Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfristen im Konkurs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen eines Arbeitgebers bestehenden Forderungen eines Arbeitnehmers (hier Abfindungsansprüche nach § 113 Abs 3 BetrVG) sind Konkursforderungen (§ 3 Abs 1 KO). Diese Forderungen müssen nach den Vorschriften der Konkursordnung angemeldet werden (§§ 138 ff KO).
2. Neben diesen gesetzlichen Regelungen können tarifliche Ausschlußfristen, die dem Erhalt und der Befriedigung der Forderung dienen (hier § 16 BauRTV), nicht mehr angewendet werden.
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 24.02.1982; Aktenzeichen 4 Sa 665/81) |
ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 30.07.1981; Aktenzeichen 2 Ca 233/81 Tr) |
ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 30.07.1981; Aktenzeichen 2 Ca 234/81 Tr) |
Tatbestand
Die Kläger fordern vom Beklagten, dem Konkursverwalter über das Vermögen ihres früheren Arbeitgebers, Abfindungen nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Der Beklagte macht geltend, diese Forderungen seien nach tariflichen Bestimmungen verfallen.
Der Kläger H war vom 29. Oktober 1951 bis zum 1. November 1974 bei der Firma B GmbH als Polier beschäftigt. Er verdiente zuletzt monatlich 2.078,81 DM brutto. Der Kläger V war bei diesem Unternehmen in der Zeit vom 18. April 1966 bis 5. November 1974 als Maurer beschäftigt; sein Stundenlohn betrug zuletzt 8,47 DM brutto. Die Firma B GmbH war ein Bauunternehmen. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers H war der Rahmentarifvertrag für die Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 14. Juni 1971 anzuwenden, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers V der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 1. April 1971.
Das Bauunternehmen B GmbH beschäftigte zuletzt 78 Arbeitnehmer. Es bestand ein Betriebsrat. Ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich versucht zu haben, stellte die B GmbH ihren Geschäftsbetrieb am 5. November 1974 ein. Alle Arbeitnehmer - bis auf zwölf - wurden nicht mehr weiterbeschäftigt; sie verließen zu diesem Zeitpunkt die B GmbH.
Am 17. Dezember 1974 wurde über das Vermögen der B GmbH der Konkurs eröffnet; der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt. Auf der ersten Gläubigerversammlung (Datum unbekannt) teilte er den Gläubigern mit, daß den Konkursforderungen in Höhe von rd. fünf Millionen DM keine nennenswerten Aktiva gegenüberstünden. Es bestehe die Gefahr, daß das Konkursverfahren mangels Masse eingestellt werden müsse. Der Betriebsrat verzichtete daraufhin auf einen Sozialplan.
Im Jahre 1979 will der Betriebsrat erfahren haben, daß "erhebliche Beträge" zur Konkursmasse geflossen seien. Auf Einladung der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden trafen sich die ehemaligen Arbeitnehmer der Firma B am 31. Oktober 1979. Aus Anlaß dieser Zusammenkunft hielt der frühere Betriebsrat eine Sitzung ab. Er beschloß, vom beklagten Konkursverwalter Verhandlungen über einen Sozialplan zu verlangen. Der Konkursverwalter weigerte sich, einen Sozialplan zu vereinbaren. Daraufhin erreichte der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle. Diese erklärte sich jedoch durch Beschluß vom 23. September 1980 für unzuständig. Dieser Beschluß wurde dem Rechtssekretär, der die Kläger dieses Verfahrens in erster Instanz vertreten hat, am 3. Oktober 1980 als Mitglied dieser Einigungsstelle zugestellt.
