Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigter bei der Zahlung einer jährlichen tariflichen Zuwendung entsprechend dem Pro-rata-temporis-Grundsatz. Höhe einer jährlichen Zuwendung. Umfang des Anspruchs Teilzeitbeschäftigter auf eine tarifliche Zuwendung. Gleichbehandlung entsprechend dem sog. Pro-rata-temporis-Grundsatz
Orientierungssatz
1. Die Regelung zur Berechnung der jährlichen tariflichen Zuwendung für Nichtvollbeschäftigte in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV, wonach Nichtvollbeschäftigte von dem in § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV für Vollbeschäftigte festgesetzten Betrag den Teil erhalten, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht, wahrt den in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten sog. Pro-rata-temporis-Grundsatz und benachteiligt Nichtvollbeschäftigte nicht.
2. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbietet bei der Zahlung des Arbeitsentgelts oder bei der Gewährung einer anderen teilbaren geldwerten Leistung eine Abweichung vom Pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Teilzeitarbeit darf deshalb grundsätzlich nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit.
3. Führt eine Verminderung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit ohne entsprechende Herabsetzung der laufenden Vergütung in einem Tarifvertrag dazu, dass sich das Arbeitsentgelt Vollbeschäftigter pro Arbeitsstunde erhöht, und wird einem Teil der Teilzeitbeschäftigten diese Erhöhung vorenthalten, verstößt die Regelung gegen das Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in § 4 Abs. 1 TzBfG, wenn nicht sachliche Gründe die Benachteiligung rechtfertigen.
Normenkette
TzBfG § 4; BAT § 34 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 04.05.2007; Aktenzeichen 6 Sa 541/07) |
ArbG Berlin (Urteil vom 10.01.2007; Aktenzeichen 91 Ca 16308/06) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2007 – 6 Sa 541/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Zuwendung für das Jahr 2005.
Der Kläger war ab April 1990 beim Land Berlin aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 2. April 1990 als Bibliotheksangestellter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers die Hälfte der für Vollzeitbeschäftigte in § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT festgesetzten Arbeitszeit beträgt und der Kläger in die Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppiert ist. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1995 wurde das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergeleitet. Diese schloss am 4. Mai 2005 mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag (ÜTV) zur Übernahme des Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom 31. Juli 2003 mit verschiedenen Abweichungen. Im ÜTV heißt es ua.:
Ҥ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
§ 2
Übernahmebestimmungen
Auf die Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisse der von § 1 erfassten Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden finden der Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom 31. Juli 2003 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 25. August 2004 Anwendung sowie die Vereinbarung zur Umsetzung des § 9 Anwendungs-TV Land Berlin vom 15. Juli 2004, soweit nicht in den nachstehenden Vorschriften etwas Abweichendes vereinbart ist.
§ 3
Abweichungen vom Anwendungs-TV Land Berlin
I. Maßgaben zum Anwendungs-TV Land Berlin
…
2. § 3 gilt in folgender Fassung:
Ԥ 3
Maßgaben zur Arbeitszeit
Die durchschnittliche besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des § 15 Abs. 1 BAT/BAT-O, der Nummer 3 Absatz 1 SR 2r BAT/BAT-O und des § 14 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O beträgt unter Einbeziehung der in Arbeitszeit umgerechneten Anteile der Absenkung der Zuwendung und des Urlaubsgeldes ausschließlich der Pausen
für Angestellte der Vergütungsgruppen X bis VIb und VIa und für Arbeiterinnen(2) der Lohngruppen 1 bis 6a |
94 v. H., |
für Angestellte der Vergütungsgruppen Vc bis III und für Arbeiterinnen der Lohngruppen 7 bis 9 |
92 v. H., |
für Angestellte der Vergütungsgruppen IIb und höher |
90 v. H. |
(2) Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass die Bezeichnung ‘Arbeiterinnen’ auch die Arbeiter mit einschließt.
der nach den vorstehend genannten manteltarifvertraglichen Vorschriften maßgebenden Arbeitszeit.
Die vorstehenden Regelungen gelten für nichtvollbeschäftigte Angestellte und Arbeiterinnen entsprechend (§ 34 BAT/BAT-O, § 25 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O), soweit nicht § 5 Anwendungs-TV Land Berlin i. V. m. der nachstehenden Nr. 4 eine abweichende Regelung enthält.
