Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung und Rechtsmißbrauch bei nachträglicher Forderung von Urlaubsentgeltansprüchen. Berechnung des Urlaubsentgelts bei einer ausschließlich nach Provision bemessenen Arbeitsvergütung
Leitsatz (redaktionell)
Beschäftigungsverhältnis eines für eine nordamerikanische Firma in Deutschland tätigen Anlagenberaters; Einfluß einer Vertretungsvereinbarung auf die Urlaubsentgeltberechnung
Normenkette
BGB §§ 242, 196 Nr. 8; BUrlG §§ 1, 11 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 18.09.1990; Aktenzeichen 3 Sa 100/89) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 07.07.1989; Aktenzeichen 3 Ca 362/88) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. September 1990 – 3 Sa 100/89 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten nachträgliche Urlaubsvergütung für den in der Zeit vom
14. Februar, 29. August, 10. bis zum 25. Oktober 1986;
9. bis 27. Februar, 22. Mai, 2. Juli, 1. bis 9. Oktober, 28. bis 31. Dezember 1987;
4. bis 9. Januar, 8. bis 26. Februar und 22. Juli 1988
genommenen Urlaub.
Die Beklagte, eine Schwestergesellschaft der von den USA ausgeführten P. gruppe, arbeitet auf dem Gebiet der Anlagen- und Vermögensberatung. Sie führt mit Hilfe ihrer Kundenberater weltweit an allen Börsenplätzen Geschäfte ihrer Kunden aus.
Der Kläger war von April 1981 bis 30. September 1988 für die Beklagte in ihrer Hamburger Repräsentanz als Kundenberater (Executive accountant = AE) tätig. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Parteien nicht abgeschlossen. Der Kläger war in seiner Arbeitszeiteinteilung frei. Gleichwohl wurde im Betrieb der Beklagten regelmäßig in der Fünf-Tage-Woche von montags bis freitags gearbeitet. Die Vergütung des Klägers setzte sich aus Provisionen für die von ihm vermittelten Anlagegeschäfte zusammen. Der Kläger erhielt für Feiertage, krankheits- und urlaubsbedingte Abwesenheiten keine Gehaltsfortzahlung. Er traf in eigener Verantwortung mit einem Kollegen eine wechselseitige Vertretungsregelung für Abwesenheitszeiten. Nach einer bis zum 16. Mai 1987 geltenden Vertretungsvereinbarung standen dem Kläger die Hälfte der in seiner Abwesenheit vom Vertreter erzielten Provisionsumsätze zu. Ab dem 17. Mai 1987 galt eine sogenannte Poolvereinbarung, nach der die vom Kläger und seinem Abwesenheitsvertreter insgesamt erwirtschafteten Provisionsumsätze zusammengerechnet und zur Hälfte geteilt wurden.
Der Kläger hat mit seiner am 31. August 1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.591,16 DM brutto nebst 9 %Zinsen seit dem 20. August 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, sie habe mit einer Anspruchnahme nicht mehr rechnen müssen. Die Urlaubsvergütungsforderungen des Klägers seien verwirkt. Der Kläger verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn er jetzt Urlaubsentgelt verlange, nachdem er jahrelang die amerikanische Abrechnungspraxis der Beklagten gebilligt habe. Zumindest aber müsse er sich die über seine Urlaubsvertretung während des Urlaubs bezogenen Einkünfte aus Provisionen auf das Urlaubsentgelt anrechnen lassen.
Das Arbeitsgericht hat den Anspruch auf Urlaubsvergütung für 1966/1987 als verwirkt angesehen und insoweit die Klage abgewiesen. Im übrigen hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger für elf Urlaubstage 1988 5.070,44 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Gegen dieses Urteil haben Kläger und Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers die erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 23.741,14 DM brutto nebst 9 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. August 1988 zu zahlen. Die weitergehende Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen. Der Kläger hat Anspruch auf Urlaubsvergütung für die Dauer des von ihm in den Jahren 1986 – 1988 genommenen Urlaubs (§§ 1, 11 BUrlG). Den Urlaubsentgeltforderungen des Klägers zum gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BurlG) kann weder Verwirkung noch Rechtsmißbrauch wegen widersprüchlichen Verhaltens entgegengehalten werden. Das Urlaubsentgelt des Klägers ist nach § 11 BurlG zu berechnen. Die vom Urlaubsvertreter erzielten Einkünfte sind dabei nicht zu berücksichtigen.
