Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die arbeitgeberseitige Kündigung selbst ist im Sinne des Kündigungsschutzrechts keine Unternehmerentscheidung, die von den Gerichten im Kündigungsschutzprozeß grundsätzlich als bindend hinzunehmen ist.
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 08.08.1984; Aktenzeichen 4 Sa 91/84) |
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 06.12.1983; Aktenzeichen 2c Ca 1279/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 28. September zum 31. Dezember 1983.
Die Kläger(innen) waren bei dem beklagten Verein, der in P die Volkshochschule betreibt, als teilzeitbeschäftigte Musiklehrer(innen) in dessen Jugendmusikschule (JMS) seit mehr als sechs Monaten beschäftigt. Der Beklagte finanziert den Betrieb der Jugendmusikschule durch Einnahmen aus seiner Tätigkeit (Teilnehmergebühren), Barzuschüssen des Landes Schleswig-Holstein, des Kreises, der Stadt P sowie einem Verrechnungszuschuß der Stadt P. Im Jahre 1983 gewährte die Stadt P dem Beklagten für die Jugendmusikschule einen Barzuschuß in Höhe von 181.300,– DM. Im Verlaufe des Jahres zeigte sich, daß dieser Zuschuß nicht zur Deckung aller eingegangenen Verpflichtungen ausreichte. Es fehlten noch etwa 14.000,– DM. Die Stadt P erklärte sich bereit, einen Zuschuß in dieser Höhe zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit des Beklagten zu gewähren. Der Beklagte beschäftigte für die JMS insgesamt 51 musikalische Lehrkräfte in Teilzeit. Nach § 1 der für alle Kläger(innen) gleichlautenden Arbeitsverträge setzte der Leiter der Abteilung JMS die Zahl der Unterrichtsstunden sowie Zeit und Ort des Unterrichts fest. Inhalt des Anstellungsvertrages war die Dienstanweisung für Lehrkräfte des Fachbereichs JMS, wonach u.a. der Leiter des Fachbereichs JMS die erzieherische und fachliche Arbeit der Lehrkräfte, insbesondere durch Unterrichtsbesuche überwachte. Nach § 2 wurden die Verträge für die Dauer eines Kalenderjahres geschlossen und verlängerten sich stillschweigend um ein weiteres Kalenderjahr, wenn sie nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum 31. Dezember gekündigt wurden.
Für das Jahr 1984 stellte die Stadt P dem Beklagten einen Zuschuß nicht in beantragter Höhe von 203.000,– DM, sondern lediglich von 160.000,– DM in Aussicht. Im Etat der Stadt P wurden diese 160.000,– DM bereits zurückgestellt. Ein Bewilligungsbescheid über den Zuschuß lag noch nicht vor. Die Stadt P knüpfte die Gewährung des Zuschusses an die Bedingung, daß der Beklagte ein entsprechendes Angebot der Jugendmusikschule entwickelte und auf dessen Basis eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorlegte, die eine gesicherte Finanzierung erkennen ließ. Die Stadt P erklärte dazu in ihrem Schreiben vom 19. September 1983 an den Beklagten, eine weitere Förderung sei nur möglich, wenn ihre diesbezüglichen Bedingungen spätestens zu Beginn des Haushaltsjahres 1984 erfüllt seien. Insbesondere verlangte die Stadt P die satzungsmäßige Verantwortung des Leiters der Volkshochschule für die ordnungsgemäße Geschäftsführung des Fachbereichs JMS wiederherzustellen. Dazu gehöre, daß der Abteilungsleiter der JMS wieder der Aufsicht des Leiters der VHS unterstellt werde. Außerdem dürften mit Dozenten keine vertraglichen Bindungen eingegangen werden, wenn die finanziellen Auswirkungen sich nicht in dem mit der Stadt abgestimmten Finanzierungsrahmen hielten. Erst recht könnten keine Unterrichtsverträge mit Eltern getroffen werden, wenn nicht sichergestellt sei, daß die hierfür erforderlichen Verpflichtungen von Dozenten finanziert werden könnten.