…
3. § 4 gilt in folgender Fassung:
Ԥ 4
Maßgaben zur Höhe der Bezüge
A. Angestellte
Die Höhe der Grundvergütung, des Ortszuschlages, der allgemeinen Zulage nach § 2 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 ggf. i. V. m. dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte (TV Zulagen Ang-O) vom 8. Mai 1991 beträgt für
Angestellte der Vergütungsgruppen X bis VIb und VIa |
98 v. H., |
für Angestellte der Vergütungsgruppen Vc bis III |
96 v. H., |
für Angestellte der Vergütungsgruppen IIb und höher |
94 v. H. |
der tarifvertraglich – ggf. unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes in der jeweiligen Fassung – vorgesehenen Beträge. …
B. Arbeiterinnen
(1) Die Höhe des Monatstabellenlohnes und des Sozialzuschlages beträgt für
Arbeiterinnen der Lohngruppen 1 bis 6a |
98 v. H., |
Arbeiterinnen der Lohngruppen 7 bis 9 |
96 v. H. |
der tarifvertraglich – ggf. unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes in der jeweiligen Fassung – vorgesehenen Beträge. …
II. Maßgaben zu den nach dem Anwendungs-TV Land Berlin anzuwendenden Tarifverträgen (Abweichungen von § 2)
(1) Die Zahlung aus den Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträgen wird für vollbeschäftigte Angestellte der Vergütungsgruppe X bis VIb und VIa und vollbeschäftigte Arbeiterinnen der Lohngruppen 1 bis 6a auf 740 € begrenzt, bei den vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen der anderen Vergütungs- und Lohngruppen auf 640 €. Der Betrag wird in einer Summe nach den Regelungen des jeweils maßgebenden Zuwendungstarifvertrages gewährt. Abweichend von § 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Zuwendungstarifverträge erhalten Nichtvollbeschäftigte von dem genannten Betrag den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Hierfür sind die Verhältnisse am 1. des jeweiligen Bemessungsmonats maßgebend.
(2) Zum weiteren Ausgleich der Differenz zwischen der hier vereinbarten Zahlungshöhe und der sich aus dem jeweiligen Urlaubs- und Zuwendungstarifvertrag in der Fassung vom 1. Januar 2003 jeweils ergebenden Höhe werden in jedem Kalenderjahr folgende zusätzliche freie Tage (Freistellungstage) unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT/BAT-O) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen bzw. des Monatsgrundlohnes und der ständigen Lohnzuschläge (§ 67 Nr. 40 Abs. 1 Buchst. b BMT-G/BMT-G-O) – jeweils ggf. unter Berücksichtigung des Einkommensangleichungsgesetzes in der jeweiligen Fassung – gewährt:
Angestellten der Vergütungsgruppen X bis VIb und VIa und Arbeiterinnen der Lohngruppen 1 bis 6a |
2 Tage, |
Angestellten der Vergütungsgruppen Vc und höher und Arbeiterinnen der Lohngruppen 7 und höher |
3 Tage. |
Die Dauer der Freistellung beträgt an jedem Freistellungstag höchstens ein Fünftel der für die Arbeitnehmerin geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit. …”
§ 5 des Anwendungs-TV Land Berlin vom 31. Juli 2003 enthält folgende Regelung:
Ҥ 5
Besondere Regelungen für Nichtvollbeschäftigte
(1) Die Arbeitszeit von Nichtvollbeschäftigten, deren individuelle besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aufgrund der Regelung in § 3 auf weniger als die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) genannten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sinken würde, wird nur soweit vermindert, dass die individuelle besondere Arbeitszeit (§ 3 Abschnitte A bis C Abs. 1) die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) genannten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt; die zu erbringende Arbeitszeit ist entsprechend zu errechnen. Abweichend von § 4 werden die dort genannten Bezüge um denselben Vom-Hundert-Satz vermindert, um den die besondere Arbeitszeit vermindert wurde.
