Entscheidungsstichwort (Thema)
Musikschullehrer. Honorarvertrag
Leitsatz (redaktionell)
Lehrkräfte an Musikschulen, die aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm unterrichten, sind regelmäßig nur dann Arbeitnehmer, wenn dies vereinbart ist oder besondere Umstände vorliegen.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 1; HGB § 84
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.09.2016; Aktenzeichen 11 Sa 734/16) |
ArbG Berlin (Urteil vom 20.01.2016; Aktenzeichen 56 Ca 10035/15) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. September 2016 – 11 Sa 734/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die gesamte Unterrichtsverpflichtung der Klägerin auf einem einheitlichen Arbeitsverhältnis beruht, über die Wirksamkeit der Befristung und Kündigung von Einzelaufträgen sowie die Pflicht des beklagten Landes, die Klägerin mit einem höheren Unterrichtsvolumen zu beschäftigen.
Die Klägerin ist beim beklagten Land seit dem 1. September 2001 aufgrund eines Arbeitsvertrags als Musikschullehrerin und Fachbereichsleiterin für Streichinstrumente mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter tätig. Die Parteien sind hinsichtlich der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder tarifgebunden. Weiterhin ist die Klägerin seit 1982 aufgrund Dienstvertrags für das beklagte Land tätig. Für die Tätigkeit ab dem 1. April 1986 vereinbarten die Parteien einen neuen Dienstvertrag. Danach sollte die Klägerin als freie Mitarbeiterin beschäftigt werden. Am 27. Mai/18. Juli 2013 schlossen die Parteien über die Tätigkeit der Klägerin als freie Mitarbeiterin einen Honorarvertrag, der nach seinem Eingangssatz den Dienstvertrag vom 1. April 1986 ersetzen soll. In dem Honorarvertrag heißt es ua.:
Ӥ 1 Dauer und Art der Leistung |
(1) Vertragspartnerin 2 wird … als Musikschullehrerin an der L-Musikschule (Vertragspartner 1) als freie Mitarbeiterin gem. Anlage 1 tätig.
Art und Umfang der zu erbringenden Leistung richtet sich nach den zwischen der Musikschule und der Musikschullehrerin vereinbarten Einzelaufträgen im Rahmen von Musikschulunterricht, Veranstaltungen und Prüfungen sowie für die sonstigen in diesem Zusammenhang anfallenden Tätigkeiten. Ein Anspruch auf Vereinbarung eines Einzelauftrags besteht nicht.
…
(1) Einzelaufträge werden schriftlich vereinbart. Sie enthalten neben der Unterrichtsform auch Angaben über Zeit, Ort und Inhalt der Leistungserbringung.
(2) Ergänzende Leistungen, die mit dem Unterricht in Zusammenhang stehen (z.B. Prüfungen, Konzerte, fachübergreifende Musikveranstaltungen, Fachkonferenzen, Schülervorspiele) werden gesondert beauftragt und vergütet.
§ 3 Erteilung des Unterrichts |
(1) Die Musikschullehrerin nimmt die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahr.
(2) Die Musikschullehrerin ist bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichtes frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden. Die Vertragspartner stellen über die dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne (Lehrpläne des Verbandes deutscher Musikschulen oder andere Lehrpläne) Einvernehmen her. Unterrichtsmaterialien sind durch die Lehrkraft oder durch die Musikschülerinnen und Musikschüler zu beschaffen. Dabei sind die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Einhaltung des Urheberrechts zu beachten.
(3) Während der Schulferien gemäß der Ferienordnung für das Land Berlin in der jeweils geltenden Fassung sowie an gesetzlichen Feiertagen wird kein Unterricht erteilt. Ausgenommen davon sind einvernehmlich vereinbarte Nachholtermine oder gesondert erteilte Einzelaufträge.
