Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit. Anwendbares Recht. Wirksamkeit einer Kündigung nach italienischem Recht. Geltung des § 85 SGB IX bei Sachverhalten mit Auslandsbezug. Anwendbarkeit des SGB IX
Leitsatz (amtlich)
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf nur dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts gemäß § 85 SGB IX, wenn eine der Varianten des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegt und das Arbeitsverhältnis dem deutschen Vertragsstatut unterfällt.
Orientierungssatz
1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten oder eines einem solchen gleichgestellten Menschen bedarf nur dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts gemäß § 85 SGB IX, wenn der betreffende Arbeitnehmer eine der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Arbeitsplatz iSv. § 73 SGB IX im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes) erfüllt und das Arbeitsverhältnis deutschem Vertragsstatut unterfällt. Die Geltung deutschen Schuldrechts ist eine notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Bedingung für die Anwendbarkeit der „privatrechtsgestaltenden” Vorschrift des § 85 SGB IX.
2. Das Unterbleiben eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX oder eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX kann nur dann Folgen für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung haben, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. An der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in diesem Sinne fehlt es auch dann, wenn das gekündigte Arbeitsverhältnis nicht dem deutschen Vertragsstatut unterlag.
3. Für die Frage, ob „engere Verbindungen” zu einem anderen Staat iSv. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) vorliegen, ist auf die „Gesamtheit der Umstände” abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Vielmehr muss eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente erfolgen. Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist.
Normenkette
SGB IX §§ 85, 2; BGB § 134; EGBGB a.F. Art. 27, 30, 32, 34; EuGVVO a.F. Art. 24; SRÜ Art. 91-92; AGG § 7; ZPO § 293; Codice Civile (Italien) Art. 2110, 1464
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. April 2014 – 4 Sa 57/13 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der 1962 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Genua, seit Mai 2006 – zunächst als Second Engineer und dann als Chief Engineer – für den Einsatz an Bord von Kreuzfahrtschiffen beschäftigt. Bei Abschluss der in deutscher Sprache gehaltenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien wurde die Beklagte von ihrer Zweigniederlassung in Rostock vertreten. Diese war – neben der Beklagten – berechtigt, dem Kläger Weisungen im Rahmen seiner Einsätze auf den Schiffen zu erteilen. Die Parteien hatten die Geltung italienischen Rechts und bestimmter italienischer Tarifverträge sowie den Sitz der Beklagten als Gerichtsstand vereinbart. Diese entrichtete für den Kläger von der Bruttoheuer die Beiträge zur italienischen Sozialversicherung und führte für ihn in Italien nach den dortigen gesetzlichen Regelungen Lohnsteuer ab. Die Kreuzfahrtschiffe, auf denen der Kläger vertragsgemäß eingesetzt wurde, liefen allesamt unter italienischer Flagge.
Im Oktober 2009 trennte der Kläger sich bei einem Unfall im privaten Bereich einen Unterarm ab. Mit Wirkung ab Dezember 2009 wurde ihm ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt. Bis einschließlich zum 24. September 2010 legte er der Beklagten fortlaufend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.
Die Berufsgenossenschaft verweigerte dem Kläger unter Hinweis auf Ziff. 20 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 2 der bis zum 20. August 2014 gültigen Seediensttauglichkeitsverordnung (SeeDTauglV) die Erteilung eines Seediensttauglichkeitszeugnisses. In einem von ihm angestrengten Eilverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht sie am 3. September 2010, dem Kläger für die Dauer eines Jahres, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit bestimmten Einschränkungen hinsichtlich der Zahl und Qualifikation der ihm unterstellten Besatzungsmitglieder ein solches Zeugnis zu erteilen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. September 2010 die Maßgaben zu seinen Gunsten geändert hatte, teilte der Kläger der Beklagten das Ergebnis der Eilverfahren mit Telefax vom 23. September 2010 mit.
Mit Schreiben vom 24. September 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Zugrundelegung der in Art. 13 des Manteltarifvertrags für EU Mitarbeiter Deck und Maschine der AIDA Clubschiffe vom 20. August 2004 für Offiziere vorgesehenen Kündigungsfrist von 15 Tagen zum 10. Oktober 2010.
Unter dem 30. September 2010 erteilte die Berufsgenossenschaft dem Kläger ein bis zum 30. September 2011 befristetes Seediensttauglichkeitszeugnis.
Mit der vorliegenden, am 14. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, sie sei sowohl nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz als auch nach italienischem Kündigungsrecht unwirksam. Dazu hat er behauptet, sein Hausarzt habe ihn – entsprechend einer Vereinbarung der Parteien – ausschließlich im Hinblick darauf krankgeschrieben, dass die Berufsgenossenschaft ihm ein Seediensttauglichkeitszeugnis verweigert habe. Aus ärztlicher Sicht hätten, nachdem – unstreitig – Ende Februar 2010 eine myoelektrische Prothese angepasst worden sei, keine Bedenken dagegen bestanden, dass er seine Tätigkeit als Chief Engineer wieder aufnehme. Mit der Kündigung habe die Beklagte sich widersprüchlich verhalten. Sie habe ihm zugesagt, ihn wieder zu beschäftigen, wenn die Berufsgenossenschaft ihm ein Seediensttauglichkeitszeugnis erteile. Die Kündigung stelle sich zudem als diskriminierend dar. Er sei wegen seiner Behinderung entlassen worden. Jedenfalls sei die Kündigung nichtig, weil sie ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts erklärt worden sei. § 85 SGB IX finde Anwendung. Bei ihrer Zweigniederlassung in Rostock handele es sich um einen Betrieb der Beklagten im räumlichen Geltungsbereich des BetrVG. Diesem inländischen Betrieb sei er ua. deshalb zugeordnet, weil von dort seine Einsätze geplant würden.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt
- festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;
- hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 10. Oktober 2010 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht;
- hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit einem der Feststellungsanträge die Beklagte vorbehaltlich der Erteilung eines Seediensttauglichkeitszeugnisses zu verurteilen, ihn als Chief Engineer in Vollzeit auf Kreuzfahrtschiffen zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Es gelte italienisches Recht. Der Kläger sei nicht wegen seiner Behinderung entlassen worden. Er könne seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen, weil ihm dauerhaft kein Seediensttauglichkeitszeugnis erteilt werden dürfe. Das Integrationsamt habe der Kündigung nicht zustimmen müssen.
Die Vorinstanzen haben, nachdem das Arbeitsgericht ein Sachverständigengutachten zum italienischen Recht eingeholt hatte, die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen. Ob die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010 wirksam ist, steht noch nicht fest. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
A. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das am 14. Oktober 2010 anhängig gemachte Verfahren bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Deren Neufassung in Form der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen ist nach ihrem Art. 66 nur auf Verfahren anzuwenden, die am oder nach dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden sind. Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO (BAG 24. September 2009 – 8 AZR 306/08 – Rn. 27, BAGE 132, 182). Die Beklagte hat ihren Sitz iSd. Art. 60 EuGVVO in einem Mitgliedstaat, nämlich in Italien. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt jedenfalls aus Art. 24 EuGVVO, weil die Beklagte sich in der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht auf das Verfahren eingelassen hat und eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. 22 EuGVVO nicht besteht (zu den Voraussetzungen des Art. 24 EuGVVO vgl. für das arbeitsgerichtliche Verfahren BAG 24. September 2009 – 8 AZR 306/08 – Rn. 36 ff., aaO; für Zivilverfahren im Allgemeinen siehe BGH 19. Mai 2015 – XI ZR 27/14 – Rn. 17 ff.).
B. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Hauptantrag nicht abweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG sei allein deshalb abzuweisen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde.
II. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist nicht schon deshalb unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis nicht dem – deutschen – Kündigungsschutzgesetz unterfällt.
1. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien italienischem Vertragsstatut unterliegt.
a) Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff. EGBGB (aF). Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet keine Anwendung, weil der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem 17. Dezember 2009 „geschlossen” (zu den möglichen Bedeutungen dieses Begriffs vgl. BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 962/13 (A) – Rn. 12) wurde (Art. 28 Rom I-VO). Im Übrigen stellte sich die Rechtslage im Streitfall gemäß Art. 3, 8 und 9 Rom I-VO nicht anders dar als nach Art. 27 ff. EGBGB (aF).
b) Dem Vertragsstatut unterliegt auch der privatrechtliche Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (vgl. BAG 30. April 1987 – 2 AZR 192/86 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 55, 236; 19. Juni 1986 – 2 AZR 563/85 – zu B I der Gründe).
c) Die Parteien haben in Ziff. 22 des Anstellungsvertrags vom 12. Mai 2006 ausdrücklich die Geltung italienischen Rechts vereinbart (Art. 27 Abs. 1 EGBGB [aF]).
d) Die Rechtswahl der Parteien konnte nicht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) dazu führen, dass dem Kläger der Schutz entzogen würde, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB (aF) mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das Arbeitsverhältnis unterlag nach letztgenannter Vorschrift auch objektiv italienischem Vertragsstatut.
aa) Nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) ist auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse das Recht des Staates objektiv anwendbar, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Das Kriterium des Staates, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, bezieht sich auf den Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten tatsächlich ausübt, und, in Ermangelung eines Mittelpunkts seiner Tätigkeiten, auf den Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Tätigkeiten verrichtet (vgl. EuGH 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 37, Slg. 2011, I-13275 zu Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht [EVÜ], der der Vorschrift des Art. 30 EGBGB [aF] zugrunde liegt).
(1) Der Kläger war vertragsgemäß ausschließlich auf Kreuzfahrtschiffen tätig, so dass ein gewöhnlicher Arbeitsort iSe. festen Einrichtung nicht vorlag. Allerdings liefen alle Schiffe, auf denen er zum Einsatz kam, unter italienischer Flagge.
(a) Zumindest auf Hoher See unterstehen Schiffe, die unter der Flagge eines einzigen Staates fahren, nach Art. 92 Abs. 1 Satz 1 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (SRÜ) ausschließlich der Hoheitsgewalt dieses Staates. Gemäß Art. 91 Abs. 1 Satz 2 SRÜ besitzen sie jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine „echte Verbindung” (genuine link) zu diesem besteht, die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge zu führen sie berechtigt sind. Auch wenn „Hoheitsgewalt” nicht mit „Hoheitsgebiet” gleichzusetzen ist (vgl. Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 163; siehe auch Palandt/Thorn 74. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 12, der auf Hoher See von staatsfreiem Gebiet ausgeht), liegt es nahe, die Flagge als maßgebliches Kriterium für den gewöhnlichen Arbeitsort anzusehen. Hierdurch würde eine eindeutige Zuordnung zu einem Staat möglich (vgl. BAG 24. September 2009 – 8 AZR 306/08 – Rn. 46 f., BAGE 132, 182 zu Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO; Block in Internationales Recht im Wandel S. 45, 81; Staudinger/Magnus Neubearbeitung 2011 Art. 8 Rom I-VO Rn. 149; Wurmnest EuZA 2009, 481, 497; Junker FS Heldrich S. 719, 730 f.). Die Anknüpfung an die Flagge böte dem Arbeitnehmer ein hohes Maß an Rechtssicherheit (Gräf ZfA 2012, 557, 585). Der Gefahr, das anwendbare Recht durch „Ausflaggung” manipulieren zu können (vgl. Palandt/Thorn 74. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 12), würde durch Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) begegnet (Franzen AR-Blattei SD 1450.2 Rn. 11). Danach wäre das Recht des „Flaggenstaates” nicht berufen, wenn der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufwiese. Gegen das Abstellen auf die Flagge könnte nicht § 21 Abs. 4 Satz 1 FlRG angeführt werden, wonach das Heuerverhältnis auf einem sog. Zweitregisterschiff nicht schon dann deutschem Recht unterliegt, wenn das Schiff unter der Bundesflagge fährt. Dabei handelt es sich allenfalls um eine negative einseitige Kollisionsnorm, nicht um eine umfassende Regelung der Bedeutung der Flagge (vgl. Deinert RdA 2009, 144, 147; Palandt/Thorn 74. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 12).
(b) Indes stellen weder das EGBGB noch das EVÜ ausdrücklich darauf ab, unter welcher Flagge ein Schiff fährt (anders etwa Art. 13, 14 der Verordnung [EWG] 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern [vgl. dazu EuGH 19. März 2015 – C-266/13 – Rn. 56] und Art. 11 der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit). Der EuGH hat dieses Kriterium bislang ebenfalls nicht zur Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts iSd. EVÜ herangezogen (vgl. EuGH 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Slg. 2011, I-13275).
(2) Könnte, weil eine Anknüpfung an die Flagge der „Einsatzschiffe” nicht in Betracht käme, kein Ort festgestellt werden, an dem der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, ist nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch kein Ort ersichtlich, von dem aus er den größten Teil seiner Tätigkeit ausgeübt hat.
(a) Um den Ort zu ermitteln, von dem aus die Arbeit ausgeübt wird, sind bei Arbeitsverhältnissen in der Seefahrt alle Umstände zu berücksichtigen, die die Tätigkeit des Arbeitnehmers kennzeichnen, insbesondere in welchem Staat sich der Ort befindet, von dem aus er Anweisungen erhält, oder der Ort, an dem er sich melden muss, bevor er seine Fahrten antritt (vgl. EuGH 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 40, Slg. 2011, I-13275 zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ).
(b) Der Kläger mag zwar Anweisungen aus der Niederlassung der Beklagten in Rostock erhalten haben. Jedoch hat er nicht behauptet, seine Fahrten stets von Deutschland aus angetreten zu haben. Das lässt sich auch dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht entnehmen. Vielmehr gingen sie ausweislich der Regelung zur Erstattung von Reisekosten in Ziff. 7 des Anstellungsvertrags vom 12. Mai 2006 davon aus, dass sich die „Einsatzorte” durchaus auch in anderen Ländern befinden können und die betreffenden Schiffe keineswegs immer in deutschen Häfen liegen müssen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger sich vor sämtlichen Einsätzen – auch vor solchen, die im Ausland begannen – in der deutschen Niederlassung der Beklagten habe melden müssen.
bb) Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, bestimmt sich das objektiv anwendbare Recht gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) danach, wo sich die Niederlassung befindet, die ihn eingestellt hat (vgl. EuGH 12. September 2013 – C-64/12 – [Schlecker] Rn. 32; 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 32, Slg. 2011, I-13275 jeweils zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ). Da der Kläger von der Niederlassung der Beklagten in Rostock eingestellt wurde, gelänge hiernach deutsches Recht zur Anwendung.
cc) Gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) gilt die nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB (aF) „an sich” zu treffende Zuordnung dann ausnahmsweise nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
(1) Um zu klären, ob „engere Verbindungen” zu einem anderen Staat iSd. Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände” abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Vielmehr müssen die Anknüpfungsmomente gewichtet werden. Zu berücksichtigen sind ua. der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitnehmers. Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine derartige Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern. In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (vgl. BAG 10. April 2014 – 2 AZR 741/13 – Rn. 43). Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. EuGH 12. September 2013 – C-64/12 – [Schlecker] Rn. 41 zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ). Sollen die Einzelumstände auf engere Verbindungen zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der einschlägigen Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG 10. April 2014 – 2 AZR 741/13 – aaO). Die Würdigung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt (offengelassen von BAG 10. April 2014 – 2 AZR 741/13 – aaO; 11. Dezember 2003 – 2 AZR 627/02 – zu II 3 d der Gründe; vgl. BGH 9. März 1977 – IV ZR 112/76 –). Innerhalb der aufgezeigten Grenzen kommt dem Berufungsgericht zudem ein Spielraum bei der Gewichtung der von ihm festgestellten Anknüpfungsmomente zu. Es muss alle Gesichtspunkte berücksichtigen, die das Arbeitsverhältnis kennzeichnen, und den- oder diejenigen würdigen, der bzw. die seiner Ansicht nach „am maßgeblichsten” ist bzw. sind (so EuGH 12. September 2013 – C-64/12 – [Schlecker] Rn. 40 zu Art. 6 Abs. 2 EVÜ).
