Leitsatz (amtlich)
Wird das FA von einer GmbH & Co. KG darauf hingewiesen, daß umgehende Abwicklung der Gesellschaftsteuerfestsetzung wegen der wirtschaftlichen Lage der KG geboten sei und nimmt es im Anschluß an eine erste Stellungnahme des Kapitalverkehrsteuerprüfers die gebotenen Festsetzungen nur insoweit vor, als die gesellschaftsteuerrechtlichen Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen unbestritten sind, so handelt es grob pflichtwidrig mit der Folge, daß eine spätere Inanspruchnahme der Gesellschafter als Haftende für die Gesellschaftsteuer aus dem zurückgestellten Fragenkomplex nicht gerechtfertigt ist.
Normenkette
KVStG 1972 § 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Der am 2. September 1979 verstorbene Ehemann der Klägerin hatte sich neben weiteren Kapitalanlegern an der im Jahre 1971 gegründeten N-Gesellschaft mbH & Co. KG (KG) beteiligt, deren persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH war. Die Kommanditisten beteiligten sich an der KG über eine Treuhandgesellschaft; im Innenverhältnis sollten sie jedoch wie ein Kommanditist direkt beteiligt sein. Mlt der Kommanditeinlage hatten die Kommanditisten unverzinsliche Darlehen zu gewähren, die grundsätzlich erst mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig waren. Die Einlagen und Darlehen nebst Agio wurden in den Jahren 1971 bis 1973 entrichtet.
Mit einem Schreiben vom 8. April 1975 hatten die Wirtschaftsprüfer X und Y dem beklagten Finanzamt (FA) die Einzahlungen auf Kapital und Agio im Einzelnen mitgeteilt und darauf hingewiesen, daß die wirtschaftliche Lage der KG sehr angespannt sei, weshalb unverzügliche Abwicklung der Gesellschaftsteuerveranlagung geboten sei. Die Steuerbeträge seien bereits auf Anderkonto eingezahlt worden. Die dem FA erforderlich erscheinende Kapitalverkehrsteuerprüfung begann am 21. April 1975. In ihrem Verlauf wurde ein Berichtsentwurf gefertigt, der X am 2. Mai 1975 übersandt wurde. In Tz. 18 des Berichtsentwurfs vertrat der Prüfer die Auffassung, daß bezüglich der gewährten Darlehen die gesellschaftsteuerrechtlich relevante Leistung in der zinslosen Überlassung zu sehen sei. Er errechnete eine darauf entfallende Gesellschaftsteuer in Höhe von 10 880, 15 DM. Da X Einwendungen gegen die Berechnung des Zinsvorteils erhob, empfahl der Prüfer der zuständigen Kapitalverkehrsteuerstelle, im Hinblick auf die zu erwartende Konkurseröffnung die Gesellschaftsteuer für die Einzahlungen auf Kommanditkapital und Agio umgehend festzusetzen. Mit zwei Bescheiden vom 10. Juni 1975 setzte das FA gegenüber der KG Gesellschaftsteuer einmal für die Einzahlungen auf Kommanditkapital in den Jahren 1972 und 1973 und zum anderen für die Agio-Leistungen in demselben Zeitraum fest. In den Bescheiden war nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Festsetzung von Gesellschaftsteuer wegen der zinslos gewährten Darlehen noch folgen werde. Die festgesetzten Steuern wurden sämtlich bezahlt.
Über das Vermögen der KG wurde am 15. Oktober 1975 das Konkursverfahren eröffnet. Der abschließende Bericht über die Verkehrsteuerprüfung datiert vom 12. November 1975. In ihm vertrat der Prüfer nunmehr die Auffassung, die Darlehensgewährung sei zum Zweck des Erwerbs der Kommanditanteile erfolgt, weshalb auf die gezahlten Darlehensbeträge Gesellschaftsteuer in Höhe von 222 905, 15 DM zu erheben sei.
Mit Haftungsbescheid vom 20. Dezember 1976 zog das FA den Ehemann der Klägerin für die in den Jahren 1972 und 1973 eingezahlten Darlehensbeträge von zusammen 77 000 DM zu einer anteiligen Gesellschaftsteuer von 1 540 DM heran. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage, mit der die Aufhebung des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung begehrt wird, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, des Haftungsbescheids vom 20. Dezember 1976 und der Einspruchsentscheidung vom 8. September 1978.
Die Inanspruchnahme des verstorbenen Ehemanns der Klägerin durch den Haftungsbescheid war nicht gerechtfertigt. Aufgrund der Mitteilung im Schreiben vom 8. April 1975 war das FA gehalten, unverzüglich zu handeln. Soweit es die Einlagen und die Agio-Leistungen betrifft, ist es diesem Gebot auch nachgekommen. Unter den gegebenen Umständen durfte das FA aber nicht die Veranlagung insoweit zurückstellen, als die Frage, ob aus der Gewährung der zinslosen Darlehen gesellschaftsteuerrechtliche Folgerungen zu ziehen seien, noch nicht endgültig geklärt war. Es hätte vielmehr die ihm erkennbaren Folgerungen ziehen, d. h. die Steuer entsprechend dem Vorschlag des Prüfers auch insoweit festsetzen müssen. Hätte es dies getan, so wäre die Geltendmachung der im abschließenden Bericht des Prüfers erwähnten höheren Gesellschaftsteuerforderung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Es ist davon auszugehen, daß dieser relativ geringe Betrag von rd. 10 000 DM von der KG hätte geleistet werden können. Unter diesen besonderen Umständen stellt der Aufschub der Steuerfestsetzung gegenüber der KG zur zeitaufwendigen Abklärung einer Rechtsfrage aufgrund eines unstreitig feststehenden Sachverhalts eine grobe Pflichtverletzung dar, so daß es nicht gerechtfertigt ist, den Ehemann der Klägerin und Gesellschafter der KG als Haftenden in Anspruch zu nehmen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des Senats vom 4. Juli 1979 II R 74/77, BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126).
Fundstellen
Haufe-Index 74500 |
BStBl II 1983, 135 |
BFHE 1982, 88 |