Der Beklagte berief daraufhin auf den 27. September 1983 eine Dozentenversammlung ein, in der der Leiter der JMS beauftragt wurde, ein Konzept zu erarbeiten, das der Neugestaltung der Verträge dienen sollte. Der Leiter der JMS übergab dem Beklagten am 17. Oktober 1983 das erbetene Konzept. Dieses sah die Umwandlung eines Teils des bisherigen Einzelunterrichts in flexiblen Gruppenunterricht vor, womit die Beibehaltung der bisherigen Dozentenverträge unter Beachtung des von der Stadt angekündigten Barzuschusses von nur 160.000,– DM ermöglicht werden sollte. Der Vorstand des Beklagten kam am 20. Oktober 1983 zu dem Ergebnis, der Vorschlag des Leiters der JMS sei keine taugliche Grundlage für die Fortsetzung des Betriebes der JMS, entschloß sich aber, den Klägern(innen) anzubieten, sie unter den gleichen Bedingungen wie 1983 zu beschäftigen. Gleichwohl sah sich der Beklagte veranlaßt, aufgrund der Vorbehalte der Stadt sämtlichen Teilzeitlehrkräften mit Schreiben vom 28. September 1983 „vorsorglich” zum 31. Dezember 1983 zu kündigen. In dem Kündigungsschreiben teilte der Beklagte mit, die Arbeit der JMS sei nach Auskunft des Magistrats der Stadt P auch auf längere Sicht gesehen nicht in Frage gestellt und solle weiter in hohem Maße subventioniert werden. Die Kläger(innen) wurden demgemäß aufgrund neuer Verträge ab 1. Januar 1984 als sogen. freie Mitarbeiter(innen) weiterbeschäftigt.
Die Kläger(innen) sind der Auffassung, das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen und dem Beklagten sei nicht beendet worden. Sie haben vorgetragen, angesichts der bereits im Etat 1984 bereitgestellten Mittel in Höhe von 160.000,– DM habe es keiner Kündigung bedurft, und das Konzept des Leiters der Jugendmusikschule über den „flexiblen Gruppenunterricht” habe die Bedingungen der Stadt P erfüllt. Der Beklagte hätte eine Änderungskündigung aussprechen müssen, das Stundendeputat herabsetzen oder nur einem Teil der Arbeitnehmer kündigen dürfen. Unter keinen Umständen habe er allen Musiklehrern kündigen dürfen, da er erklärtermaßen die Musikschule habe weiterbetreiben wollen, womit feststehe, daß er zumindest einen Teil der Musiklehrer für die Aufrechterhaltung des Betriebes weiter benötigt habe.
Die Kläger(innen) haben beantragt festzustellen, daß die vom Beklagten am 28. September 1983 ausgesprochene Kündigung sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1983 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis, sondern ein freies Mitarbeiterverhältnis bestanden. Abgesehen davon sei die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt. Er sei von den Zuschüssen insbesondere der Stadt P abhängig. Diese habe Bedingungen hinsichtlich der Mittelgewährung für 1984 gestellt, mit deren fristgemäßer Erfüllung er nicht habe rechnen können. Für den Fall, daß er die von der Stadt P in Aussicht gestellten Mittel rechtzeitig erhalten würde, habe er den Klägern ein neues Vertragsangebot in Aussicht gestellt.
Im übrigen entziehe es sich seiner Kenntnis, welche Absichten die Stadt P verfolge. Er habe die Arbeitsverträge fristgerecht beendigen müssen, damit er nicht Gefahr lief, wegen fehlender Zuschüsse der Stadt P im Jahre 1984 zahlungsunfähig zu werden und Konkurs beantragen zu müssen, weil die Dozentenhonorare nicht mehr hätten gezahlt werden können. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs sei er, der Beklagte, von der Stadt P unmißverständlich darauf hingewiesen worden, daß eine Bewilligung des Barzuschusses für das Jahr 1984 nur in Betracht käme, wenn zuvor die bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit den Dozenten beendet seien. Der Beklagte habe finanzielle Verpflichtungen erst eingehen sollen, wenn die dazu benötigten finanziellen Mittel auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Die Stadt P habe verlangt, von der haushaltsrechtlich unzulässigen Handhabungsweise abzugehen, daß zunächst Verpflichtungen eingegangen würden, deren Deckung erst im nachhinein erfolgen sollte. Die Stadt P habe zu Recht darauf bestanden, daß man nur die Ausgaben tätige, für die man auch bereits die finanziellen Mittel besitze.