Die Kläger haben zunächst beim Arbeitsgericht Rosenheim Klage auf Zahlung einer angemessenen Abfindung erhoben. Diese Klage wurde dem Beklagten am 29. Oktober 1980 zugestellt. Als das Gericht darauf hinwies, die geltend gemachten Ansprüche müßten im Konkursverfahren als bevorrechtigte Konkursforderungen geltend gemacht werden, nahmen die Kläger ihre Zahlungsklage zurück. Sie meldeten am 15. Dezember 1980 ihre Forderungen zur Konkurstabelle an mit dem Rang vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Der Beklagte hat diese Forderungen bestritten. Er hat eingewendet, die Forderungen seien nach den tariflichen Ausschlußfristen verfallen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich nicht auf tarifliche Ausschlußfristen berufen. Auf Konkursforderungen seien die Ausschlußfristen der genannten Tarifverträge nicht anzuwenden. Vorsorglich haben sie geltend gemacht, die Berufung auf die Ausschlußfristen sei arglistig.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die in dem Konkursverfahren vor dem Amts-
gericht Rosenheim - 4 N 48/74 - angemel-
deten Forderungen des Klägers H in Hö-
he von 23.814,43 DM und des Klägers V
in Höhe von 6.227,61 DM mit dem Rang vor
den Forderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO
festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Eröffnung des Konkursverfahrens wirke sich nicht auf den Ablauf tariflicher Ausschlußfristen aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihre Anträge der Sache nach weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Das Berufungsgericht durfte die Klage nicht mit der Begründung abweisen, die Forderungen seien nach den tariflichen Ausschlußfristen erloschen. Da zur Höhe der geltend gemachten Ansprüche noch tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, muß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Doch können die Kläger ihre Forderungen nur als einfache Konkursforderungen (§ 61 Abs. 1 Nr. 6 KO) geltend machen.
I. Die Forderungen der Kläger sind im Konkurs ihres Arbeitgebers streitig geblieben. Der Konkursverwalter hat gegen die Forderungen und das beanspruchte Konkursvorrecht Widerspruch erhoben. Die Kläger müssen deshalb die Feststellung dieser streitig gebliebenen Forderungen nach Grund und Höhe vor den Arbeitsgerichten betreiben (§ 146 Abs. 1 und 5 KO). Der Klageantrag geht auf Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle mit dem in Anspruch genommenen Vorrecht (vgl. BGH LM Nr. 4 zu § 146 KO).
Diese Klage der Kläger ist zulässig. Die Kläger stützen ihre Klage nur auf den Grund und den Betrag, den sie zur Konkurstabelle angemeldet haben (§ 146 Abs. 4 KO).
II. Die Forderungen der Kläger sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verfallen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers H ist § 14 des Rahmentarifvertrags für die Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 14. Juni 1971 (RTV-Poliere) anzuwenden. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers V ist § 16 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 1. April 1971 anzuwenden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer waren tarifgebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG in Verb. mit § 3 Abs. 1 TVG).
Die tariflichen Ausschlußfristen lauten:
"1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Ar-
beitsverhältnis und solche, die mit dem Ar-
beitsverhältnis in Verbindung stehen, ver-
fallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei
Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der
anderen Vertragspartei schriftlich erhoben
werden.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder
erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei
Wochen nach der Geltendmachung des An-
spruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht
innerhalb von zwei Monaten nach der Ableh-
nung oder dem Fristablauf gerichtlich gel-
tend gemacht wird."
2. Ansprüche von Arbeitnehmern nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit § 113 Abs. 1 BetrVG werden von den hier zu beurteilenden tariflichen Ausschlußklauseln erfaßt. Darin ist dem Berufungsgericht zuzustimmen. Diese Auffassung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 42, 1, 6 = AP Nr. 7 zu § 113 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat für den vorliegenden Fall anschließt. Die Kläger hätten deshalb an sich innerhalb von zwei Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei Zahlung der Abfindung verlangen müssen.
Die zweimonatige tarifliche Ausschlußfrist beginnt mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Zu diesem Zeitpunkt wird der Anspruch fällig (vgl. BAG 30, 347, 350 = AP Nr. 3 zu § 113 BetrVG 1972, zu 3 der Gründe). Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer, der von einer Betriebsänderung betroffen wird, Zahlung einer Abfindung verlangen (§ 113 Abs. 3 BetrVG).
3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Eröffnung des Konkursverfahrens keinen Einfluß auf den Ablauf der einmal in Gang gesetzten Ausschlußfristen. Dem kann der Senat nicht folgen.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat bisher noch nicht darüber entschieden, ob und wie sich die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers auf den Lauf von Ausschlußfristen auswirkt, die eine schriftliche Geltendmachung der Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist vorsehen. Nach Auffassung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts spricht viel dafür, daß zumindest dann, wenn die Frist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht abgelaufen ist, das Arbeitsverhältnis jedoch schon vor diesem Zeitpunkt beendet worden war, der Lauf der Ausschlußfrist unterbrochen wird (vgl. BAG 40, 156, 160 = AP Nr. 42 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, zu II 4 der Gründe). Auch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 12. Februar 1971 - 4 Sa 977/70 - DB 1971, 1774) wird der Lauf der Ausschlußfrist in solchen Fällen unterbrochen. In diesem Sinne haben sich auch Blumensaat/Sperner/Unkelbach/Weimer (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe, 4. Aufl., § 16 Anm. 7) und Gagel (Anm. zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Juni 1983 - 5 AZR 632/80 - AP Nr. 78 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) geäußert.
