Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nach § 19 Abs. 3 AO 1977 wird das nunmehr zuständig gewordene FA Verfahrensbeteiligter (Hinweis auf Urteil des BFH vom 10. November 1977 V R 67/75, BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310).
2. Gewährt ein Steuerpflichtiger ein Darlehen unter Einbehaltung eines Damnums, so fließen ihm im Jahr der Hingabe des Darlehens Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe des Damnums zu.
Normenkette
AO 1977 § 19 Abs. 3; FGO § 63 Abs. 1, § 122 Abs. 1; EStG § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 11; BerlinFG § 17 Abs. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gewährte einer Wohnungsbau-Kreditanstalt (WBK) im Jahre 1972 ein Darlehen von 50 000 DM, von dem er vereinbarungsgemäß nur 97 v. H. des Nominalbetrags einzahlte, jedoch Anspruch auf Rückzahlung des Nominalbetrags erhielt, und nahm die Vergünstigung nach § 17 Abs. 5 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Anspruch.
Das Finanzamt (FA) A gewährte die Vergünstigung nach dem Nominalbetrag von 50 000 DM, zog jedoch den Unterschiedsbetrag von 1 500 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer heran. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos, ebenso die Klage (Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 229 - EFG 1976, 229 -).
Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, zu deren Begründung er vorträgt: Der Unterschiedsbetrag von 1 500 DM sei kein Ertrag und damit keine Frucht des Geldkapitals. Es handele sich um einen Vorgang in der Vermögenssphäre, der bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unbeachtlich sei. Bei Einzahlungskursen über 100 v. H. müßten andernfalls negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.
Im übrigen sei der Betrag nicht im Jahr der Darlehnsgewährung zugeflossen. Die Deutung in ein Damnum widerspreche dem Parteiwillen. Der Differenzbetrag habe erst bei der Rückzahlung des gesamten Darlehens als verrechnet gelten sollen, so daß sich der Zufluß über die gesamte Laufzeit erstreckt habe.
Auch enge die Besteuerung die Wirkung des Berlinförderungsgesetzes ein.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1972 die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 1 500 DM zu kürzen.
Das FA B beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das FA A hat den Unterschiedsbetrag zwischen dem Nominalbetrag des Darlehens und dem tatsächlich gezahlten Betrag von 1 500 DM zu Recht gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Einkommensteuer herangezogen.
1. Beklagter ist nicht mehr das FA A, sondern das FA B, das seit 1977 als Prozeßbevollmächtigter des FA A aufgetreten ist. Nachdem das FA B nach § 19 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) statt des FA A während des Revisionsverfahrens örtlich zuständig geworden ist, hat sich die räumliche Begrenzung der sachlichen Zuständigkeit geändert, das FA B ist Beklagter geworden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1977 V R 67/75, BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310).
2. In der Sache trifft die Ansicht des Klägers, der Abschlag vom Nominalwert des Darlehens bei der Auszahlung sei ein Vorgang in der Vermögenssphäre und unterliege daher nicht der Einkommensteuer, nicht zu. Die WBK hat dem Kläger den Abschlag nur im Zusammenhang mit der Darlehnshingabe gewährt, so daß die Darlehnshingabe der Rechtsgrund des Abschlags ist. Er ist ein Vorteil, der dem Kläger wegen der Darlehnshingabe neben den ihm zu leistenden Zinsen eingeräumt worden ist und der durch § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ausdrücklich der Einkommensteuer unterworfen wird.
Diese neben der laufenden Verzinsung geleistete zusätzliche Vergütung für die Kapitalnutzung ist grundsätzlich im Jahre der Darlehnshingabe beim Darlehnsnehmer abgeflossen und beim Darlehnsgeber zugeflossen (§ 11 EStG). Eine Verteilung auf die Laufzeit kommt allenfalls bei entsprechenden Vereinbarungen in Betracht (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144). Die Ausführungen des Klägers lassen nicht erkennen, daß derartige Abreden getroffen worden sind.
Die Heranziehung des Damnums zur Einkommensteuer widerspricht ebensowenig dem Zweck der Vergünstigung des § 17 BerlinFG wie die Heranziehung der Zinsen zur Einkommensteuer. Das Gesetz sieht zwar eine Kürzung der Einkommensteuer wegen der Hingabe des Darlehens um einen Vomhundertsatz des Darlehens vor, greift jedoch in die Besteuerung der mit der Darlehnshingabe verbundenen Zinsen und sonstigen Vorteile nicht ein.
Fundstellen
BStBl II 1979, 169 |
BFHE 1979, 292 |