Die Kläger(innen) haben erwidert, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Dies ergebe sich bereits aus dem Anstellungsvertrag, der auf arbeitsrechtliche Schutzgesetze und auf die Dienstanweisung Bezug nehme.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen mit der Begründung abgewiesen, es habe eine erhebliche Ungewißheit darüber bestanden, ob der Beklagte imstande sein würde, die Bedingungen der Stadt P fristgemäß zu erfüllen. Wegen der Komplexität der Situation sei es dem Beklagten nicht möglich gewesen, statt der Beendigungs- Änderungskündigungen auszusprechen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger(innen) zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger(innen) ihre ursprünglich gestellten Anträge weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Kläger(innen) war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben, das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, daß die Arbeitsverhältnisse zwischen den Parteien nicht beendet worden sind, sondern zu den bisherigen Bedingungen fortbestehen.
A.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien seien Arbeitsverhältnisse begründet worden. Die Kündigung dieser Arbeitsverhältnisse sei sozial gerechtfertigt. Aufgrund des Schreibens der Stadt P vom 19. September 1983 habe für den Beklagten festgestanden, daß die Stadt P die Gewährung des in Aussicht genommenen Zuschusses in Höhe von 160.000,– DM von der Bedingung abhängig gemacht habe, daß der Beklagte einen gesicherten Haushalt für das Jahr 1984 vorlege. Dazu sei der Vorstand des Beklagten nicht in der Lage gewesen, da das Konzept des Leiters der Musikschule für das Jahr 1984 unbrauchbar gewesen sei. Es habe daher zum Zeitpunkt der Kündigungen festgestanden, daß dem Beklagten für das Jahr 1984 nicht ausreichend Mittel zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Verfügung gestanden hätten. Ein erneutes Defizit hätte nur verhindert werden können, wenn der Beklagte die Zahl der Unterrichtsstunden oder das Honorar der Dozenten reduziert hätte. Es sei nicht mehr ausreichend Zeit gewesen, einen ausgeglichenen Haushaltsplan auszuarbeiten, der anschließend von der Stadt P akzeptiert worden wäre. Aus diesem Grunde hätte allen Arbeitnehmern gekündigt werden müssen. Schließlich sei zu berücksichtigen, „daß die für den Beklagten unmißverständliche Forderung der Stadt P auf Beendigung der Arbeitsverträge vorlag”.
B.
Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.
I.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis.
1. Ein Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn das Dienstverhältnis durch das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit des Dienstleistenden, insbesondere seine Gebundenheit an Weisungen des Dienstherrn geprägt ist (BAG Urteil vom 13. Dezember 1962 - 2 AZR 128/62 - BAG 14, 17 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG Urteil vom 16. März 1972 - 5 AZR 460/71 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG Urteil vom 30. April 1975 - 5 AZR 170/74 - AP Nr. 12 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG Urteil vom 14. Januar 1982 - 2 AZR 254/81 - BAG 37, 305 = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Anderenfalls besteht ein freies Mitarbeiterverhältnis. Entscheidend für die Einordnung sind die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrages und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben (BAG Urteil vom 26. Januar 1977 - 5 AZR 796/75 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 1 der Gründe; BAG Urteil vom 23. September 1981 - 5 AZR 284/78 - BAG 37, 58 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten und BAG Urteil vom 15. April 1982 - 2 AZR 1111/79 - BAG 38, 259 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).
2. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 14. Januar 1982 (aaO) eingehend ausgeführt, weshalb Lehrkräfte an öffentlichen Schulen Arbeitnehmer sind. Ein erhebliches Ausmaß persönlicher Abhängigkeit ergibt sich für sie bereits dadurch, daß sie hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Dienstleistungen vollständig an Weisungen des Dienstherrn gebunden sind und auch den Ausbildungs- und Lehrplan für die jeweilige Schulklasse beachten müssen.
Vorliegend haben die Parteien Verträge geschlossen, nach deren § 1 zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis begründet werden sollte. Dieses Anstellungsverhältnis wird in § 3 als „Arbeitsverhältnis” bezeichnet. Nach § 3 vorletzter Absatz besteht für die Volkshochschule Sozialversicherungspflicht. Für die Dozenten sollen die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die des Lohnfortzahlungsgesetzes, gelten. Nach § 1 letzter Absatz erfolgt die Tätigkeit der Kläger(innen) auf der Grundlage der jeweils gültigen Fassung der Dienstanweisung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß das Dienstverhältnis auch nach der Dienstanweisung durchgeführt worden ist. Aufgrund der Dienstanweisung überwacht der Leiter der Jugendmusikschule die erzieherische und fachliche Arbeit der Lehrkräfte, insbesondere durch Unterrichtsbesuche. Er berät die Lehrkräfte in pädagogischen und künstlerischen Fragen. Für die Einzelheiten bei der Erteilung des Unterrichts sind die Anweisungen des Leiters der Musikschule zu beachten, desgleichen etwaige Anweisungen, die der Leiter der Volkshochschule bzw. der Vorstand erlassen sollten. Danach haben die Kläger(innen) über die Vereinbarung des Lehrgegenstandes hinaus methodische und didaktische Anweisungen zur Gestaltung ihres Unterrichts erhalten, die sie zu befolgen hatten. Damit sind vorliegend die Voraussetzungen erfüllt, die der Fünfte Senat im Urteil vom 25. August 1982 (BAG 39, 329 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, unter II 3 der Gründe) für die Anerkennung eines Volkshochschullehrers als Arbeitnehmer aufgestellt hat (vgl. insbesondere auch Woltereck in Fohrbeck/Wiesand/Woltereck, Arbeitnehmer oder Unternehmer, S. 205, nach dem Musiklehrer an (Volks)Musikschulen „verkappte Arbeitnehmer” sind). Ein anderes Ergebnis ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht aus dem Senatsurteil vom 15. April 1982 (aaO): In jenem Urteil hatte der Senat zu beurteilen, ob ein Lehrbeauftragter an einer Hochschule den Status eines Arbeitnehmers hat, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt wird. Dies hat der Senat verneint, weil der Lehrbeauftragte an der Hochschule sich in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis befindet.
II.
Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß die Kündigung der Kläger(innen) durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, die einer Weiterbeschäftigung der Kläger(innen) im Betrieb entgegenstehen.
1. Nach dem Grundsatzurteil des erkennenden Senates vom 7. Dezember 1978 (BAG 31, 158 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (= Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen oder Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend” sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muß wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG 16, 134, 136 und 21, 248, 255 = AP Nr. 14 und 20 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung sowie BAG Urteil vom 7. Dezember 1978, aaO). Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken. Er muß seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen (substantiieren), daß sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Vom Arbeitgeber ist darüber hinaus insbesondere darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muß erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlaß das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (BAG 31, 157 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung sowie BAG Urteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36).
2. Vorliegend hat der Beklagte die Kündigung der Kläger(innen) damit begründet, die Stadt P habe es abgelehnt, den beantragten Zuschuß in Höhe von 203.000,– DM zu zahlen, sondern sei lediglich bereit, einen Barzuschuß von 160.000,– DM für die Jugendmusikschule zu gewähren. Auch dieser Zuschuß sei von der Erfüllung außerordentlich enger Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht worden. Gleichzeitig hat der Beklagte im Kündigungsschreiben der Kläger(innen) mitgeteilt, er freue sich sagen zu können, daß die Arbeit der Jugendmusikschule nach Auskunft des Magistrats der Stadt P auch auf längere Sicht gesehen insgesamt nicht infrage gestellt sei und trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage weiter in hohem Maße subventioniert werden solle.