§ 4 Zeit und Ort des Unterrichts |
(1) Im Einzelunterricht kann die Musikschullehrerin den Unterrichtstermin und den Unterrichtsort mit den Musikschülerinnen und Musikschülern frei vereinbaren. Bei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die Vertragspartner mit der Vereinbarung über den Einzelauftrag Einvernehmen über Zeit und Ort der Leistungserbringung her.
(2) Die Musikschule stellt – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – unentgeltlich Räume und Instrumente für die Durchführung des Unterrichtes zur Verfügung. Die Musikschullehrerin verpflichtet sich, die Raumplanung und das Hausrecht (inkl. Sicherheits- und Brandschutzbestimmungen) zu beachten sowie alle Einrichtungsgegenstände und die Musikinstrumente sachgemäß und pfleglich zu behandeln und die Musikschülerinnen und Musikschüler ebenso hierzu anzuhalten.
§ 5 Höhe und Zahlung des Honorars |
(1) Die Höhe des Honorars richtet sich nach den von der für die Berliner Musikschulen zuständigen Senatsverwaltung aufgrund der Honorarregelung vom 10.07.2012 herausgegebenen Honorarsätzen.
…
(3) Mit dem vereinbarten Honorar sind die Durchführung des Einzelauftrags sowie die hierfür notwendigen Vor- und Nacharbeiten (z.B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Vorbereitung und Aufräumen des Unterrichtsraumes, Beschaffung von Unterrichtsmaterialien) abgegolten.
(4) Vergütet werden ausschließlich erbrachte Leistungen. Die §§ 6 und 7 bleiben hiervon unberührt.
§ 6 Unterrichtsausfall und Nachholen von Unterricht |
(1) Ausgefallener Unterricht soll binnen zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt werden.
(2) Ist der Unterrichtsausfall entstanden, weil die Musikschülerin oder der Musikschüler gehindert war, am vereinbarten Unterrichtstermin teilzunehmen und ist das Nachholen des Unterrichts nicht möglich, so erhält die Musikschullehrerin ein Ausfallhonorar in Höhe des vereinbarten Honorars.
…
(5) Ist der Unterrichtsausfall durch höhere Gewalt oder dadurch entstanden, dass die Musikschullehrerin verhindert ist, besteht kein Anspruch auf Ausfallhonorar.
§ 7 Arbeitnehmerähnlichkeit |
Bei anerkannter Arbeitnehmerähnlichkeit findet das Bundesurlaubsgesetz in der jeweils geltenden Fassung sowie § 125 des Sozialgesetzbuches (SGB), Neuntes Buch (IX) sowie § 7 Abs. 3 und 4 der von der für die Berliner Musikschulen zuständigen Senatsverwaltung herausgegebenen Honorarregelung vom 10.07.2012 Anwendung. Leistungen werden nur auf Antrag gewährt.”
Die Klägerin wendete im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses ca. 42 % ihrer Arbeitszeit für fachlich organisatorische Tätigkeiten als Fachbereichsleiterin und ca. 58 % für die Erteilung von Musikunterricht auf. Für ihre Tätigkeit auf Grundlage des Honorarvertrags wurde ihr vom beklagten Land eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt. Die von der Klägerin unterrichteten Musikschüler schlossen, unabhängig davon, ob sie von der Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses oder auf der Grundlage ihres Honorarvertrags unterrichtet wurden, mit dem beklagten Land einen Unterrichtsvertrag. Die Musikschule vereinbarte dann wiederum mit der Klägerin für die von dieser auf der Grundlage des Honorarvertrags unterrichteten Schüler Einzelaufträge. Diese Einzelaufträge sahen vor, dass Tag und Zeit des Unterrichts sowie der Unterrichtsort vereinbart werden. Sie waren jeweils befristet. In den Einzelaufträgen hieß es ua.:
„Der Einzelauftrag … wurde erstellt. Wir bitten Sie deshalb, dieses Dokument zu prüfen, zu unterzeichnen und an uns zurückzusenden.
