Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliche Regelung der Wegezeitenvergütung
Orientierungssatz
Die Bestimmung des § 5 Entgeltrahmenabkommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 regelt ausschließlich Aufwendungsersatz in Form von Fahrtkostenerstattung und Auslösung. Die Vergütung für Fahrzeiten zwischen zwei Arbeitsplätzen ist nicht Gegenstand dieser Tarifregelung.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; ArbZG § 2 Abs. 1; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 § 2 Nr. 13; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 2013 § 11 Nr. 1; Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 § 13 Nr. 1.2; Entgeltrahmenabkommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 § 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2016 – 6 Sa 1054/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.
Der Kläger ist seit 1999 als Elektriker bei der Beklagten beschäftigt. Die Tarifverträge der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Bruttostundenlohn des Klägers belief sich im Streitzeitraum auf 14,64 Euro.
Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 (im Folgenden MTV) bestimmt ua.:
1.1 Die tarifliche Regelarbeitszeit beträgt wöchentlich 36 Stunden. Sie kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf fünf Werktage in der Woche verteilt werden. …
13. An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten nicht als Arbeitszeit. …
…
§ 11 Grundsätze der Entgeltzahlung |
1. Alle Arbeitnehmer erhalten ein verstetigtes Monatsentgelt. Das Monatsentgelt ergibt sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgeltes mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit …
…
§ 13 Geltendmachung von Ansprüchen |
1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb folgender Ausschlussfristen schriftlich geltend zu machen:
1.1 Ansprüche auf Zuschläge aller Art …;
1.2 Alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten.”
Das Entgeltrahmenabkommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 (im Folgenden ERA) regelt ua.:
”§ 5 Aufwandsentschädigung (Auslösungen) |
1. Für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie wird nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. Falls der Weg des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz zur Außenarbeitsstelle kürzer ist, werden nur diese Fahrtkosten ersetzt. …
2. Beträgt die Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle mehr als 12 km in der Luftlinie, erhalten gewerbliche Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzstellen das Fahrgeld und Tagesaufwandsentschädigungen ab 01.08.2009 nach folgender Staffel bezahlt:
in der Zone 1 |
12 – 18 km |
0,00 EUR |
in der Zone 2 |
19 – 25 km |
0,00 EUR |
in der Zone 3 |
26 – 35 km |
13,00 EUR |
in der Zone 4 |
36 – 45 km |
20,00 EUR |
in der Zone 5 |
ab 46 km |
25,00 EUR |
Ist in Zone 1 der Weg von der Wohnung zur Montagestelle kürzer als der Weg von der Wohnung zum Betriebssitz, entfällt die Aufwandsentschädigung.
3. Bei der Auswärtsmontage mit Übernachtung wird anstelle der Aufwandsentschädigung ein Übernachtungsgeld/Tagegeld von 37,74 EUR pro Tag gewährt. …
4. Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung setzt die Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle voraus. Wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Abholung von Materialien oder aus anderen Gründen zum Betrieb bestellt, gilt diese Zeit als an der Montagestelle verbrachte Arbeitszeit. Zur Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (z.B. … Transport mit Unternehmerfahrzeug usw.) kann eine abweichende vorherige Vereinbarung getroffen werden.
5. Diese Bestimmungen zur Aufwandsentschädigung gelten nur für gewerbliche Arbeitnehmer mit wechselnden Montagestellen.”
Der Kläger ist auf wechselnden Baustellen tätig. Zu Beginn eines jeden Arbeitstags begibt er sich zum Betrieb der Beklagten, belädt dort einen Hubsteiger, nimmt ggf. an einer Einsatzbesprechung teil und fährt danach den Hubsteiger zur ersten Baustelle, um dort Reparaturen vorzunehmen. Danach sucht er die nächste Baustelle auf. Am Ende des Arbeitstags fährt er den Hubsteiger zurück zum Betrieb.