a) Eine grundsätzlich bindende unternehmerische Entscheidung (ein sog. innerbetrieblicher Grund) ist nach dem Vortrag des Beklagten nicht ersichtlich. Es geht vielmehr um die Auswirkung der angekündigten Drittmittelkürzung und damit um einen außerbetrieblichen Grund. Aber inwiefern die Gewährung eines reduzierten Zuschusses in Höhe von 160.000,– DM das Bedürfnis einer Tätigkeit der Kläger(innen) insgesamt entfallen lassen soll, hat der Beklagte nicht dargetan. Er hat überhaupt nicht dargelegt, ob und in welcher Weise sich die Verringerung des Zuschusses auf die Beschäftigungsmöglichkeit der Kläger(innen) auswirken soll. Schon gar nicht hat er dargelegt, weshalb die Beendigungskündigung als die einschneidendste Maßnahme gegenüber den Klägern erforderlich gewesen sei, um den betrieblichen Interessen genüge zu tun. Der Beklagte ist insbesondere nicht darauf eingegangen, weshalb er die vorgesehenen Ausgaben nicht dem in Aussicht gestellten verringerten Zuschuß angeglichen hat. Dies hätte geschehen können durch Reduzierung der Gehälter oder durch Verringerung der Stundendeputate im Wege der Änderungskündigung oder durch Beendigungskündigung der Musiklehrer, die bei Beachtung der Grundsätze der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) am wenigsten auf ihre Tätigkeit an der Jugendmusikschule angewiesen waren.
b) Soweit der Revisionsbeklagte sich darauf beruft, sein Entschluß, sämtlichen Dozenten zu kündigen, sei eine Unternehmerentscheidung, die nur auf offensichtliche Willkür oder Unsachlichkeit zu überprüfen sei, unterliegt er einem Irrtum über die Tragweite des Begriffs der Unternehmerentscheidung: Er hat nicht genügend beachtet, daß das unternehmerische Ermessen ein normativer Begriff ist, der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt hat, sondern stets im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem er jeweils steht, zu bestimmen ist. Jede Disposition, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb trifft, ist wörtlich genommen eine Unternehmerentscheidung, insbesondere jede Kündigung. Dennoch liegt klar zutage, daß im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes die arbeitgeberseitige Kündigung selbst keine Unternehmerentscheidung ist, anderenfalls würde das Kündigungsschutzgesetz keinen Bestandsschutz gewähren, vielmehr der Arbeitgeber stets die ausgesprochene Kündigung erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen können, die Kündigung sei eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung (vgl. hierzu insbesondere Herschel, Anm. zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 7. September 1976 - 8 Sa 750/75 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 3).
Das, was kündigungsschutzrechtlich mit unternehmerischen Ermessen gemeint ist, kann als „Bestimmung der der Geschäftsführung zugrundeliegenden Unternehmenspolitik” bezeichnet werden (Hommelhoff, ZHR, Bd. 140, S. 284). Dementsprechend können die Gerichte für Arbeitssachen diese Entscheidungen des Unternehmers über die Leitung des Unternehmens nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen. Das gilt sowohl für die Entscheidungen, die der Unternehmer im Hinblick auf den Markt trifft, also etwa über die Hereinnahme oder Nichthereinnahme eines Auftrags, die Planung der Absatzgebiete und die Werbung sowie seine Einkaufspolitik und die Finanzierungsmethoden. Es gilt aber auch für die Entscheidungen, welche er unternehmensintern trifft, also etwa über die Fortführung oder Stillegung des Betriebs, seine Verlagerung, eine Betriebseinschränkung, die Änderung des Betriebszweckes, des Produktions- und Investitionsprogramms, die Fabrikations- und Arbeitsmethoden, Rationalisierungsvorhaben und Organisationsänderungen. Vorliegend hat der Beklagte jedoch nicht dargetan, ob und welche Unternehmerentscheidung er getroffen hat, insbesondere hat er nicht behauptet, er habe beschlossen, die Jugendmusikschule zu schließen, das Gegenteil hat er bereits in der schriftlichen Begründung der Kündigungen den Klägern mitgeteilt. Dementsprechend ist die Jugendmusikschule auch nach Ablauf der Kündigungsfrist mit denselben Lehrkräften uneingeschränkt weitergeführt worden. Das Kuriose dieses Falles ist gerade, daß die Kündigung der Kläger(innen) damit begründet wird, daß es nicht möglich gewesen sei, eine Unternehmerentscheidung zu treffen, nämlich rechtzeitig zu Beginn des Haushaltsjahres 1984 einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf für die Jugendmusikschule zu erstellen. Die Kündigung ist also die Folge einer unterlassenen Unternehmerentscheidung. Daß die Kündigung selbst von den Gerichten für Arbeitssachen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 2, § 4 KSchG. Insbesondere haben die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen, ob dringende betriebliche Erfordernisse für die Kündigung vorliegen; hierfür hat der Beklagte gerade nichts vorgetragen.