b) Zu beurteilen sind Konkursforderungen. Die Kläger hatten zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG gegen ihren Arbeitgeber, den späteren Gemeinschuldner (§ 3 Abs. 1 KO). Auf diese Konkursforderungen sind tarifliche Ausschlußfristen nicht anzuwenden. Konkursgläubiger können Befriedigung ihrer Konkursforderungen nur in Konkursverfahren erlangen. Dafür ist ein besonderes Verfahren vorgesehen (§§ 138 ff. KO). Mit diesen gesetzlichen Bestimmungen sind tarifliche Ausschlußfristen, die einem Konkursgläubiger weitere Rechtshandlungen vorschreiben, die nur dem Erhalt und der Befriedigung der Forderung dienen, nicht vereinbar; solche Tarifbestimmungen verstoßen gegen zwingendes Gesetzesrecht und sind daher nichtig (§ 134 BGB).
Das Verfahren, nach dem Konkursforderungen im Konkurs geltend zu machen sind, ist in der Konkursordnung im einzelnen und abschließend geregelt. Danach müssen die Konkursgläubiger ihre Konkursforderungen anmelden (§ 138 Satz 1 KO). Das Gericht bestimmt bei Konkurseröffnung eine Anmeldefrist. Diese muß zwischen zwei Wochen und drei Monaten liegen (§ 138 Satz 1 KO). Doch gestattet die Konkursordnung auch nachträgliche Anmeldungen (§ 142 Abs. 1 und 3 KO).
Auch der Inhalt der Anmeldung ist vorgeschrieben: Die Anmeldung kann beim Konkursgericht schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle dieses Gerichts angebracht werden. Die Anmeldung hat die Angabe des Betrags und des Grundes der Forderung sowie des beanspruchten Vorrechts zu enthalten. An dieses Anmeldeverfahren schließt sich das Prüfungsverfahren an (§ 141 KO). Schließlich enthält die Konkursordnung noch Vorschriften darüber, wie zu verfahren ist, wenn gegen eine Forderung im Prüfungstermin Widerspruch erhoben wird (§ 144 ff. KO).
Neben diesen gesetzlichen Regelungen können tarifliche Ausschlußklauseln, die einem Konkursgläubiger zum Zweck der Erhaltung seiner Konkursforderungen weitere Rechtshandlungen vorschreiben, etwa die schriftliche oder gerichtliche Geltendmachung dieser Forderungen gegenüber dem Gemeinschuldner oder dem Konkursverwalter, keinen Bestand haben. Hat der Konkursgläubiger seine Forderungen in der von der Konkursordnung vorgeschriebenen Weise angemeldet, nimmt er am Konkursverfahren teil; er kann wegen dieser Forderungen Befriedigung aus der Teilungsmasse verlangen. Wie jeder andere Konkursgläubiger auch kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß er Konkursforderungen nur nach den Regeln durchzusetzen braucht, die die Konkursordnung dafür bestimmt. Diese Regeln treten an die Stelle der Regeln, die die Tarifvertragsparteien für die Durchsetzung von Forderungen unter normalen wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnissen festgesetzt haben.
Auch von ihrem Sinn und Zweck her ist eine weitere Anwendung der tariflichen Ausschlußfristen neben den gesetzlichen Bestimmungen der Konkursordnung nicht geboten. Sinn und Zweck tariflicher Ausschlußfristen ist es, in kurzer überschaubarer Zeit Klarheit über das Bestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu schaffen. Der Schuldner soll erfahren, ob und in welchem Umfang der Gläubiger noch Forderungen erhebt (vgl. BAG Urteil vom 8. Juni 1983 - 5 AZR 632/80 - AP Nr. 78 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2 b der Gründe - auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). In den Fällen, in denen über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet wurde, verlieren Ausschlußfristen ihren Sinn. Jetzt kann es nicht mehr darum gehen, dem Arbeitgeber (Gemeinschuldner) Klarheit über das Bestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu verschaffen. Im Konkurs des Arbeitgebers geht es nur um die Feststellung von Teilungs- und Schuldenmasse. Diese Vermögensübersicht bezieht sich auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung. Für diesen Zeitpunkt werden auch alle bestehenden Konkursforderungen ermittelt. Konkursverwalter und Arbeitgeber können deshalb nur ein Interesse an der Feststellung haben, welche Konkursforderungen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestanden. Viele tarifliche Ausschlußfristen beanspruchen daher keine Geltung für den Fall, daß eine Forderung gegen die Vertragspartei zu einer Konkursforderung geworden ist (für die hier anwendbaren Ausschlußfristen vgl. in diesem Sinne Blumensaat/Sperner/Unkelbach/Weimer, Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe, 4. Aufl., § 16 Anm. 7).
