Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV. Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses bei zwei aufeinander aufbauenden Berufsausbildungen
Orientierungssatz
1. Maßgebend für den Beginn der Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV ist die rechtliche Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses.
2. Wird die Berufsausbildung aufgrund getrennt geschlossener Berufsausbildungsverträge bei demselben Ausbildenden in mehreren Stufen durchgeführt, sind beide Ausbildungsabschnitte als rechtliche Einheit und damit als ein Berufsausbildungsverhältnis iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV zu betrachten, wenn zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Die Ausschlussfrist beginnt somit nicht bei jeder auch nur kurzfristigen Unterbrechung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten mit der Beendigung der ersten Ausbildungsstufe zu laufen.
3. Ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten bei der „Stufenausbildung in der Bauwirtschaft” liegt vor, wenn die Vertragsparteien sechs Tage nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung zum Ausbaufacharbeiter (hier Schwerpunkt Zimmerarbeiten) einen weiteren Berufsausbildungsvertrag über die darauf aufbauende zweite Stufe (hier Ausbildung zum Zimmerer) abschließen. In diesem Fall ist die tarifliche Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem ersten Berufsausbildungsvertrag auch dann noch gewahrt, wenn der Auszubildende diese innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des zweiten Ausbildungsabschnitts schriftlich geltend macht.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987 in den Fassungen vom 6. August 2010 und 3. Mai 2013 § 16 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Oktober 2016 – 5 Sa 144/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für die Monate September 2012 bis August 2014 noch weitere Ausbildungsvergütung iHv. 3.943,67 Euro brutto und restliches Urlaubsgeld iHv. 44,77 Euro brutto.
Der Kläger sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien im Betrieb der Beklagten als Zimmerer ausgebildet werden. Dazu war er bei der Beklagten zunächst aufgrund eines Berufsausbildungsvertrags vom 8. März 2012, der für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2014 geschlossen war, als Auszubildender für den Ausbildungsberuf eines Ausbaufacharbeiters, Fachrichtung Zimmerarbeiten, tätig. Darin vereinbarten die Parteien eine monatliche Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr iHv. 518,40 Euro brutto und für das zweite Ausbildungsjahr iHv. 796,80 Euro brutto.
Auf das Ausbildungsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die für die Berufsbildung im Baugewerbe geltenden Tarifverträge Anwendung. Der Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987 enthielt in den Fassungen vom 6. August 2010 und 3. Mai 2013 ua. folgende inhaltsgleiche Regelungen:
Ӥ 11 |
Urlaubsvergütung für gewerblich Auszubildende |
(1) Als Urlaubsentgelt ist die Ausbildungsvergütung weiterzuzahlen; erhöht sie sich während des Urlaubs, so ist vom Zeitpunkt des Eintritts der Erhöhung an bei der Bemessung des Urlaubsentgelts von der erhöhten Ausbildungsvergütung auszugehen.
(2) Der Auszubildende erhält ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 25 v.H. des Urlaubsentgelts. Das auf einen Urlaubstag entfallende zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 1,14 v.H. der Ausbildungsvergütung, die der Bemessung des Urlaubsentgelts zugrunde liegt.
(1) In Abweichung von § 14 BRTV und § 13 RTV Angestellte verfallen alle beiderseitigen noch nicht verjährten Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 14 Abs. 2 verfällt jedoch erst dann, wenn er nicht bis zum 30. September des auf das Auslernjahr folgenden Kalenderjahres gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben wird.
(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.”
Die Ausbildungsvergütung nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin (TV Lohn/West) betrug während der zweijährigen Ausbildungszeit:
• vom 1. September 2012 bis zum 30. April 2013 |
648,00 Euro brutto, |
• vom 1. Mai 2013 bis zum 31. August 2013 |
669,00 Euro brutto, |
• vom 1. September 2013 bis zum 31. Mai 2014 |
1.028,00 Euro brutto, |
• vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 |
1.060,00 Euro brutto. |
Die in diesem Zeitraum tatsächlich an den Kläger gezahlte laufende Ausbildungsvergütung unterschritt die tarifliche Ausbildungsvergütung um 3.943,67 Euro brutto. Ferner besteht eine Differenz zwischen dem tatsächlich an den Kläger gezahlten und dem tariflichen Urlaubsgeld iHv. 44,77 Euro brutto.
