Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Weiterbildungskosten aufgrund Tarifvertrags
Leitsatz (redaktionell)
Eine Weiterbildung erfolgt auch dann "im Rahmen des Personalbedarfs" des Arbeitgebers (Nr 7 SR 2a BAT), wenn dem Arbeitnehmer die höhergruppierte Stelle im Hinblick darauf übertragen wird, daß er anschließend die Weiterbildung durchführt.
Orientierungssatz
Eine Regelung, nach der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch die (anteiligen) Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hat, ist nach § 32 SGB I wegen Verstoßes gegen die zwingenden Bestimmungen der §§ 20, 22 SGB IV nichtig.
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 7. September 1995 - 5 Sa 364/95 - teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 18. November 1994 - 5b Ca 1819/94 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.691,19 nebst 6,5 % Zinsen hierauf seit dem 14. Juni 1996 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Im übrigen erdne die Berufung und die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
4. Vn den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/8 und der Beklagte 7/8 zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten seiner Weiterbildung zum Pflegestationsleiter nach der tariflichen Regelung SR 2 a Nr. 7 BAT zu erstatten.
Der Beklagte war bei der Klägerin als Krankenpfleger beschäftigt. Kraft Vereinbarung galten die Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.
Auf Veranlassung der Klägerin nahm der Beklagte an einem Weiterbildungslehrgang "Leitung einer Station" in Kiel teil. Der Lehrgang wurde in Blöcken von jeweils sechs Wochen in der Zeit vom 9. November 1992 bis zum 18. Dezember 1992 und vom 22. Februar 1993 bis zum 2. April 1993 durchgeführt. Der Beklagte hatte sich hierzu beim Landesseminar für Krankenpflege als der zuständigen Weiterbildungsstätte für Berufe des Gesundheitswesens angemeldet und von dort unter dem 21. Oktober 1991 die Nachricht erhalten, er sei für einen Kurs im Herbst 1992 vorgemerkt; er solle aber noch das ausstehende Zwischenzeugnis der Pflegedienstleitung nachreichen. Auf Wunsch des Beklagten erteilte die Klägerin ihm eine entsprechende Zwischenbeurteilung.
Bei der Klägerin wurde eine Stelle für eine stellvertretende Stationsleitung auf der Station 52 frei. Mit Schreiben vom 4. September 1992 bewarb sich der Beklagte um diese Stelle. Die Klägerin übertrug dem Beklagten die Stelle mit Wirkung vom 15. Oktober 1992 unter gleichzeitiger Höhergruppierung in die VergGr. Kr VI BAT.
Der Beklagte kündigte sein Arbeitsverhältnis bei der Klägerin ordentlich zum 31. Dezember 1993. Darauf forderte die Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung der Fortbildungskosten, nämlich der Sachkosten, des weitergezahlten Arbeitsentgeltes zzgl. der hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, auf.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei nach Nr. 7 SR 2 a zum BAT zur Rückzahlung der Fortbildungskosten in vollem Umfang verpflichtet. Die Tarifregelung verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es handelt sich auch nicht um einen Kurzlehrgang, bei dem von einer Rückforderung der Teilnahmekosten abzusehen sei. Der Beklagte sei auf ihre Veranlassung und im Rahmen ihres Personalbedarfs fortgebildet worden. Die Teilnahme des Beklagten an dem Lehrgang habe - unstreitig - Sachaufwendungen i.H.v. 2.945,00 DM verursacht (Lehrgangsentgelte, Prüfungsgebühr, Fahrtkosten, Verpflegungskosten) sowie Lohnfortzahlungskosten einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung (2.360,57 DM) i.H.v. insgesamt 15.807,76 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 18.752,76 DM
zzgl. 6,5 % Zinsen hierauf seit dem 14. Juni 1994
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen: Er sei zur Rückzahlung der Fortbildungskosten nicht verpflichtet. Auf die tarifvertraglichen Bestimmungen habe sich die Klägerin erst anläßlich der Rückforderung gestützt. Die tarifvertragliche Regelung sei wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG unwirksam. Es habe sich bei der Weiterbildung auch um einen kurzfristigen Kursus gehandelt, dessen Kosten trotz der Tarifregelung nicht zurückgefordert werden dürften. Zudem habe ihm die Weiterbildung überhaupt keinen Vorteil gebracht, denn die höhere Vergütung nach der VergGr. Kr VI BAT habe er bereits erhalten, bevor der Weiterbildungskursus begonnen habe.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit seiner Revision will der Beklagte die Klagabweisung erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist weitgehend nicht begründet. Erfolg hat sie nur, soweit es um die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung geht. Diese Anteile kann die Klägerin vom Beklagten nicht zurückerstattet verlangen. Im übrigen schuldet der Beklagte die Erstattung sowohl der Sachkosten als auch der Lohnkosten.