(2) Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, das Arbeitsverhältnis der Parteien weise nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen zu Italien als zu Deutschland auf.
(a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die nachrangige Regelanknüpfung des § 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) nach Deutschland weist und der Kläger aus der einstellenden Niederlassung in Rostock auch Anweisungen erhalten hat. Dass die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien in deutscher Sprache gehalten sind und ihm An- und Abreisekosten nicht erstattet wurden, wenn das Schiff in einem deutschen Hafen lag, musste es dagegen nicht als maßgeblich ansehen. Es handelte sich um vertragsimmanente Umstände. Der Tatsache, dass der Kläger deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Bundesgebiet ist, steht – gleichsam „neutralisierend” – gegenüber, dass es sich bei der Beklagten um eine Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Italien handelt. Zudem hatten die Parteien – was freilich von untergeordneter Bedeutung ist – italienische Tarifverträge in Bezug genommen und als Gerichtsstand für Streitigkeiten aus ihrem Arbeitsverhältnis den Sitz der Beklagten bestimmt.
(b) Bei dieser Sachlage durfte das Landesarbeitsgericht maßgeblich darauf abstellen, dass für den Kläger Lohnsteuer in Italien abgeführt wurde und für sein Beschäftigungsverhältnis gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (bis zum 30. April 2010) bzw. nach Art. 11 Abs. 4 und Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ab dem 1. Mai 2010) das italienische Recht der sozialen Sicherheit galt, weil er ausschließlich an Bord von Schiffen tätig war, die unter italienischer Flagge fuhren und er durch ein Unternehmen mit Sitz in Italien vergütet wurde, ohne dass er – so die Einschränkung in Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – einen „wesentlichen Teil seiner Tätigkeit” im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hätte.
dd) Unterfiel das Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) italienischem Vertragsstatut, folgt die Geltung des – deutschen – Kündigungsschutzgesetzes auch nicht aus Art. 34 EGBGB (aF). Die §§ 1 bis 14 KSchG stellen keine „Eingriffsnormen” iSd. Vorschrift dar (BAG 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09 – Rn. 31).
2. Die sich nach dem Recht der lex fori richtende Auslegung des Hauptantrags (vgl. BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 963/08 – Rn. 14), die das Revisionsgericht selbst vornehmen kann (vgl. BAG 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – Rn. 20), ergibt, dass er nicht schon deshalb abzuweisen ist, weil italienisches materielles Recht berufen ist.
a) Nach deutschem Prozessrecht ist die Unwirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich – unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes – mit einem Antrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG geltend zu machen. Eben dies hat der Kläger getan. Dabei ist aus der Klagebegründung deutlich geworden, dass er die Unwirksamkeit der Kündigung unabhängig vom maßgeblichen Vertragsstatut – mithin ggf. auch nach italienischem Recht – geltend machen möchte (dazu, dass es sich bei § 4 Satz 1 KSchG um eine Norm des „formellen Rechts” handelt, vgl. BAG 18. April 1996 – 8 AZR 867/93 – zu B I 3 b der Gründe, BAGE 83, 11).
b) Der Kläger hat nicht deshalb den „falschen” Antrag gewählt, weil nach italienischem materiellen Recht auch eine unwirksame Kündigung das Arbeitsverhältnis auflöste. Genießt der Arbeitnehmer den sog. realen Kündigungsschutz (tutela reale), weil – wie vermutlich bei der Beklagten – im Unternehmen mehr als 60 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist eine vom Arbeitgeber unberechtigt erklärte Kündigung ex tunc unwirksam. Das Arbeitsverhältnis besteht fort. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf „Wiedereingliederung” (vgl. Bovenberg Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht S. 113; Radoccia in Henssler/Braun Arbeitsrecht in Europa 3. Aufl. Italien Rn. 334 ff.; Hofmann/Coslovich Arbeitsrecht in Italien Rn. 128 ff.; Nogler AuR 2014, 93, 95; Piras Kündigungsschutz im Arbeitsrecht S. 48 und 56; unklar das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten, dort S. 7). Wird geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis sei durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden, bestehe also fort, umfasst dies die im italienischen Recht vorgesehene „Wiedereingliederung”.
III. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der bisher von ihm getroffenen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010 sei nach Maßgabe des italienischen materiellen Rechts wirksam.
1. Gemäß Art. 2110 Codice civile ist eine Kündigung, die im Hinblick auf eine Krankheit erklärt wird, nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer nicht eine gewisse Mindestzeit arbeitsunfähig erkrankt ist („tempo cosiddetto di comporto”). Nach Ablauf des sog. comporto ist eine fristgerechte Kündigung – vorbehaltlich der eventuell bestehenden Notwendigkeit des Angebots einer anderweit möglichen Beschäftigung – ohne weitere Rechtfertigung begründet, wenn die Krankheit fortdauert. Die Überwindung des comporto stellt dann einen selbstständigen Kündigungsgrund dar (vgl. Bovenberg Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht S. 66). Die Dauer des comporto ist in Art. 2110 Codice civile nicht festgelegt. Für Seearbeitsverhältnisse existieren nach dem vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten auch sonst keine diesbezüglichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen, sodass sich die Länge des comporto nach der betrieblichen Übung bzw. nach Billigkeitserwägungen richtet (vgl. auch Hofmann/Coslovich Arbeitsrecht in Italien Rn. 112, 115).
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nach Art. 2110 Codice civile wirksam. Der Kläger sei aufgrund des Unfalls im Oktober 2009 erkrankt und deshalb solange arbeitsunfähig gewesen, bis die Beklagte die Kündigung erklärt habe. Das sei durch die von ihm bei der Beklagten für die Zeit bis einschließlich 24. September 2010 eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegt. Der den Kläger behandelnde Arzt habe nicht als Zeuge vernommen werden dürfen. Damit wäre eine unzulässige Ausforschung betrieben worden. Eine bewusste Täuschung der Sozialversicherungsträger und der Beklagten habe die Kammer ausgeschlossen. Damit sei der comporto von 180 Tagen überwunden worden. Im Kündigungszeitpunkt sei der Kläger nach wie vor arbeitsunfähig gewesen. Daran ändere der Umstand nichts, dass ihm bereits Ende Februar 2010 eine myoelektrische Prothese angepasst worden sei. Ein Erster Offizier auf einem Kreuzfahrtschiff müsse seediensttauglich sein. Hierfür müsse er über alle Gliedmaßen verfügen.
3. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das gilt unabhängig davon, ob die Anwendung ausländischen Rechts als solche im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 73 ArbGG revisibel (so BAG 24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – zu A II 4 a der Gründe, BAGE 63, 17) oder ob auch nach Maßgabe des Arbeitsgerichtsgesetzes bei unzureichender oder fehlerhafter Ermittlung von Bestehen und Inhalt des ausländischen materiellen Rechts lediglich die Verfahrensrüge eröffnet ist (vgl. BGH 4. Juli 2013 – V ZB 197/12 – BGHZ 198, 14; Roth NJW 2014, 1224 für die ZPO bzw. das FamFG). Der Kläger hat drei durchgreifende Verfahrensrügen erhoben. Mit einer davon moniert er gemäß § 293 ZPO, dass das Landesarbeitsgericht den Inhalt des italienischen Rechts nicht umfassend ermittelt habe. Die beiden anderen Rügen stützen sich ohnehin auf die der lex fori zuzuordnende Vorschrift des § 286 Abs. 1 ZPO.
a) Zum einen beanstandet der Kläger nach § 293 ZPO zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe nicht untersucht, welchen Beweiswert das italienische Recht einer – deutschen – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für das Vorliegen einer „malattia” iSv. Art. 2110 Codice civile beimisst.
aa) Gemäß Art. 32 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (aF) ist das für den Vertrag maßgebliche Recht insoweit anzuwenden, wie es für vertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt. Danach ist die Frage des Beweiswerts einer Urkunde nicht nach dem Verfahrensrecht, sondern nach dem materiellen Recht zu beantworten.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wie der für das Vorliegen von Kündigungsgründen beweisbelastete Arbeitgeber (Nogler AuR 2003, 321, 322) nach italienischem Recht die Krankheit des Arbeitnehmers nachzuweisen hat. Es hat nicht aufgeklärt, ob das italienische Recht eine § 5 EFZG vergleichbare Regelung enthält und welcher Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen eines „Kündigungsschutzprozesses” zukommt. Es hat vielmehr die Grundsätze des deutschen Entgeltfortzahlungsrechts angewandt.
b) Zum anderen rügt der Kläger gemäß § 286 Abs. 1 ZPO, das Landesarbeitsgericht habe selbst dann, wenn den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach italienischem Recht die von ihm – dem Berufungsgericht – angenommene Wirkung einer tatsächlichen Vermutung zukommen sollte, den durch ihn – den Kläger – dazu angebotenen Beweis erheben müssen, dass aus ärztlicher Sicht seit Ende Februar 2010 „eigentlich” keine Bedenken mehr gegen eine Wiederaufnahme seiner Tätigkeit bestanden hätten. Auch diese Rüge greift durch.
aa) Das Angebot, den behandelnden Arzt zu diesem Punkt als Zeugen zu vernehmen, durfte das Landesarbeitsgericht nicht mit der Begründung unbeachtet lassen, es hätte anderenfalls einen Ausforschungsbeweis erhoben. Der Vortrag des Klägers ist ausreichend substantiiert.
(1) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und hierbei gegebenenfalls die Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (vgl. BAG 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09 – Rn. 19 mwN).
(2) Danach hätte der Beweisantritt nur dann unbeachtet bleiben dürfen, wenn die ihm zugrunde liegende Behauptung als gänzlich substanzlos, willkürlich, aus der Luft gegriffen oder ins Blaue hinein aufgestellt erschiene. Der Kläger hat indes nicht bloß vorgetragen, er sei entgegen den anderslautenden ärztlichen Bescheinigungen arbeitsfähig gewesen. Vielmehr hat er dargelegt, sein Arzt habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen allein deshalb ausgestellt, weil ihm – dem Kläger – kein Seediensttauglichkeitszeugnis mehr erteilt worden sei. Aus ärztlicher Sicht hätten, nachdem ihm Ende Februar 2010 eine myoelektrische Prothese angepasst worden sei, „eigentlich” keine Bedenken dagegen bestanden, dass er die Tätigkeit auf See wieder aufnehme. Da der Kläger medizinischer Laie ist, konnte von ihm nicht verlangt werden, weitere Details vorzutragen. Er durfte sich darauf beschränken, die Einschätzung seines Arztes mitzuteilen und diesen als – sachverständigen – Zeugen zu benennen.
bb) Das Landesarbeitsgericht durfte, ohne den behandelnden Arzt als Zeugen vernommen zu haben, auch nicht davon ausgehen, dieser werde den Vortrag des Klägers nicht zu seiner – des Landesarbeitsgerichts – vollen Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO bestätigen können. Ob eine Behauptung wahr ist, kann im Allgemeinen erst beurteilt werden, wenn der für sie angebotene Beweis erhoben worden ist (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 562/02 – zu I 2 d aa der Gründe). Anderenfalls nimmt das Gericht eine Beweiswürdigung unzulässigerweise vorweg (BVerfG 22. Januar 2001 – 1 BvR 2075/98 – zu II 1 der Gründe). So lag es auch hier.
c) Die von der Revision aufgezeigten Verfahrensfehler sind entscheidungserheblich. Sollte das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dem Arbeitnehmer nach italienischem Recht nicht den Vortrag abschneiden, er sei „in Wahrheit” arbeitsfähig gewesen, und sollte der behandelnde Arzt „eigentlich” davon überzeugt gewesen sein, dass der Kläger spätestens seit Anpassung der myoelektrischen Prothese Ende Februar 2010 wieder imstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, müsste die Beklagte im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen, dass der Kläger tatsächlich über einen nach Art. 2110 Codice civile erheblichen Zeitraum vor Zugang der Kündigung sowie noch im Kündigungszeitpunkt arbeitsunfähig war.
C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, den Hauptantrag abzuweisen, stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Es steht nicht fest, dass die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010 wirksam ist.
I. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der nach italienischem Recht einzuhaltenden Widerspruchsfrist von 60 Tagen (vgl. Radoccia in Henssler/Braun Arbeitsrecht in Europa 3. Aufl. Italien Rn. 326, 333) um eine materielle oder prozessuale Anforderung handelt. Der Kläger hat die vorliegende Klage allemal fristgerecht erhoben.
II. Selbst wenn das italienische Recht vorsehen sollte, dass ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist, bevor Klage gegen eine Kündigung erhoben wird (so wohl Radoccia in Henssler/Braun Arbeitsrecht in Europa 3. Aufl. Italien Rn. 326, 333), wäre der Kläger dazu nicht verpflichtet gewesen. Die Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens ist dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Lex fori ist hier nicht das italienische, sondern das deutsche Recht (vgl. BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 963/08 – Rn. 14; siehe jetzt auch Art. 1 Abs. 3 Rom I-VO).
III. Die Kündigung ist nicht nach Art. 1464 Codice civile wirksam.
1. Bedarf der Arbeitnehmer einer behördlichen Erlaubnis, um die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu verrichten, und wird ihm diese Erlaubnis entzogen oder nicht mehr erteilt, wird ihm die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich. In diesem Fall kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen Unmöglichkeit gemäß Art. 1464 Codice civile beenden (vgl. Bovenberg Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht S. 64 f.; Piras Kündigungsschutz im Arbeitsrecht S. 53).
2. Es ist fraglich, ob die Beklagte sich auf diesen Kündigungsgrund noch berufen könnte. Im Kündigungsschreiben hatte sie erklärt, die Kündigung werde auf Art. 2110 Codice civile und die – vermeintliche – lange Arbeitsunfähigkeit des Klägers gestützt. Nach dieser Mitteilung könnte es ihr verwehrt sein, die Kündigung auf einen anderen als den – einzig – genannten Grund zu stützen („immutabilità dei motivi di licenziamento”; vgl. Bovenberg Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht S. 67; Hofmann/Coslovich Arbeitsrecht in Italien Rn. 124).
3. Jedenfalls stand im Kündigungszeitpunkt aufgrund der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 3. September 2010 und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. September 2010 fest, dass der Kläger bis mindestens zum 30. September 2011 über ein Seediensttauglichkeitszeugnis verfügen würde. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beklagte die gerichtlichen Entscheidungen für falsch hält. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass ihr ein Einsatz des Klägers auf AIDA-Kreuzfahrtschiffen aufgrund der vom Verwaltungsgericht gemachten Einschränkungen zu Zahl und Qualifikation der ihm unterstellten Besatzungsmitglieder unmöglich gewesen wäre.
4. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe mit den „Eignern in Genua” vereinbart, dass jeder Arbeitnehmer neben einem Seediensttauglichkeitszeugnis eine Bescheinigung durch den Betriebsarzt benötige, um auf ihren Schiffen tätig zu werden, kann dies zur Begründung der Kündigung nicht herangezogen werden. Eine solche Abrede ist mit dem Kläger nicht getroffen worden. Es ist auch keine gesetzliche Vorgabe ersichtlich, die zu einer derartigen Vorgehensweise verpflichten würde.
