR 120/81 -, n.v.; vom 14. Juni 1984 - 2 AZR 268/83 -, n.v.). Nach dem Vorbringen der Klägerin spricht auch nichts dafür, daß sie bereits vor dem 1. Juli 1991 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden haben könnte. Denn sie hat stets vorgetragen, bis zum 3O. Juni 1991 beim Kreis F beschäftigt gewesen zu sein und auch von dort ihre Vergütung erhalten zu haben. Ein vor dem 1. Juli 1991 mit der Beklagten begründetes und durch ABM-Mittel finanziertes Arbeitsverhältnis ist danach ausgeschlossen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Weller Steckhan Schmidt
Ruppert Straub
Fundstellen
Haufe-Index 441437 |
DB 1995, 1916-1917 (LT1-2) |
NJW 1996, 213 |
NJW 1996, 213-215 (LT) |
EWiR 1995, 967 (L) |
NZA 1995, 987 |
NZA 1995, 987-990 (LT1-2) |
ZIP 1995, 1213 |
ZIP 1995, 1213-1216 (LT) |
ZTR 1995, 423-424 (LT1-2) |
AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (LT1-2), Nr 166 |
AR-Blattei, ES 500 Nr 108 (LT1-2) |
AuA 1995, 419-421 (LT1-2) |
EzA-SD 1995, Nr 12, 8-11 (LT1-2) |
EzA § 620 BGB, Nr 130 (LT1-2) |
RAnB 1995, 382 (L) |