Aufgrund § 2 des Dienstvertrages vereinbaren … folgende Leistungen:
…”
Im Folgenden wurden dann ua. auch der Name des Schülers, der Zeitraum sowie der Umfang des Unterrichts aufgeführt. In einzelnen Fällen wechselten Schüler aus dem Honorarkontingent in das Arbeitnehmerkontingent und umgekehrt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam die Deutsche Rentenversicherung zu dem Ergebnis, dass eine einheitliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verschiedener Honorarkräfte vorliege. Als Folge davon verringerte das beklagte Land das Schülerkontingent der Klägerin im Rahmen ihres Honorarvertrags. Im August 2015 erhielt die Klägerin die Mitteilung über insgesamt zwölf Kündigungen von Einzelaufträgen verschiedener Schüler. Mit Schreiben vom 11. September 2015 untersagte das beklagte Land der Klägerin die Nebentätigkeit. Es begründete dies damit, dass die Nebentätigkeit in unmittelbarem Sachzusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis als Musikschullehrerin stehe. Es handele sich damit um eine Tätigkeit im Rahmen der Hauptbeschäftigung.
Die Klägerin hat behauptet, die Pflichtaufgaben seien für „Festangestellte” und Honorarkräfte gleich. Sie seien in den Vorgaben der Musikschule und des VdM-Lehrplans festgehalten. Dies beinhalte insbesondere Teamkonferenzen bei Kammermusik, fachübergreifende Veranstaltungen und Absprachen bei der Prüfungsvorbereitung, Musikvorspiele/Wettbewerbsteilnahmen organisieren und durchführen, Elterngespräche (organisatorisch, qualitativ) vor der Aufnahme in die SVA und während des Unterrichts sowie Beratung/Rücksprache von/mit Schülern, Eltern und Lehrern vor und nach Prüfungen. Deshalb habe sie auch die auf der Grundlage des Honorarvertrags geleisteten Tätigkeiten im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses im Umfang von 38,36 Wochenstunden erbracht. Eine Parallelität von Arbeitsverhältnis und freiem Mitarbeiterverhältnis sei nicht möglich.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Musikschullehrerin mit 29,51/30 einer Vollzeitstelle steht;
- festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler E, F, G, H, Ma, Wi vom 29. Juni 2015 mit dem 31. Juli 2015 – teilweise – geendet hat;
- festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis weder durch die vom beklagten Land ausgesprochenen Kündigungen der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler H, F, W, P, K, Ha, La vom 5. August 2015 noch durch die vom beklagten Land ausgesprochenen undatierten Kündigungen der Einzelaufträge für die Schülerinnen/Schüler G, Ma, Wi, Fa, We – teilweise – beendet wird, sondern fortbesteht;
- das beklagte Land zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Musikschullehrerin über das unstreitig im Arbeitsverhältnis bestehende Volumen von 19,5 Wochenstunden hinaus in einem Umfang von weiteren 18,863 Wochenstunden vorläufig weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, es habe neben dem Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis bestanden. Ein einheitliches Arbeitsverhältnis habe es nicht gegeben. Auf der Grundlage des Honorarvertrags sei die Klägerin inhaltlich und örtlich völlig frei gewesen. Sie habe keinerlei Weisungen unterstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Tätigkeit der Klägerin stellt, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vereinbarten Umfang hinausgeht, eine solche in freier Mitarbeit dar. Mit Abschluss des Honorarvertrags vom 27. Mai/18. Juli 2013 vereinbarten die Parteien neben dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis iSd. § 611 BGB. Da sämtliche Klageanträge voraussetzen, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses erfolgte, ist die Klage insgesamt unbegründet. Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gerichtete unechte Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.
1. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB, nunmehr § 611a Abs. 1 BGB). Dabei hat auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit Einfluss auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (BAG 11. August 2015 – 9 AZR 98/14 – Rn. 16).
