Verlust aus einem Darlehensverzicht

Der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers als sonstige Kapitalforderung wird gemäß § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG mit dem wirksamen Zustandekommen des Darlehensvertrags "begründet".

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach der Rechtsprechung des BFH führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (BFH, Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl. II 2020, 831). Auch der Forderungsverzicht führt in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung im Verzichtszeitpunkt zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG steuerbaren Abtretungsverlust (BFH, Urteil v. 6.8.2019, VIII R 18/16, BStBl. II 2020, 833).

Durch das UntStRefG 2008 wurde in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ein Veräußerungstatbestand neu eingeführt. 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ist für private Darlehens- und Gesellschafterforderungen gemäß § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG nur dann anwendbar, wenn die Forderung nach dem 31.12.2008 angeschafft oder begründet wurde.

Sachverhalt und Streitfrage

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr 2018 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Vertrag vom 1.8.2006 verpachtete die Klägerin der Q Ltd. das ihr gehörende und mit einem Hotelgebäude bebaute Grundstück X-Straße 1 sowie einen Personenkraftwagen. Der Kläger war Director der Q Ltd. mit Sitz in London und Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2011 war der Kläger auch Alleingesellschafter der Q Ltd. Die Q Ltd. wurde im Jahr 2019 aufgelöst und die Zweigniederlassung aufgehoben.

Am 1.1.2008 gewährte die Klägerin der Q Ltd. ein Darlehen über maximal 150.000 EUR, rückzahlbar zum Ende des Vertrags. Die Q Ltd. sollte berechtigt sein, das Darlehen jederzeit bis zur maximalen Höhe abzurufen oder zu tilgen.

Die Zinsen wurden jährlich ermittelt und am Ende des Jahres dem Darlehen zugeschlagen. Rückzahlungen sollten vorrangig auf die Zinsen verrechnet werden. Die Entwicklung des Darlehenskontos ergibt sich aus den Jahreskontoauszügen 2008 bis 2018.

Mit Auflösungsvereinbarung vom 31.12.2018 verzichtete die Klägerin zum 31.12.2018 vollständig auf die Rückzahlung des Darlehens. Das Darlehen valutierte am 31.12.2018 mit 111.865,11 EUR.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2018 machten die Kläger den Darlehensverzicht als der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Verlust in voller Höhe bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen geltend.

Das Finanzamt (FA) erkannte den Verlust aus dem Darlehensverzicht im Einkommensteuerbescheid nicht an. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des Art. 1 des UntStRefG 2008 sei erstmals anwendbar auf Kapitalforderungen, die nach dem 31.12.2008 begründet worden seien. Die Kapitalforderung, auf die die Klägerin verzichtet habe, sei aber mit Abschluss des Darlehensvertrags am 1.1.2008 begründet worden.

Klage vor dem Finanzgericht war erfolgreich

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung der Klage haben sie im Wesentlichen vorgetragen, die Kapitalforderung, auf deren Rückzahlung die Klägerin verzichtet habe, sei erst 2014 entstanden. Bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Q Ltd. handele es sich um ein Kontokorrent. Im Kontokorrent würden die wechselseitigen Forderungen durch Verrechnung erlöschen. Im Jahr 2014 sei es im Kontokorrent zu einer Übertilgung gekommen. Die gesamte danach entstandene Forderung sei deshalb eine neue Forderung, die nicht bereits vor dem 1.1.2009 begründet gewesen sei. Der Verlust aus dem Forderungsverzicht sei daher steuerbar. Er unterliege auch der tariflichen Einkommensteuer, denn die Klägerin sei eine dem Anteilseigner nahestehende Person (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG).

Entscheidung: Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben und die Klage abgewiesen

Das FG hat den Verzicht auf die Darlehensrückzahlung zu Unrecht als steuerbar erachtet. Der Anwendungsbereich des durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten Veräußerungstatbestands in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ist im Streitfall nicht eröffnet. Der BFH führt hierzu u.a. aus:

  • § 52 Abs. 28 Satz 15 und 16 EStG regeln in zeitlicher und sachlicher Hinsicht den Übergang zum neuen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG bestimmt den zeitlichen Anwendungsbereich. Er definiert den Zeitpunkt (nach dem 31.12.2008) und das Ereignis (Zufluss des Kapitalertrags aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen) für die Anwendung des neuen Rechts. Grundsätzlich ist neues Recht anwendbar, wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind.
  • § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG schränkt die Grundregel in sachlicher Hinsicht ein, indem er § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG für unanwendbar ("ist nicht anzuwenden") bei der Veräußerung bestimmter Kapitalforderungen erklärt. Das Kriterium für die Nichtanwendung ist der Zeitpunkt des "erfolgten Erwerbs" der veräußerten Kapitalforderung.
  • Streitig ist allein, ob die Forderung im Sinne von § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG vor dem 1.1.2009 angeschafft oder begründet war.
  • Der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers ist im Sinne des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG mit dem wirksamen Zustandekommen des Darlehensvertrags "begründet".
  • Ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits von einer Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers gesprochen werden kann oder ob eine Rückzahlungsverpflichtung zivilrechtlich erst nach Auszahlung der Darlehenssumme entsteht, bedarf hier keiner Entscheidung.
  • Der Senat legt die Übergangsvorschrift unter Berücksichtigung der bisherigen Interpretation durch den BFH dahin aus, dass es für den sachlichen Anwendungsbereich der Besteuerungsnorm auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist. Das ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da es sich bei dem Darlehensrückzahlungsanspruch um einen vertraglichen Anspruch handelt. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der "Erwerb" des Rückzahlungsanspruchs erfolgt, denn der Darlehensnehmer verpflichtet sich bereits im Darlehensvertrag zur Rückzahlung des Darlehens.
  • Der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der Q Ltd. ist vor dem 1.1.2009 wirksam zustande gekommen ist. Damit ist der Rückzahlungsanspruch der Klägerin als Darlehensgeberin vor dem 1.1.2009 im Sinne des Übergangsrechts "begründet" worden, weil sein Rechtsgrund zu diesem Zeitpunkt gelegt war.
  • Auf dieser Grundlage ist der Anspruch, auf den die Klägerin verzichtet hat, entgegen der Auffassung der Kläger, nicht erst 2014 (neu) entstanden. Der Rechtsgrund für den Anspruch ist der Vertrag vom 1.1.2008.

Hinweis: Da der Rechtsgrund für den Abruf des Darlehensbetrags im Jahr 2014 der vor dem 1.1.2009 abgeschlossene Darlehensvertrag war, war diese Forderung durch den Vertragsabschluss vor dem 1.1.2009 begründet worden und § 20 Abs. 2 Satz Nr. 7 EStG n.F. nicht anwendbar. Ob etwas anderes gelten würde, wenn es sich bei der Darlehensvereinbarung um ein Kontokorrent gehandelt habe, bedurfte keiner Entscheidung. Denn nach Auffassung des BFH handelte es sich im Streitfall nicht um ein Kontokorrent.

BFH, Urteil v. 18.6.2024, VIII R 25/23; veröffentlicht am 8.8.2024

Alle am 8.8.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



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