Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung; Beteiligung des Personalrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Arbeitgeber vor Einschaltung der Hauptfürsorgestelle den Personalrat zur fristlosen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers angehört, so ist bei unverändertem Sachverhalt eine erneute Personalratsanhörung auch dann nicht erforderlich, wenn die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erst nach einem jahrelangen verwaltungsgerichtlichen Verfahren erteilt wird.
2. Zur Entbehrlichkeit einer Abmahnung bei hartnäckiger und uneinsichtiger Pflichtverletzung (vgl auch Senatsurteil vom 12. Juli 1984 - 2 AZR 320/83 - AP Nr 32 zu § 102 BetrVG 1972).
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.02.1993; Aktenzeichen 10 Sa 1559/92) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 15.10.1992; Aktenzeichen 2 Ca 3403/92) |
Tatbestand
Der 1937 geborene Kläger ist gelernter Maschinenschlosser und seit 1969 bei dem beklagten Land beschäftigt. Beim Polizeipräsidenten W arbeitete er zunächst als Kraftfahrer, seit 1974 wird er als Reparaturschlosser eingesetzt. Nach dem Arbeitsvertrag gilt jede andere zumutbare Tätigkeit als vereinbart. Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 60 als Schwerbehinderter anerkannt.
Mit Anordnung vom 8. September 1986 übertrug der Polizeipräsident dem Kläger die Abwesenheitsvertretung des Vervielfältigers im Polizeipräsidium W , der ebenfalls schwerbehindert ist. Der Kläger sollte einen automatisch arbeitenden Offsetdrucker bedienen. Wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen wurde dem Kläger eine entsprechende Sitzgelegenheit zur Verfügung gestellt. Zu einem Einsatz des Klägers als Vervielfältiger kam es nicht, der Kläger legte vielmehr ein ärztliches Attest vor, nach dem er nicht an Arbeitsstellen beschäftigt werden sollte, die Lärm ausgesetzt seien. Der Polizeipräsident schaltete das zuständige Gewerbeaufsichtsamt und das Gesundheitsamt W ein, letzteres stellte ebenfalls fest, dem Kläger solle die Vertretung auf dem Arbeitsplatz des Vervielfältigers nicht zugemutet werden. Auch nach der Übersendung der Ergebnisse von Lärmmessungen blieb das Gesundheitsamt zunächst bei dieser gutachtlichen Feststellung.
Durch erneute Anordnung vom 12. Februar 1987 übertrug das beklagte Land dem Kläger die Abwesenheitsvertretung bis zu zwei Stunden arbeitstäglich. Der Kläger erhob hiergegen Klage. Ein vom Arbeitsgericht in diesem Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, der Kläger sei für den Einsatz am Offsetdrucker für arbeitstäglich zwei Stunden, auch für einen ganzjährigen Einsatz und nicht nur vertretungsweise gesundheitlich durchaus geeignet. Das Arbeitsgericht wies daraufhin durch Urteil vom 12. August 1987 die Klage ab und führte in den Entscheidungsgründen aus, auch andere als gesundheitliche Umstände, die die dem Kläger übertragene Tätigkeit als unzumutbar erscheinen ließen, seien nicht erkennbar; dem Kläger als Reparaturschlosser sei es insbesondere durchaus zumutbar, auch Druckarbeiten zu übernehmen. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil blieb erfolglos.
Nach Zugang des Protokolls der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 12. August 1987, aber vor Zustellung des Urteils kam es am 21. August 1987 zwischen dem Kläger und dem ständigen Vertreter des Polizeipräsidenten zu einem Gespräch, in dessen Verlauf sich der Kläger bereiterklärte, die Abwesenheitsvertretung als Vervielfältiger zu übernehmen. Der Kläger sollte am 24. August 1987 in diese Tätigkeit eingearbeitet werden, weil der Vervielfältiger im September 1987 in Urlaub ging. Trotz seiner Zusage lehnte der Kläger jedoch am Morgen des 24. August 1987 die Einarbeitung ab.
Noch am gleichen Tag teilte der Polizeipräsident dem Personalrat mit, er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen und bitte um Stellungnahme. Nachdem der Personalrat gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken erhoben hatte, beantragte der Polizeipräsident bei der zuständigen Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers. Später erklärte sich der Kläger bereit, die Tätigkeit des Vervielfältigers zunächst auszuüben und hat in den folgenden Jahren bis 1992 ohne Beanstandungen diese Tätigkeit wahrgenommen.