Unter dem Datum des 29. August 2014 schlossen die Parteien für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 einen weiteren Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung zum Zimmerer, in dem es ua. heißt:
”A. |
Die Ausbildungszeit beträgt nach der Ausbildungsordnung 3 Jahre. |
|
Diese verringert sich um 24 Monate durch: 2-jährige Ausbildung (Anschlussvertrag). |
… |
|
D. |
Der Ausbildende zahlt dem Lehrling (Auszubildenden) eine angemessene Vergütung. Sie beträgt zzt. monatlich brutto: |
im |
3. Ausbildungsjahr |
2. Ausbildungsjahr |
3. Ausbildungsjahr |
4. Ausbildungsjahr |
EURO |
1.339,00 |
|
|
|
…”
Mit Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 19. Oktober 2015 ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung restlicher tariflicher Ausbildungsvergütung, restlichen tariflichen Urlaubsgelds, restlichen 13. Monatseinkommens und von Überstundenvergütung auffordern. Die offenen Gesamtansprüche wurden auf 4.245,72 Euro beziffert. Dem Aufforderungsschreiben waren Berechnungsbögen beigefügt, die ua. die streitgegenständlichen Ansprüche monatsbezogen auswiesen.
Mit seiner am 22. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. die noch streitigen Forderungen weiterverfolgt. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, diese rechtzeitig iSv. § 16 Abs. 1 BBTV geltend gemacht zu haben. Die für den Lauf der Ausschlussfrist maßgebliche Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses sei erst mit Abschluss der Ausbildung zum Zimmerer eingetreten. Die Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter und die darauf aufbauende Ausbildung zum Zimmerer seien zwei Abschnitte einer einheitlichen (Stufen-)Ausbildung.
Der Kläger hat zuletzt – soweit für die Revision von Interesse – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.988,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. November 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass die zuletzt noch geltend gemachten Ansprüche nach § 16 Abs. 1 BBTV verfallen seien. Zwischen den Parteien hätten zwei eigenständige Berufsausbildungsverhältnisse bestanden. Das erste Berufsausbildungsverhältnis über den Ausbildungsberuf des Ausbaufacharbeiters habe mit Bestehen der Abschlussprüfung geendet. Damit sei die tarifliche Ausschlussfrist für die Ansprüche aus diesem Berufsausbildungsverhältnis in Gang gesetzt worden. Durch den weiteren Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung zum Zimmerer sei ein neues, selbstständiges Berufsausbildungsverhältnis begründet worden. Dieser Beurteilung stehe auch die Anrechnung der zweijährigen Ausbildung zum Ausbaufacharbeiter auf die dreijährige Ausbildungszeit für den Ausbildungsberuf des Zimmerers nicht entgegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit für die Revision von Interesse, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Ausbildungsvergütung und restliches Urlaubsgeld in der vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Höhe.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf die Zahlung konkreter Vergütungsdifferenzen für einen Zeitraum von 24 Monaten gerichtet und für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 26. Oktober 2016 – 5 AZR 226/16 – Rn. 13; 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 11).
II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 BBTV sowie dem TV Lohn/West einen Anspruch auf die weitere Ausbildungsvergütung für die Monate September 2012 bis August 2014 iHv. 3.943,67 Euro brutto und gemäß § 11 Abs. 2 BBTV Anspruch auf restliches Urlaubsgeld iHv. 44,77 Euro brutto.
1. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien finden nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die für die Berufsbildung im Baugewerbe geltenden Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG).
2. Nach § 2 Abs. 1 BBTV haben Auszubildende Anspruch auf eine monatliche Ausbildungsvergütung, deren Höhe in den Lohn- und Gehaltstarifverträgen für das Baugewerbe festgelegt wird. Die monatliche Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr betrug nach dem TV Lohn/West vom 1. September 2012 bis zum 30. April 2013 648,00 Euro brutto und vom 1. Mai 2013 bis zum 31. August 2013 669,00 Euro brutto. Im zweiten Ausbildungsjahr belief sie sich in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. Mai 2014 auf 1.028,00 Euro brutto und vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 auf 1.060,00 Euro brutto. Für die Monate September 2012 bis August 2014 ergibt sich daraus für den Kläger eine restliche Ausbildungsvergütung in unstreitiger Höhe von 3.943,67 Euro brutto.
3. § 11 Abs. 2 BBTV räumt Auszubildenden einen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld iHv. 25 vH des Urlaubsentgelts ein. Das auf einen Urlaubstag entfallende zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 1,14 vH der Ausbildungsvergütung, die der Bemessung des Urlaubsentgelts zugrunde liegt. Für die Monate September 2012 bis August 2014 steht dem Kläger danach noch ein restliches tarifliches Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe von 44,77 Euro brutto zu.