(2) §§ 3 und 4 gelten nicht
a) für Nichtvollbeschäftigte, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMTG/BMT-G-O) genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt,
…”
Im Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 idFv. 31. Januar 2003 (TV Zuwendung Ang) heißt es:
Ҥ 1
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist
und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter, Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Arzt im Praktikum, Auszubildender, Praktikant, Schülerin/Schüler in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe oder Hebammenschülerin/Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst gestanden hat
oder
im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden hat oder steht
und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
…
§ 2
Höhe der Zuwendung
(1) Die Zuwendung beträgt – unbeschadet des Absatzes 2 – 100 v. H. der Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. …
Protokollnotizen:
1. Wegen der am … vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von Absatz 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Bemessungssatz für die Zuwendung vom … 1. Mai 2004 an 82,14 v. H.
…”
Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte zahlte ihm für das Jahr 2005 eine Zuwendung iHv. 370,00 Euro.
Der Kläger hat gemeint, er habe gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 TV Zuwendung Ang für das Jahr 2005 Anspruch auf eine Zuwendung iHv. 82,14 % der ihm für den Monat September 2005 gezahlten Vergütung iHv. 1.052,76 Euro und somit auf eine Zuwendung iHv. 864,74 Euro. Bei Anrechnung der geleisteten Zahlung iHv. 370,00 Euro habe die Beklagte noch die restliche Zuwendung für das Jahr 2005 iHv. 494,74 Euro an ihn zu zahlen. Bei der Fassung von § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV handele es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Aus § 5 Abs. 2 Anwendungs-TV Land Berlin ergebe sich, dass eine Absenkung des Einkommens den Nichtvollbeschäftigten, deren Arbeitszeit nicht mehr als die Hälfte der für Vollzeitbeschäftigte tariflich festgesetzten Arbeitszeit beträgt, nicht zuzumuten sei. Die Tarifvertragsparteien hätten den mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Beschäftigten keine höhere Vergütung zubilligen wollen, sondern nur die Verminderung der Vergütung sozialverträglicher als im Anwendungs-TV Land Berlin gestalten wollen. Es sei nicht gerechtfertigt, den mit höchstens der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Beschäftigten pro Arbeitsstunde ein geringeres Arbeitsentgelt zu zahlen. Es habe zwischen den Tarifvertragsparteien Einigkeit bestanden, dass die Halbtagsbeschäftigten insgesamt – wie auch im Anwendungs-TV Land Berlin – von Arbeitszeit- und Vergütungsabsenkungen verschont werden sollten. Der ÜTV sei daher nach Entstehungsgeschichte sowie nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass Halbtagsbeschäftigte gänzlich von der Herabsetzung der Arbeitszeit und der Verminderung der Vergütung, des Urlaubsgeldes und der jährlichen Zuwendung ausgenommen sein sollten. Es sei eine Auslegung dahingehend möglich, dass mit “Nichtvollbeschäftigten” in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV nur solche Beschäftigte gemeint seien, die zwar weniger als die tarifliche volle Arbeitszeit beschäftigt seien, aber doch mehr als halbtags.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 494,74 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ein Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien bei der eindeutigen Regelung in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV und eine Benachteiligung des Klägers gegenüber den mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Beschäftigten lägen nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger nicht nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 TV Zuwendung Ang für das Jahr 2005 eine Zuwendung iHv. 864,74 Euro zusteht, sondern die Beklagte mit der Zahlung von 370,00 Euro den Anspruch des Klägers aus § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auf eine Zuwendung für dieses Jahr erfüllt hat.
1. § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV bestimmt ua., dass die Zahlung aus den Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträgen für vollbeschäftigte Angestellte der Vergütungsgruppe X bis VIb und VIa auf 740,00 Euro begrenzt wird. Gemäß § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV erhalten Nichtvollbeschäftigte abweichend von § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zuwendungstarifverträge von dem genannten Betrag den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Diese gegenüber § 2 TV Zuwendung Ang spezielleren Regelungen des ÜTV zur Höhe der Zuwendung haben nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz Vorrang, auch wenn sie zu Lasten der Arbeitnehmer der Beklagten Regelungen des TV Zuwendung Ang verdrängen (vgl. zum Vorrang des Firmentarifvertrags gegenüber dem Verbandstarifvertrag BAG 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – BAGE 97, 263, 269).
2. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei der Regelung in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV weder um ein Redaktionsversehen der Tarifvertragsparteien, noch lässt der Wortlaut dieser Tarifvorschrift die Auslegung zu, dass sie § 2 TV Zuwendung Ang nur dann verdrängt, wenn die Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten mehr als die Hälfte der für Vollzeitbeschäftigte tariflich festgelegten Arbeitszeit beträgt.
a) Wenn nach § 2 ÜTV iVm. § 5 Abs. 2 Buchst. a Anwendungs-TV Land Berlin die Maßgaben zur Arbeitszeit und zur Höhe der Grundvergütung, des Ortszuschlags sowie der allgemeinen Zulage (§ 3 I Nr. 2 und Nr. 3 ÜTV) nicht für Nichtvollbeschäftigte gelten, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O) genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auf solche Nichtvollbeschäftigte keine Anwendung findet. Die Tarifvertragsparteien des ÜTV haben in § 2 dieses Tarifvertrags vereinbart, dass die Vorschriften des Anwendungs-TV Land Berlin für die Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden der Beklagten gelten, soweit nicht in den nachstehenden Vorschriften etwas Abweichendes vereinbart ist. In § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV haben sie unter der Überschrift “Maßgaben zu den nach dem Anwendungs-TV Land Berlin anzuwendenden Tarifverträgen (Abweichungen von § 2)” die Höhe der nach den Zuwendungstarifverträgen zu zahlenden jährlichen Zuwendung abweichend geregelt und für vollbeschäftigte Angestellte der Vergütungsgruppen X bis VIb und VIa auf 740,00 Euro begrenzt. In § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV haben sie vereinbart, dass abweichend von § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zuwendungstarifverträge Nichtvollbeschäftigte von dem genannten Betrag den Teil erhalten, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Damit haben die Tarifvertragsparteien Nichtvollbeschäftigte, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, nicht ausgenommen.
b) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV, auf den es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst ankommt (BAG 27. April 2006 – 6 AZR 437/05 – BAGE 118, 123, 125 mwN). Dieser ist eindeutig. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV spricht von “Nichtvollbeschäftigten”, § 3 II Abs. 1 Satz 1 ÜTV demgegenüber von “vollbeschäftigten Angestellten”. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV regelt damit die Höhe der Zuwendung für alle Angestellten, die nicht vollbeschäftigt sind. Ein Wille der Tarifvertragsparteien, dass nach ihrem Verständnis Angestellte nur dann Nichtvollbeschäftigte iSv. § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV sind, wenn ihre Arbeitszeit mehr als die Hälfte der für vollbeschäftigte Angestellte tariflich festgesetzten Arbeitszeit beträgt, hat anders als in § 5 Abs. 2 Buchst. a Anwendungs-TV Land Berlin im Wortlaut des § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV keinen Niederschlag gefunden.
II. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die in § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV geregelte anteilige Zahlung der tariflichen Zuwendung an Nichtvollbeschäftigte nicht gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter in § 4 Abs. 1 TzBfG.
1. Mit dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien des ÜTV vielmehr für die Höhe der jährlichen tariflichen Zuwendung ebenso wie die Tarifvertragsparteien des BAT in § 34 Abs. 1 Satz 1 BAT für die Höhe der monatlichen Vergütung eine Gleichbehandlung Nichtvollbeschäftigter und Vollbeschäftigter nach Maßgabe des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten sog. Pro-rata-temporis-Grundsatzes angeordnet. Danach ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dieser Grundsatz findet sich in vielen Tarifverträgen und entspricht dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt (BAG 24. September 2008 – 10 AZR 634/07 – mwN). Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit. Der Pro-rata-temporis-Grundsatz verbietet allerdings nicht nur eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in qualitativer Hinsicht. Er erlaubt den Tarifvertragsparteien auch eine unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht, indem er es gestattet, das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung – wie eine jährliche Zuwendung – für Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen (vgl. BAG 24. September 2008 – 10 AZR 634/07 – mwN).