Die Beklagte vergütet die Tätigkeiten des Klägers in ihrem Betrieb, die Arbeit auf und die Fahrten zwischen den Baustellen mit dem Tariflohn. Für Fahrten vom Betrieb zur ersten Baustelle und von der letzten Baustelle zurück zum Betrieb zahlt die Beklagte 7,75 Euro brutto/Stunde, die sie mit „Aufwandsentschädigung” abrechnet. Im Zeitraum März bis Dezember 2014 betrug die in dieser Höhe vergütete Fahrzeit des Klägers vom bzw. zum Betrieb insgesamt 101,03 Stunden.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger Zahlungsklage erhoben. Er fordert die Vergütungsdifferenzen zum tariflichen Stundenlohn für den Zeitraum März bis Dezember 2014.
Der Kläger meint, bei den Fahrten vom Betrieb zur ersten bzw. von der letzten Baustelle zurück handele es sich um Arbeitszeit, für die der tarifliche Stundenlohn geschuldet sei. Eine anderweitige individualrechtliche oder tarifliche Regelung zur Vergütung dieser Arbeitszeit bestehe nicht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 696,10 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Februar 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, die Vergütung von Fahrzeiten von und zum Betrieb sei in § 5 ERA abschließend geregelt. Da der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Vergütung für Fahrzeiten iHv. 7,75 Euro/Stunde erhalten habe, liege außerdem eine stillschweigende Vereinbarung hierüber vor.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Vergütung in der zugesprochenen Höhe.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zehn Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 – 5 AZR 626/13 – Rn. 12).
II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. den tariflichen Entgeltregelungen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb iHv. jedenfalls 14,64 Euro brutto/Stunde.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG).
2. Die streitgegenständlichen Fahrzeiten sind Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit des Klägers. Mangels anderweitiger Tarifregelung oder wirksamer Vereinbarung sind diese mit dem tariflichen Stundenlohn zu vergüten.
a) Der MTV enthält keine allgemeine Definition der tariflichen Arbeitszeit. § 2 MTV legt lediglich die Dauer der wöchentlichen Regelarbeitszeit und die Möglichkeit zur Einführung flexibler Arbeitszeit fest. Nach § 2 Nr. 13 Satz 1 MTV gelten An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen iSd. Arbeitszeitgesetzes nicht als Arbeitszeit. Dies zeigt, dass der Tarifvertrag nur insoweit von der gesetzlichen Regelung abweichen soll, wie es ausdrücklich geregelt ist.
b) Besteht danach keine spezielle Regelung zur Zuordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit und fehlt im Übrigen deren Definition, belegt dies, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der Arbeitszeit mit der Bedeutung verwenden, die er im Arbeitszeitrecht gefunden hat (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 21, BAGE 143, 107). Nach dieser Definition zählen die streitgegenständlichen Fahrten zur tariflichen Arbeitszeit.
aa) Arbeitszeit ist gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 18. November 2015 – 5 AZR 814/14 – Rn. 25; vgl. auch EuGH 10. September 2015 – C-266/14 – [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 25).
bb) Der Kläger fährt auf Anordnung der Beklagten mit dem von ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistung benötigten Hubsteiger vom Betrieb zu den jeweiligen auswärtigen Arbeitsstellen. Damit handelt es sich um primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen der Beklagten dienende Tätigkeiten und damit um „Arbeit”.
3. Die innerhalb der tariflichen Arbeitszeit vom Kläger erbrachten Fahrleistungen sind vergütungspflichtig.
a) § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste”, also an jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 28, BAGE 143, 107; 18. November 2015 – 5 AZR 814/14 – Rn. 25). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten” gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Wegen der Fremdnützigkeit der Fahrten sind diese nicht nur im arbeitszeitrechtlichen, sondern auch im vergütungsrechtlichen Sinn „Arbeit”. Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 355/12 – Rn. 17).
b) Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste” ist jedoch noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 355/12 – Rn. 18; vgl. auch EuGH 10. September 2015 – C-266/14 – [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 47 ff.).
c) Eine gesonderte Vergütungsregelung ergibt sich nicht aus § 5 ERA.