4. Die Ansprüche sind nicht nach § 16 BBTV verfallen.
a) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV verfallen alle beiderseitigen noch nicht verjährten Ansprüche aus dem Ausbildungsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser nach § 16 Abs. 2 BBTV, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
b) Maßgebend für den Fristbeginn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV ist die rechtliche Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses.
aa) Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Tarifnorm, der ausdrücklich auf die „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses” abstellt. Die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ist tariflich nicht geregelt. Sie ergibt sich aus § 21 BBiG. Dort wird bestimmt, aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt das Berufsausbildungsverhältnis rechtlich endet. Es endet gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BBiG regelmäßig mit Ablauf der Ausbildungszeit. Beginn und Dauer werden nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG im Berufsausbildungsvertrag niedergelegt. Im Falle der Stufenausbildung endet es mit Ablauf der letzten Stufe (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BBiG). Für die Ingangsetzung der tariflichen Ausschlussfrist haben die Tarifverträge an den im BBiG verwendeten Begriff der „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses” angeknüpft. Wird in einem Tarifvertrag ohne eigene Definition ein Begriff übernommen, der in einem Gesetz verwandt wird, mit dem ein Sachzusammenhang besteht, ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen (BAG 19. April 2016 – 3 AZR 341/14 – Rn. 12; 21. Januar 2011 – 9 AZR 565/08 – Rn. 42). In Unterabschn. 5 des BBiG „Beginn und Beendigung des Ausbildungsverhältnisses” ist in § 23 ein Anspruch auf Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geregelt. Der Anspruch erlischt nach § 23 Abs. 2 BBiG, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. Auch diese Ausschlussfrist beginnt erst mit dem vertragsgemäßen rechtlichen Ende des Berufsausbildungsverhältnisses zu laufen (vgl. BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 103/07 – Rn. 21, BAGE 123, 247).
bb) Das Auslegungsergebnis wird durch die tarifliche Systematik bestätigt. § 14 Abs. 1 BBTV regelt abweichend von § 7 BUrlG das Schicksal der im Urlaubsjahr entstandenen Urlaubsansprüche, wenn sie „wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses” nicht mehr gewährt werden können. Die Tarifnorm modifiziert den gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, der nach § 7 Abs. 4 BUrlG erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeits- bzw. Berufsausbildungsverhältnisses entsteht (vgl. BAG 16. Mai 2017 – 9 AZR 572/16 – Rn. 15; 16. Oktober 2012 – 9 AZR 234/11 – Rn. 19).
cc) Auch der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung spricht dafür, dass auf die rechtliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses abzustellen ist. § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV stellt für den Beginn der Ausschlussfrist nicht auf die Fälligkeit der einzelnen Ansprüche aus dem Berufsausbildungsverhältnis, sondern auf die „Beendigung des Ausbildungsverhältnisses” ab. Damit wird verhindert, dass das Berufsausbildungsverhältnis dadurch belastet und ggf. der Ausbildungserfolg dadurch gefährdet wird, dass eine Partei zur Vermeidung des Verfalls von Ansprüchen diese im Verlauf des Berufsausbildungsverhältnisses gegenüber der anderen Seite geltend machen muss. Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe von Ansprüchen sollen auf einen Zeitpunkt nach der Beendigung der Berufsausbildung verlagert werden.
dd) Ein etwaiges der rechtlichen Beendigung vorgelagertes tatsächliches Ende des Berufsausbildungsverhältnisses ist aus Gründen der Rechtssicherheit als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Ausschlussfrist ungeeignet. Eine Abgrenzung zwischen tatsächlichem Ende und lediglich tatsächlicher Unterbrechung der Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis ist erst am Ende der vertraglich vereinbarten Ausbildungszeit oder mit rechtskräftig feststehender vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses möglich. Bleibt der Auszubildende zB unentschuldigt der Ausbildung fern, weiß der Ausbildende zunächst nicht, ob der Auszubildende endgültig der Ausbildung fernbleibt oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder zur Ausbildung erscheint. Erst eine Vergangenheitsbetrachtung bringt die notwendige Klarheit (vgl. BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 103/07 – Rn. 25, BAGE 123, 247). Zu diesem Zeitpunkt könnte die tarifliche Ausschlussfrist aber bereits abgelaufen sein.