Nach einem mehrjährigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren stimmte die Hauptfürsorgestelle mit einem dem beklagten Land am 3. August 1992 zugestellten Bescheid vom 30. Juli 1992 der fristlosen Kündigung zu. Das beklagte Land kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. August 1992, dem Kläger am 7. August 1992 zugestellt, fristlos.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst worden.
Er hat behauptet, in dem Gespräch am 21. August 1987 habe es ihn besonders tief getroffen und verletzt, daß der Vertreter des Polizeipräsidenten ihn - unstreitig - aufgefordert habe, ein amtsärztliches Attest vorzulegen, falls er während der Vertretungstätigkeit erkranke. Da er seinerzeit ohnehin gesundheitliche Beschwerden gehabt habe, habe er nach dem 21. August 1987 ein für ihn schlimmes Wochenende erlebt und sei am 24. August 1987 in einer schlechten seelischen Verfassung zum Dienst erschienen. Er habe dem zuständigen Beamten die vielfältigen Hilfsarbeitertätigkeiten aufgezählt, die man auf ihn abgeladen habe und erklärt, er schaffe es nicht mehr, auch noch die Tätigkeit des Vervielfältigers zu übernehmen und sei dazu auch nicht bereit. Dieses Gespräch habe für den Polizeipräsidenten offenbar einen willkommenen Anlaß gebildet, sofort die fristlose Kündigung zu betreiben.
Die Hauptfürsorgestelle habe der fristlosen Kündigung auch bereits am 30. Juli 1992 mündlich zugestimmt, so daß die Kündigung verfristet sei. Außerdem habe das beklagte Land den Personalrat am 24. August 1987 nicht ordnungsgemäß angehört, insbesondere seien dem Personalrat nicht hinreichend konkret die näheren Umstände dargelegt worden, unter denen er sich am 24. August 1987 geweigert habe, die Vertretungstätigkeit zu übernehmen. Schließlich habe das beklagte Land wegen des langen Zeitraums zwischen Personalratsanhörung und Kündigung die fristlose Kündigung nicht aussprechen dürfen, ohne den Personalrat erneut zu beteiligen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien be-
stehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose
Kündigung des beklagten Landes vom 4. August 1992
nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbe-
steht.
Das beklagte Land hat zur Stützung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger habe in Kenntnis des Urteils des Arbeitsgerichts vom 12. August 1987 und der drohenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen mitgeteilt, er sei nicht mehr bereit, die Tätigkeit der Vertretung des Heizers, des Hausmeisters, die Unterstützung des Hausarbeiters und insbesondere die aushilfsweise Tätigkeit des Vervielfältigers wahrzunehmen. Er sei Facharbeiter und werde künftig keine Hilfsarbeitertätigkeiten mehr ausüben. In dem Gespräch vom 21. August 1987 sei der Kläger auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen worden, falls er nicht vertretungsweise die Tätigkeit des Vervielfältigers übernehme. Wenn der Kläger trotz der gutachtlichen und sogar gerichtlichen Bestätigung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Tätigkeit am Drucker nunmehr eine neue Ausrede, nämlich die Minderwertigkeit dieser Arbeit vorgebracht habe, habe man davon ausgehen müssen, daß sich seine Arbeitsverweigerung wiederholen werde. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger bei den mehrfachen Unterredungen am 24. August 1987 die Einweisung in die Arbeit am Drucker abgelehnt habe, habe ausgereicht, von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Darüber hinaus habe der Kläger selbst am 28. August 1987, als ihm schon der Kündigungsentschluß bekannt gewesen sei, es gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten abgelehnt, sich einweisen zu lassen.
Der Personalrat sei bereits ausführlich über das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit informiert gewesen, so daß er über das Anhörungsschreiben vom 24. August 1987 hinaus keiner weiteren Informationen mehr bedurft habe.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach dem Klageantrag erkannt. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des beklagten Landes.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO).
