Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Arbeitsangebot
Leitsatz (redaktionell)
Zum Erfordernis eines tatsächlichen Angebots nach krankheitsbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers (vgl. schon BAGE 14, 156 = AP Nr. 23 zu § 615 BGB)
Normenkette
BGB §§ 615, 293 ff.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 05.09.1991; Aktenzeichen 14 Sa 871/90) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.03.1991; Aktenzeichen 7 Ca 147/89) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 1991 – 14 Sa 871/90 – insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von DM 6.600,47 nebst Zinsen verurteilt und über die Kosten entschieden hat.
2. Insoweit wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war seit Januar 1984 bei der Beklagten zunächst in der Hauptbuchhaltung, seit 15. April 1985 in der Revisionsabteilung als Angestellte beschäftigt. Seit 14. Januar 1987 war die Klägerin durch Arbeitsunfähigkeit infolge einer Herzkrankheit an ihrer Arbeitsleistung gehindert. Nachdem sie im August und September 1988 an einer Kur teilgenommen hatte, wurde sie ab 14. September 1988 nicht mehr arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin am 13. September 1988 anläßlich eines Gespräches in der Sozialabteilung der Beklagten ihre Arbeitskraft angeboten hat. Die Klägerin hat jedenfalls in der Folgezeit ihre Arbeit bei der Beklagten bis zum 24. Juli 1989 nicht aufgenommen. In der Zwischenzeit hat es jedoch zwischen den Parteien verschiedene Gespräche gegeben, die u.a. auch die Frage einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zum Gegenstand hatten. Mit Schreiben vom 8. März 1989 lehnte die Klägerin den Abschluß eines Auflösungsvertrages ab und teilte u.a. mit:
„Es ist mir unverständlich, daß man mir mein Gehalt verweigert, obwohl ich seit dem 14.9.'88 amtsärztlich arbeitsfähig gemeldet bin, und zwar ordnungsgemäß nach den geltenden Rechtsvorschriften. Nach einem Vermittlungsversuch wurde ich quasi beurlaubt. Man nannte zwei Gründe, nämlich Zeitmangel der Personalabteilung sowie das Fehlen einer passenden Arbeitsstelle für mich.”
Die Beklagte will erstmals aufgrund dieses ihr am 15. März 1989 zugegangenen Schreibens von der Arbeitsfähigkeit der Klägerin erfahren haben.
Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten Zahlung des Gehalts zunächst für die Zeit vom 14. September 1988 bis 30. April 1989, und zwar für 7 1/2 Monate á 4.278,– DM. Hiervon steht in der Revisionsinstanz noch ein Betrag von 6.660,47 DM brutto für die Zeit vom 15. März bis 30. April 1989 im Streit, während die weitergehende Klage durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. September 1991 abgewiesen worden ist.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe sich bereits ab April 1988 um eine Wiederaufnahme ihrer Arbeit bei der Beklagten bemüht. Sie habe um den Gesprächstermin am 13. September 1988 gebeten und sich an diesem Tage beim Pförtner angemeldet und ihm dabei gesagt, sie wolle in der Sozialabteilung ihre „Gesundmeldung” abgeben. In dem dann folgenden Gespräch mit der Mitarbeiterin der Sozialabteilung G. und dem Betriebsarzt Dr. H. habe sie den Kurentlassungsschein übergeben, aus dem sich ihre Arbeitsfähigkeit ab 14. September 1988 ergeben habe. Sie habe dabei gefragt, ob die Unterlagen ausreichen würden, und ob sie nunmehr wieder arbeiten könne. Während des Gesprächs habe Frau G. mit der Personalleiterin W. telefoniert und ihr mitgeteilt, daß sie – die Klägerin – da sei und „ab morgen” einsatzfähig sei. Es sei ein Termin für den 15. September 1988 vereinbart worden, um eine Arbeitsmöglichkeit in der volkswirtschaftlichen Abteilung zu prüfen. Sie habe noch erklärt, wenn eine kurzfristige Arbeitsaufnahme nicht möglich sei, nehme sie den ihr noch zustehenden Urlaub, was Frau G. abgelehnt habe. Daß sie in diesem Gespräch am 13. September 1988 nicht sofort auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes bestanden habe, liege daran, daß sie der Meinung sei, nach so langer Krankheit nicht auf den Arbeitsplatz pochen zu können. Sie habe dabei auch gesagt, wenn sie erst nach ein paar Tagen arbeiten könne, mache ihr das nichts aus, sie streite sich nicht um zwei bis drei Tage. Auf die Frage, ob sie noch einmal ausfallen würde, habe sie geantwortet, daß sie noch einmal in die K.-Klinik müsse. Mit Schreiben vom 25. September 1988 habe sie außerdem der Beklagten mitgeteilt, da man für sie keine Arbeit habe, nehme sie ihren Rückstand-Urlaub; dieses Schreiben habe ihr Ehemann in der Zweigstelle A. Straße abgegeben. Ende September 1988 habe ein Gespräch mit der Personalleiterin W. stattgefunden, in der ihr eine Abfindung angeboten worden sei. Frau W. habe dabei gesagt, daß sie sich wieder melden würde. Anfang Januar 1989 habe sie ihr ausstehendes Gehalt verlangt, sei aber vertröstet worden. In einem Gespräch am 2. Februar 1989 sei ihr ein Auflösungsvertrag vorgelegt und am 9. Februar 1989 der vollständige Entwurf übersandt worden. Mit der angebotenen Abfindung von 10.000,– DM wolle die Beklagte sie offensichtlich auf billige Weise loswerden.
Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz anhängig – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.660,47 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 12. Oktober 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, erstmals dem Schreiben vom 8. März 1989 entnommen zu haben, daß die Klägerin ab 14. September 1988 wieder arbeitsfähig sei. Thema des Gesprächs am 13. September 1988 sei nicht die Gesundschreibung der Klägerin, sondern deren Krankheit gewesen. Die Frage des Betriebsarztes Dr. H., ob sie arbeitsfähig sei, habe die Klägerin verneint. Sie habe vielmehr ausgeführt, noch verschiedenes erledigen zu müssen, insbesondere seien noch Untersuchungen in der K.-Klinik in B. erforderlich. Außerdem habe die Klägerin erklärt, sie werde sich melden, sobald sie arbeitsfähig sei. Die Mitarbeiterin G. habe die Klägerin dabei darauf hingewiesen, eine solche Meldung habe nicht bei ihr sondern in der Personalabteilung zu erfolgen. Auch zu späteren Zeitpunkten habe die Klägerin nicht erklärt, seit dem 14. September 1988 arbeitsfähig zu sein. Im Zusammenhang mit der unklaren Antwort der Klägerin, wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen werde, habe die stellvertretende Personalleiterin W. danach gefragt, ob für die Klägerin eine Tätigkeit bei der Beklagten überhaupt noch von Interesse sei. Dabei sei von Frau W. erstmalig der Abschluß eines Auflösungsvertrages ins Gespräch gebracht worden.
Inzwischen hat die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 1989 das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1989 aufgekündigt; insoweit ist eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main anhängig (– 7 Ca 215/89 –) ebenso wie weitere Zahlungsklagen.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen G., W., H. und Dr. H. die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht den Nachweis geführt, ihre Arbeitskraft im Streitzeitraum der Beklagten angeboten zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Vernehmung der Zeugen G. und Dr. H. das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 6.660,47 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen diese Verurteilung richtet sich die vom Senat durch Beschluß vom 30. April 1992 zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückweisung des Rechtsstreits (§ 565 ZPO), weil der Senat nicht abschließend darüber entscheiden kann, ob die Gespräche der Parteien am 13. September 1988 und danach dahin zu verstehen sind, daß die Klägerin im Falle endgültiger Genesung dies der Beklagten nur anzeigen und gegebenenfalls ein wörtliches Arbeitsangebot (§ 295 BGB) ausreichen sollte, weil die Beklagte etwa nicht sofort einen Arbeitsplatz nach der langwierigen Erkrankung der Klägerin zur Verfügung stellen konnte.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Nach dem Ergebnis der in erster und zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, daß die Klägerin vor dem 14. März 1989 ihre Arbeitsfähigkeit und damit ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Beklagten nicht angezeigt habe, was vom Landesarbeitsgericht im einzelnen begründet wird. Erst mit Zugang des Schreibens der Klägerin vom 8. März 1989 habe die Beklagte Kenntnis davon erhalten, daß die Klägerin arbeitsfähig sei, so daß ab 16. März 1989 die Beklagte sich im Annahmeverzug (§ 615 BGB) befunden habe, so daß sie der Klägerin den ausgeurteilten Betrag schulde.