Andererseits werden durch das nach der Konkursordnung vorgeschriebene Anmelde- und Prüfungsverfahren die Interessen des Arbeitgebers (Gemeinschuldners) und des Konkursverwalters ausreichend berücksichtigt. Der Konkursverwalter hat nur ein Interesse daran zu erfahren, wie hoch die Schuldenmasse im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ist. Diesem Interesse dienen die oben dargestellten Regeln, die ein Konkursgläubiger einzuhalten hat. Der Arbeitgeber kann sich als Gemeinschuldner im Prüfungsverfahren zu den geltend gemachten Forderungen erklären (§ 141 Abs. 2 KO). Er kann die geltend gemachte Forderung im Prüfungstermin bestreiten (§ 144 Abs. 2 KO). Das hindert zwar die Feststellung der Forderung im Konkursverfahren nicht. Doch ist die Zwangsvollstreckung gegen den Gemeinschuldner nach Beendigung des Konkursverfahrens aus der Konkurstabelle nicht möglich (§ 164 Abs. 2 KO). Zur Beseitigung des Schuldnerwiderspruchs kann der Gläubiger deshalb schon während des Konkursverfahrens Klage erheben oder einen durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Rechtsstreit gegen den Gemeinschuldner mit dem Antrag auf Feststellung des Bestehens der Forderung wieder aufnehmen (§ 144 Abs. 2 KO; zur Zulässigkeit einer solchen Klage vgl. auch Böhle/Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 144 Anm. 4).
4. Der Senat weist zur Klarstellung noch auf folgendes hin:
Die hier vorliegende Fallgestaltung ist nicht zu vergleichen mit dem Fall, daß die Forderung eines Arbeitnehmers bei Konkurseröffnung wegen Ablaufs einer tariflichen Ausschlußfrist bereits erloschen war. Die gesetzlichen Regelungen über die Behandlung von Konkursforderungen setzen voraus, daß eine Konkursforderung bestand. Die Konkursordnung kann nicht verhindern, daß vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstandene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auch vor Eröffnung des Verfahrens aus materiell- rechtlichen Gründen erlöschen.
Etwas anderes gilt auch für solche Forderungen, die Arbeitnehmer als Massegläubiger nach der Konkurseröffnung erwerben. Wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch fortbesteht, tritt der Konkursverwalter als Rechtsnachfolger des Arbeitgebers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. In diesem Arbeitsverhältnis besteht ein berechtigtes Bedürfnis beider Seiten, gegenseitige Forderungen nach den Regeln abzuwickeln und durchzusetzen, die für das Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner bestanden. Deshalb müssen in solchen Fällen die Ausschlußfristen in vollem Umfang angewendet werden. Als Schuldner von Lohnforderungen muß der Konkursverwalter alsbald Klarheit darüber erhalten, ob und welche Ansprüche aus dem fortgesetzten Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden. Insofern ist der Konkursverwalter in keiner anderen Situation als jeder andere Arbeitgeber auch (vgl. Blumensaat/Sperner/Unkelbach/Weimer, aaO, § 16 Anm. 7). Umgekehrt gilt dies selbstverständlich auch für Ansprüche des Konkursverwalters gegen die Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis.
5. Da es sich hier um Konkursforderungen handelte, konnten die tariflichen Ausschlußfristen nicht mehr zum Erlöschen der geltend gemachten Abfindungsansprüche führen. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hält einer gerichtlichen Nachprüfung daher nicht stand.
III. Über die Klagen kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
1. Nach dem unstreitigen Sachverhalt haben die Kläger einen Anspruch auf eine Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG in Verb. mit § 113 Abs. 1 BetrVG. Der frühere Arbeitgeber der Kläger hatte den Betrieb stillgelegt (§ 111 Nr. 1 BetrVG), ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich versucht zu haben. Infolge dieser Betriebsstillegung sind die Kläger entlassen worden.