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung der Beklagten sei schon mangels vorheriger Abmahnung des Klägers unwirksam. Es könne dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich schuldhaft die Abwesenheitsvertretung des Vervielfältigers verweigert habe oder ob sein Verhalten als entschuldbar anzusehen sei mit Rücksicht darauf, daß der Vertreter des Polizeipräsidenten ohne ausreichend erkennbaren Anlaß die Einschaltung des Amtsarztes für den Fall einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers angekündigt habe. Selbst wenn der Kläger am 21. August 1987 darauf hingewiesen worden sei, er müsse mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, falls er die Übernahme der Arbeiten verweigere, sei dadurch eine Abmahnung am 24. August 1987 nicht entbehrlich geworden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger nach seiner Arbeitsverweigerung nicht zunächst zur Rede gestellt und eindringlich unter Androhung von kündigungsrechtlichen Konsequenzen darauf hingewiesen worden sei, nunmehr entsprechend seiner früheren Zusage die Einweisung in das neue Aufgabengebiet übernehmen zu müssen. Der Kläger hätte dann genau gewußt, daß er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt hätte, wenn er sich weiter geweigert hätte, der Anweisung seiner Vorgesetzten nachzukommen. Es komme deshalb nicht mehr darauf an, ob bei einer erfolgten Abmahnung die Kündigung angesichts der langen beanstandungsfreien Beschäftigung des Klägers an der gebotenen Interessenabwägung gescheitert wäre.
B. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Ob die fristlose Kündigung der Beklagten nach § 626 BGB unwirksam ist, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht abschließend entscheiden.
1. Zu Unrecht läßt das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung bereits an der fehlenden Abmahnung scheitern.
a) Zwar ist grundsätzlich ein Arbeitnehmer, dem wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll, zunächst abzumahnen; das gilt insbesondere bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt Senatsurteil vom 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Abmahnung bedeutet, daß der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.
b) Entbehrlich ist eine Abmahnung allerdings dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte (BAG Urteil vom 29. Juli 1976 - 3 AZR 50/75 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, zu 4 d der Gründe; BAG Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 96 ff., m.w.N.). Dies ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, daß der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten (Senatsurteil vom 12. Juli 1984 - 2 AZR 320/83 - AP Nr. 32 zu § 102 BetrVG 1972; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 285). Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens, setzt er aber trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzungen fort, dann läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müßte der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen (ebenso Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 76; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 688).
c) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt haben im vorliegenden Fall solche besonderen Umstände vorgelegen, die eine Abmahnung entbehrlich machten. Der Kläger hat sich fast ein Jahr lang hartnäckig geweigert, einer Anordnung seines Arbeitgebers nachzukommen. Diese Anordnung, die Vertretung des Vervielfältigers zu übernehmen, entsprach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien und aufgrund der Urteile in dem durchgeführten Arbeitsgerichtsverfahren steht fest, daß der Kläger keinerlei Grund hatte, die Übernahme dieser Arbeiten zu verweigern. Der Kläger handelte auch schuldhaft. Zumindest nach Kenntnis von dem klageabweisenden Urteil, das auf einem für ihn ungünstigen Sachverständigengutachten basierte, durfte der Kläger nicht mehr davon ausgehen, er dürfe die Übernahme der Vertretungstätigkeit ablehnen. Der Kläger sah dies offenbar auch ein und erklärte sich zu einem Arbeitsantritt am 24. August 1987 bereit. Wenn er dann aber an diesem Tage plötzlich eine andere Begründung fand, die ihm übertragene Arbeit wiederum abzulehnen, so stellt dies ein derartig hartnäckiges und uneinsichtiges Verhalten dar, daß der Kläger nicht ernsthaft damit rechnen konnte, der Beklagte werde ein solches Verhalten hinnehmen und nicht ohne vorherige Abmahnung kündigen. Aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt ergibt sich deutlich, daß der Kläger nicht willens war, der Anweisung seiner Vorgesetzten nachzukommen, als er sich weiter weigerte, die Vertretungstätigkeit zu übernehmen. Es ist rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen noch von der Erforderlichkeit einer Abmahnung ausgegangen ist.
d) Erst recht war eine Abmahnung dann nicht erforderlich, wenn der Vertreter des Polizeipräsidenten, was das Landesarbeitsgericht zugunsten des beklagten Landes unterstellt hat, am 21. August 1987 den Kläger auch noch ausdrücklich auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen hat, falls dieser die Übernahme der Arbeiten erneut verweigern sollte.