1. Der Kläger ist Arbeitnehmer i. S. von §§ 1 und 2 Satz 2 BUrlG.
Davon gehen auch die Parteien nach ihrem Vorbringen aus. Diese Rechtsauffassung der Parteien bindet indessen die Gerichte nicht (BAG Urteil vom 28. Juni 1973 – 5 AZR 568/72 – AP Nr. 2 zu § 2 BUrlG; BAGE 19, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts arbeitet der Kläger zu Bedingungen, die durch die amerikanische Muttergesellschaft geprägt sind. Die dadurch eröffneten Freiräume ändern jedoch nichts daran, daß der Kläger in persönlicher Abhängigkeit zur Beklagten steht. Er ist in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden (BAG Urteil vom 29. Mai 1991 – 7 ABR 67/90 – DB 1992, 46; BAG Urteile vom 23. April 1980 – 5 AZR 426/79 – und vom 7. Mai 1980 – 5 AZR 593/78 – AP Nr. 34, 36 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und hat keine unternehmerischen Entfaltungsmöglichkeiten. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat neue Tatsachen vorgetragen hat, die den Arbeitnehmerstatus in Zweifel ziehen könnten, waren sie in der Revisionsinstanz nicht mehr zu berücksichtigen (§ 561 Abs. 1 ZPO).
2. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis beizutreten, wenn es eine Verwirkung der Urlaubsentgeltansprüche des Klägers aus den Jahren 1986 und 1987 verneint hat.
a) Die Praxis der bei der Beklagten tätigen Kundenberater, sich unter entsprechender Mitteilung an die Beklagte selbst zu beurlauben, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend für eine zulässige, dem Arbeitnehmer günstigere Gestaltung der im Gesetz vorgesehenen Urlaubserteilung durch den Arbeitgeber (§§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 1 BUrlG) gehalten.
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Beklagte habe sich mit Rücksicht auf die von ihr eingeführten und mit dem zwingenden deutschen Recht unvereinbaren amerikanischen Usancen 1986 und 1987 nicht darauf einrichten können, keine Urlaubsentgeltansprüche mehr erfüllen zu müssen. Bei der kurzen zweijährigen Verjährungsfrist (§ 196 Nr. 8 BGB) sei der Beklagten die rückwirkende Zahlung des Urlaubsentgelts aus wirtschaftlichen Gründen nicht unzumutbar.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Die Verwirkung infolge Zeitablaufs wird in der Rechtsprechung als Unterfall der „unzulässigen Rechtsausübung” behandelt (BAGE 6, 167 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Verwirkung; BAGE 10, 189 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Vertragsstrafe; RGZ 155, 148; BGH, Urteil vom 22. November 1979 – VII ZR 31/79 – NJW 1980, 880; Jauernig/Vollkommer, BGB, 6. Aufl., § 242 IV 1 c). Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden (BGHZ 25, 47, 52). Die Verwirkung beruht im Kern auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (MünchKomm-Roth, BGB, 2. Aufl., § 242 Rz 326, 356). Das Institut der „Verwirkung” soll die Diskrepanz zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit durch Angleichung der Rechtslage an die soziale Wirklichkeit auflösen helfen (Staudinger/J. Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 242 Rz 464, 472). Ein Recht ist demnach verwirkt, wenn es der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre („Zeitmoment”), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, daß dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde („Umstandsmoment”). Zum Zeitablauf müssen daher besondere Umstände, sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten, hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Diese in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht geforderten Verwirkungsvoraussetzungen (zuletzt BAG Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – DB 1991, 2343; BAGE 57, 332 = AP Nr. 17 zu § 630 BGB) hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt und geprüft.
