Leitsatz (amtlich)
Sogenannte Zehrgelder, die der Arbeitgeber in geringer Höhe an ständig im Außendienst mit Arbeiten am Gleis- und Rohrleitungsnetz einer Stadtgemeinde beschäftigte Arbeitnehmer wegen des Fehlens notwendiger sozialer Einrichtungen zahlt, sind als Auslagenersatz lohnsteuerfrei.
Normenkette
LStDV 1960 § 4 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte, eine Stadtwerke AG, betreibt die Gas- und Wasserversorgung und den Personenverkehr im Gebiet einer Großstadt. Zur Unterhaltung, Erneuerung und Erweiterung der Rohrnetz-, Gleis- und Fahrleitungsanlagen beschäftigt sie im Außendienst mehrere hundert Monteure und Arbeiter, die von einer zentralen Werkstatt oder bei Arbeiten für die Gas- und Wasserversorgung von den örtlich zuständigen Werkstätten auf ständig wechselnden Baustellen eingesetzt werden. Die Klägerin zahlte aufgrund einer betrieblichen Vereinbarung den im Außendienst beschäftigten Arbeitnehmern ein sogenanntes Zehrgeld, von dem sie keine Lohnsteuer einbehielt.
In den Jahren 1958 bis 1961 betrug das Zehrgeld arbeitstäglich 1,50 DM je Arbeitnehmer. Das FA erkannte nach einer Lohnsteuerprüfung einen Anteil von etwa 50 v. H. der Aufwendungen als steuerfreien Reisekostenersatz an. Den verbleibenden Teil der Zahlungen von 445 443,75 DM zog das FA als steuerpflichtigen Arbeitslohn durch Haftungsbescheid mit einem Steuersatz von 20 v. H. zur Nachversteuerung heran. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. In seiner Entscheidung, die in EFG 1967, 401 veröffentlicht worden ist, führte es aus, die Arbeitnehmer hätten wegen der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin und nach den Vorschriften der Gewerbeordnung (GewO) einen Anspruch darauf, daß ihnen geeignete Räume zur Einnahme von Mahlzeiten und zur Erledigung ihrer Bedürfnisse während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt würden. Der Anspruch auf Sachleistungen dieser Art bestehe allerdings nur, soweit die Natur des Betriebes es zulasse. Die Klägerin könne diese Sachleistungen nicht erbringen, weil die Arbeiten sich täglich über eine große Zahl von Baustellen erstreckten und meist nur kurze Zeit in Anspruch nähmen. Sie sei deshalb berechtigt, ihre arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht dadurch zu erfüllen, daß sie ihre Arbeitnehmer mit den Geldmitteln versehe, die erforderlich seien, um ihnen die Benutzung von Gaststätten für die bezeichneten Zwecke zu ermöglichen. Die Zehrgelder würden in erster Linie im Interesse des Arbeitgebers gezahlt. Sie seien so bemessen, daß die Arbeitnehmer sie nicht zweckentfremden könnten. Bei einer Schicht von 8 1/2 Stunden arbeitstäglich müßten die Arbeitnehmer etwa dreimal eine Gaststätte aufsuchen. Dabei erwüchsen ihnen mindestens Auslagen von 1,50 DM. Es könne hingenommen werden, daß die Arbeitnehmer in Gestalt der verzehrten Speisen oder Getränke einen Gegenwert erhielten. Der Verzehr sei nur eine zwangsläufige Nebenfolge, eine bloße Annehmlichkeit gewesen, aber kein in verschleierter Form gewährter Arbeitslohn.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Es weist darauf hin, daß die für eine Tätigkeit innerhalb eines Umkreises von 5 km vom Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte gezahlten Zehrgelder keinen Auslagenersatz im Sinne des § 4 Nr. 4 LStDV darstellten. Über die Zehrgelder verfügten die Arbeitnehmer im eigenen Namen, ohne über die Art ihrer Verwendung Rechenschaft abzulegen. Ihre Zweckentfremdung sei durchaus möglich. Solche Barzuwendungen seien in der Regel Arbeitslohn, auch wenn sie in Erfüllung arbeitsrechtlicher Vorschriften an Stelle von Sachleistungen gewährt würden. Ihnen stünden auch keine Werbungskosten gegenüber. Die Zehrgelder würden wegen der Besonderheit der Arbeit als Erschwerniszulage gezahlt. Erschwerniszulagen