D. Der Senat kann dem Hauptantrag nicht stattgeben (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es steht nicht etwa umgekehrt fest, dass die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010 unwirksam ist.
I. Die Kündigung ist nicht nach § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB nichtig. Die
Beklagte musste keine Zustimmung des Integrationsamts einholen, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien – wie gezeigt – nicht dem deutschen Vertragsstatut unterfiel.
1. § 85 SGB IX findet nur dann Anwendung, wenn der betreffende Arbeitnehmer eine der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX erfüllt und das Arbeitsverhältnis deutschem Vertragsstatut unterliegt.
a) Die §§ 85 ff. SGB IX enthalten zwar zugunsten der schwerbehinderten Arbeitnehmer Regelungen, die – wie § 86 SGB IX – ihrer Natur nach dem Privatrecht zuzuordnen sind. Der dem Zivilrecht zuzurechnende Kündigungsschutz wird jedoch überlagert durch öffentliches Recht. Die Wirksamkeit einer privatrechtlichen Willenserklärung wird von der Zustimmung einer inländischen Behörde abhängig gemacht. Wann sie eingreift, bestimmt jede öffentlich-rechtliche Norm selbständig. Sie kann an räumliche, persönliche und/oder sachliche Kriterien anknüpfen (vgl. BAG 30. April 1987 – 2 AZR 192/86 – zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 55, 236). Das SGB IX hat insofern – mindestens – zwei Anknüpfungspunkte gewählt.
b) Die §§ 68 ff. SGB IX gelten, soweit es sich um Vorschriften des öffentlichen Rechts handelt, nur dann, wenn eine Variante des § 2 Abs. 2 SGB IX erfüllt ist. Der schwerbehinderte Mensch muss entweder seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Arbeitsplatz iSv. § 73 SGB IX im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes haben. Dabei handelt es sich für die Frage, ob ein Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz genießt – anders als für seine „arbeitsvertragsunabhängige” Anerkennung als Schwerbehinderter (vgl. dazu BAG 23. September 2014 – 9 AZR 827/12 – Rn. 21) – insoweit lediglich um eine notwendige, nicht schon um eine hinreichende Bedingung.
c) Es muss – ihrerseits als notwendige, aber für sich genommen erneut nicht hinreichende Bedingung (vgl. BAG 30. April 1987 – 2 AZR 192/86 – zu II 3 b der Gründe, BAGE 55, 236) – hinzutreten, dass das zu kündigende Arbeitsverhältnis deutschem Vertragsstatut unterfällt (ebenso Deinert in Internationales Recht im Wandel S. 95, 120 ff.). Die Zustimmung des Integrationsamts muss nicht eingeholt werden, wenn das Arbeitsverhältnis – wie hier – weder objektiv noch kraft Rechtswahl dem deutschen Vertragsrecht unterliegt. Das ergibt die Auslegung der §§ 85 ff. SGB IX.
aa) Die Zustimmung des Integrationsamts ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt. Ihre Erteilung ist eine öffentlich-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung präventiver Art (BAG 17. Februar 1982 – 7 AZR 846/79 – zu I 2 a der Gründe, BAGE 38, 42; 16. Oktober 1991 – 2 AZR 332/91 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 68, 333; BVerwG 10. September 1992 – 5 C 39.88 – BVerwGE 91, 7 jeweils zu § 12 SchwbG), die die Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Kontrolle unterwirft (ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 1). Diese Kontrolle kann und soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bloß einen „Inlandsbezug” iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX aufweist, sondern auch dem deutschen Vertragsstatut unterliegt.
(1) Zwar findet eine „volle” arbeitsrechtliche Prüfung durch das Integrationsamt grundsätzlich nicht statt (vgl. BVerwG 19. Oktober 1995 – 5 C 24.93 – BVerwGE 99, 336). Jedoch kann dieses seine Zustimmung verweigern, wenn die Kündigung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften offensichtlich unwirksam ist (vgl. BVerwG 11. November 1999 – 5 C 23.99 – BVerwGE 110, 67; OVG Mecklenburg-Vorpommern 24. März 2015 – 1 L 19/14 – Rn. 45). In jedem Fall hängt sein Prüfprogramm davon ab, ob die Kündigung aus personen-, verhaltensoder betriebsbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG erklärt werden soll (vgl. ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 89 SGB IX Rn. 3). Bereits dies legt es nahe, dass ausschließlich Kündigungen dem Zustimmungserfordernis unterliegen sollen, deren privatrechtliche Wirksamkeit sich nach dem – dem Integrationsamt bekannten – deutschen Recht beurteilt.
(2) In den §§ 85 ff. SGB IX finden sich mehrere Anhaltspunkte für diesen Willen des Gesetzgebers. § 85 SGB IX stellt für seinen persönlichen Anwendungsbereich auf den deutschen – nicht auf den unionsrechtlichen (vgl. dazu EuGH 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Slg. 2010, I-11405) – Arbeitnehmerbegriff ab (vgl. ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 3). Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gelten die §§ 85 ff. SGB IX nicht für schwerbehinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat. Diese Frist lehnt sich an die des § 1 Abs. 1 KSchG an (vgl. BAG 24. Januar 2008 – 6 AZR 96/07 – Rn. 34; ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 90 SGB IX Rn. 1). Sie bewirkt insoweit einen Gleichlauf mit der – sich nach dem Vertragsstatut entscheidenden – Geltung der §§ 1 bis 14 KSchG. Für außerordentliche Kündigungen nimmt § 91 Abs. 5 SGB IX ausdrücklich auf § 626 BGB Bezug. Überhaupt kennen viele andere Rechtsordnungen die sowohl im Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs als auch im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Kündigungsschutzgesetz verwendeten Kategorien „ordentliche” und „außerordentliche” Kündigung nicht begrifflich, sondern allenfalls der Sache nach (so für das italienische Recht das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten).
(3) Es kommt entscheidend hinzu, dass § 85 SGB IX den privatrechtlichen Unwirksamkeitsbefehl nicht „in sich trägt”. Die Nichtigkeit einer Kündigung, die ohne die erforderliche vorherige Zustimmung des Integrationsamts erklärt wurde, folgt nicht aus § 85 SGB IX selbst, sondern „erst” aus der – dem deutschen Vertragsstatut zugehörigen – Vorschrift des § 134 BGB (vgl. BAG 16. März 1994 – 8 AZR 688/92 – zu II 1 der Gründe, BAGE 76, 142; BVerwG 19. Oktober 1995 – 5 C 24.93 – BVerwGE 99, 336 jeweils zu § 15 SchwbG). Es bedarf einer zivilrechtlichen Norm, um einen Verstoß gegen die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 85 SGB IX im – deutschen – Privatrecht zu sanktionieren. Fände ausländisches Vertragsrecht Anwendung und kennte dies entweder keine § 134 BGB vergleichbare Norm oder wäre diese nicht dazu berufen, Vorschriften des deutschen öffentlichen Rechts Geltung zu verschaffen, bliebe § 85 SGB IX insoweit folgenlos und stellte sich das Erfordernis, die Zustimmung des deutschen Integrationsamts einzuholen, als bloße Förmelei dar.
bb) Die Beschränkung des Zustimmungserfordernisses auf Kündigungen von Arbeitsverhältnissen, die deutschem Vertragsstatut unterliegen, bedeutet keine Vermischung von privatem und öffentlichem Recht. Die Geltung des § 85 SGB IX bestimmt sich nicht unmittelbar nach Art. 27 ff. EGBGB (aF) oder Art. 3, 8 und 9 Rom I-VO. Dem Vertragsstatut kommt für die Anwendbarkeit der Norm nur insofern – mittelbare – Bedeutung zu, als § 85 SGB IX seine eigene Geltung von der Anwendbarkeit deutschen Arbeitsvertragsrechts abhängig macht.
cc) Dem Schutzzweck der §§ 85 ff. SGB IX ist auch so Genüge getan. Der (ausländische) Arbeitgeber könnte nicht etwa „einfach” das objektiv geltende deutsche Recht mit der Folge „abwählen”, dass das Zustimmungserfordernis nach § 85 SGB IX entfiele.
