hier: Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08

[A] Sachverhalt

Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V muss die Beitragsbelastung in der freiwilligen Krankenversicherung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigen. Mit der Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist die grundsätzliche Ausrichtung der Beitragsbelastung an der Gesamtheit der Einnahmen des Mitglieds gemeint. Welche Einnahmen hierunter fallen, beschreiben die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKVSpitzenverbandes nicht im Einzelnen, sondern in allgemeiner, generalklauselartiger Form (vgl. § 3 Abs. 1). Eine derartige generalklauselartige Formulierung ist ausreichend, um solche Einnahmen der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung zugrunde zu legen, die bereits in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R -, USK 2000- 36). Das BSG hat auf dieser Grundlage zum Beispiel die Heranziehung von Einkünften aus Kapitalvermögen sowie Berufsunfähigkeitsrenten und Unfallrenten aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag gebilligt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93 -, USK 9598, Urteil vom 19. Juni 1986 – 12 RK 28/85 -, USK 86232, und Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 14/00 R-, USK 2001-35).

In der Praxis ergeben sich Schwierigkeiten, einen einheitlichen Maßstab für die beitragsrechtliche Bewertung einzelner Versicherungsleistungen von privaten Versicherungsunternehmen zu finden. Während Rentenleistungen aus einer reinen Risikoversicherung (z. B. Unfallversicherung ohne garantierte Beitragsrückzahlung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung) auf Grundlage der vorgenannten Rechtsprechung ohne besondere Abgrenzungsprobleme in Höhe des Zahlbetrages der Rentenleistung als beitragspflichtige Einnahmen zu klassifizieren sind, ist die Rechtslage bei Leistungen aus einer sog. Versicherung mit Sparanteil (kapitalbildende Versicherung) nicht eindeutig. Als typische Beispiele für die zweite Gruppe sind die Kapitallebensversicherung, die Rentenversicherung sowie die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung zu nennen.

Bei den kapitalbildenden Versicherungen handelt es sich um ein Koppelprodukt aus einer Sparanlage und einer Risikoversicherung; folglich enthalten die aus einem entsprechenden Versicherungsvertrag resultierenden Renten neben den Zinsen des Kapitals eine (bei einer laufenden Leistung ratenweise zu zahlende) Gegenleistung für die Überlassung eines Vermögenswerts. Vor dem Hintergrund, dass das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung einnahmenorientiert – also unter Ausschluss von Vermögensverzehr - gestaltet ist, sollte dem Grunde nach stets unterschieden werden, ob die der Beitragsbemessung zugrunde gelegten Beträge echte Einnahmen sind oder ob sie auch Anteile enthalten, die dem Vermögen des Mitglieds zuzurechnen sind. Im Kern gilt es also zu entscheiden, zu welchem beitragsrechtlichen Ergebnis die Anwendung des beschriebenen Bewertungsmaßstabs bei den Versicherungsleistungen aus den kapitalbildenden Versicherungen führt und bei welchen Fallkonstellationen nur die Zinserträge der Beitragspflicht unterworfen werden bzw. bei welchen Fallgruppen die Versicherungsleistungen mit dem Zahlbetrag zur Beitragspflicht heranzuziehen sind.

[B] Ergebnis

Hinweis

In der Niederschrift der Fachkonferenz Beiträge des GKV-Spitzenverbandes v. 17.11.2015 (TOP 2) wird konkretisiert, welche Nachweise über die Höhe der Kapitalerträge aus einer Kapitallebensversicherung zugrunde zu legen sind, sofern diese Leistungen im Einkommensteuerrecht keiner oder einer hälftigen Besteuerung unterliegen.

Die grundsätzliche Beschränkung der Beitragspflicht in der Krankenversicherung auf Einnahmen (unter Ausschluss von Vermögensumschichtungen) ergibt sich aus mehreren allgemeinen Rechtsvorschriften (vgl. insbesondere § 3 Satz 2, § 223 Abs. 2, § 240 Überschrift und Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Grundsatz der Differenzierung zwischen echten Einnahmen und Kapitalrückflüssen wird allerdings im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht kontinuierlich umgesetzt, sondern bei Rentenzahlungen durchbrochen. Dies ergibt sich für die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V bereits aus der gesetzlichen Anforderung, diese Leistungen in Höhe des Zahlbetrages zur Beitragspflicht heranzuziehen. Für die vergleichbaren Einnahmen aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag gilt nach der BSG-Rechtsprechung das Gleiche (vgl. BSG, Urteile vom 6. September 2001 – B 12 KR 40/00 R, B 12 KR 5/01 R-, USK 2001-31 zur Altersrente). Die Heranziehung der Leistungen aus den kapitalbildenden Versicherungen in Höhe des Zahlbetrages zur Beitragspflicht in der freiwilligen Krankenversicherung ist also dann als zulässig zu betrachten, wenn Rentenzahlungen geleistet wer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Personal Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?