I. Rechtsgrundlage für die Klageforderung ist Nr. 7 SR 2 a BAT. Diese Bestimmung galt kraft Vereinbarung im Arbeitsverhältnis des Beklagten. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitnehmer zur Zurückzahlung der Fort- und Weiterbildungskosten verpflichtet, wenn er auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers auf dessen Kosten fort- oder weitergebildet worden ist und vor Ablauf der Bindungsfrist auf eigenen Wunsch ausscheidet. Scheidet der Arbeitnehmer im ersten Jahr seit Beendigung der Fort- oder Weiterbildung aus dem Arbeitsverhältnis aus, sind die Kosten in voller Höhe zu erstatten.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist bei der Anwendung tarifvertraglicher Rückzahlungsklauseln für die Kosten von Weiterbildungsmaßnahmen nicht zu prüfen, inwieweit dem Arbeitnehmer durch die erfolgreiche Bildungsmaßnahme im Einzelfall ein geldwerter Vorteil erwachsen ist. Vielmehr besteht eine Rückzahlungspflicht bereits dann, wenn die maßgebliche tarifvertragliche Bestimmung ihrerseits einer Rechtmäßigkeitsprüfung standhält und ihre Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere ist dann nicht zusätzlich zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer im Einzelfall berufliche, finanzielle oder geldwerte Vorteile erlangt hat (BAG Urteil vom 6. November 1996 - 5 AZR 498/95 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Anderes folgt auch nicht aus dem grundgesetzlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Ob der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Genüge getan ist, muß anhand der tariflichen Norm selbst geprüft werden, nicht aber (nochmals) im einzelnen Anwendungsfall.
2. Nr. 7 SR 2 a BAT verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht, insbesondere auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Dies hat der Senat in seinen Urteilen vom 6. September 1995 näher begründet (- 5 AZR 174/94 - AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe (mit gem. Anm. zu Nrn. 22 und 23, aaO, von Hoyningen-Huene) sowie - 5 AZR 172/94 -, - 5 AZR 618/94 - und - 5 AZR 744/94 -, alle n.v., ferner Urteil vom 6. November 1996 - 5 AZR 498/95 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf diese den Parteien bekannten Urteile wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
II. Die Voraussetzungen der Nr. 7 Abs. 1 SR 2 a BAT liegen vor. Die Fort- oder Weiterbildung ist nicht nur - worüber die Parteien nicht streiten - auf Veranlassung des Arbeitgebers vorgenommen worden, sondern auch "im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers".
1. Ein Personalbedarf des Arbeitgebers ist anzuerkennen, wenn bei ihm innerhalb des Bindungszeitraums von drei Jahren (Abs. 2 Unterabs. 2 Nr. 7 SR 2 a BAT) wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung zu erwerbende Qualifikation vorausgesetzt wird. Auch insoweit wird auf die Urteile des Senats vom 6. September 1995 (aaO) Bezug genommen. Diese Auslegung der Nr. 7 Abs. 1 SR 2 a BAT ist im Hinblick auf die in Abs. 2 (aaO) geregelten Rückzahlungspflichten geboten: Je eher der auf Kosten seines Arbeitgebers weitergebildete Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber mit einem seiner Weiterbildung entsprechenden beruflichen Aufstieg rechnen kann, desto eher ist ihm die Rückzahlung der vom Arbeitgeber aufgewendeten Beträge zuzumuten, wenn er das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet.
