Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsanhörung
Normenkette
BetrVG § 102
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. September 1994 – 9 Sa 1168/93 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der 1936 geborene, ledige Kläger ist seit 1976 bei der Beklagten als Betriebsschlosser tätig. Er ist Schwerbehinderter mit einem GdB von 50. Bei einer werksärztlichen Untersuchung wurden beim Kläger gesundheitliche Einschränkungen festgestellt, die eine Änderung seines Arbeitseinsatzes erforderten. Bei den daran anschließenden Verhandlungen über die Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes kam es zu Differenzen zwischen dem Kläger, der Werksärztin und den Mitarbeitern der Beklagten. In der Folgezeit richtete der Kläger an die Beklagte in scharfer Form mehrere Schreiben. Die Beklagte wertete den Inhalt dieser Schreiben als üble Beschimpfung und Beleidigung von Vorgesetzten und Kollegen und Aufstellung unwahrer Behauptungen. Nachdem sie den Kläger unter Androhung der fristlosen Kündigung abgemahnt hatte, nahm sie ein weiteres mehrseitiges Schreiben des Klägers vom 18. März 1993 zum Anlaß, das Kündigungsverfahren einzuleiten. In diesem Schreiben hatte der Kläger Mitarbeitern der Beklagten u.a. vorgeworfen, er sei jahrelang täglich systematisch belogen, betrogen, gezwungen, erpreßt, schikaniert, mißhandelt, beleidigt, diskriminiert und bedroht worden; er werde wie der letzte Verbrecher, Sklave oder Diener behandelt und beabsichtige, seine Briefe an obere Organe, Presse, Organisationen usw. zu schicken. Nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle kündigte die Beklagte dem nach dem einschlägigen Tarifvertrag ordentlich unkündbaren Kläger durch Schreiben vom 15. April 1993 fristlos.
Mit seiner gegen diese Kündigung gerichteten Klage macht der Kläger geltend, sein engagiert geschriebener Brief vom 18. März 1993 dürfe nicht berücksichtigt werden, denn es habe sich dabei um eine Beschwerde nach § 84 Abs. 1 BetrVG gehandelt. Mit den vorangegangenen Schreiben habe er lediglich seine Meinung geäußert. Bei der Form der Meinungsäußerung müsse berücksichtigt werden, daß er in der Vergangenheit im Betrieb ungerecht behandelt worden sei. Jedenfalls nach der Abmahnung vom 26. Januar 1993 liege kein kündigungsrelevantes Verhalten mehr vor. Das Schreiben vom 18. März 1993 sei von ihm nicht in beleidigender Absicht verfaßt worden. Er habe damit lediglich den Versuch unternommen, dem Personalleiter sein berechtigtes Anliegen aus den vorangegangenen Schreiben näher zu erklären. Schuldhaft habe er auf keinen Fall gehandelt. Er leide an einer Erkrankung, die mit konversionsneurotischer Entwicklung und psychoreaktivem Syndrom bei beruflicher Konfliktsituation umschrieben werde. Den ihn behandelnden Arzt entbinde er von der Schweigepflicht.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 15. April 1993 aufgelöst worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, sie sei nicht mehr bereit, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, der eine derart schlechte Meinung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten habe, ohne daß diese sachlich begründet sei. Mit dem Schreiben vom 18. März 1993 habe der Kläger seinen Arbeitgeber in unsachlicher, polemischer und beleidigender Art und Weise angegriffen. Da der Kläger seine Schreiben nicht in starker Erregung abgefaßt, sondern in aller Ruhe zu Hause entworfen habe, habe er sein grob vertragswidriges Verhalten auch zu vertreten. Angesichts der Gesamtumstände könne der Kläger sein grobes Fehlverhalten nicht mit angeblichen psychischen Störungen entschuldigen. Der entsprechende Sachvortrag des Klägers stelle eine Schutzbehauptung dar und werde bestritten. Im übrigen könne auch ein nicht schuldhaftes Verhalten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliege. Die Kündigung sei jedenfalls nach § 102 BetrVG deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat lediglich über verhaltensbedingte Kündigungsgründe informiert habe. Das Anhörungsverfahren sei damit nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, da die Kündigung nicht – evtl. auch – auf Gründe in der Person des Klägers gegründet worden sei. Die Beklagte hätte den Betriebsrat darüber informieren müssen, daß greifbare Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß die Störungen des Arbeitsverhältnisses mit der psychischen Verfassung des Klägers zusammenhingen. Die Mitteilung an den Betriebsrat gehe im wesentlichen davon aus, daß der Kläger willensgesteuert den ihm obliegenden Verhaltenspflichten im Betrieb nicht nachgekommen sei. Aus dem Betriebsrat wohl vorliegenden Abmahnungsschreiben vom 13. Januar 1993, mit dem die Beklagte dem Kläger ein sachliches Gespräch über evtl. Probleme an seinem Arbeitsplatz evtl. unter Einschaltung des psychosozialen Dienstes angeboten habe, habe der Betriebsrat nicht ohne weiteres entnehmen können, daß bei der Beklagten erhebliche Zweifel an der Vorwerfbarkeit und damit der Zurechenbarkeit des Verhaltens des Klägers bestanden hätten. Daß dies so gewesen sei, klinge in der Klageerwiderung an, wo die Beklagte erkläre, der Kläger besitze ein nahezu an Verfolgungswahn grenzendes gestörtes Wahrnehmungsvermögen. Ob die Beklagte ausreichend dargelegt habe, daß die Kündigungsgründe durch den Kläger in zurechenbarer Weise verursacht worden seien, könne angesichts der mangelhaften Betriebsratsanhörung dahinstehen.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts beruhen auf einer Überinterpretation des § 102 Abs. 1 BetrVG.