c) Es kann vorliegend dahinstehen, ob ein Anspruch auf Urlaubsentgelt im Rahmen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs überhaupt verwirken kann (vgl. BAG Urteil vom 5. Februar 1970 – 5 AZR 223/69 – AP Nr. 7 zu § 11 BurlG mit Anm. Söllner; BAG Urteil vom 13. November 1959 – 1 AZR 320/57 – AP Nr. 54 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG Urteil vom 22. März 1962 – 5 AZR 274/61 – AP Nr. 2 zu Art. 10 Urlaubsgesetz Bayern) und ob eine denkbare Verwirkung des Urlaubsentgelts nicht bereits regelmäßig an der kurzen Verjährungsfrist (§§ 196, 197 BGB) scheitern muß (BGHZ 51, 346; 84, 280; BGH Urteil vom 6. Dezember 1988 – XI ZR 19/88 – AP Nr. 44 zu § 242 BGB Verwirkung; MünchKomm-Roth, a.a.O., Rz 328; Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 242 Rz 90; Jauernig/Vollkommer, BGB, 6. Aufl., § 242 IV 1 c; einschränkend Staudinger/J. Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 242 Rz 482). Die Verwirkung der Urlaubsvergütung für die Jahre 1986 und 1987 scheitert unabhängig vom Zeitmoment jedenfalls daran, daß das Verhalten des Klägers in dieser Zeit kein Vertrauen der Beklagten begründet, nicht mehr mit Urlaubsvergütung in Anspruch genommen zu werden. Ein Verhalten des Klägers, daß er über das Nichteinfordern der Urlaubsvergütung signalisierte, auf Dauer kein Urlaubsentgelt mehr zu beanspruchen, kann die Beklagte nämlich nicht darlegen (vgl. BAGE 57, 333 = AP Nr. 17 zu § 630 BGB; BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 594/90 – zu III 2 der Gründe, n. v.). Die Beklagte hat überdies nicht behauptet, sich auf den Fortfall der Urlaubsvergütung eingerichtet und entsprechende Vermögensdispositionen getroffen zu haben. Soweit sie mit der Revision auf die Kalkulationsgrundlagen für die Provisionsbemessung verweist, die sich bei einer zu entrichtenden Urlaubsvergütung veränderten, handelt es sich um keine schützenswerte Disposition. Die Beklagte setzt insoweit auf eigenes gesetzeswidriges Verhalten, denn nach § 1 BUrlG stehen ihren Arbeitnehmern mindestens 15 Arbeitstage Urlaub unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu. Ein Verhalten, das zwingendes Recht verletzt, kann kein rechtserhebliches Vertrauen begründen.
Dem kann die Revision nicht entgegenhalten, besonders strenge Anforderungen an die Unzumutbarkeit einer Anspruchnahme des Verpflichteten seien nicht angebracht, denn in der Regelung der kurzen Verjährungsfristen (§ 196 BGB) seien die besonderen Lebensumstände bereits berücksichtigt worden. Die Revision übersieht, daß Verwirkung und Verjährung streng voneinander zu unterscheiden und in ihren Voraussetzungen verschieden sind (BAGE 6, 167 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Verwirkung). Die Urlaubsentgeltzahlungen sind der Beklagten schließlich nicht unzumutbar. Sie beschränken sich auf die letzten 2 3/4 Jahre des Arbeitsverhältnisses. Insoweit verschafft die kurze Verjährungsfrist nach § 196 Nr. 8 BGB der Beklagten einen ausreichenden Schutz. Die Beklagte behauptet auch selbst nicht, daß sie durch die Zahlungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde. Der Hinweis der Revision, auf die hohen, meist überdurchschnittlichen Verdienste ihrer Kundenberater liegt neben der Sache. Die Beklagte meint offenbar, daß ein hoch bezahlter Arbeitnehmer den gesetzlichen Schutz eines „bezahlten” Mindesturlaubs nicht benötige. Im Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes wird indessen nicht zwischen gut- und schlechtverdienenden Arbeitnehmern unterschieden.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist weiter zu folgen, wenn es für das geforderte Urlaubsentgelt 1988 ein rechtsmißbräuchliches Verhalten des Klägers (venire contra factum propium, § 242 BGB) verneint hat.
a) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß ein widersprüchliches Verhalten dann rechtsmißbräuchlich sein kann, wenn das frühere mit dem späteren Verhalten einer Partei unvereinbar ist (unlösbarer Selbstwiderspruch), der Gegner auf das frühere Verhalten vertrauen durfte (Widerspruch zu begründetem Vertrauenstatbestand) und seine Interessen als vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. Jauernig/Vollkommer, BGB, 6. Aufl., § 242 III 4). In einem solchen Fall steht die Geltendmachung des „an sich” gegebenen Rechts im Widerspruch zu Treu und Glauben (§ 242 BGB). Mißverständlich sind die Gründe des Landesarbeitsgerichts, soweit es seine Prüfung auf die Urlaubsvergütung 1988 beschränkt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist im Prozeß von Amts wegen zu berücksichtigen. Treu und Glauben bilden eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung, die nicht nur auf Einrede hin zu berücksichtigen ist. Die behauptete unzulässige Rechtsausübung ist deshalb nicht nur für das Urlaubsentgelt 1988 zu prüfen.
Während bei der Verwirkung die Zurechenbarkeit des „Umstandsmoments” von einer objektiven Warte aus zu beurteilen ist, sind beim Rechtsmißbrauch infolge widersprüchlichen Verhaltens regelmäßig subjektive Zurechnungskriterien ausschlaggebend. Der Urheber behaupteten widersprüchlichen Verhaltens muß deshalb erkennen können, daß die Gegenpartei sein Verhalten als vertrauensbegründend werten durfte. Für die Schutzwürdigkeit des Schuldners sind ebenfalls subjektive Momente maßgeblich. Ein schuldhaftes Verhalten ist nicht erforderlich, jedoch können Verschuldenselemente von Bedeutung sein (MünchKomm-Roth, a.a.O., § 242 Rz 291 ff.).
b) Allein die Tatsache, daß der Kläger jahrelang kein Urlaubsentgelt von der Beklagten verlangt hat, ist kein vertrauensbegründendes Verhalten. Ein rechtsmißbräuchliches Verhalten ist nicht bereits dadurch gegeben, daß jemand seine Rechtsansichten und sein Verhalten ändert. Die Beklagte hat ein weitergehendes vertrauensbegründendes Verhalten des Klägers nicht vorgetragen. Sie hat sogar bestritten, daß es zwischen ihr und dem Kläger im Jahre 1984 zu einer Unterredung über die Zahlung von Urlaubsentgelt gekommen ist. Nur der Inhalt dieses Gesprächs hätte die Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten legen Können (vgl. z.B. BAG Urteil vom 10. Juli 1969 – 5 AZR 489/68 – AP Nr. 6 zu § 2 HAG mit Anm. Herschel).
c) Die Anspruchnahme der Beklagten ist ferner nicht unzumutbar. Es reicht nicht aus, daß die Rechtsausübung des Klägers die Beklagte hart trifft. Für eine unzulässige Rechtsausübung müssen noch Umstände hinzutreten, die eine Rechtsausübung im Einzelfall als grob unbillige, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarende Benachteiligung des Schuldners erscheinen lassen, sie also zu einem schlechthin unzumutbaren Ergebnis führt (BAGE 61, 353 f. = AP Nr. 29 zu § 40 BetrVG 1972; BGHZ 68, 299, 304). Die Beklagte behauptet nicht, daß sie durch die Nachzahlungsansprüche des Klägers in eine existenzgefährdende Situation geriete. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung der Beklagten sind nicht gegeben. Entsprechender neuer Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war nicht mehr zu berücksichtigen (§ 561 Abs. 1 ZPO).