2. Allerdings weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass die Regelungen in § 3 I Nr. 2 und Nr. 3 ÜTV zur Arbeitszeit und zur Höhe der laufenden Bezüge von dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gesetzlich normierten Pro-rata-temporis-Grundsatz abweichen, soweit sie Nichtvollbeschäftigte, deren Arbeitszeit höchstens die Hälfte der in der jeweiligen manteltariflichen Vorschrift genannten regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt, von der Erhöhung ihrer Vergütung pro Arbeitsstunde ausnehmen.
a) Auch tarifliche Regelungen müssen mit § 4 TzBfG vereinbar sein. Die in dieser Vorschrift geregelten Diskriminierungsverbote stehen nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAG 24. September 2008 – 10 AZR 634/07 –; 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – BAGE 109, 110, 113 mwN). Nach § 22 Abs. 1 TzBfG sind von diesem Gesetz abweichende Vereinbarungen, außer in den dort genannten Ausnahmen, zu denen § 4 nicht gehört, nur zugunsten der Arbeitnehmer möglich (BAG 24. September 2003 – 10 AZR 675/02 – BAGE 108, 17, 21).
b) Der Kläger, für den die Maßgaben zur Arbeitszeit in § 3 I Nr. 2 ÜTV und zur Höhe der laufenden Bezüge in § 3 I Nr. 3 ÜTV nicht gelten, erhält die Grundvergütung, den Ortszuschlag und die allgemeine Zulage nicht mindestens in dem Umfang, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollbeschäftigten entspricht. Er wird damit gegenüber Beschäftigten, für die diese Maßgaben gelten, benachteiligt. Mit Recht macht der Kläger geltend, dass die Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 3 I Nr. 2 ÜTV und die nach § 3 I Nr. 3 ÜTV nicht im gleichen Umfang erfolgte Verminderung der laufenden Bezüge bei Vollbeschäftigten und den mit mehr als der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigten zu einer Erhöhung des Arbeitsentgelts pro Arbeitsstunde führt und ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer an einer Erhöhung der Vergütung für vergleichbare Vollzeitkräfte grundsätzlich entsprechend zu beteiligen ist (BAG 16. Januar 2003 – 6 AZR 222/01 – BAGE 104, 250, 254 mwN).
c) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG regelt allerdings kein absolutes Benachteiligungsverbot beim Entgelt (BAG 15. Juli 2004 – 6 AZR 25/03 –; 5. November 2003 – 5 AZR 8/03 – AP TzBfG § 4 Nr. 6 = EzA TzBfG § 4 Nr. 6; 24. September 2003 – 10 AZR 675/02 – BAGE 118, 17; 16. Januar 2003 – 6 AZR 222/01 – BAGE 104, 250). Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auch im Entgeltbereich zulässig. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich des Arbeitsentgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung. Die Vorschrift schließt eine nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG beim Vorliegen sachlicher Gründe erlaubte unterschiedliche Behandlung aber nicht aus (vgl. BAG 15. Juli 2004 – 6 AZR 25/03 –). Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt jedoch nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften. Gesetzlich zulässige Rechtfertigungsgründe müssen anderer Art sein.
d) Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf die Frage, ob sachliche Gründe seine Benachteiligung bei der laufenden Monatsvergütung rechtfertigen, hier keiner Entscheidung.
Selbst wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung fehlen, führt dies nicht zu einem Anspruch des Klägers auf eine tarifliche Zuwendung für das Jahr 2005 in der von ihm beanspruchten Höhe. Die Beklagte hat dem Kläger, dessen Arbeitszeit die Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit beträgt, für das Jahr 2005 eine tarifliche Zuwendung iHv. 370,00 Euro gezahlt und damit die Hälfte des für vollbeschäftigte Angestellte seiner Vergütungsgruppe auf 740,00 Euro begrenzten Betrags. Der Kläger hätte deshalb nach § 3 II Abs. 1 Satz 3 ÜTV auch dann keinen Anspruch auf eine höhere tarifliche Zuwendung, wenn er keine geringere Vergütung pro Arbeitsstunde erhielte als vergleichbare Vollbeschäftigte. Eine Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Zahlung der laufenden Vergütung begründet keinen Anspruch auf eine Besserstellung bei Sonderzahlungen.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Züfle, M. Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 2096897 |
BB 2009, 493 |
DB 2009, 407 |