Bewerber befristete Stelle unzulässige Kettenbefristung

Öffentliche Arbeitgeber können sich im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens dazu entscheiden, eine Stelle befristet auszuschreiben. Wird eine Stelle befristet ausgeschrieben, sind nur diejenigen Bewerber zu berücksichtigen, bei denen eine Befristung wirksam möglich ist. Dies gilt auch im Hinblick auf schwerbehinderte Bewerber.

Bewerber stand seit 2010 in befristeten Arbeitsverhältnissen

In dem nun entschiedenen Fall klagte ein schwerbehinderter Bewerber, der im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens als technischer Assistent an einer Universität nicht berücksichtigt worden war. Nach der Ausschreibung des Dienstgebers vom Januar 2022 war die Stelle für zwei Jahre befristet mit der Option auf eine Vertragsverlängerung.

Mit dem Bewerber bestand an der Universität seit April 2016 ein befristetes Arbeitsverhältnis, das bereits einmal im Jahr 2019 verlängert worden war. Zuvor war der Bewerber außerdem bereits von April 2010 bis März 2016 bei einer Universitätsklinik des beklagten Landes auf der Grundlage von insgesamt 7 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt.

Die Personalabteilung lehnte den Antrag auf Umsetzung des internen Bewerbers im Mai 2022 ab und führte zur Begründung aus, dass ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten nicht mehr zumutbar sei.

Hiergegen klagte der Bewerber und forderte die Übertragung der begehrten Stelle. Ein solcher Anspruch beruht unmittelbar auf Art. 33 Abs. 2 GG. Voraussetzung hierfür ist, dass sämtliche Einstellungsvoraussetzungen in der Person des Bewerbers erfüllt sind und dessen Einstellung die einzig rechtmäßige Entscheidung eines Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes ist, weil jede andere Entscheidung sich als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellen würde.

Ausschreibung befristeter Stellen ist Teil des Organisationsermessens

Zunächst führt das BAG in seiner Entscheidung aus, dass es der Organisationshoheit des öffentlichen Arbeitgebers zuzuordnen ist, eine Stelle befristet oder unbefristet auszuschreiben. Nach § 14 Abs. 1 TzBfG steht es auch dem öffentlichen Arbeitgeber frei, eine offene Stelle aufgrund eines bestehenden Sachgrundes nur befristet zu besetzen. Dabei handelt es sich um Fragen der Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung, nicht um eine Auswahlentscheidung i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG.

Deshalb liegt es auch innerhalb der Grenzen des Organisationsermessens, in die Auswahlentscheidung für befristet zu besetzende Stellen nur Bewerber einzubeziehen, mit denen eine Befristung grds. rechtswirksam vereinbart werden kann. Letzteres ist allerdings nicht gegeben, wenn die naheliegende Möglichkeit besteht, dass sich eine Sachgrundbefristung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs – etwa im Falle einer unzulässigen Kettenbefristung – als unwirksam erweist. Das bedeutet, dass „Bewerber von vornherein von dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen werden, sofern sie bereits in der Vergangenheit längere Zeit bzw. aufgrund zahlreicher Verlängerungen befristet bei demselben öffentlichen Arbeitgeber beschäftigt waren.

Dies erscheint bei erster Betrachtung unbillig, weil es doch das Ziel des Gesetzgebers ist, den Arbeitnehmer durch die Begrenzung von Kettenbefristungen zu schützen und in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu bringen, nicht ihn arbeitslos zu machen. Das BAG geht jedoch insofern allenfalls von einer „negativen Reflexwirkung“ aus, wenn wie in diesem Fall die Alternative zur befristeten Beschäftigung nicht die Entfristung, sondern nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist.

Ab wann droht die Rechtsmissbräuchlichkeit der Kettenbefristung?

Bei der Befristungskontrolle dürfen sich die Gerichte nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken, sondern sind dazu verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Die auf § 242 BGB beruhende Prüfung des institutionellen Rechtsmissbrauchs erfolgt im Falle der Kettenbefristung nach den folgenden Grundsätzen:

Unproblematischer Bereich:

  • Ohne Sachgrund: Höchstdauer von 2 Jahren bei maximal 3-maliger Verlängerungsmöglichkeit
  • Mit Sachgrund:
    • Höchstdauer von 6 Jahren bei maximal 12 Vertragsverlängerungen
    • Höchstdauer von 8 Jahren bei maximal 9 Vertragsverlängerungen

Bei Sachgrund umfassende Missbrauchskontrolle, wenn:

  • Überschreiten der Höchstdauer von 6 Jahren bei mehr als 9 Vertragsverlängerungen
  • Überschreiten der Höchstdauer von 8 Jahren bei bis zu 9 Vertragsverlängerungen
  • mehr als 12 Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags (unabhängig von der Dauer)

Bei Sachgrund Rechtsmissbrauch indiziert, wenn:

  • Überschreiten der Höchstdauer von 8 Jahren bei mehr als 12 Vertragsverlängerungen
  • Überschreiten der Höchstdauer von 10 Jahren bei bis zu 12 Vertragsverlängerungen
  • mehr als 15 Vertragsverlängerungen

Für den vorliegenden Fall stellt das BAG fest, dass das Arbeitsverhältnis des Bewerbers zur Universität seit April 2016 bestand und bei Abschluss des weiteren befristeten Arbeitsvertrages frühestens Ende Mai 2024 geendet hätte. Damit wäre der Arbeitnehmer jedoch länger als 8 Jahre befristet gewesen, wodurch eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten gewesen wäre.

Bei Zusammenrechnung der zur Universität sowie zum Universitätsklinikum bestehenden Arbeitsverträge hätte das befristete Arbeitsverhältnis sogar bereits über 13 Jahre bestanden, was einen institutionellen Rechtsmissbrauch indiziert. Ob eine solche Zusammenrechnung vorzunehmen ist, konnte aus Sicht des BAG offenbleiben, denn in beiden Fällen bestand aus Arbeitgebersicht jedenfalls die naheliegende Möglichkeit, dass die weitere Befristung wegen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Es macht also in dieser Hinsicht keinen Unterschied, ob "nur" eine umfassende Missbrauchskontrolle vorzunehmen ist oder der Rechtsmissbrauch bereits induziert wird.

Deshalb war der Arbeitnehmer im Ergebnis nicht mehr in die Auswahl der für die befristete Stelle geeigneten Stellenbewerber einzubeziehen. Dass der Bewerber überdies eine Schwerbehinderung aufwies und an der betreffenden Universität eine Inklusionsvereinbarung bestand, war demgegenüber für die Entscheidung unerheblich.

Das BAG stellt in seiner Entscheidung fest, dass das Land nicht verpflichtet ist, die streitgegenständliche Stelle mit dem klagenden Arbeitnehmer zu besetzen.

(BAG, Urteil v. 29.2.2024, 8 AZR 187/23)


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