(1) Hätte das Arbeitsverhältnis abgesehen von der Rechtswahl und ggf. einer diese flankierenden Gerichtsstandsvereinbarung keinerlei Auslandsbezug, scheiterte ein Umgehungsversuch bereits an Art. 27 Abs. 3 EGBGB (aF) bzw. Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO. Liegt ein sog. Binnensachverhalt iSd. Vorschriften vor, berührt die Rechtswahl der Parteien nicht die Anwendung derjenigen Bestimmungen des deutschen Rechts, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann. Eine solche – einfach – zwingende Norm ist auch § 85 SGB IX.
(2) Handelte es sich dagegen um einen Sachverhalt, der solcher Art Auslandsbezüge aufweist, dass er von Art. 27 Abs. 3 EGBGB (aF) bzw. Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO nicht erfasst ist, dh. wäre der Sachverhalt im Zeitpunkt der Rechtswahl nicht nur mit einem Staat verbunden (vgl. dazu Palandt/Thorn 74. Aufl. Art. 3 Rom I-VO Rn. 5), würde einem Umgehungsversuch durch Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) bzw. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO begegnet. Nach diesen Vorschriften darf eine Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die – einfach – zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren – im hiesigen Zusammenhang: deutschen – Rechts gewährt wird. Ob dem Arbeitnehmer durch eine Rechtswahl der Schutz der zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen des objektiv, dh. des ohne Rechtswahl maßgeblichen Rechts entzogen wird, ist durch einen Vergleich der beiden Rechtsordnungen zu ermitteln. Bei diesem Günstigkeitsvergleich ist jeweils auf die Ergebnisse abzustellen, zu denen die Rechtsordnungen in dem betreffenden Teilbereich im Einzelfall gelangen (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 741/13 – Rn. 34). Dabei ist gleichgültig, ob die „abgewählten” Normen dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehören (vgl. Palandt/Thorn 74. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 9). Im Verhältnis zum italienischen Recht griffe beispielsweise das Zustimmungserfordernis nach § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB, weil erstes ausweislich des vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachtens keinen Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte in Gestalt eines Kündigungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt kennt und es deshalb für diesen Teilbereich bei der Geltung des für den Arbeitnehmer günstigeren deutschen Rechts verbliebe.
dd) Es begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken, den Geltungsbereich des SGB IX in der dargestellten Weise zu begrenzen. Das Unionsrecht – einschließlich des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (vgl. Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft, ABl. L 23 S. 35 vom 27. Januar 2010; zur Gesetzeskraft der VN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland siehe BGBl. II 2008 S. 1419 und BGBl. II 2009 S. 812) – verlangt nicht nach einem Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen (vgl. ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 3).
2. Der Kläger hat zwar iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX zumindest seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des SGB IX. Sein Arbeitsverhältnis unterliegt jedoch – objektiv und subjektiv – italienischem und nicht deutschem Recht. Damit findet § 85 SGB IX keine Anwendung. Hieran vermag Art. 34 EGBGB (aF) nichts zu ändern. Es kann dahinstehen, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften überhaupt Eingriffsnormen darstellen können (vgl. dazu BAG 24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – zu A II 6 der Gründe, BAGE 63, 17; Deinert in Internationales Recht im Wandel S. 95, 111 ff.; MünchArbR-Birk 2. Aufl. Bd. 1 § 20 Rn. 177; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. Einl. Rn. 28). Das SGB IX grenzt seinen Geltungsbereich – wie gezeigt – jedenfalls auf solche Arbeitsverhältnisse ein, die deutschem Vertragsstatut unterliegen. Es handelt sich gerade nicht um eine Bestimmung des deutschen Rechts, die einen Sachverhalt ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht zwingend regelt.
3. Nach alledem kann offenbleiben, ob der Anwendungsbereich des § 85 SGB IX mit Blick auf § 87 SGB IX und die dortige Festlegung des örtlich zuständigen Integrationsamts eine weitere Einschränkung dergestalt erfährt, dass der Arbeitgeber einen Betrieb oder wenigstens einen selbständigen Betriebsteil iSv. § 4 BetrVG im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unterhalten und dieser Betrieb(steil) – wofür freilich wenig spricht – in sachlicher Hinsicht dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterfallen muss. Insbesondere bedarf keiner Entscheidung, ob das BetrVG – abweichend vom „Territorialitätsprinzip” – nach seinem § 114 selbst auf den Landbetrieb eines Seeschifffahrtsunternehmens keine Anwendung findet, wenn dieses seinen Sitz im Ausland hat und in Deutschland lediglich eine Zweigniederlassung iSv. §§ 13d bis f HGB unterhält (für eine derartige Selbstbeschränkung des BetrVG Franzen GK-BetrVG 10. Aufl. Bd. 2 § 114 Rn. 4 unter Berufung auf BAG 26. September 1978 – 1 AZR 480/76 – zu 1 der Gründe, BAGE 31, 77; dagegen Richardi/Thüsing BetrVG 14. Aufl. § 114 Rn. 11, 12), und ob der Kläger dem „Landbetrieb” der Beklagten in Rostock zugeordnet war.
II. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte ein Präventionsverfahren gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX und ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX hätte durchführen müssen. Das Durchlaufen dieser Verfahren ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung (vgl. zuletzt BAG 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14 – Rn. 28 für das bEM). Vielmehr handelt es sich jeweils um Konkretisierungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Prüfung des § 1 Abs. 2 KSchG bzw. des § 626 Abs. 1 BGB. Unterbleibt ein Präventionsverfahren oder bEM, kann dies nur dann Folgen für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung haben, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Das zeigt sich ua. daran, dass § 84 Abs. 1 SGB IX an die Terminologie des § 1 Abs. 2 KSchG („personen-, verhaltensoder betriebsbedingte Schwierigkeiten”) und § 84 Abs. 2 SGB IX mit dem Erfordernis einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit an die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Voraussetzungen der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung anknüpft (vgl. BAG 24. Januar 2008 – 6 AZR 96/07 – Rn. 31 ff. für Kündigungen, auf die wegen Nichterfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet). Danach zeitigt bei einer ordentlichen Kündigung ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus § 84 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX grundsätzlich auch dann keine Folgen für deren Wirksamkeit, wenn das Kündigungsschutzgesetz deshalb nicht gilt, weil das gekündigte Arbeitsverhältnis – wie dasjenige des Klägers – nicht dem deutschen Vertragsstatut unterlag. Anders stellt es sich nur dar, wenn eines der vorstehend zu D I 1 c cc geschilderten „Umgehungsszenarien” vorliegt. Bei § 84 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX handelt es sich zwar um einfach zwingende Vorschriften iSv. Art. 27 Abs. 3 EGBGB (aF) bzw. Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO und iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) bzw. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO, aber nicht um international zwingende Eingriffsnormen iSv. Art. 34 EGBGB (aF) bzw. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO. Insbesondere sind die beiden Regelungen – anders als zB diejenigen des SGB VII – keine solchen des Arbeitsschutzrechts iSv. § 2 Nr. 5 AEntG und ist § 84 Abs. 1 SGB IX – anders als etwa § 81 Abs. 2 SGB IX – keine „Nichtdiskriminierungsbestimmung” iSv. § 2 Nr. 7 AEntG (vgl. Däubler/Lakies TVG 3. Aufl. § 2 AEntG Rn. 10 und 12).