II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts, nämlich der §§ 615 Abs. 1, 293 ff. BGB. Das Berufungsgericht geht zu Unrecht davon aus, die bloße schriftliche Anzeige der Arbeitsfähigkeit genüge, auch beim vorliegenden Sachverhalt stets, um den Gläubigerverzug nach § 615 BGB auszulösen.
1. Wie der Senat bereits im Zulassungsbeschluß vom 30. April 1992 ausgeführt hat, setzt der Annahmeverzug des Arbeitgebers gemäß § 293 BGB das Angebot der Leistung durch den Arbeitnehmer und deren Nichtannahme durch den Arbeitgeber voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 14, 156 = AP Nr. 23 zu § 615 BGB) genügt dabei ein wörtliches Angebot nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber erklärt oder sonst durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, daß er die Leistung nicht annehme. Ein solches Verhalten sei z.B. in einer ungerechtfertigten Kündigung zu sehen. Eine solche Kündigung ist vor dem hier streitrelevanten Zeitraum jedoch unstreitig nicht ausgesprochen worden, ebensowenig wie vom Landesarbeitsgericht ein Verhalten des Arbeitgebers festgestellt ist, er wolle die Leistung der Klägerin nicht annehmen.
2. Durch die neuere Rechtsprechung des Senats (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAGE 65, 98 = AP Nr. 45 zu § 615 BGB; Urteile vom 21. März 1985 – 2 AZR 201/84 – und vom 24. Oktober 1991 – 2 AZR 112/91 – AP Nr. 35 zu § 615 BGB sowie EzA § 615 BGB Nr. 70) zur Entbehrlichkeit eines wörtlichen Leistungsangebotes nach vorausgegangener unwirksamer Kündigung des Arbeitgebers ist die bisherige Rechtsprechung zum grundsätzlichen Erfordernis eines tatsächlichen Angebotes in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht, nicht überholt. Das Erfordernis eines tatsächlichen Angebotes (§ 294 BGB) entspricht vielmehr der Gesetzeslage, wonach der Schuldner dem Gläubiger die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten muß, d.h. in eigener Person, zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise (ständige Rechtsprechung des BAG Großer Senat Beschluß vom 26. April 1956 – GS 1/56 – BAGE 3, 66, 73 f. = AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG, zu II 1 der Gründe; BAGE 14, 156 = AP, a.a.O., mit Anm. von A. Hueck und Urteil vom 10. Mai 1973 – 5 AZR 493/72 – AP Nr. 27 zu § 615 BGB, Leitsatz 3, mit Anm. von Schnorr von Carolsfeld). Diese Auffassung zur Erforderlichkeit eines tatsächlichen Angebots im Betrieb des Arbeitgebers (Rückmeidepflicht zur Arbeitsaufnahme) wird einhellig auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum geteilt (vgl. Blomeyer, in Anm. zu AP Nr. 26 zu § 615 BGB, zu II A 1; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, 7. Aufl., § 34 III 2, S. 218; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 8. Aufl., S. 212; Nikisch, ArbRecht I., 3. Aufl., § 26 III 1, S. 277; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 48 II 3. S. 280; Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., § 615 Rz 7; Stahlhacke, Handbuch zum Arbeitsrecht, Stand Oktober 1989, Gruppe 1 Rz 855, S. 237).
Da in dem Schreiben der Klägerin vom 8. März 1989 allenfalls ein wörtliches Angebot zur Arbeitsleistung zu sehen ist, das nach den vorstehenden Ausführungen nicht als reales, tatsächliches Arbeitsangebot ausreicht, lagen die Voraussetzungen des Annahmeverzuges (auch) für den Zeitraum ab 15. März 1989 nur vor, wenn die Parteien 2. B. im Gespräch vom 13. September 1988 oder danach das Erfordernis eines tatsachlichen Angebotes abbedungen hätten, wobei gegebenenfalls die Anzeige der Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft genügen sollte, wenn die Beklagte der Klägerin nach ihrer langwierigen Erkrankung z.B. nicht sofort einen Arbeitsplatz zuweisen konnte.
Ob das Parteivorbringen in diesem Sinne verstanden und gegebenenfalls aufgrund tatsächlicher Umstände auch so gewertet werden kann, ist vom Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bisher ebenso wenig gewürdigt worden, wie die Frage, ob im Schreiben der Klägerin vom 8. März 1989 überhaupt ein gegebenenfalls ausreichendes wörtliches Angebot der Arbeitsleistung zu sehen ist. Da insoweit tatsächliche Feststellungen fehlen, kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Brocksiepe, Röder
Fundstellen