4. Dem Landesarbeitsgericht ist beizutreten, soweit es das Urlaubsentgelt des Klägers nach § 11 Abs. 1 BurlG berechnet und Einkünfte aus der Urlaubsvertretung davon nicht abgezogen hat.
a) Das Landesarbeitsgericht hat als Berechnungszeitraum die letzten drei abgerechneten Monate vor Urlaubsantritt des Klägers zugrunde gelegt. Einen längeren Berechnungszeitraum von einem Jahr hat es abgelehnt. Es hat außerdem den von der Beklagten gezahlten Jahresbonus nicht in die Berechnung des Urlaubsentgelts einbezogen und die unbezahlten Feier- und Urlaubstage für die Berechnung außer Betracht gelassen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 BurlG).
b) Soweit die Beklagte den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Berechnungszeitraum zur Überprüfung stellt, ist nicht ersichtlich, inwieweit sie dadurch in der zweitinstanzlichen Entscheidung beschwert worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat im Unterschied zum Arbeitsgericht den kurzen Berechnungszeitraum nach § 11 Abs. 1 BurlG gewählt und im Ergebnis für die Beklagte günstigere, weil auf das Jahr gesehen geringere Urlaubsentgeltzahlungen ermittelt. Die Anregung der Beklagten, das Urlaubsentgelt mit Hilfe des einjährigen Berechnungszeitraums zu ermitteln (vgl. dazu BAGE 49, 377; BAG Urteil vom 5. Juni 1985 – 5 AZR 459/83 – AP Nr. 39 zu § 63 HGB), wird von ihrem Revisionsantrag (§ 559 Abs. 1 ZPO) nicht gedeckt und führte zu einer unzulässigen reformatio in peius. Eine revisionsrechtliche Überprüfung der von dem Landesarbeitsgericht an § 11 Abs. 1 BurlG orientierten Berechnung des Urlaubsentgelts ist deshalb entbehrlich.
c) Die Revision hält zu Unrecht daran fest, daß die über die Urlaubsvertretung erzielten Einkünfte von der Urlaubsvergütung abzuziehen sind.
Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, es handele sich insoweit um Einkünfte mit halbem Provisionssatz, die sich die Arbeitnehmer infolge ihrer Vertretungs- oder Poolvereinbarung wechselseitig vermittelten. Diese Einkünfte seien der Beklagten nicht als eigene Zahlungen zuzurechnen. Dem stimmt der Senat zu.
Die Revision kann demgegenüber nicht darauf verweisen, daß die wechselseitige Urlaubsvertretung ihrem Vergütungssystem immanent sei und von daher die daraus fließenden Provisionsanteile bei der Urlaubsvergütung berücksichtigt werden müßten. Die Beklagte verkennt, daß dieses Vergütungssystem nicht im Einklang mit dem Bundesurlaubsgesetz steht. Danach verschaffen §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG dem Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindesturlaub, in der er von seiner Arbeitspflicht freizustellen ist. Die in dieser Zeitspanne vom Arbeitgeber zu leistende Entgeltfortzahlung ist nicht an Arbeitsleistungen geknüpft. Der Arbeitnehmer ist auch nicht zur Nacharbeit verpflichtet. Die Situation des Klägers war dagegen eine vollkommen andere. Er erhielt die halbe, vom Vertreter während seines Urlaubs erwirtschaftete Provision nur, weil er in Urlaubsabwesenheit seines Kollegen selbst zusätzliche Arbeitsleistungen erbringt, zu denen er weder gesetzlich noch vertraglich gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet ist. Die geschuldete Urlaubsvergütung kann mit gleichzeitig empfangenen Entgelten jedoch nur dann verrechnet werden, wenn diese einen angemessenen Ausgleich für ansonsten infolge Arbeitsausfalls eintretende Arbeitsentgelteinbußen verschaffen (Urteil BAG vom 14. März 1966 – 5 AZR 468/65 – zu 2 a der Gründe; Urteil vom 5. Februar 1970 – 5 AZR 223/69 –; Urteil vom 30. Juli 1975 – 5 AZR 342/74 – zu 2 b der Gründe, AP Nr. 3, 7, 12 zu § 11 BUrlG), und sie nicht von zusätzlichen Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers abhängig sind.
5. Als in der Revisionsinstanz unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dörner, Dr. Rost, Dr. Lipke, Thieß, Strümper
Fundstellen