2. Für den schulischen Bereich hat die Rechtsprechung die Kriterien, anhand deren der Arbeitsvertrag vom freien Dienstvertrag abzugrenzen ist, in mehreren Entscheidungen konkretisiert. Maßgeblich ist danach, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann (vgl. BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 106/09 – Rn. 19 mwN). Für Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass diejenigen, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in aller Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt (vgl. BAG 14. Januar 1982 – 2 AZR 254/81 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 37, 305; 16. März 1972 – 5 AZR 460/71 –). Demgegenüber können Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden, und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt (vgl. BAG 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – zu II 2 a der Gründe). Gleiches gilt für Lehrkräfte an Musikschulen (vgl. BAG 19. November 1997 – 5 AZR 21/97 – zu II der Gründe). Anders als im Falle der allgemeinbildenden Schulen besteht für Musikschulen kein Schulzwang, es gibt im Regelfall keine förmlichen Abschlüsse, der Unterricht ist zumeist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger und der Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten geringer. Als Arbeitnehmer sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Als solche Umstände kommen das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte in Betracht (vgl. BAG 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – zu II 2 b bb der Gründe).
II. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Klägerin sei nicht als Arbeitnehmerin, sondern als freie Dienstnehmerin anzusehen, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vereinbarten Umfang hinaus für das beklagte Land tätig geworden sei.
1. Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (BAG 21. Juli 2015 – 9 AZR 484/14 – Rn. 21 mwN).
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
a) Da der Honorarvertrag den vorangegangenen Dienstvertrag ersetzte, ist er allein für die Prüfung, ob schon vertraglich ein Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, zugrunde zu legen.
b) Der Honorarvertrag, den die Parteien unter dem 27. Mai/18. Juli 2013 schlossen, zielt auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses als freie Dienstnehmerin. Hinsichtlich der späteren Durchführung des Vertrags hat das Landesarbeitsgericht keine Tatsachen festgestellt, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen. Die Gesamtwürdigung, an deren Ende das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Parteien hätten mit dem Honorarvertrag einen Vertrag über eine freie Dienstleistung geschlossen, ist nicht zu beanstanden.
aa) Die von den Parteien gewählte Kennzeichnung des Vertrags als „Honorarvertrag” und der Vertragsparteien als „Vertragspartner 1” und „Vertragspartnerin 2” weist auf einen freien Dienstvertrag hin. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrags wird die Klägerin als „freie Mitarbeiterin” tätig. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit – wie im Streitfall – typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – Rn. 19).
bb) Der Honorarvertrag räumt der Musikschule keinerlei Weisungsrechte ein. Vielmehr bestimmt § 3 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrags, dass die Klägerin bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden ist. Darüber hinaus ist die Musikschule nicht befugt, der Klägerin Weisungen hinsichtlich der dem Unterricht zugrunde zu legenden Lehrpläne zu erteilen. In dieser Hinsicht haben die Vertragsparteien Einvernehmen zu erzielen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 des Honorarvertrags). Im Einzelunterricht ist es das Recht der Klägerin, die Unterrichtstermine frei mit den Schülern zu vereinbaren (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrags). Bei sonstigen Unterrichtsformen oder Tätigkeiten stellen die Vertragsparteien hierüber Einvernehmen her (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrags). Soweit § 3 Abs. 3 Satz 1 des Honorarvertrags vorsieht, dass während der Schulferien dem Grundsatz nach kein Unterricht stattfindet, ist dies Gegenstand der Leistungsvereinbarung und nicht Ausfluss eines Weisungsrechts, das der Musikschule zustünde. Die Vereinbarung unter § 4 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrags, der zufolge die Musikschule im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Klägerin Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Klägerin, ohne der Musikschule ein Weisungsrecht hinsichtlich des Orts, an dem die Klägerin ihre Tätigkeiten zu erbringen hat, einzuräumen.
