Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgratifikation - Betriebliche Übung
Leitsatz (redaktionell)
Gibt der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren zu erkennen, daß er eine betriebliche Übung anders zu handhaben gedenkt als bisher - hier: Gratifikationszahlung nur noch unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt -, so wird die alte betriebliche Übung einvernehmlich entsprechend geändert, wenn die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über diesen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprechen.
Orientierungssatz
Auslegung der Tarifvertrage vom 16. Mai 1972, 5. April 1974, 21. Oktober 1980 über die betrieblichen Sonderzahlungen der Säge- und Holzbearbeitungsindustrie, Holzhandlungen und angeschlossenen Betriebe sowie für die Möbelindustrie die holzverarbeitende Industrie und verwandten Industriezweigen in Bayern.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines Anspruches auf eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993.
Der Kläger ist seit 1961 bei der Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag vom 21. Oktober 1980 zur Regelung betrieblicher Sonderzahlungen für Arbeitnehmer der Säge- und Holzbearbeitungsindustrie etc. in Bayern Anwendung. Nach diesem Tarifvertrag hat der Kläger Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 70 % eines Bruttomonatseinkommens.
Seit dem Jahre 1961 zahlte die Beklagte allen ihren Angestellten jährlich zusammen mit dem Novembergehalt eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatseinkommens. Damit lag die Weihnachtsgratifikation immer über der auf Grund der Tarifverträge vom 16. Mai 1972, 5. April 1974 und 21. Oktober 1980 über die betrieblichen Sonderzahlungen der Säge- und Holzbearbeitungsindustrie etc. in Bayern seit 1972 jährlich zu erbringenden Sonderzahlung.
Irgendwelche schriftlichen Erklärungen zu diesen Zahlungen erfolgten zunächst nicht. Erstmals im Jahre 1978 hängte die Beklagte in ihrem Betrieb eine Bekanntmachung vom 7. November 1978 mit der Überschrift "Weihnachtsgratifikation (Sonderzahlung)" aus. In dieser heißt es u.a.:
"Angestellte erhalten als freiwillige, jederzeit
widerrufliche Leistung, auf die - auch zukünf-
tig - kein Rechtsanspruch besteht, zusätzlich die
Differenz auf ein Monatsgehalt."
Bis einschließlich 1992 hängte die Beklagte entsprechende Bekanntmachungen im November eines jeden Jahres im Betrieb aus.
Die Bekanntmachung vom 25. November 1993 enthielt erstmals den Hinweis, daß Tarifangestellte mit einer Betriebszugehörigkeit von über 36 Monaten und außertarifliche Angestellte als Sonderzahlung nur 70 % eines Bruttomonatsverdienstes erhalten sollten. Diese 70 % des Bruttomonatsgehaltes zahlte die Beklagte dem Kläger dann zusammen mit dem Novembergehalt im Jahre 1993 aus.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung der Differenz in Höhe von 1.505,10 DM brutto zwischen diesem gezahlten Betrag und einem vollen Bruttomonatsgehalt.
Er ist der Ansicht, infolge der vorbehaltlosen jährlichen Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsverdienstes in den Jahren 1961 bis 1977 sei auf Grund betrieblicher Übung ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in dieser Höhe entstanden. Diese Betriebsübung habe die Beklagte nicht dadurch beseitigen können, daß sie ab dem Jahre 1978 durch ihre jährlichen Bekanntmachungen darauf hingewiesen habe, daß für Angestellte die Zahlung der Differenz zwischen der tariflich abgesicherten Sonderzahlung und der Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehaltes freiwillig, jederzeit widerruflich und ohne Rechtsanspruch erfolge.
Außerdem macht der Kläger geltend, daß die "Freiwilligkeitsklausel" in den jährlichen Bekanntmachungen lediglich einen Widerrufsvorbehalt enthalte und daß für die Ausübung eines Widerrufes § 315 BGB gelte, d.h. daß die Beklagte von diesem Vorbehalt nur nach billigem Ermessen Gebrauch machen dürfe. Dafür, daß der Widerruf nach billigem Ermessen erfolgt sei, habe sie aber nichts Konkretes vorgetragen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.505,10 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden
Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie meint, die bis 1977 bestehende Regelung über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation sei ab 1978 dadurch, daß der Kläger die Erklärungen in den jährlichen Bekanntmachungen widerspruchslos hingenommen habe, dahingehend abgeändert worden, daß die übertariflich gewährte Weihnachtsgratifikation nur noch freiwillig, d.h. ohne Rechtsanspruch für den Kläger gewährt worden sei. Sie sei deshalb im Jahre 1993 wegen einer schwierigen wirtschaftlichen Lage berechtigt gewesen, nur noch die tariflich geschuldete Sonderzahlung in Höhe von 70 % eines Bruttomonatsgehaltes zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers ist durch das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat für das Jahr 1993 keinen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehaltes.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die bis zum Jahre 1977 entstandene betriebliche Übung auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehaltes ab 1978 dadurch in eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, umgewandelt worden sei, daß die Beklagte in ihren jährlichen Bekanntmachungen die Zahlung der Weihnachtsgratifikation unter einen "Freiwilligkeitsvorbehalt" gestellt und der Kläger dieser Einschränkung nicht widersprochen habe. Dadurch sei der Freiwilligkeitsvorbehalt zum Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages geworden, so daß der Kläger für 1993 keinen Anspruch auf die bislang gewährte übertarifliche Sonderzahlung habe.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zu folgen.
1. Zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß durch die jährliche, vorbehaltlose Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes in den Jahren 1961 bis 1977 ein Anspruch auf die Zahlung einer solchen Gratifikation aus betrieblicher Übung zugunsten des Klägers auch für die Zukunft entstanden war.
Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Auf Grund einer Willenserklärung, die vom Arbeitnehmer stillschweigend angenommen wird, § 151 BGB, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Dabei kommt es für die Begründung eines solchen Anspruches durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder ob ihm ein solcher Wille fehlte. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat.
Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung auf Grund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muß deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte (§ 242 BGB) und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (vgl. zuletzt: BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 802/94 - AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, daß er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr einseitig lossagen kann (BAG Urteil vom 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, m.w.N.).
2. Da die betriebliche Übung dazu führt, daß der Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die bislang gewährte Leistung oder Vergünstigung erworben hat (ständige Rechtsprechung des BAG; grundlegend: BAGE 23, 213, 219 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung und BAGE 53, 42, 56 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972), kann dieser Anspruch vom Arbeitgeber nur mittels einer Änderungskündigung oder aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer beseitigt oder geändert werden.
Im Streitfalle hat die Beklagte ab dem Jahre 1978 ihren Angestellten durch jährliche Bekanntmachungen mitgeteilt, daß sie über die tarifvertraglich geschuldete Sonderzahlung hinaus als Weihnachtsgratifikation die Differenz zu einem Bruttomonatsgehalt erhalten und daß es sich dabei um eine "freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung" handelt, "auf die - auch zukünftig - kein Rechtsanspruch besteht".
Damit hat die Beklagte erklärt, daß sie künftig die übertarifliche Sonderzahlung, die sie als Weihnachtsgratifikation bezeichnet, nicht mehr vorbehaltlos leisten will, sondern nur als freiwillige Leistung, auf welche kein Rechtsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers bestehen soll. Dies beinhaltet zugleich konkludent die Erklärung, daß sie eine etwa entstandene betriebliche Übung auf jährliche Zahlung eines vollen Bruttomonatsgehaltes als Weihnachtsgratifikation beseitigen will.
Diese jährliche Bekanntmachung stellt keine Änderungskündigung dar. Da der Kläger auch nicht sein ausdrückliches Einverständnis mit dieser Änderung erklärt hat, liegt auch keine ausdrückliche Änderungsvereinbarung der Parteien vor.
3. Das Landesarbeitsgericht kommt aber zu Recht zu dem Ergebnis, daß der Freiwilligkeitsvorbehalt auf Grund einer konkludenten Vereinbarung Inhalt der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien geworden ist.
a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. August 1996 (aaO) ausgeführt hat, kann eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers auf das Angebot der Vertragsänderung als Annahme desselben werten. Schweigen alleine stellt in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem - wie sich aus § 147 BGB ergibt - nicht zu. Vor allem in Fällen einer Offerte zwecks nachteiliger Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist. Nur unter besonderen Umständen kann Schweigen des Erklärungsempfängers als Zustimmung zu verstehen sein, wenn nämlich der Erklärende nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte annehmen durfte, der andere Vertragsteil werde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er mit ihr nicht einverstanden sein sollte.
