Leitsatz (amtlich)
Nutzungen aus Kindesvermögen, die die Eltern in ihrem Gewerbebetrieb ziehen, sind ihnen jedenfalls dann als gewerbliche Einkünfte zuzurechnen, wenn diese Nutzungen das Ergebnis einer über eine bloße Vermögensverwaltung hinausgehenden unternehmerischen Betätigung sind. Die anschließende Verwendung der Nutzungen nach Maßgabe familienrechtlicher Vorschriften oder nach anderen, im Kindesinteresse Hegenden Grundsätzen stellt sich steuerrechtlich als Einkommensverwendung der Eltern dar.
Normenkette
EStG 1969 § 4 Abs. 1, 4, § 5 Abs. 1, § 12 Nr. 1, § 15 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt gewerbliche Autovermietung und ermittelt seinen Gewinn durch Vermögensvergleich. Im Jahre 1968 hat er im Namen seines 1958 geborenen Sohnes B einen PKW gekauft, auf seine Firma zugelassen und in der Folgezeit im Rahmen seines Gewerbebetriebs vermietet. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) besteht Streit darüber, ob die Erträge aus der Vermietung des Fahrzeugs dem Kläger zugerechnet werden müssen. Das FA hatte entsprechend der Erklärung des Klägers für die Jahre 1969 und 1970 (für 1970 vorläufig gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung - AO -) zunächst sonstige Einkünfte des Sohnes des Klägers angenommen. Nach einer Betriebsprüfung hat es diese Auffassung jedoch geändert und die Erträge aus der Vermietung in berichtigten Bescheiden den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers zugerechnet. Auch im Einkommensteuerbescheid 1971 hat es die Einkünfte aus der PKW-Vermietung dem Kläger zugerechnet.
Nach erfolglosen Einsprüchen hob das Finanzgericht (FG) den Berichtigungsbescheid 1969 und die entsprechende Einspruchsentscheidung mangels neuer Tatsachen ersatzlos auf und setzte die Einkommensteuer 1970 und 1971 herab. Es führte aus, daß zwischen dem Kläger und seinem Sohn in den Streitjahren keine wirksamen vertraglichen Regelungen (Miet-, Pacht- oder Gesellschaftsvertrag) hinsichtlich des PKW bestanden hätten. Ein Pfleger sei erst 1973 bestellt worden. Die streitigen Einkünfte seien indes nicht dem Kläger zuzurechnen, weil dieser den PKW in Ausübung des Rechts und der Pflicht, für das Vermögen seines Sohnes zu sorgen (§ 1626 Abs. 2 BGB), für Rechnung seines Sohnes vermietet habe. Der Sohn sei - wie auch das FA zu Recht angenommen habe - Eigentümer des PKW geworden. Der Kläger und seine Ehefrau seien aufgrund ihrer Sorgepflicht gehalten gewesen, diesen Vermögensgegenstand durch geeignete tatsächliche und rechtliche Maßnahmen möglichst vorteilhaft für ihren Sohn zu verwalten. Zu diesem Zweck sei es ihnen erlaubt gewesen, den PKW in Besitz zu nehmen und zu vermieten. Ohne Bedeutung sei für die Frage einer Zurechnung der dabei erzielten Erträge an den Sohn des Klägers, daß der PKW unter der Firma des Klägers vermietet worden sei. Denn das Vermögenssorgerecht könne vom Inhaber der elterlichen Gewalt auch durch Rechtsgeschäfte im eigenen Namen und für Rechnung des Kindes, d. h. im Wege der mittelbaren Stellvertretung wahrgenommen werden. Der Erlös sei für das Kind zu verwalten. Daß der PKW tatsächlich für Rechnung des Sohnes vermietet worden sei, gehe aus der gesonderten Erfassung der Einnahmen und Ausgaben, der Überweisung der Überschüsse auf ein eigenes Bankkonto des Sohnes sowie aus der getrennt vom Vermögensvergleich für den Betrieb des Klägers vorgenommenen Ermittlung dieser Einkünfte im Wege der Überschußrechnung hervor.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil, soweit es die Jahre 1970 und 1971 betreffe, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Die Einkünfte aus der Vermietung des PKW sind auch dann dem Kläger zuzurechnen, wenn, wie das FG ausgeführt hat und was der Senat unterstellt, der Sohn des Klägers bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeuges geworden ist.
1. Die bezeichneten Einkünfte sind nicht deshalb bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte des Klägers auszuscheiden, weil sie in einem eigenen Gewerbebetrieb des Sohnes (vgl. § 1645 BGB) angefallen wären. Auch der Fall des § 112 BGB - selbständiges Erwerbsgeschäft des Sohnes, mit elterlicher Ermächtigung und vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung - ist nicht gegeben. Für die Annahme einer Einzelunternehmerschaft des Sohnes fehlen alle Voraussetzungen. Der Kläger selbst macht sie nicht geltend. Er betrachtet die im Innenverhältnis allerdings für Rechnung des Sohnes unter seiner Firma betriebenen Vermietungsgeschäfte mittels des ihm nicht gehörenden PKW lediglich als eine besonders nutzbringende Vermögensanlage seines Sohnes im Rahmen des väterlichen Betriebs.