c) Wird die Berufsausbildung aufgrund getrennt geschlossener Berufsausbildungsverträge bei demselben Ausbildenden in mehreren Stufen durchgeführt, sind beide Ausbildungsabschnitte als rechtliche Einheit und damit als ein Berufsausbildungsverhältnis iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV zu betrachten, wenn zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Somit führt nicht jede kurzfristige Unterbrechung bis zur Fortsetzung der Ausbildung auf der nächsten Stufe zu einer rechtlichen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses iSd. Ausschlussfristenregelung. Die Tarifnorm gebietet es nicht, dass die Ausschlussfrist bei jeder rechtlichen Unterbrechung einer bei einer wertenden Betrachtung als Einheit zu beurteilenden Berufsausbildung zu laufen beginnt. Selbst die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, dessen Wortlaut ausdrücklich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ohne Unterbrechung verlangt, läuft bei Fehlen einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht aufs Neue an, wenn die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen den aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 20, BAGE 145, 184). Würde die kurzfristige rechtliche Unterbrechung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten dazu führen, dass die Ausschlussfrist für den ersten Ausbildungsabschnitt in Gang gesetzt würde, widerspräche dies dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristenregelung, weil dann Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe von Ansprüchen während der laufenden Berufsausbildung ausgetragen werden müssten. Dass die Tarifvertragsparteien ein solches Ergebnis vermeiden wollten, wird daraus deutlich, dass sie ausdrücklich „in Abweichung von § 14 BRTV und § 13 RTV Angestellte” für den Beginn der Ausschlussfrist nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs, sondern auf die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses abgestellt haben.
d) Nach diesen Grundsätzen ist von einem einheitlichen Berufsausbildungsverhältnis auszugehen, dessen rechtliche Beendigung mit Ablauf des 31. August 2015 eingetreten ist. Bei dem Abschluss des zweiten Berufsausbildungsvertrags vom 29. August 2014 über die Ausbildung zum Zimmerer handelte es sich um die rechtliche Fortsetzung der durch den Berufsausbildungsvertrag vom 8. März 2012 begonnenen Berufsausbildung, die nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit dem Bestehen der Abschlussprüfung zum Ausbaufacharbeiter am 25. August 2014 endete. Die sechstägige Unterbrechung zwischen den beiden Abschnitten der Berufsausbildung ist unschädlich. Die zeitnahe Aneinanderreihung der Berufsausbildungsverträge über die einzelnen aufeinander aufbauenden Berufsausbildungen begründet einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der vertraglichen Beziehungen der Parteien, der es verbietet, diese Beziehungen iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV rechtlich getrennt zu behandeln. Dies ergibt die Auslegung des Vertragswerks der Parteien unter Einbeziehung der Bestimmungen der einschlägigen Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BGBl. I S. 1102) idF vom 20. Februar 2009 (BGBl. I S. 399), im Folgenden BBVO.
aa) Gegenstand der Berufsausbildungsverträge vom 8. März 2012 und 29. August 2014 sind die durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. a BBVO staatlich anerkannten Ausbildungsberufe des Ausbaufacharbeiters und des Zimmerers. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BBVO baut der Ausbildungsberuf des Zimmerers auf dem des Ausbaufacharbeiters auf. Diese „Stufenausbildung in der Bauwirtschaft” dauert gemäß § 2 Abs. 1 BBVO insgesamt 36 Monate, von denen auf die Ausbildung in der ersten Stufe zum Ausbildungsberuf des Ausbaufacharbeiters 24 Monate und auf den Ausbildungsberuf in der darauf aufbauenden zweiten Stufe weitere zwölf Monate entfallen. Ob es sich bei dieser Form der Berufsausbildung um eine Stufenausbildung iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBiG, § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HwO handelt (so Leinemann/ Taubert BBiG 2. Aufl. § 5 Rn. 35) oder diese dem Anrechnungsmodell des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BBiG, § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HwO entspricht (so Herkert/ Töltl BBiG Stand November 2017 § 5 Rn. 34a; BeckOK HwO/Leisner Stand 1. Januar 2018 § 26 Rn. 13.1) und ob der Abschluss von Kurzverträgen, die sich – wie hier – jeweils nur auf die einzelnen Ausbildungsstufen beziehen, unter Beachtung des § 21 Abs. 1 Satz 2 BBiG rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu Herkert/Töltl aaO § 5 Rn. 32, 42; Leinemann/Taubert aaO § 5 Rn. 38 ff.; Malottke in Lakies/Malottke BBiG 5. Aufl. § 5 Rn. 33), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Im Bereich der Bauwirtschaft handelt es sich bei der Berufsausbildung in der zweiten Stufe jedenfalls bezüglich der Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV sachlich um die Fortsetzung der in der ersten Stufe begonnenen Berufsausbildung, wenn die weitere Ausbildung – wie hier – bei demselben Ausbildenden durchgeführt wird.