gehörten ohne Rücksicht darauf, ob sie in einem Gesetz festgelegt oder in einem Tarifvertrag vereinbart seien, zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nach den tatsächlichen Verhältnissen des Streitfalls, wie sie das FG mit bindender Wirkung für den BFH festgestellt hat, sind die Zehrgelder lohnsteuerlich als eine dem Auslagenersatz wirtschaftlich ähnliche Geldablösung zu behandeln. Nach § 4 Nr. 4 LStDV gehören Beträge, die der Arbeitnehmer als Ersatz von Auslagen für den Arbeitgeber erhält, nicht zum Arbeitslohn. Auslagen in diesem Sinne sind gegeben, wenn die Zwecke des Arbeitgebers im Vordergrund stehen. Es darf kein unmittelbares eigenes Interesse des Arbeitnehmers vorliegen; die Ausgaben müssen vielmehr ausschließlich oder überwiegend durch die Belange des Arbeitgebers bedingt, von diesem veranlaßt oder gebilligt sein und daher erst auf Nachweis an den Arbeitnehmer ersetzt werden (Urteil des RFH VI A 133/36 vom 29. Juli 1936, RStBl 1936, 987). Das FG hat den Sachverhalt zutreffend gewürdigt, wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß die Zehrgelder in erster Linie im Interesse der Klägerin gezahlt wurden, weil sie deren soziale und arbeitsrechtliche Verpflichtungen ablösen sollten. Die Auslagen, die den Arbeitnehmern wegen des Fehlens der von der Klägerin zu erbringenden sozialen Sachleistungen zwangsläufig erwuchsen, gingen zu Lasten der Klägerin. Die Ausgaben waren durch die Belange der Arbeitgeberin bedingt und von ihr ausdrücklich gebilligt. Der Fall liegt insofern, worauf das FG mit Recht hinweist, ähnlich wie die lohnsteuerfreie Gewährung der tariflichen Waschgelder an Kaminkehrergesellen (BFH-Urteil VI 197/60 U vom 10. November 1961, BFH 74, 130, BStBl III 1962, 50).
Das FG hat überzeugend dargelegt, daß eine Zweckentfremdung dieser arbeitstäglich geringfügigen Beträge in der großen Mehrzahl der Fälle so gut wie ausgeschlossen war. Der Senat hält zwar an der Auffassung fest, daß Barzuwendungen nicht wie Sachzuwendungen steuerfrei bleiben können, wenn der Arbeitnehmer in der Verwendung der Barzuwendungen freie Hand hat (BFH-Urteil VI 69/62 U vom 4. Oktober 1963, BFH 77, 660, BStBl III 1963, 562). Für eine unterschiedliche Behandlung beider Arten von Zuwendungen besteht jedoch kein Grund, wenn durch Umstände, die nicht vom Ermessen der Arbeitnehmer abhängen, die zweckentsprechende Verwendung des Bargeldes gesichert ist.
Nach der Entscheidung VI 168/56 U vom 18. Oktober 1957 (BFH 66, 40, BStBl III 1958, 16) wird ein Auslagenersatz grundsätzlich nicht als steuerfrei anerkannt, wenn über die Aufwendungen nicht abgerechnet zu werden braucht. Pauschbeträge, die Auslagen abgelten sollen, sind zum steuerpflichtigen Arbeitslohn zu rechnen. Der Senat hat jedoch von diesem Grundsatz Ausnahmen anerkannt, wenn es sich um kleine Beträge handelt, die erfahrungsgemäß die Höhe des entstandenen Aufwands nicht übersteigen (BFH-Urteil VI 261/64 vom 10. Juni 1966, BFH 86, 642, BStBl III 1966, 607). Es ist vom FA nicht behauptet worden, daß das Zehrgeld die notwendigen Auslagen der Arbeitnehmer überstiegen hätte. Wegen der Schwierigkeiten, die eine tägliche Einzelabrechnung der von jedem Arbeitnehmer verauslagten geringen Beträge für alle Beteiligten wegen der großen Zahl der Fälle verursacht hätte, durfte die Klägerin ausnahmsweise von einer pauschalen Regelung des Auslagenersatzes Gebrauch machen. Die Aufwendungen für die zugunsten der Arbeitnehmer anfallenden Speisen oder Getränke sind keine Kosten der Lebenshaltung. Wegen der Ablösung der fehlenden sozialen Einrichtungen waren sie der eigentliche Gegenstand des Auslagenersatzes. Die Arbeitnehmer erwarben durch die Getränke oder Speisen keinen ausschließlich in ihrem Interesse liegenden Gegenwert.
Fundstellen
Haufe-Index 68341 |
BStBl II 1969, 45 |
BFHE 1969, 21 |