Ist ein solcher Hinweis erfolgt, so ist darin sogar eine wirksame Abmahnung zu sehen. Es handelt sich nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, um eine bloß prophylaktische "Abmahnung" im Hinblick auf einen befürchteten Pflichtverstoß des Arbeitnehmers. Der Kläger lehnte vielmehr seit fast einem Jahr pflichtwidrig ab, einer berechtigten Anordnung seiner Vorgesetzten nachzukommen und das beklagte Land drohte ihm arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall an, daß er sein Fehlverhalten fortsetzen würde. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (zuletzt Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 -, aaO) war es auch nicht - wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint - erforderlich, konkret auf die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung hinzuweisen, um auszuschließen, daß der Kläger die Androhung "arbeitsrechtlicher Konsequenzen" lediglich als die Androhung einer Abmahnung verstand.
2. Ob das Fehlverhalten des Klägers an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB darzustellen, hat das Landesarbeitsgericht nicht abschließend geprüft. Dies ist aber bereits nach seinen bisherigen Feststellungen (§ 561 ZPO) zu bejahen.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der Kläger sich am 24. August 1987 vertragswidrig geweigert hat, eine zumutbare Tätigkeit zu übernehmen und sogar die Einweisung in den beabsichtigten Arbeitseinsatz abgelehnt hat. Ein solches Verhalten stellt, insbesondere wenn man die Vorgeschichte berücksichtigt, eine beharrliche Arbeitsverweigerung dar, die grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Was der Kläger zu seiner Entlastung vorträgt, ist allenfalls geeignet, im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten berücksichtigt zu werden, nicht jedoch dazu, etwa mangels Verschuldens das Vorliegen eines Kündigungsgrundes in Frage zu stellen. Auch wenn der Kläger am 24. August 1987, wie er geltendmacht, innerlich aufgewühlt und erregt gewesen sein sollte, so entschuldigt dies nicht die Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit seiner Arbeitsverweigerung. Auch der Hinweis des Vertreters des Polizeipräsidenten am 21. August 1987 auf die Möglichkeit der Einholung eines amtsärztlichen Attestes ist nicht, was das Landesarbeitsgericht erwägt, geeignet, das Verschulden des Klägers fraglich erscheinen zu lassen. Ein solcher Hinweis sprach nur die rechtlichen Möglichkeiten der Reaktion des beklagten Landes an, falls der Kläger, was immerhin nach seinem bisherigen Verhalten nicht ausgeschlossen scheinen mußte, versuchen sollte, sich dem erneuten Arbeitseinsatz durch eine zweifelhafte Krankmeldung zu entziehen. Dieser unstreitige Hinweis in dem Gespräch vom 21. August 1987 zeigte im Gegenteil, daß das beklagte Land nunmehr gewillt war, seine berechtigte Anordnung durchzusetzen, was die beharrliche Pflichtverletzung des Klägers am 24. August 1987 eher noch schwerwiegender erscheinen läßt.
3. Die erforderliche Interessenabwägung hat das Landesarbeitsgericht von seinem Standpunkt aus konsequent nicht vorgenommen. Sie kann durch den Senat nicht nachgeholt werden, ohne in den Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz einzugreifen. Die Pflichtverletzung des Klägers - vor allem die Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit seines Verhaltens - wiegt schwer und ist auch angesichts der langen Beschäftigungszeit, die bereits zur ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers geführt hat, grundsätzlich geeignet, das Interesse der Beklagten, sich vom Kläger zu trennen, überwiegen zu lassen. Zugunsten des Klägers ist allenfalls zu berücksichtigen, daß er zunächst mit den beiden Bestätigungen des Gesundheitsamts einen Anlaß hatte anzunehmen, er dürfe die ihm übertragene Vertretungstätigkeit ablehnen, und das beklagte Land dann zu einem Zeitpunkt gekündigt hat, in dem die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, das sich mit den Weigerungsgründen des Klägers auseinandersetzte, noch nicht vorlagen. Unter diesen Umständen gewinnt es an Bedeutung, daß der konkrete Hergang des Gesprächs vom 21. August 1987, der behauptete schlechte körperliche und seelische Zustand des Klägers am 24. August 1987 und der genaue Ablauf seiner Gespräche mit seinen Vorgesetzten an diesem Tag nicht aufgeklärt sind. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung zu diesen Fragen im Rahmen der Interessenabwägung den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Sollte das beklagte Land den Kläger am 21. August 1987 auch noch abgemahnt und der Kläger am 24. August 1987 zum Ausdruck gebracht haben, er lehne die Vertretungstätigkeit ab, weil sie als Hilfsarbeitertätigkeit weit "unter seiner Würde" sei, so wird dies bei der Interessenabwägung entscheidend zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen sein, und es müssen schon schwerwiegende Umstände festgestellt werden, die für den Kläger sprechen, um die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung an der Interessenabwägung scheitern zu lassen.