cc) Auch die vertraglichen Regelungen zum Ausfall von Unterricht legen die Annahme eines freien Dienstvertrags nahe. Der Vertrag enthält keinerlei Bestimmungen, die die Klägerin verpflichteten, der Musikschule eine Verhinderung, etwa infolge von Krankheit, anzuzeigen. Anders als ein Arbeitnehmer (vgl. BAG 27. Januar 2016 – 5 AZR 9/15 – Rn. 22, BAGE 154, 100) ist die Klägerin darüber hinaus dem Grundsatz nach verpflichtet, ausgefallenen Unterricht nachzuholen (§ 6 Abs. 1 des Honorarvertrags).
dd) Gegen die Ansicht der Klägerin, der Honorarvertrag sei der Sache nach ein Arbeitsvertrag, spricht schließlich § 7 des Honorarvertrags. Danach stehen der Klägerin für den Fall, dass sie eine arbeitnehmerähnliche Person sein sollte, bestimmte Honorar- und Urlaubsansprüche zu. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn die Parteien bei Abschluss des Honorarvertrags ein Arbeitsverhältnis hätten begründen wollen.
ee) Ein weiteres Indiz für einen Vertragswillen, der auf die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses als freie Mitarbeiterin gerichtet ist, findet sich in § 3 Abs. 2 Satz 3 des Honorarvertrags. Danach ist die Klägerin verpflichtet, die für den Unterricht erforderlichen Materialien zu beschaffen oder durch die zu unterrichtenden Musikschüler beschaffen zu lassen (vgl. BAG 11. August 2015 – 9 AZR 98/14 – Rn. 29).
ff) Für den Status als freie Mitarbeiterin unerheblich ist § 5 des Honorarvertrags. Hiernach ist von der Klägerin eine Leistungsabrechnung zu erstellen (vgl. § 5 Abs. 2 des Honorarvertrags). Zu vergüten sind – abgesehen von den Regelungen der §§ 6 und 7 – nach § 5 Abs. 4 des Honorarvertrags ausschließlich erbrachte Leistungen. Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung eines Dienstvertrags von einem Arbeitsvertrag keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind demnach allein die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung (vgl. BAG 21. Juli 2015 – 9 AZR 484/14 – Rn. 29).
gg) Nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, dass die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 des Honorarvertrags verpflichtet ist, die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahrzunehmen. Zwar ist es typisch für ein Arbeitsverhältnis, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen hat (vgl. § 613 BGB). Allerdings ist dem Dienstvertragsrecht eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht fremd. Dies gilt vor allem in Fällen der Erteilung von Unterricht, in denen es – wie hier – auf ein persönliches Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer ankommt.
c) Das Landesarbeitsgericht hat keinerlei Tatsachen festgestellt, die darauf schließen lassen, dass die tatsächliche Durchführung des Honorarvertrags von den Bestimmungen des Honorarvertrags abweicht.
aa) Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, die Musikschule habe in Überschreitung der ihr aufgrund des Honorarvertrags zustehenden Befugnisse Weisungsrechte für sich in Anspruch genommen und ihr Vorgaben hinsichtlich des Inhalts, der Zeit oder des Orts ihrer Tätigkeit gemacht. Soweit die Klägerin geltend macht, das beklagte Land habe erwartet, dass sie sich an der studienvorbereitenden Ausbildung und an Vorspielen ihrer Schüler in gleicher Weise wie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses beteiligt, übersieht sie, dass die Äußerung von Erwartungen mit der Erteilung von Weisungen nicht identisch ist. Auch die Teilnahme an Schulkonferenzen, Dienstberatungen, Musikfreizeiten etc. ist zur Abgrenzung nicht geeignet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nahm sie hieran im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses ohnehin als Fachbereichsleiterin teil. Ebenso weist die von der Klägerin behauptete Pflicht, sich hinsichtlich der Art und Weise an die Richtlinien des Verbandes deutscher Musikschulen zu halten, nicht auf eine Weisungsgebundenheit hin. Die „Dichte des Regelwerks”, dem ein Lehrer an einer Schule bei seiner Unterrichtstätigkeit unterliegt, ist für die Frage der Weisungsgebundenheit kein taugliches, weil nicht messbares Kriterium (vgl. BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 106/09 – Rn. 26). Konkrete, die Art und Weise des Unterrichts betreffende Weisungen gegenüber der Klägerin sind nicht festgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin behauptete Bindung des Unterrichts an die vom beklagten Land zur Verfügung gestellten Räume keinen Aufschluss über die persönliche Abhängigkeit der Klägerin gibt. Im pädagogischen Bereich ist es typisch, dass auch freie Mitarbeiter ihre Tätigkeit nur in den zur Verfügung gestellten Räumen verrichten können und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Diese Bindung besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit (BAG 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 – zu III 5 f der Gründe, BAGE 69, 62). Zudem wurde nach § 2 Abs. 1 des Honorarvertrags der Ort der Leistungserbringung in den Einzelaufträgen schriftlich vereinbart. Im Einzelunterricht erfolgt die Vereinbarung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Honorarvertrags mit den Musikschülern.