2. Über die Höhe der Abfindungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Hierzu fehlt es an dem erforderlichen Sachvortrag und an Feststellungen des Berufungsgerichts. Der Rechtsstreit muß deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
IV. Die Abfindungsansprüche der Kläger in der noch zu ermittelnden Höhe sind nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO zu berichtigen. Die Kläger können kein Konkursvorrecht für ihre Forderungen beanspruchen.
1. Die Kläger haben ihre Forderungen zur Konkurstabelle mit einem Vorrecht vor den Forderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO angemeldet. Die Kläger haben sich insoweit auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 1978 gestützt (vgl. BAG 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972). Die Einordnung dieser Ansprüche in eine durch Richterrecht neu geschaffene Rangstelle vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO ist jedoch mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485, 486/80 - BVerfGE 65, 182, 190 ff.).
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten muß in diesem Verfahren entschieden werden, wie die Ansprüche der Kläger für den Fall konkursrechtlich einzuordnen sind, daß das beanspruchte Vorrecht (hier Vorrecht vor § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO) nicht besteht. Eine Feststellung zur Konkurstabelle scheidet nicht schon deshalb aus, weil die Kläger zu Unrecht ein günstigeres Vorrecht in Anspruch genommen haben als ihnen tatsächlich zusteht. Zwar kann nach § 146 Abs. 4 KO die Feststellung streitig gebliebener Forderungen nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden, den der Gläubiger in der Anmeldung oder dem Prüfungstermin angegeben hat. Das gilt aber nicht für das angemeldete Konkursvorrecht. Die entgegenstehende Auffassung von Kilger (Böhle/Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 146 Anm. 2 e) und Mentzel (KO, 9. Aufl., § 146 Rz 25) läßt sich mit dem Wortlaut und Zweck des § 146 Abs. 4 KO nicht vereinbaren. Über das Vorrecht muß das Gericht dann entscheiden, wenn das Vorrecht bestritten wird. Es ist insoweit nicht an die Anmeldung durch den Gläubiger gebunden. So hat auch der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Konkursverwalter geprüft, ob dem Kläger das beanspruchte Vorrecht dann zugebilligt werden muß, wenn ihm in Wahrheit ein besseres Vorrecht zustand (vgl. BAG 35, 98, 102 = AP Nr. 11 zu § 61 KO, zu III 4 der Gründe). Entsprechendes gilt für Fälle der vorliegenden Art. Vorrechte haben untereinander einen Rang. Beansprucht der Gläubiger einen besseren Rang als ihm zusteht, wird die Klage insoweit abgewiesen. Die Forderung wird im übrigen mit dem dem Gläubiger zustehenden Rang festgestellt. Die entgegenstehende Auffassung würde nur zu größeren praktischen Schwierigkeiten führen. Der Gläubiger müßte dann seine Forderungen hilfsweise mit allen Konkursvorrechten nach Reihenfolge anmelden. So kann das Gericht davon ausgehen, daß der Gläubiger, dem das beanspruchte Vorrecht nicht zusteht, jedenfalls ein weiteres, wenn auch schlechteres Vorrecht in Anspruch nehmen will. Für seine Auffassung kann sich Kilger (aaO) nicht auf das Reichsgericht (RGZ 130, 334) berufen. Das Reichsgericht hat in dem erwähnten Verfahren die Klage nur deshalb als unzulässig abgewiesen, weil der Konkursverwalter die angemeldete Forderung und das beanspruchte Konkursvorrecht noch nicht geprüft hatte.
3. Über den konkursrechtlichen Rang von Ansprüchen auf Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG kann der Senat abschließend entscheiden; er braucht die Rechtsfrage nicht erneut dem Großen Senat zur Entscheidung vorzulegen. Das hat der Senat bereits für Ansprüche auf Abfindungen nach Sozialplänen in seinem Urteil vom 30. April 1984 näher begründet (1 AZR 34/84 - zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Was für Ansprüche aus Sozialplänen gilt, gilt insoweit auch für Ansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Frage, wie solche Ansprüche konkursrechtlich einzuordnen sind, keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Durch den verfassungsrechtlich unbedenklichen Teil der Entscheidung des Großen Senats und durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ist die Rechtslage weitgehend geklärt worden.
4. Abfindungsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes sind im Konkurs des Arbeitgebers einfache Konkursforderungen im Sinne von § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO, wenn Betriebsstillegung und Entlassung der Arbeitnehmer allein in die Verantwortung des Gemeinschuldners, des früheren Arbeitgebers, fallen. Wie zu entscheiden ist, wenn der Konkursverwalter den Betrieb stillegt, kann offenbleiben.
a) Für die konkursrechtliche Einordnung von Ansprüchen aus Sozialplänen hat der Senat ein Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO verneint. Nach dieser Bestimmung sind Ansprüche der Arbeitnehmer auf die Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner wegen der Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens erstrangige Konkursforderungen. In der bevorrechtigten Zeit sollen diese Bezüge den täglichen Lebensunterhalt der Arbeitnehmer sicherstellen. Damit unterscheiden sie sich von Ansprüchen aus Sozialplänen, die Nachteile, die auf einer Betriebsänderung beruhen, ausgleichen sollen. Aus diesem Grunde kommt auch eine analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO nicht in Betracht (vgl. das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 30. April 1984 - 1 AZR 34/84 - zu II 3 der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
b) Ansprüche eines Arbeitnehmers nach § 113 Abs. 3 BetrVG können konkursrechtlich jedenfalls dann nicht anders behandelt werden als die Ansprüche aus Sozialplänen, wenn sie wegen des unterbliebenen Versuchs eines Interessenausgleichs über die geplante Betriebsänderung gemäß § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden waren. Beide Ansprüche bestehen nicht beziehungslos nebeneinander. Die nach § 113 Abs. 3 BetrVG zu zahlende Abfindung tritt in Höhe des Nachteilsausgleichs an die Stelle der Sozialplanabfindung. Wird nachträglich noch ein Sozialplan aufgestellt, der die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer für den Verlust ihres Arbeitsplatzes vorsieht, so sind auf diesen Anspruch die Abfindungen anzurechnen, die der Arbeitnehmer bereits nach § 113 Abs. 3 BetrVG erworben hatte (BAG GS 31, 176, 207 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, zu IV A 3 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Umgekehrt hat auch der Konkursverwalter, der in Fällen der vorliegenden Art mit der Konkurseröffnung an die Stelle des Arbeitgebers tritt, noch die Verpflichtung, mit dem Betriebsrat einen Sozialplan zu vereinbaren, wenn dieser das verlangt. Denn die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich und Sozialplan (§§ 111 ff. BetrVG) gelten auch im Konkurs des Unternehmers. Der Betriebsrat hat nunmehr gegenüber dem Konkursverwalter ein erzwingbares Recht auf Aufstellung eines Sozialplans, auch wenn die Betriebsänderung tatsächlich schon durchgeführt wurde und deshalb schon Ansprüche der Arbeitnehmer nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG entstanden sind. Der Unternehmer kann sich nicht seinen Verpflichtungen nach § 112 Abs. 1 und 4 BetrVG entziehen (vgl. BAG Beschluß vom 15. Oktober 1979 - 1 ABR 49/77 - AP Nr. 5 zu § 111 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe). Danach müssen konkursrechtlich beide Ansprüche, der Anspruch aus einem Sozialplan und der Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG, gleichbehandelt werden. Ansprüche des Arbeitnehmers nach § 113 Abs. 3 BetrVG, die bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens begründet wurden, genießen nicht das Vorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO.
c) In die Rangstelle der Nr. 2 bis 5 des § 61 Abs. 1 KO können die Ansprüche nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 1 BetrVG nicht eingeordnet werden; diese Rangstellen kommen offensichtlich nicht in Betracht. Damit bleibt nur die Einordnung dieser Ansprüche in den Auffangtatbestand des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO.
d) Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Gesetzgeber Ansprüche aus Sozialplänen konkursrechtlich anders behandelt als die Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG, hat der Senat nicht zu entscheiden. Die geplante Neuregelung ist - im Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung - noch nicht in Kraft.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Dr. Wehr Gnade
Fundstellen
Haufe-Index 437370 |
BAGE 47, 343-354 (LT1-2) |
BAGE, 343 |
BB 1985, 1067-1069 (LT1-2) |
DB 1985, 1297-1300 (LT1-2) |
ARST 1985, 132-133 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 214-214 (T) |
KTS 1985, 541-547 (LT1-2) |
NZA 1985, 396-398 (LT1-2) |
ZIP 1985, 754 |
ZIP 1985, 754-758 (LT1-2) |
AP § 4 TVG Ausschlußfristen (LT1-2), Nr 88 |
AR-Blattei, Ausschlußfristen Entsch 116 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 350 Nr 116 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 970 Nr 59 (LT1-2) |
AR-Blattei, Konkurs Entsch 59 (LT1-2) |
EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr. 63 (LT1-2, ST1) |