1. Mit der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (BAG Urteile vom 28. Februar 1974 – 2 AZR 455/73 – BAGE 26, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972; vom 16. September 1993 – 2 AZR 267/93 – BAGE 74, 185, 194 f. = AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 2 b cc (1) der Gründe; vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 18. Aufl., § 102 Rz 25; KR-Etzel, 4. Aufl., § 102 BetrVG Rz 106 ff.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 259 ff.) ist davon auszugehen, daß die Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Sanktion verfolgt den Zweck, den Arbeitgeber zu veranlassen, vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu hören, will er nicht Gefahr laufen, daß die Kündigung von vornherein unwirksam ist (Amtliche Begründung, BR-Drucks. 715/70, S. 52). Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, daß es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt (BAG Urteil vom 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – BAGE 44, 201, 206 = AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972, zu A I 2 b der Gründe).
2. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, daß er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muß einerseits so genau und umfassend sein, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (BAG Urteil vom 2. November 1983, a.a.O.).
Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG aber nicht darauf abzielt, die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu gewährleisten, sondern sich darauf beschränkt, im Vorfeld der Kündigung eine Einflußnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers zu ermöglichen, sind an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Anhörungsschreiben nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß (einhellige Auffassung vgl. BAG Urteil vom 8. September 1988 – 2 AZR 103/88 – BAGE 59, 295, 300 = AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe; Kraft, Festschrift für Otto Rudolf Kissel, S. 611, 613). Das Bundesarbeitsgericht leitet daher mit der herrschenden Meinung (vgl. etwa Urteil vom 11. Juli 1991 – 2 AZR 119/91 – AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; ebenso Bitter, NZA Beil. 3/1991, S. 16, 19 ff.; KR-Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rz 66; Stahlhacke/Preis, a.a.O., Rz 286 ff. mit weiteren Nachweisen; kritisch Kraft, Festschrift für Otto Rudolf Kissel, S. 611 ff.) aus § 102 BetrVG den Grundsatz der sogenannten „subjektiven Determinierung” ab, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf (zunächst) nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluß für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Unterrichtung hat lediglich „mittelbar” die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht, weil es dem Arbeitgeber verwehrt ist. Gründe nachzuschieben, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren (BAG Urteil vom 11. Juli 1991, a.a.O., zu II 2 a der Gründe).
3. Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich aber, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewußt irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen.
a) Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewußt und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln (BAG Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 453/88 – AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; vgl. auch Bitter, a.a.O., S. 16, 20). Der Arbeitgeber setzt durch eine derartige Darstellung den Betriebsrat außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den für den Arbeitgeber maßgebenden Gründen für die Kündigung zu machen (BAG Urteil vom 27. Mai 1985 – 2 AZR 412/84 – BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972 sowie Senatsurteile vom 31. August 1989 und 31. Mai 1990, a.a.O.).
b) Bestreitet der Arbeitnehmer die „ordnungsgemäße” Betriebsratsanhörung, ist es Sache des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit darzulegen. Ergeben sich entweder bereits Unterschiede zwischen der objektiven Informationslage und der Information an den Betriebsrat oder bestreitet der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Informationen an den Betriebsrat, ist es schon aus Gründen der Sachnähe Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen und notfalls zu beweisen, daß er den Betriebsrat nicht bewußt in die Irre geführt hat.
4. Es ist nach diesen Grundsätzen rechts fehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung schon daran hat scheitern lassen, daß die Beklagte den Betriebsrat nur zu einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung und nicht jedenfalls hilfsweise zu einer personenbedingten Kündigung angehört hat. Der Arbeitgeber entscheidet, ob er seine Kündigung auf verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe stützen möchte. Gerade wenn schwer absehbar ist, ob ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers dadurch verursacht worden ist, daß er sich nicht anders verhalten will, oder daß er sich nicht anders verhalten kann, ob also z.B. alkoholbedingtes Fehlverhalten oder schon Alkoholismus vorliegt, geht der Arbeitgeber schon ein erhebliches Risiko ein, den falschen Kündigungssachverhalt zum Gegenstand seines Kündigungsentschlusses zu machen. Es ist nicht mehr von Sinn und Zweck des § 102 BetrVG gedeckt, das Verfahren dadurch weiter zu komplizieren, daß man den Arbeitgeber zwingt, den Betriebsrat auch zu dem Kündigungssachverhalt anzuhören, auf den der Arbeitgeber selbst seine Kündigung nicht stützen will.