III. Indem sie die Kündigung erklärt hat, obwohl die Erteilung eines „vorläufigen” Seediensttauglichkeitszeugnisses aufgrund entsprechender Gerichtsentscheidungen unmittelbar bevorstand, hat die Beklagte sich nicht selbstwidersprüchlich verhalten.
1. Das Prinzip von Treu und Glauben ist als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen – ausweislich des vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachtens auch der italienischen – immanent (vgl. BGH 14. Oktober 1992 – VIII ZR 91/91 – zu II 5 a der Gründe, BGHZ 120, 10). Ein deutsches Gericht hat den Einwand treuwidrigen Verhaltens – unabhängig vom anwendbaren Recht – zudem gemäß Art. 6 EGBGB (aF) unter dem Gesichtspunkt des ordre public von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihm zugesichert, ihn wieder als Chief Engineer zu beschäftigen, falls „die Berufsgenossenschaft” seine Seediensttauglichkeit feststelle. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Vorbringen dahin gewürdigt, dass die Beklagte ihm mitgeteilt habe, er solle ein neues Tauglichkeitszeugnis beantragen und sie „vorerst während der Erkrankung bzw. Krankschreibung nicht kündigen” werde. Diesem Verständnis tritt die Revision nicht entgegen. Es deckt sich vielmehr mit dem von ihr in Bezug genommenen Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung, wonach die Parteien am 8. April 2010 erneut übereingekommen seien, „dass zunächst abgewartet werden sollte, ob die Berufungsgenossenschaft die Seediensttauglichkeit wieder bestätigen würde”. Danach ist ein treuwidrig selbstwidersprüchliches Verhalten der Beklagten nicht ersichtlich.
a) Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hat diese ihm einen Einsatz als Chief Engineer nur für den Fall in Aussicht gestellt, dass die Berufsgenossenschaft kraft eigener Überzeugung zu der Einschätzung gelange, er sei trotz des Fehlens eines Unterarms seediensttauglich. Hingegen lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, die Beklagte habe ihr mögliches – künftiges – Kündigungsrecht nach Art. 2110 Codice civile – zumal auf unbestimmte Zeit – an den Ausgang von Gerichtsverfahren „binden” wollen, in denen es darum geht, die Berufungsgenossenschaft gegen ihre eigene Einschätzung dazu zu verpflichten, dem Kläger ein – vorläufiges – Seediensttauglichkeitszeugnis zu erteilen. Dementsprechend ließ die Beklagte dem Kläger, nachdem dieser ihr mit Schreiben vom 30. Juni 2010 mitgeteilt hatte, dass er rechtliche Schritte unternehme, um das Zeugnis zu erhalten, mit Anwaltsschreiben vom 15. Juli 2010 antworten, dass sie davon ausgehen müsse, er sei dauerhaft untauglich, an Bord eines ihrer Schiffe eingesetzt zu werden.
b) Nach dem vom Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler zugrunde gelegten Verständnis ihrer „Zusicherung” hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers auch nicht deshalb „zur Unzeit” (vgl. LAG Bremen 29. Oktober 1985 – 4 Sa 151/85 –) gekündigt, weil sie die Kündigung unmittelbar nach Erhalt seiner Mitteilung von dem für ihn günstigen Ausgang der Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten erklärt hat. Vielmehr musste sie damit rechnen, dass seine „Krankschreibung” enden und er seinen Einsatz an Bord verlangen würde. Das galt es aus Sicht der Beklagten – gemäß der Einschätzung der von ihr gleichsam als „Sachverständige” anerkannten Berufsgenossenschaft – wegen der damit vermeintlich verbundenen Risiken zu verhindern.
E. Nach der Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) wird das Landesarbeitsgerichts zunächst die Begründetheit des Hauptantrags zu prüfen haben. Dafür gibt der Senat nachstehende Hinweise:
I. Es wird aufzuklären sein, ob der Kläger aufgrund der Zahl der im Unternehmen der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer (mehr als 60) den sog. realen Kündigungsschutz (tutela reale) genießt. Sollte dies – wider Erwarten – nicht der Fall sein, wäre zu ermitteln, ob und ggf. mit welchen Folgen nach italienischem Recht Kündigungsschutz für Arbeitnehmer kleinerer Unternehmen besteht.
II. Jedenfalls dann, wenn dem Kläger der sog. reale Kündigungsschutz zukommen sollte, wird zu ermitteln sein, welche Grundsätze das italienische Recht zum Beweis einer „malattia” iSv. Art. 2110 Codice civile aufstellt. Ggf. werden die von den Parteien zu der strittigen Frage angebotenen Beweise zu erheben und zu bewerten sein, ob der Kläger für erhebliche Zeit arbeitsunfähig war.
1. Sollte sich nach einer möglichen Beweisaufnahme der Vortrag des Klägers bestätigen, er sei entgegen den anderslautenden ärztlichen Bescheinigungen aus der Sicht seines behandelnden Arztes „in Wahrheit” arbeitsfähig gewesen, wird die Beklagte im Einzelnen darlegen und beweisen müssen, dass er für die Dauer des comporto und über den Kündigungszeitpunkt hinaus aufgrund einer „malattia” nicht imstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
2. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger seit Oktober 2009 fortlaufend arbeitsunfähig war, wäre die Kündigung, weil der comporto abgelaufen war, möglicherweise wirksam.
a) Dann wird sich das Landesarbeitsgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Beklagte dem Kläger eine anderweitige Beschäftigung anbieten musste und ob sie dies ggf. in ausreichender Weise getan hat (von einer derartigen Verpflichtung gehen aus: Bovenberg Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht S. 65; Piras Kündigungsschutz im Arbeitsrecht S. 53).
b) Wenn sich die Kündigung hiernach als wirksam erweisen sollte, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob ein anderes Ergebnis daraus folgt, dass der Kläger wegen seiner in dem Fehlen eines Unterarms liegenden Behinderung diskriminiert wurde.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung nicht dargestellt, wie das italienische Recht zu dieser Frage ausgestaltet ist. Es hat lediglich apodiktisch festgestellt, dieses enthalte keine Vorschriften, die im Hinblick auf eine Diskriminierung wegen der Behinderung zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen könnten als die Regelungen des – deutschen – Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies trifft nicht die gesamte Problematik.
(1) Zum einen ist fraglich, ob Art. 2110 Codice civile – nebst ihn möglicherweise „flankierenden” Bestimmungen des italienischen Rechts – den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) genügt (vgl. dazu EuGH 11. April 2013 – C-335/11 und C-337/11 – [HK Danmark] Rn. 65 ff.). Falls dies zu verneinen sein sollte, ist weiter fraglich, ob den dort aufgestellten Anforderungen zumindest durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des italienischen Rechts Geltung verschafft werden könnte bzw. durch italienische Gerichte bereits verschafft worden ist (zu Grundlage, Ziel und Grenzen der unionsrechtskonformen Auslegung vgl. EuGH 24. Januar 2012 – C-282/10 – [Dominguez] Rn. 24 ff.).
(2) Zum anderen ist denkbar, dass der Kläger durch die streitbefangene Kündigung wegen seiner Behinderung (verdeckt) unmittelbar iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG bzw. der entsprechenden Vorschrift des italienischen Rechts diskriminiert worden ist.
(a) Eine Anknüpfung an das Merkmal der Behinderung kommt zumindest in Betracht. Die Beklagte sieht das Fehlen eines Unterarms als Ausschlusskriterium für einen Einsatz als Chief Engineer an Bord ihrer Schiffe an. Auch unberechtigte Stereotypisierungen können zu (unabsichtlichen) Diskriminierungen führen. Darauf, ob die Beklagte glaubte, Art. 2110 Codice civile iVm. der bis zum 20. August 2014 geltenden SeeDTauglV gebiete die Kündigung, kommt es nicht an (vgl. BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 44, BAGE 147, 60).