II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
1. Die fristlose Kündigung ist nicht nach § 21 Abs. 5 SchwbG unwirksam. Das beklagte Land hat die Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erklärt.
a) Stellt man auf den 3. August 1992 ab, den Tag, an dem unstreitig dem Polizeipräsidenten der Bescheid der Hauptfürsorgestelle zugestellt worden ist, so ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das beklagte Land habe alles unternommen, um so schnell wie möglich nach Zustellung des Zustimmungsbescheids das Arbeitsverhältnis zu kündigen; es stelle kein schuldhaftes Zögern dar, wenn das am 4. August 1992 zur Post gegebene Kündigungsschreiben den Kläger erst am 7. August 1992 erreicht habe.
b) Soweit der Kläger behauptet hat, die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle sei dem Polizeipräsidenten schon vorher telefonisch bekannt gegeben worden, geht zwar das Landesarbeitsgericht zu Unrecht davon aus, das beklagte Land habe erst nach Zustellung der schriftlichen Entscheidung der Hauptfürsorgestelle kündigen können. Nach der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 15. November 1990 - 2 AZR 255/90 - EzA § 21 SchwbG 1986 Nr. 3; zuletzt Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 720/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) kann der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer bereits dann fristlos kündigen, wenn die Hauptfürsorgestelle ihm die Entscheidung in irgendeiner Weise, z.B. telefonisch bekannt gegeben hat. Am Ergebnis ändert sich damit aber nichts. Es ist schon fraglich, ob es dem Arbeitgeber wirklich als schuldhaftes Zögern angerechnet werden kann, wenn er nach der telefonischen Benachrichtigung über die Erteilung der Zustimmung mit der Kündigung nur die wenigen Tage abwartet, bis im normalen Postlauf der Zustimmungsbescheid vorliegt, und dann am nächsten Tag das Kündigungsschreiben zur Post gibt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß sich durch dieses Zuwarten des beklagten Landes - unterstellt man zugunsten des Klägers eine vorherige telefonische Bekanntgabe des Zustimmungsbescheids - keine nennenswerte Verzögerung ergeben hat. Angesichts des dazwischen liegenden Wochenendes hat das beklagte Land allenfalls einen weiteren vollen Arbeitstag verstreichen lassen, ehe es das Kündigungsschreiben zur Post gab. Dies kann angesichts der Gesamtumstände nicht als schuldhaftes Zögern gewertet werden.
2. Die Kündigung ist auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht andeutet, ohne darauf seine Entscheidung tragend zu stützen, nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 74 LPVG-NW unwirksam. Danach hat der Arbeitgeber vor außerordentlichen Kündigungen dem Personalrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
a) Zu Unrecht rügt der Kläger, angesichts der langen Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens reiche es nicht aus, daß das beklagte Land den Personalrat am 24. August 1987 angehört habe, vielmehr sei nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle eine erneute Personalratsanhörung erforderlich gewesen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, an der festzuhalten ist (BAG Urteil vom 3. Juli 1980, BAGE 34, 20 = AP Nr. 2 zu § 18 SchwbG; Urteil vom 1. April 1981, BAGE 35, 190 = AP Nr. 23 zu § 102 BetrVG 1972; Urteil vom 18. August 1982 - 7 AZR 437/80 - AP Nr. 24, aaO) kann die Anhörung des Betriebs- bzw. Personalrats vor der Durchführung des Zustimmungsverfahrens bei der Hauptfürsorgestelle erfolgen. Würde man bei einem länger andauernden Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei unverändertem Sachverhalt eine erneute Anhörung des Betriebs- bzw. Personalrats fordern, so würde dies entgegen der Intention des Gesetzgebers das Verfahren der fristlosen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers noch weiter verzögern. Die Wirksamkeit der an sich berechtigten fristlosen Kündigung, die schon aufgrund der Zweispurigkeit des Gerichtsverfahrens allein durch die Verfahrensdauer erheblich verzögert wird, würde damit noch später eintreten. Verfolgt der Arbeitgeber lediglich seine ursprünglich gefaßte Kündigungsabsicht weiter und hat sich der Sachverhalt nicht geändert, so werden keine Rechte des Betriebs- bzw. Personalrats verletzt, wenn das Anhörungsverfahren, das bereits abgeschlossen war, nicht nach Erteilung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nochmals durchgeführt wird.