bb) Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg darauf, Schüler seien wechselnd auf der Grundlage des Arbeitsvertrags und des Honorarvertrags unterrichtet und sogar „umgepolt” worden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass diese Wechsel allein auf Weisung des beklagten Landes erfolgten oder nicht doch durch einvernehmliche Änderung der vereinbarten Einzelaufträge. Es hat in den Entscheidungsgründen hierzu lediglich ausgeführt, auch der Wechsel von Schülern aus dem Honorarkontingent in das Arbeitnehmerkontingent und umgekehrt führe nicht zur Annahme eines Umstands, aus dem sich der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit ergebe. Feststellungen, auf welche Weise diese „Umpolung” erfolgte, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Soweit die Klägerin in der Revision vorträgt, dies sei kraft Direktionsrecht erfolgt, kann dies als neuer Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt werden.
cc) Soweit die Klägerin geltend macht, für die Musikschüler habe es keinen Unterschied gemacht, ob sie den Unterricht auf der Grundlage des Arbeitsvertrags oder auf der Grundlage des Honorarvertrags erbracht habe, verkennt sie, dass es für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen nicht auf die Außenwirkung gegenüber Dritten, sondern allein auf die rechtlichen Befugnisse der Vertragsparteien im Innenverhältnis ankommt. Die Befugnisse, die der Honorarvertrag der Musikschule einräumt, sind nicht die eines Arbeitgebers, sondern solche eines Dienstberechtigten.
d) Die Klägerin meint zu Unrecht, eine Parallelität von Arbeitsverhältnis und freiem Mitarbeiterverhältnis sei nicht möglich. Ebenso wie ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse (vgl. BSG 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – Rn. 49) – auch zu ein und demselben Arbeitgeber (vgl. § 2 Abs. 2 TV-L) – eingehen kann, ist es rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er zur selben Person in einem Arbeitsverhältnis und darüber hinaus in einem Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht – wie hier – nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. Wollte man anders entscheiden, beschnitte dies in unzulässiger Weise die verfassungsrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit der Parteien (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Denn es stände nicht länger in ihrer Rechtsmacht, neben einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ein Dienstverhältnis zu begründen. Für eine derartige Einschränkung der Vertragsfreiheit, die sich in der Praxis nicht nur zulasten des beklagten Landes, sondern auch zulasten der Klägerin auswirkte, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage (BAG 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 34).
e) Die tarifvertragliche Regelung des § 2 Abs. 2 TV-L, die kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet (§ 4 Abs. 1 TVG), gibt kein anderes Ergebnis vor. Gemäß § 2 Abs. 2 TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen; andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber liegen im Streitfall nicht vor. Die Parteien verband gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis und ein freies Dienstverhältnis.
B. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Suckow, Krasshöfer, Starke, Gell
Fundstellen
Dokument-Index HI11468750 |