c) Auch der weitere Vortrag des Beklagten, die Stadt P habe im Schreiben vom 19. September 1983 die Gewährung eines Zuschusses für die Jugendmusikschule im Jahre 1984 von der Erfüllung verschiedener Bedingungen abhängig gemacht, kann die Kündigung nicht sozial rechtfertigen.
Die Stadt P hat in diesem Schreiben von dem Beklagten im wesentlichen verlangt, die satzungsmäßige Verantwortung des Leiters des Beklagten für die ordnungsgemäße Geschäftsführung auch für den Fachbereich der Jugendmusikschule wieder herzustellen. Mit Dozenten dürften keine vertraglichen Bindungen eingegangen werden, wenn die finanziellen Voraussetzungen sich nicht in dem mit der Stadt abgestimmten Finanzierungsrahmen hielten. Erst recht könnten keine Unterrichtsverträge mit Eltern getroffen werden, wenn nicht auch sichergestellt sei, daß die hierfür erforderlichen Verpflichtungen von Dozenten finanziert werden könnten. All dies erfordere eine Errechnung bzw. sorgfältige Schätzung der Einnahmen, um nicht von der Einnahmeseite her leichtfertig zu Fehlbeurteilungen zu kommen. Die Stadt P hat dann im folgenden den Beklagten aufgefordert, im Rahmen eines Zuschußbetrages für 1984 von 160.000,– DM ein Angebot der Jugendmusikschule zu entwickeln und eine auf dieser Basis beruhende Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorzulegen.
Die Stadt P hat von dem Beklagten also verlangt, auf der Basis eines Barzuschusses von 160.000,– DM eine ausgeglichene Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorzulegen. Aus dieser Forderung folgt keineswegs die Notwendigkeit der Kündigung aller Arbeitsverhältnisse der Kläger(innen). Verlangt wurde von der Stadt P eine Unternehmerentscheidung des Beklagten, aufgrund der eine Weiterführung der Jugendmusikschule in gesichertem finanziellen Rahmen möglich war. Dementsprechend hat der Beklagte auch mit keinem Wort dargelegt, daß die Forderung der Stadt P zu einem ausgeglichenen Haushaltsentwurf es unmöglich mache, die Kläger(innen) weiterzubeschäftigen.
d) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, „daß die für den Beklagten unmißverständliche Forderung der Stadt P auf Beendigung der Arbeitsverträge vorlag”. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden.
Aus dieser Feststellung ergibt sich aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Rechtswirksamkeit der Kündigung.