Eine solche ist nicht Gegenstand der Tarifbestimmung. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. nur BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 696/15 – Rn. 19).
bb) Danach regelt § 5 ERA nicht die Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten, sondern ausschließlich Aufwendungsersatz in Form der Fahrtkostenerstattung und der Auslösung.
(1) Nach § 5 Nr. 1 Satz 1 ERA wird für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. § 5 Nr. 2 ERA enthält Regelungen über Tagesaufwandsentschädigungen in Abhängigkeit der Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle. In § 5 Nr. 3 ERA finden sich Bestimmungen zu Übernachtungs-/Tagegeld für den Fall der Auswärtsmontage mit Übernachtung.
Ausgehend vom tariflichen Wortlaut und dem hierdurch vermittelten Sinn bezwecken Fahrgeld, Aufwandsentschädigung und Übernachtungsgeld den Ausgleich von Mehraufwendungen, die ein Arbeitnehmer zum Erreichen der Baustelle außerhalb des Betriebssitzes tätigen muss. Die Regelung betrifft damit die von jeder Arbeitsleistung unabhängige Reisezeit, nicht aber die für eine Wegstrecke zwischen zwei Arbeitsplätzen benötigte Fahrzeit. Eine solche ist jedoch die vom Betrieb der Beklagten zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb.
(2) Ein solches Verständnis des § 5 ERA fügt sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Regelung des § 5 Nr. 4 Satz 2 ERA betrifft allein die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufwandsentschädigung. Das Erfordernis der Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle nach § 5 Nr. 4 Satz 1 ERA soll danach auch durch Fahrten von und zur Baustelle gewahrt sein. Der Anspruch auf Fahrgeld nach § 5 Nr. 1 ERA ist ohnehin davon unabhängig.
cc) Der Kläger fährt täglich zunächst zum Betrieb der Beklagten, erbringt dort Arbeitsleistung und fährt dann erst zur auswärtigen Arbeitsstelle. Damit handelt es sich nicht um von der Regelung des § 5 ERA erfasste Fahrten.
d) Darüber hinaus enthalten weder die übrigen Bestimmungen des ERA noch die Tarifnormen des MTV eine gesonderte Vergütungsregelung. Daher richtet sich die Vergütungspflicht für die streitgegenständlichen Fahrten nach der allgemeinen Entgeltregelung des MTV. Danach ist tarifliche Arbeitszeit mit dem Tariflohn zu vergüten. Dies folgt aus § 11 Nr. 1 Satz 1 MTV, wonach alle Arbeitnehmer ein verstetigtes Monatsentgelt erhalten, das sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgelts mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit ergibt.
e) Da die streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit rechnen und mit dem Tarifentgelt zu vergüten sind, konnten die Parteien wegen § 4 Abs. 3 TVG keine vom Tarif abweichende Vergütungsvereinbarung treffen. Es kommt deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Parteien stillschweigend für die streitgegenständlichen Fahrten eine Vergütung iHv. 7,75 Euro brutto/Stunde vereinbarten. Die Tariföffnungsklausel in § 5 Nr. 4 Satz 3 ERA betrifft allein die Aufwandsentschädigung.
4. In der streitgegenständlichen Zeit hat der Kläger Arbeitsleistung durch Fahrten zu und von auswärtigen Arbeitsstellen mit einer Dauer von insgesamt 101,03 Stunden erbracht. Hieraus ergibt sich bei einem Stundenlohn iHv. 14,64 Euro brutto ein Vergütungsanspruch iHv. 1.479,08 Euro brutto. Auf diese Forderung hat die Beklagte Vergütung iHv. 782,98 Euro (101,03 Stunden × 7,75 Euro) brutto geleistet, sodass der Anspruch in dieser Höhe gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
Damit verbleibt ein Zahlungsanspruch iHv. 696,10 Euro brutto.
5. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 13 Nr. 1.2 MTV verfallen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seine Forderungen rechtzeitig geltend gemacht hat. Gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat sich die Beklagte mit ihrer Revision nicht gewandt.
6. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Weber, Volk, A. Christen, Dirk Pollert
Fundstellen
Haufe-Index 10180116 |
BB 2017, 436 |