(b) Eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung liegt vor, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium (dauerhafte Seedienstuntauglichkeit) unterschieden wird, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in Art. 1 RL 2000/78/EG genannten Grund (Behinderung) steht und ausschließlich Träger dieses Diskriminierungsmerkmals trifft (vgl. BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 46, BAGE 147, 60). Das könnte hier der Fall sein. Kündigungsgrund ist die vermeintliche Unfähigkeit des Klägers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Diese nach Auffassung der Beklagten dauerhaft bestehende Unfähigkeit ergab sich allein daraus, dass ihm ein Unterarm fehlt. Nach ihrer Ansicht handelt es sich dabei mit Blick auf Ziff. 20 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 2 SeeDTauglV um einen absoluten und „irreparablen” Ausschlussgrund. Es erscheint möglich, dass eine Kündigung, die wegen einer der dort aufgeführten (chronischen) Erkrankungen, gesundheitlichen Schäden und Schwächen erklärt wird, in allen Fällen wegen einer „Behinderung” (zum unionsrechtlichen Behindertenbegriff vgl. EuGH 11. April 2013 – C-335/11 und C-337/11 – [HK Danmark] Rn. 47) erfolgt. Das wiederum könnte bedeuten, dass das Arbeitsverhältnis eines nicht behinderten Chief Engineers in einer sonst mit der Situation des Klägers vergleichbaren Lage nicht gekündigt worden wäre (vgl. BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 46 ff., BAGE 147, 60).
(3) Das Landesarbeitsgericht wird die Frage nach einer Ungleichbehandlung wegen der Behinderung dahinstehen lassen können, wenn eine solche Benachteiligung jedenfalls gerechtfertigt wäre. So dürfte es – zumindest unionsrechtlich – liegen, wenn die Beklagte nicht imstande sein sollte, eine bestehende Leistungsunfähigkeit des Klägers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, sie nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 – Rn. 60 mwN). Dabei wird zu beachten sein, dass § 2 Abs. 1 SeeDTauglV die Beklagte nicht von der Pflicht entband, im zumutbaren Rahmen angemessene Vorkehrungen zu treffen, um den Kläger als Chief Engineer an Bord eines ihrer Kreuzfahrtschiffe beschäftigen zu können. Die SeeDTauglV führte das Fehlen von Gliedmaßen nicht als Tatbestand, der die Seediensttauglichkeit absolut und in jedem Fall ausschloss. Vielmehr kam es darauf an, ob der Betreffende deshalb „den Anforderungen seines Dienstzweiges nicht gewachsen” war. Zudem lag gemäß § 2 Abs. 2 SeeDTauglV Seediensttauglichkeit nur dann vor, wenn unter Berücksichtigung des Lebensalters, der Berufserfahrung und der Tätigkeit des Untersuchten nicht zu befürchten stand, dass er oder andere Personen an Bord oder die Schiffssicherheit gefährdet würden. Soweit der Kläger lediglich mit bestimmten Maßgaben hinsichtlich der Mindestzahl und der Qualifikationen des ihm unterstellten Personals seediensttauglich sein sollte, wird festzustellen sein, ob die Beklagte dem in zumutbarer Weise hätte Rechnung tragen können.
bb) Auf die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit des – deutschen – Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wird es nur in dem – unwahrscheinlichen – Fall ankommen, dass die Kündigung sich nach italienischem „Kündigungs- und Diskriminierungsrecht” allein deshalb als wirksam erweist, weil dieses die Vorgaben der RL 2000/78/EG – auch bei Ausschöpfung der Möglichkeiten einer unionsrechtskonformen Auslegung – nicht umgesetzt hat. Deshalb belässt der Senat es insofern bei folgenden Hinweisen:
(1) Zwar spricht – nicht zuletzt mit Blick auf die Klarstellung in § 2 Nr. 7 AEntG – vieles dafür, dass die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Eingriffsnormen iSv. Art. 34 EGBGB (aF) bzw. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO darstellen, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt international zwingend regeln (vgl. nur Deinert Internationales Arbeitsrecht § 12 Rn. 88; ErfK/Schlachter 15. Aufl. Vorbem. zum AGG Rn. 7 jeweils mwN; soweit sie durch Art. 3 GG gesondert verbürgt sind, werden die Diskriminierungsverbote teilweise auch dem deutschen ordre public iSv. Art. 6 EGBGB [aF] bzw. Art. 21 Rom I-VO zugerechnet; vgl. Bauer/Krieger AGG 4. Aufl. Einl. Rn. 40).
(2) Auch dürfte im Streitfall der erforderliche, über die Zuständigkeit der deutschen Gerichte hinausgehende Bezug zur deutschen Rechtsordnung bestehen (zur Problematik vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. Art. 9 Rom I-VO Rn. 21 mwN). Der Kläger hat nicht nur seinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er wurde zudem von der Niederlassung der Beklagten in Rostock eingestellt und erhielt Weisungen von dieser. Fraglich wäre allenfalls, ob er iSv. § 2 AEntG „im Inland beschäftigt” wurde.
(3) Sollte das italienische Recht nicht den durch die RL 2000/78/EG vorgeschriebenen Mindeststandard gewähren, ist es unionsrechtlich unbedenklich, die der Umsetzung dieser Richtlinie dienenden Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über Art. 34 EGBGB (aF) bzw. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO zur Geltung zu bringen (für den Fall, dass auf einen Vertrag das Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union anzuwenden ist, das den durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Mindeststandard gewährt, vgl. demgegenüber EuGH 17. Oktober 2013 – C-184/12 – [UNAMAR] Rn. 50 ff. zu Art. 3 und Art. 7 Abs. 2 EVÜ und der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter).
III. Bei den weiteren Ermittlungen zum Inhalt des italienischen Rechts – ggf. unter Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens – wird zu beachten sein, dass die Ermittlung ausländischen Rechts sich nicht auf die Heranziehung der einschlägigen Rechtsquellen beschränken darf, sondern auch deren konkrete Ausgestaltung in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere in der ausländischen Rechtsprechung zu berücksichtigen hat. Insofern muss das Berufungsgericht die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (vgl. BGH 14. Januar 2014 – II ZR 192/13 – Rn. 15; 23. Juni 2003 – II ZR 305/01 – zu II 2 a der Gründe).
F. Die Zurückverweisung umfasst die beiden Hilfsanträge.
I. Nach dem zu B II 2 aufgezeigten Verständnis des Hauptantrags dürfte der erste Hilfsantrag allerdings unter keinen Umständen zur Entscheidung anfallen.
II. Sollte das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag stattgeben, wird es jedenfalls über den zweiten Hilfsantrag zu entscheiden haben.
1. Dieser ist noch Gegenstand des Verfahrens. Hat das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen und dementsprechend über einen sog. unechten Hilfsantrag nicht entschieden, fällt er in der Revisionsinstanz an, wenn der Kläger ihn – wie er hier in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat – in seinen Revisionsantrag einbezieht (vgl. BAG 16. November 2010 – 9 AZR 573/09 – Rn. 47, BAGE 136, 156).
2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. prüfen müssen, ob bezüglich des erstmals im Berufungsverfahren gestellten, bislang in der Sache nicht beschiedenen Antrags die Voraussetzungen der §§ 533, 529 ZPO iVm. § 67 ArbGG vorlagen. Dabei wird es zu bedenken haben, dass sich das Bestehen eines „Beschäftigungsanspruchs” des Klägers nach dem – insoweit noch „unbekannten” – italienischen Recht richtete (vgl. Deinert Internationales Arbeitsrecht § 13 Rn. 83).
Unterschriften
Kreft, Rachor, Niemann, Krichel, Jan Eulen
Fundstellen
Haufe-Index 9176258 |
BAGE 2016, 138 |
BB 2016, 884 |
DB 2016, 7 |