2. Der Beklagte ist im Rahmen des Personalbedarfs der Klägerin ausgebildet worden. Der in der Tarifnorm vorausgesehene Personalbedarf entfällt hier nicht deshalb, weil der Kläger bereits am 15. Oktober 1992 höhergruppiert und in die Stelle eines stellvertretenden Stationsleiters des Pflegedienstes eingewiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, daß der Beklagte an dem Weiterbildungslehrgang teilnehmen werde. Die vorzeitige Übertragung der Stelle fand im Vorgriff auf die bereits festgelegte Fortbildung statt und ändert nichts daran, daß die fraglichen anschließenden Lehrgänge im Rahmen des bestehenden Personalbedarfs vorgenommen wurden.
Der Beklagte geht im übrigen selbst davon aus, daß er die ihm übertragene Stelle nicht erhalten hätte, wäre er nicht bereit gewesen, an der Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Sein Hinweis, andere Mitarbeiter hätten früher solche Stellen ohne entsprechende Fortbildung erhalten, ist unerheblich. Es war der Klägerin nicht verwehrt, neu zu besetzende Stellen und Leitungsfunktionen von einer entsprechenden Qualifikation der Mitarbeiter abhängig zu machen.
III. Der Beklagte hat die der Klägerin entstandenen Kosten in voller Höhe zu erstatten. Er ist auf seinen Wunsch noch im Jahr der Beendigung der Weiterbildung (2. April 1993) ausgeschieden, nämlich durch seine Kündigung zum 31. Dezember 1993. Zu den erstattungsfähigen Kosten der Fort- und Weiterbildung zählen der Sachaufwand und die Lohnkosten des Arbeitgebers in der Zeit der Fortbildung.
Nicht zu erstatten sind die auf die Personalkosten entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung i.H.v. 2.360,57 DM. Eine Regelung, nach der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch die (anteiligen) Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hat, ist nach § 32 SGB I wegen Verstoßes gegen die zwingenden Bestimmungen der §§ 20, 22 SGB IV nichtig (BAG Urteil vom 6. November 1996 - 5 AZR 334/95 - zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt; auch schon BAG Urteil vom 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter III 3 der Gründe). Insoweit hatte die Revision des Beklagten Erfolg.
Soweit der Beklagte geltend macht, er schulde die Erstattung von Lohnkosten nicht in vollem Umfang, weil er während der Teilnahme am Lehrgang auch Arbeit auf der Station geleistet habe, ist sein Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, im einzelnen darzulegen, wann und an welchen Tagen er in welchem Umfang Arbeitsleistungen erbracht habe. Dazu hat der Beklagte keine Angaben gemacht.
Griebeling Schliemann Reinecke
Utz P. Hansen Dittrich
Fundstellen
BB 1997, 1488 (Leitsatz 1) |
BB 1997, 2113-2114 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1998, 140 |
DB 1998, 140 (Leitsatz 1) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 159/97 (Leitsatz 1) |
EzB BGB § 611 Aus- und Weiterbildungskosten, Nr 56 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzB, (Leitsatz 1) |
ARST 1997, 221-223 (Leitsatz 1 und Gründe) |
NZA 1997, 1002 |
NZA 1997, 1002-1003 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RdA 1997, 379 (Leitsatz 1) |
ZTR 1997, 418-419 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AP § 611 BGB, Nr 25 |
AR-Blattei, ES 1340 Nr 16 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArbuR 1997, 335 (red. Leitsatz 1) |
EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, Nr 17 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzBAT, Rückzahlung von Fort- bzw Weiterbildungskosten Nr 10 (Leitsatz 1 |
KHuR 1998, 34 |
PflR 1998, 16 |