Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbildungsaufenthalt eines Spanischlehrers in Granada
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines Spanischlehrers für einen Fortbildungsaufenthalt in Granada/Spanien sind nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn neben rein berufsbezogenen Informationen in nicht untergeordnetem Umfang auch solche wirtschaftlichen, kulturellen und allgemeinbildenden Inhalts erworben werden und touristische Interessen befriedigt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Diplom-Handelslehrer und unterrichtet an einem Fachgymnasium u. a. das Fach Spanisch. In der Zeit vom 3. bis 28. Juli 1989 nahm er an einem Kurs für deutsche Spanischlehrer in Granada teil. Dieser Fort bildungsaufenthalt war vom spanischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft in Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Austauschdienst im Sekretariat der Kultusministerkonferenz und der Universität Granada organisiert und durchgeführt worden. Da das Seminar nur zum Teil in die Ferienzeit fiel, erhielt der Kläger zwei Wochen Dienstbefreiung. Kursinhalt bildeten linguistisch-grammatikalische sowie sozio-kulturelle Themen. Die Kursteilnehmer sollten in unmittelbarem Kontakt mit der Bevölkerung authentisches Material sammeln und dieses in Form von kleineren Aufgabenstellungen und Projekten didaktisch und methodisch aufarbeiten und am Ende des Kurses präsentieren. Deshalb war Bestandteil des Kurses die Aktualisierung und Erweiterung der landeskundlichen Kenntnisse durch Ausflüge und kulturelle Veranstaltungen. Die Kursteilnehmer sollten in den Stand versetzt werden, ihre Projekterfahrung, erweiterte Sprachkompetenz sowie ihr landeskundliches Wissen im Unterricht den deutschen Schülern zu vermitteln sowie an Fachkollegen, bei Schulveranstaltungen sowie im Rahmen der Lehrerfortbildung weiterzugeben. Vor Kursbeginn war den Teilnehmern vom Veranstalter mitgeteilt worden, daß eine hohe Eigeninitiative vorausgesetzt werde, kaum Zeit für Tourismus bleibe und daher dringend gebeten werde, keinen Familienangehörigen mitzubringen.
Nach dem vorgelegten Programm gestaltete sich der wöchentliche Kursablauf jeweils von Montag bis Freitag in etwa wie folgt:
9.00--10.00 Uhr Konversationsübungen bzw. Arbeit mit geschriebenen Texten,
10.00--11.00 Uhr syntaktische Probleme der spanischen Sprache,
11.30--12.30 Uhr Befassung mit politischen, wirtschaftlichen, geographischen oder kulturellen Themen,
13.00--14.30 Uhr Besuche von öffentlichen Einrichtungen, Museen usw.,
18.00--21.00 Uhr Kleingruppenarbeit unter Leitung einer Mentorin zum Thema "Das Leben auf dem Lande" mit dem Besuch eines Dorfes, Diskussion mit dem Gemeinderat usw.
Für das Kursprogramm in der Zeit zwischen 13.00--14.30 Uhr waren insbesondere vorgesehen Besuche des Stadtrates und des Rathauses, der Provinzverwaltung, des Justiz palastes, der Industrie- und Handelskammer, eines Gutshofs, des archäologischen Museums, eines Zeitungsverlages sowie eine Führung durch die Kathedrale. Im Anschluß an das Seminar erstattete der Kläger dem Pädagogischen Austauschdienst einen Erfahrungsbericht. Darin bemängelte er, daß das Programm nicht wie angekündigt durchgeführt worden sei, insbesondere geplante Besuche bei öffentlichen Einrichtungen nicht stattgefunden hätten. Die wenigen angekündigten Exkursionen seien als "touristisches Beiwerk" gestrichen worden.