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann alleine die widerspruchslose Entgegennahme der Weihnachtsgratifikation durch den Kläger im Jahre 1978 nach der erstmaligen Bekanntmachung des Freiwilligkeitsvorbehaltes durch die Beklagte nicht als stillschweigende Annahme des Änderungsangebotes durch den Kläger betrachtet werden (vgl. BAG Urteil vom 14. August 1996, aaO). Dies gilt vor allem auch deshalb, weil eine stillschweigende Zustimmungserklärung des Arbeitnehmers grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn er nach dem Angebot einer verschlechternden Vertragsänderung durch den Arbeitgeber von der Änderung unmittelbar und sogleich betroffen wird und gleichwohl widerspruchslos weiterarbeitet (ständige Rechtsprechung; zuletzt BAG Urteil vom 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - AP Nr. 16 zu § 2 KSchG 1969). Der Freiwilligkeitsvorbehalt wirkte sich im Jahre 1978 aber nicht sogleich auf das Arbeitsverhältnis des Klägers aus, da die Beklagte ihm in diesem Jahr die volle Weihnachtsgratifikation zahlte. Erst dann, wenn jene zu einem späteren Zeitpunkt von dem Vorbehalt Gebrauch machen sollte, würde sich die Vertragsänderung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers auswirken. Damit war der Kläger im Jahre 1978 von der nachteiligen Änderung seiner arbeitsvertraglichen Beziehungen zur Beklagten nicht "sogleich betroffen" im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung.
b) Die bisherige betriebliche Übung - Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ohne Vorbehalt - ist aber durch eine abändernde betriebliche Übung - Leistungen nur noch unter Freiwilligkeitsvorbehalt - abgeändert worden, mit der Folge, daß dieser Freiwilligkeitsvorbehalt nunmehr zum Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geworden ist.
Ebenso wie ein bestimmtes, langjährig den Arbeitnehmer begünstigendes Verhalten des Arbeitgebers dazu führt, daß dem Arbeitnehmer ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Leistungen oder Vergünstigungen erwächst, kann auch eine den Arbeitnehmer belastende, der bisherigen betrieblichen Übung entgegenstehende oder diese abändernde neue betriebliche Übung dadurch entstehen, daß sich der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg der bisherigen betrieblichen Übung widersprechend verhält und ein Arbeitnehmer dem nicht widerspreche.
So geht auch der Fünfte Senat in seinem Urteil vom 18. Juli 1968 - 5 AZR 400/67 - AP Nr. 8 zu § 242 BGB Betriebliche Übung davon aus, daß ein gemäß ständiger Übung auf vertraglicher Grundlage entstandener Gnadengehaltsanspruch durch eine der früheren entgegengesetzten ständigen Übung wegfallen kann.
Voraussetzung dafür, daß eine entgegenstehende oder abändernde neue betriebliche Übung zum Wegfall oder zur Abänderung der bereits auf Grund der bisherigen betrieblichen Übung entstandenen vertraglichen Ansprüche des Arbeitnehmers führt, ist aber, daß diese neue betriebliche Übung zumindest stillschweigend Inhalt des Arbeitsvertrages geworden ist, d.h. daß der Arbeitgeber das Schweigen des Arbeitnehmers auf die geänderte betriebliche Übung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als Akzeptierung der geänderten betrieblichen Übung ansehen durfte, weil er annehmen konnte, daß der Arbeitnehmer der Änderung widersprechen würde, wenn er mit dieser nicht einverstanden sein sollte.
Dabei ist es unschädlich, wenn der einzelne Arbeitnehmer sich der Rechtserheblichkeit der widerspruchslosen Entgegennahme der unter Vorbehalt gezahlten Weihnachtsgratifikation nicht bewußt gewesen sein sollte. Ebenso wie es zur Begründung einer betrieblichen Übung durch den Arbeitgeber nicht erforderlich ist, daß dieser mit Verpflichtungswillen gehandelt hat, weil es nur darauf ankommt, ob die begünstigten Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf einen solchen Willen schließen durften (vgl. oben unter II. 1), kommt es auch im vorliegenden Falle lediglich darauf an, ob die Beklagte die widerspruchslose Entgegenahme der ab 1978 unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellten Weihnachtsgratifikation als Einverständniserklärung mit dem Vorbehalt werten durfte.
Entsprechend der Rechtsprechung zum Entstehen einer betrieblichen Übung auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes kann ein Arbeitgeber mangelns entgegenstehender Anhaltspunkte dann, wenn er entgegen einer früher geübten Praxis bislang ohne Vorbehalt gezahltes Weihnachtsgeld drei Jahre lang ausdrücklich unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt hat und die Arbeitnehmer die Weihnachtsgratifikation widerspruchslos entgegengenommen haben, davon ausgehen, daß das Schweigen der Arbeitnehmer ein Einverständnis mit der angebotenen Neuregelung darstellt und damit die geänderte Handhabung als geänderte betriebliche Übung Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wird.