aa) Die Feststellung des Berufungsgerichts kann nur im Zusammenhang mit dem Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 24. Mai 1984, auf den das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, richtig verstanden werden: Danach war der Beklagte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs von der Stadt P unmißverständlich darauf hingewiesen worden, daß eine Bewilligung des Barzuschusses für das Jahr 1984 nur in Betracht käme, wenn zuvor die bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit den Dozenten beendet seien. Der Beklagte hat danach finanzielle Verpflichtungen erst eingehen sollen, wenn die dazu benötigten finanziellen Mittel auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Die Stadt P hat danach verlangt, von der haushaltsrechtlich unzulässigen Handhabungsweise abzugehen, zunächst Verpflichtungen einzugehen, deren Deckung erst im nachhinein erfolgen sollte. Damit bezieht sich der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 24. Mai 1984 und die Feststellung des Landesarbeitsgerichts auf die Bedingungen und Auflagen der Stadt P im Schreiben vom 19. September 1983, die erfolgten, weil die Jugendmusikschule im Jahre 1983 über den gewährten Zuschuß hinaus Verbindlichkeiten eingegangen war. Dementsprechend hat die Stadt P von dem Beklagten auch nur verlangt, die Verpflichtungen für das Jahr 1984 zu lösen, die den Rahmen des Barzuschusses von 160.000,– DM überstiegen.
bb) Abgesehen davon stellt die Entscheidung eines Drittmittelgebers wie der Stadt P, die Zuwendungen zu kürzen, für sich allein noch keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar (KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 336 a; Plander, DB 1982, 1218). Der Drittmittelempfänger muß vielmehr seinerseits entscheiden, ob er (z.B. aus eigenen oder andern Mitteln) einen subventionierten Aufgabenbereich fortführen oder einschränken will. Vorliegend hat der Drittmittelempfänger, der Beklagte, sich dafür entschieden, den Betrieb der Jugendmusikschule in unverändertem Umfang fortzuführen. Die Forderung der Stadt P, die Arbeitsverhältnisse mit den Musikschullehrern zu lösen, hat also auch unter diesem Aspekt die Kündigung nicht sozial rechtfertigen können, selbst wenn die Feststellung des Landesarbeitsgerichts isoliert vom Schreiben der Stadt P vom 19. September 1983 gesehen wird.
cc) Schließlich ist die Kündigung der Kläger(innen) auch deshalb sozial nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte keinen Entschluß gefaßt hatte, den Betrieb stillzulegen oder auch nur einzuschränken und er von den Mitteln der Stadt P nicht ausschließlich abhängig war. Der Beklagte hatte vielmehr Einnahmen für die Jugendmusikschule aus den Musikschulgebühren, die die Eltern der an der Musikschule teilnehmenden Kinder zahlten, aus Zuschüssen des Landes und des Landkreises. Es wäre nun Sache des Beklagten gewesen darzulegen, weshalb es erforderlich gewesen ist, allen Kläger(innen) Beendigungskündigungen auszusprechen und weshalb es nicht möglich gewesen ist, auf die Forderung der Stadt P auf vorsorgliche Lösung der Arbeitsverhältnisse damit zu reagieren, daß unverzüglich der Stadt P ein Haushaltsentwurf zugeleitet wurde, der dem in Aussicht gestellten Barzuschuß von 160.000,– DM angeglichen war. Dies hätte geschehen können durch Verringerung des Stundendeputats der Kläger(innen) oder durch Reduzierung ihres Entgelts. Die Arbeitsverträge hätten durch Änderungskündigungen entsprechend angepaßt werden können.
Da die Stadt P nicht alleiniger Geldgeber der Jugendmusikschule gewesen ist, war die Beendigungskündigung aller Arbeitsverhältnisse auf jeden Fall überflüssig. Da der Beklagte nicht dargelegt hat, weshalb gerade die Kündigung der jeweiligen Kläger(innen) erforderlich geworden ist, können sich alle Kläger(innen) darauf berufen, daß jedenfalls ihre Kündigung nicht aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt ist. Dementsprechend war auf die Revision der Kläger(innen) das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Weller, Mayr, Dr. Harder
Fundstellen
BB 1986, 2129-2130 (LT1) |
DB 1986, 2236-2237 (LT1) |
NZA 1986, 823-824 (LT1) |
RdA 1986, 333 |
RzK, I 5c Nr 12 (LT1) |
SAE 1987, 111-114 (LT1) |
AP, (LT1) |
AR-Blattei, ES 1020 Nr 271 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 271 (LT1) |
EzA, Betriebsbedingte Kündigung Nr 37 (LT1) |