(1) Dies folgt bereits aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Stufen, der durch die BBVO begründet wird. § 11 BBVO definiert die in der Berufsausbildung zum Ausbaufacharbeiter zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse. Diese werden nach § 12 BBVO ua. für den Schwerpunkt „Zimmerarbeiten” durch den Ausbildungsrahmenplan in sachlicher und zeitlicher Hinsicht in der Anlage 2 zur BBVO konkretisiert. Die für die darauf aufbauende Berufsausbildung zum Zimmerer in § 38 BBVO genannten Fertigkeiten und Kenntnisse sollen gemäß § 39 BBVO nach dem Ausbildungsrahmenplan in der Anlage 7 zur BBVO vermittelt werden. Dieser gründet auf dem Ausbildungsrahmenplan in der Anlage 2 zur BBVO. Er beschreibt die sachliche und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung im dritten Ausbildungsjahr. Die zweite Stufe der Berufsausbildung baut somit auf den in der vorhergehenden Stufe erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen auf, sodass bei Fortsetzung der Berufsausbildung bei demselben Ausbildenden beide Stufen integraler Bestandteil einer einheitlichen Berufsausbildung sind. Bereits in der ersten Stufe werden nicht nur praktische Kenntnisse vermittelt, sondern auch bereits konkrete Fertigkeiten, die in der zweiten Stufe spezialisiert aufgegriffen werden. Dies zeigt, dass die zweite Stufe nicht von der ersten Stufe getrennt werden kann, sondern es sich sachlich um die Fortführung einer zusammenhängenden Berufsausbildung handelt (vgl. BAG 27. November 1991 – 2 AZR 263/91 – zu B IV 2 b der Gründe).
(2) Die Verzahnung der Ausbildungsberufsbilder zeigt auch die Regelung in § 16 Abs. 8 BBVO. Danach gilt die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf des Ausbaufacharbeiters bei Fortsetzung der Berufsausbildung in dem aufbauenden Beruf des Zimmerers als Zwischenprüfung iSd. BBiG. Die dadurch bewirkte Umwidmung der Abschlussprüfung in eine Zwischenprüfung bestätigt, dass die BBVO die beiden Stufen der Berufsausbildung als einheitliches Berufsausbildungsverhältnis betrachtet.
bb) Diese Würdigung entspricht auch dem Willen der Parteien. Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) war den Parteien von vornherein bewusst, dass der Kläger im Betrieb der Beklagten als Zimmerer ausgebildet werden sollte. Tatsächliches Ausbildungsziel war somit bereits von Anfang an die Erlangung des Abschlusses als Zimmerer. Das Fortbestehen dieser übereinstimmenden Absicht über die gesamte Dauer der gestuften Berufsausbildung zeigt sich an der Bezeichnung des Berufsausbildungsvertrags vom 29. August 2014 als „Anschlussvertrag”, der nur kurzen zeitlichen Unterbrechung zwischen den beiden Stufen der Berufsausbildung und daran, dass der Zeitraum der Berufsausbildung zum Zimmerer bei der Festlegung der Vergütung als „3. Ausbildungsjahr” definiert worden ist.
cc) Ob auch bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Ausbildungsstufen ein einheitliches Berufsausbildungsverhältnis anzunehmen ist, kann dahingestellt bleiben (vgl. dazu BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 30, BAGE 150, 380).
e) Der Kläger hat die noch streitgegenständlichen Ansprüche mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 rechtzeitig im Sinne der Ausschlussfristenregelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 BBTV schriftlich geltend gemacht.
aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört im Regelfall, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dabei ist der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich zu machen. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen zu erkennen sein, während eine Bezifferung nicht stets erforderlich ist (BAG 19. August 2015 – 5 AZR 1000/13 – Rn. 24, BAGE 152, 221; 16. Januar 2013 – 10 AZR 863/11 – Rn. 24, BAGE 144, 210).
bb) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 19. Oktober 2015.
Darin wurde die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 4.245,72 Euro aufgefordert. Dem Schreiben war ein Anlagenkonvolut beigefügt, in dem ua. die mit seiner Klage weiterverfolgten Ansprüche des Klägers auf Differenzvergütung und restliches Urlaubsgeld monatsweise ausgewiesen waren.
cc) Die Geltendmachung mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 erfolgte auch innerhalb von drei Monaten nach der im August 2015 eingetretenen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses.
f) Mit seiner am 22. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger auch die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt. Er hat seine Ansprüche innerhalb der Zweimonatsfrist des § 16 Abs. 2 BBTV gerichtlich geltend gemacht.
5. Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Krasshöfer, Zimmermann, Matth. Dipper, M. Lücke
Fundstellen
Dokument-Index HI11643361 |