Durch die dreimalige widerspruchslose Annahme der ausdrücklich unter Vorbehalt ausbezahlten Weihnachtsgratifikation hat der Kläger bei der Beklagten einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dieser entspricht demjenigen, den die Beklagte durch die mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung der übertariflichen Weihnachtsgratifikation gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern geschaffen hatte. Die Beklagte durfte auf Grund dieses vom Kläger geschaffenen Vertrauenstatbestandes davon ausgehen, der Kläger sei mit der Änderung der Regelungen über die Weihnachtsgratifikation einverstanden, so daß die geänderte betriebliche Übung jetzt auch stillschweigend Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien geworden war.
Die Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens des Arbeitgebers in das Einverständnis des Klägers in die Änderung ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Hätte der Kläger dem Freiwilligkeitsvorbehalt in irgendeiner Weise widersprochen, hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, diesen im Wege einer Änderungskündigung oder einer mit dem Kläger ausdrücklich getroffenen Vereinbarung zum Inhalt des Arbeitsvertrages zu machen. Dadurch, daß sich der Kläger mindestens drei Jahre lang nicht gegen die neue Handhabung gewandt hatte, bestand für die Beklagte aber keine Veranlassung, sich um eine solche ausdrückliche Änderung der arbeitsvertraglichen Beziehungen mit dem Kläger zu bemühen.
4. Demnach stand die Weihnachtsgratifikationszahlung ab dem Jahre 1981 unter dem Freiwilligkeitsvorbehalt gemäß den jährlichen Bekanntmachungen der Beklagten.
Da dieser Vorbehalt die ausdrückliche Erklärung beinhaltet, daß auf die Weihnachtsgratifikation - auch zukünftig - kein Rechtsanspruch besteht, war die Beklagte im Jahre 1993 berechtigt, die bislang freiwillig über den tariflichen Mindestanspruch hinaus gewährte Sonderzahlung nicht mehr an den Kläger zu zahlen. Die Beklagte war auf Grund dieses Vorbehaltes nämlich jederzeit frei, erneut zu bestimmen, ob sie eine Gratifikation gewähren will (BAG Urteil vom 5. Juni 1996 - 10 AZR 883/95 - AP Nr. 193 zu § 611 BGB Gratifikation).
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beklagte in ihrer Vorbehaltserklärung die Gratifikation als "freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung" bezeichnet hat. Durch diesen Hinweis auf die jederzeitige Widerrufbarkeit wollte die Beklagte lediglich klarstellen, daß es ihr jährlich freigestellt sein solle, die bislang freiwillig gewährten Zahlungen nicht mehr zu erbringen, sie also zu "widerrufen".
Der Beklagten war auf Grund des Freiwilligkeitsvorbehaltes auch nicht arbeitsvertraglich ein Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung bezüglich der Weihnachtsgratifikation i.S.d. § 315 BGB eingeräumt worden. Vielmehr sollte die Zahlung dieser Gratifikation ohne Rechtsanspruch - also außerhalb der arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen der Parteien - erfolgen. Daher ist entgegen der Meinung der Revision für eine Anwendbarkeit des § 315 BGB und damit für eine Prüfung, ob die Entscheidung der Beklagten billigem Ermessen entspricht, § 315 Abs. 3 BGB, kein Raum.
Demnach war die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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J. Wingefeld Thiel
Fundstellen
BB 1997, 1748 (Leitsatz 1) |
BB 1997, 2054-2056 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1997, 1672-1673 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DStR 1997, 1698 (Kurzwiedergabe) |
NJW 1998, 475 |
NJW 1998, 475-476 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BuW 1997, 720 (Kurzwiedergabe) |
EBE/BAG 1997, 116-119 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 163/97 (Leitsatz 1) |
WiB 1997, 1199-1200 (Leitsatz und Gründe) |
ARST 1997, 231-232 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ASP 1997, Nr 9/10, 69 (Kurzwiedergabe) |
JR 1998, 44 |
JR 1998, 44 (Leitsatz 1) |
NZA 1997, 1007 |
NZA 1997, 1007-1009 (Leitsatz 1 und Gründe) |
SAE 1997, 341-344 (Leitsatz 1 und Gründe) |
VersorgW 1997, 281 (Kurzwiedergabe) |
ZAP, EN-Nr 637/97 (Leitsatz) |
ZTR 1997, 470 (Leitsatz 1) |
AP § 242 BGB, Nr 50 |
AR-Blattei, ES 820 Nr 144 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArbuR 1997, 373-374 (Leitsatz 1) |
AuA 1998, 136 (Leitsatz 1) |
EzA-SD 1997, Nr 14, 8 (Leitsatz 1) |
EzA § 242 BGB Betriebliche Übung, Nr 38 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA § 611 BGB, Gratifikation, Prämie Nr 150 (Leitsatz 1) |
JA 1998, 181 |
JA 1998, 181 (Leitsatz) |