Ebenso scheidet die Möglichkeit aus, den Sohn des Klägers als Mitunternehmer des väterlichen Betriebs anzusehen. Die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft im steuerrechtlichen Sinn (§ 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1969, § 215 Abs. 2 AO, § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -) sind nicht gegeben (siehe unten zu 2.). Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative lagen allein beim Kläger. Nur er erfüllte die Voraussetzungen des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Zur Eingehung einer Gesellschaft hätte es im übrigen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft (§ 1643 Abs. 1 i. V. m. § 1822 Nr. 3 BGB).
2. Die Einkünfte aus der Vermietung des dem Sohn des Klägers gehörenden PKW scheiden auch nicht deshalb bei der Gewinnermittlung des Klägers aus, weil es sich bei der Vermietung um eine bloße Verwaltung des Kindesvermögens (§ 1626 Abs. 2, § 1638 Abs. 1 BGB) gehandelt hätte und die Einkünfte aus ihr in dem Sinn schon an der Quelle Nutzungen des Kindesvermögens (§ 1649 BGB) gewesen wären, daß sie auch steuerrechtlich von vornherein nicht dem Kläger zugerechnet werden dürften. Vielmehr sind diese Einkünfte zunächst im Betrieb des Klägers erzielt worden. Die anschließende Verwendung der Nutzungen im Kindesinteresse stellt sich als Vermögensverwendung dar, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen ist (§ 12 Nr. 1 EStG, unten 3.).
a) Die Rechtsprechung hatte sich mehrfach mit den steuerrechtlichen Fragen zu befassen, die sich bei einem Auseinanderfallen von Unternehmerschaft und wirtschaftlichem Eigentum an dem Unternehmen dienenden Wirtschaftsgütern ergeben.
aa) Im Vordergrund stehen die typischen Fälle, in denen dem Unternehmer Wirtschaftsgüter rechtsgeschäftlich zur betrieblichen Nutzung überlassen sind, sei es aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags wie Miete, Pacht oder Leihe (vgl. zur unentgeltlichen Überlassung eines PKW durch den Ehegatten Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 1972 IV R 31/69, BFHE 106, 79, BStBl II 1972, 699), sei es aufgrund eines dinglichen Rechtsgeschäfts (Nießbrauch, beschränkte persönliche Dienstbarkeit). In die Handelsbilanz wie in die Steuerbilanz des Unternehmers sind solche nicht in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Vermögensgegenstände nicht aufzunehmen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1972 I R 213/69, BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209; vom 26. Januar 1978 IV R 160/73, BFHE 124, 335, BStBl II 1978, 299). Gleichwohl sind die Einkünfte aus der betrieblichen Verwendung solcher Wirtschaftsgüter steuerrechtlich dem Unternehmer zuzurechnen.
bb) Im Ehegüterrecht spielt die Frage der Einkünftezurechnung vor allem in den Fällen eine Rolle, in denen die dem Betrieb eines Ehegatten dienenden Wirtschaftsgüter zum Gesamtgut beider Ehegatten gehören. Hier hat der BFH betriebliche Einkünfte nur desjenigen Ehegatten als Unternehmer angenommen, der die persönliche Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Einkünfte wesentlich durch diese Tätigkeit und weniger durch den Einsatz gemeinschaftlichen Vermögens erzielt wurden (vgl. BFH-Gutachten vom 18. Februar 1959 VI D 1/58 S, BFHE 69, 5, BStBl III 1959, 263; BFH-Urteile vom 7. Oktober 1976 IV R 50/72, BFHE 121, 21, BStBl II 1977, 201; vom 22. Juni 1977 I R 185/75, BFHE 123, 136, BStBl II 1977, 836).
cc) Im Bereiche der Land- und Forstwirtschaft treten Fälle der Betriebsüberlassung auf, in denen der Hof nur einem der Ehegatten gehört, jedoch von dem anderen Ehegatten bewirtschaftet wird. Dazu hat der IV. Senat des BFH in dem Urteil vom 17. Juli 1975 IV R 119/74 (BFHE 116, 359, BStBl II 1975, 770) ausgeführt, daß der Ehemann zwar nicht schon dadurch Unternehmer wird, daß er den seiner Ehefrau gehörenden Hof bewirtschaftet, wohl aber dann, wenn die Ehefrau ihm durch einen Pachtvertrag oder einen sonstigen, auch unentgeltlichen Überlassungsvertrag das Recht einräumt, die Nutzungen des der Land- und Forstwirtschaft dienenden Vermögens selbst zu ziehen. Solche unentgeltlichen Überlassungsverträge können mit steuerrechtlicher Wirkung auch zwischen Eltern und Kindern geschlossen werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772).