Die Beklagte hat ihre Kündigung hier nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allein auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe gestützt in dem sie ihm Verfehlungen vorwarf, die abzustellen er nicht willens gewesen sei. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger ordentlich unkündbar war und eine personenbedingte außerordentliche Kündigung nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt, hatte die Beklagte auch gute Gründe, eine personenbedingte Kündigung nicht in ihre Erwägungen einzubeziehen. Personenbedingte Kündigungsgründe kann die Beklagte zwar im vorliegenden Prozeß auch nicht nachschieben, weil sie nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren (BAG Urteil vom 11. Juli 1991, a.a.O.). Die Nichtanhörung zu personenbedingten Kündigungsgründen machte aber nicht die Betriebsratsanhörung zu der allein aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochenen Kündigung von vornherein unwirksam.
5. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt war die Betriebsratsanhörung auch nicht unvollständig, erst recht ist nicht davon auszugehen, daß die Beklagte dem Betriebsrat den Sachverhalt bewußt irreführend und unvollständig mitgeteilt hat.
a) Zwar bilden verhaltensbedingte Gründe in der Regel nur dann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt hat (BAG Urteil vom 14. Februar 1978 – 1 AZR 76/76 – EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 22; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 1076, m.w.N.). Deshalb kann eine bewußte Irreführung des Betriebsrats über den Kündigungssachverhalt insbesondere darin liegen, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat das Verschulden des Arbeitnehmers mildernde bzw. ausschließende und damit den Arbeitnehmer entlastende Umstände verschweigt oder bewußt unrichtig darstellt.
b) Einen solchen Sachverhalt hat aber das Landesarbeitsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, nicht festgestellt. Wenn das Berufungsurteil darauf abstellt, es hätten „greifbare Anhaltspunkte” dafür bestanden, daß die Pflichtverletzungen des Klägers mit dessen psychischer Verfassung in Zusammenhang gestanden hätten, so könnte die Beklagte, wenn sie diese „greifbaren Anhaltspunkte” nicht ernst genommen und dem Kläger wegen schuldhaft begangener Vertragsverletzungen gekündigt hat, den Betriebsrat allenfalls unbewußt getäuscht haben, was zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG nicht ausreicht. Nicht einmal dies hat aber das Landesarbeitsgericht festgestellt. Das Abmahnungsschreiben vom 13. Januar 1993 ist dem Betriebsrat nicht vorenthalten worden, sondern hat diesem vorgelegen; außerdem läßt dieses Schreiben nur die Bereitschaft der Beklagten erkennen, dem Kläger bei seinen Problemen am Arbeitsplatz umfassend, ggf. unter Einschaltung einer externen Beratungsstelle, Hilfe zu leisten, was noch keinen hinreichenden Rückschluß auf die Einschätzung des Verschuldens des Klägers durch die Beklagte zuläßt. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf einen Schriftsatz im vorliegenden Verfahren ist unergiebig, denn er läßt keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, welche Überlegungen die Beklagte im Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats angestellt hat.
c) Auf eine bewußte Fehlinformation des Betriebsrats hat sich in den Tatsacheninstanzen der Kläger auch nicht berufen, was zur Folge gehabt hätte, daß die Beklagte das Gegenteil hätte darlegen und beweisen müssen. Der Kläger hatte sich im Prozeß zunächst darauf beschränkt vorzutragen, „nunmehr” leide er an einer entsprechenden psychischen Erkrankung und die Beklagte hätte „vielleicht” ihrer arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht etwas früher nachkommen müssen. Erst später hat er sein Verschulden und seine Schuldfähigkeit in Zweifel gezogen, ohne sich allerdings darauf zu berufen, die Beklagte habe insoweit dem Betriebsrat gegenüber den Kündigungssachverhalt falsch dargestellt.
III. Zu der Frage der Wirksamkeit der Kündigung hat das Landesarbeitsgericht, von seinem rechtlichen Ansatzpunkt her konsequent, keine Feststellungen getroffen. Dies wird nach der Zurückverweisung nachzuholen sein. In Abhängigkeit von seiner Entscheidung über den Feststellungsantrag wird das Landesarbeitsgericht auch über den Weiterbeschäftigungsantrag erneut zu entscheiden haben. Bis dahin braucht der Kläger nicht weiterzubeschäftigt zu werden, da er erstinstanzlich unterlegen ist und das Berufungsurteil der Aufhebung unterliegt.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Strümper, Piper
Fundstellen