b) Der Polizeipräsident hat den Personalrat auch ordnungsgemäß angehört. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung, von der auch das Landesarbeitsgericht ausgeht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 16. September 1993 - 2 AZR 267/93 - zur Veröffentlichung bestimmt), ist eine Kündigung nach § 108 BPersVG - gleiches gilt für die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG - nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber ohne Anhörung der Personalvertretung gekündigt hat, sondern auch bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats. Sinn und Zweck des Verfahrens gemäß § 74 LPVG ist es, dem Personalrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen. Dementsprechend hat der Arbeitgeber dem Personalrat seine Kündigungsabsicht rechtzeitig vorher mitzuteilen und ihn dabei so zu informieren, daß er sich über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann. Daher hat der Arbeitgeber dem Personalrat insbesondere deutlich genug die Kündigungsgründe mitzuteilen, anderenfalls ist nicht von einer wirksamen Anhörung des Personalrats auszugehen (Senatsurteil vom 16. September 1993, m.w.N.).
Das Anhörungsschreiben vom 24. August 1987 entspricht diesen Anforderungen. Die Kündigungsvorwürfe werden ausführlich dargestellt und in dem Anhörungsschreiben wird auch hinreichend deutlich auf die Vorgeschichte, also die erste Weigerung des Klägers und den Arbeitsgerichtsprozeß eingegangen. Daß sich der Kläger ursprünglich unter Hinweis auf gesundheitliche Bedenken geweigert hatte, die Vertretungstätigkeit zu übernehmen, und der Personalrat darauf nicht hingewiesen worden ist, macht die Anhörung nicht unwirksam. Das beklagte Land hat dem Personalrat insoweit keine Entlastungsmomente zugunsten des Klägers verschwiegen, sondern stellt zutreffend auf das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal ab, nach dessen Erlaß sich jedenfalls der Kläger ohne Verschulden auf diese Gründe für seine Weigerung nicht mehr berufen durfte. Das klageabweisende Urteil vom 12. August 1987 lag zwar am 24. August 1987 nur im Tenor vor, davon mußte aber der Personalrat nach dem Gesamtzusammenhang des Anhörungsschreibens als eher wahrscheinlich ausgehen; jedenfalls hat das beklagte Land den Personalrat insoweit nicht falsch unterrichtet. Auch daß der Kläger sich am 21. August 1987 zunächst zur Übernahme der Tätigkeiten bereiterklärt hatte, dann aber am 24. August 1987 plötzlich die Übernahme der Tätigkeit doch verweigerte, ist mehr als belastendes Moment gegen den Kläger zu werten. Dem Personalrat sind insoweit jedenfalls keine zugunsten des Klägers sprechenden Umstände verschwiegen worden. Außerdem verweist das Anhörungsschreiben auf eine beigefügte Anlage, bei der es sich nach dem gesamten Akteninhalt nur um den Vermerk des Vertreters des Polizeipräsidenten vom 21. August 1987 gehandelt haben kann, der ausführlich den Hergang dieses Gesprächs darlegt.
III. Der Kläger wird nach der Zurückverweisung klarzustellen haben, ob und ggf. welches Rechtsschutzinteresse er für den bisher von ihm - neben dem Antrag nach § 4 KSchG - verfolgten allgemeinen Fortbestandsantrag geltend machen will (vgl. zu dieser Frage eingehend Senatsurteil vom 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Bitter Bröhl Dr. Wißmann
Jansen Nipperdey
Fundstellen
Haufe-Index 438140 |
BB 1994, 1643 |
BB 1994, 1857 |
BB 1994, 1857-1859 (LT1-2) |
DB 1995, 532-534 (LT1-2) |
NZA 1995, 65 |
NZA 1995, 65-67 (LT1-2) |
RzK, I 5i Nr 93 (ST1) |
RzK, IV 8c Nr 22 (LT1-2) |
VersorgW 1995, 68 (K) |
AP § 108 BPersVG (LT1-2), Nr 3 |
AR-Blattei, ES 20 Nr 28 (LT1-2) |
EzA-SD 1994, Nr 20, 5-7 (LT1-2) |
EzA § 611 BGB Abmahnung, Nr 31 (LT1-2) |
EzBAT § 54 BAT Schwerbehinderte, Nr 11 (LT1-2) |
PersF 1994, 1159 (K) |
PersR 1994, 436-437 (LT1-2) |
br 1994, 168 (K) |