b) Der Grundgedanke der angeführten Rechtsprechung ist, daß die durch betriebliche Nutzung fremden Vermögens erzielten Einkünfte grundsätzlich demjenigen zuzurechnen sind, der sie durch seine unternehmerische Tätigkeit erwirtschaftet hat (vgl. unter dem Gesichtspunkt der Einkunftsquelle die Ausführungen von Ruppe in "Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht", herausgegeben von Tipke, Köln 1978, S. 7 ff., 16, 18, 28). Danach sind auch die Fälle zu beurteilen, in denen Kindesvermögen in Wahrnehmung der elterlichen Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 2 BGB) ertragbringend im väterlichen Betrieb genutzt wird. An die Stelle rechtsgeschäftlicher Überlassung tritt hier das gesetzliche Recht (und die Pflicht) der Eltern, die Vermögensgegenstände in Besitz zu nehmen (vgl. § 1698 Abs. 1 BGB), sie zu verwalten (§§ 1626 Abs. 2, 1638 Abs. 1 BGB) und die Einkünfte des Kindesvermögens in bestimmter Weise zu verwenden (§ 1649 BGB). Diese Nutzungen fallen zunächst als betriebliche Einkünfte im steuerrechtlichen Sinn in dem Gewerbebetrieb des Vaters an, unbeschadet der - seit dem 1. Juli 1958 bestehenden - bürgerlich-rechtlichen Rechtslage, nach welcher die Nutzungen zum Kindesvermögen gehören (vgl. die Kommentare zum BGB, so Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Aufl., Anm. 15 zu § 1626; Soergel-Hermann Lange, Anm. 1 zu § 1649; Palandt, Anm. 1 zu § 1649). Steuerrechtlich fallen sie nicht unmittelbar in das Kindesvermögen. Sie gelangen dorthin - in Erfüllung einer zur außerbetrieblichen Vermögenssphäre des Vaters gehörenden familienrechtlichen Verpflichtung - erst durch Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Vaters, in welchem sie als Einkünfte im steuerrechtlichen Sinn zur Entstehung gekommen waren. Wie die Nutzungen dann nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen verwendet werden müssen oder können - sei es für die Verwaltung des Vermögens oder für den Unterhalt des Kindes (§ 1649 Abs. 1 BGB), sei es für den Unterhalt der Familie (§ 1649 Abs. 2 BGB) oder durch Anlage der Mittel in einer vorgeschriebenen oder sonst dem Kindesinteresse dienenden Form (vgl. § 1642 BGB) -, ist für die steuerrechtliche Frage der Einkünftezurechnung, welche der Verwendungsfrage logisch und rechtssystematisch vorgeht, unerheblich. Der vom FG zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht angeführte Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die für die Einkünftezurechnung maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zwingender Natur sind und deshalb dem bürgerlichen Recht vorgehen.
3. a) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Einkünfte aus der Vermietung des PKW dem Kläger zuzurechnen. Die Verwendung geschah nicht im Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung, sondern durch unternehmerische Tätigkeit des Klägers. Die gewerbliche Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter, die zu einer erhöhten Beanspruchung führt, setzt einen besonderen Geschäftsbetrieb und ständige unternehmerische Leistungen voraus. Die volle Ausnutzung eines einzelnen Fahrzeuges wäre ohne solche betrieblichen Mittel nicht möglich.
b) Dem Begehren des Klägers, die aus der Vermietung des Fahrzeugs seines Sohnes erzielten Erträge bei seiner Gewinnermittlung außer Ansatz zu lassen, kann auch nicht in dem Sinn teilweise stattgegeben werden, daß gewinnmindernd ein geschätztes Nutzungsentgelt anzusetzen sei. Ein solcher Betriebsausgabenabzug käme nur dann in Betracht, wenn im Rahmen des Betriebs mit dem Kind bürgerlich-rechtlich wirksam, klar und eindeutig die entgeltliche Überlassung zur Nutzung vereinbart worden wäre. Zwischen dem Kläger und seinem Sohn lag indes keine Vereinbarung vor. Die Nutzung beruhte, wie der Kläger selbst hervorhebt, ausschließlich auf dem sich aus den angeführten familienrechtlichen Vorschriften ergebenden elterlichen Vermögensverwaltungsrecht. Ein solcher Fall steht daher einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung gleich (vgl. dazu BFH-Urteil IV R 31/69).
Wie der BFH in dem Urteil IV R 31/69 ausgeführt hat, kann bei unentgeltlicher Überlassung eines PKW auf familienrechtlicher Grundlage zur betrieblichen Nutzung der Steuerpflichtige den dadurch entstehenden Wertverzehr nicht als Betriebsausgaben geltend machen. Im Streitfall hat das FA, welches den Kläger als wirtschaftlichen Eigentümer des PKW behandelte, bei der Ermittlung des Gewinns die Absetzung für Abnutzung des PKW offenbar berücksichtigt. Dabei bewendet es, weil eine Änderung des angefochtenen Steuerbescheids zum Nachteil des Klägers nicht in Betracht kommt (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
4. Die Vorentscheidung, die von anderen Erwägungen ausging, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, da wegen der Höhe der dem Kläger zugerechneten Einkünfte keine Einwendungen bestehen. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1979, 40 |
BFHE 1979, 148 |