Die Aufwendungen für die Reise sowie für Arbeitsmittel (u. a. Dia-Filme) machten die Kläger bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 1989 als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) unter Hinweis auf § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit folgenden Gründen statt:
Unter Würdigung aller Umstände des Kursinhaltes und der tatsächlichen Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen sei ein unmittelbarer beruflicher Anlaß der Reise zu bejahen; das Veranstaltungsprogramm sei auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse und Gegebenheiten der Teilnehmer, Lehrer der spanischen Sprache, zugeschnitten gewesen; ein nennenswerter persönlicher Erlebniswert gegenüber der beruflichen Veranlassung habe nicht festgestellt werden können. Durch die behördliche Organisation und Durchführung des Seminars unterscheide sich die hier zu beurteilende Studienreise erheblich von den sonst von Sprachlehrern unternommenen Auslandsstudienreisen, die in aller Regel nicht nur der beruflichen Fortbildung dienten, sondern auch im Interesse an allgemeiner Information oder im Hinblick auf touristische Erlebnisse unternommen würden.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 sowie § 12 Nr. 1 EStG und begehrt die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage.
Die Kläger treten der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Für den Abzug der Kosten eines im Ausland durchgeführten Fremdsprachenkurses als Werbungskosten oder Betriebsausgaben ist maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen beruflichen Gegebenheiten veranlaßt sind und ob nach Programm und tatsächlicher Durchführung des Sprachkurses die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. Juli 1980 IV R 153/79, BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746; vom 15. Juli 1994 VI R 69/93, BFH/NV 1995, 26, und vom 22. Juli 1993 VI R 103/92, BFHE 171, 552, BStBl II 1993, 787). Die Entscheidung, ob berufs- oder betriebsbedingte Aufwendungen vorliegen und die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist, ist aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffen.
Die im Streitfall unternommene Reise war zwar beruflich veranlaßt. Dabei war aber die Befriedigung privater Interessen entgegen der Wertung durch die Vorinstanz nicht von untergeordneter Bedeutung.
Für die berufliche Veranlassung spricht vorliegend zum einen der homogene Teilnehmerkreis. An dem Sprachkurs haben ausschließlich deutsche Lehrer mit dem Fremdsprachenfach "Spanisch" teilgenommen. Teilnahmevoraussetzung war, daß die Lehrer voll ausgebildet und unterrichtserfahren waren und daß sie neben der Unterrichtserteilung im Fach Spanisch noch die Lehrbefugnis für den Unterricht von einem oder zwei weiteren Fächern, z. B. Geographie, Geschichte, Sozialkunde, Französisch, Kunst usw., hatten.
Unmittelbar beruflich veranlaßt war auch der arbeitstäglich von 9.00--11.00 Uhr dauernde zweistündige reine Sprachlehrgang. Das Auffrischen, Vertiefen und Erweitern der Sprachkenntnisse ist bei einem Fremdsprachenlehrer nicht etwa dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Wie der Senat im Urteil in BFH/NV 1995, 26 ausgeführt hat, dienen vertiefte Sprachkenntnisse bei einem Fremdsprachenlehrer dazu, den Beruf kompetent und optimal ausüben zu können.
Die im Anschluß an den reinen Sprachkurs arbeitstäglich abgehaltenen Unterrichtsstunden mit politischen, wirtschaftlichen, geographischen oder kulturellen Themen waren aber nicht ausschließlich unmittelbar berufsbezogen. Wenn auch die Vermittlung derartiger Kenntnisse über das entsprechende Land an die Schüler zum Aufgabenbereich des Fremdsprachenlehrers gehört, so kann doch nicht unbeachtet bleiben, daß die abgehandelten Themen auch dem allgemeinen Informationsbedürfnis des Klägers an wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten Spaniens dienten. Dies gilt auch für die in der Zeit von 18.00--21.00 Uhr arbeitstäglich unter Anleitung eines spanischen Mentors durchgeführte Kleingruppenarbeit über das Thema "Leben auf dem Lande". Zur Vertiefung und Vorbereitung dieser Kleingruppenarbeit hatten die Teilnehmer durch Fahrten in die umliegenden Dörfer Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufgenommen. Derartige Kontakte waren geeignet, ein allgemeines touristisches Interesse der Teilnehmer zu befriedigen.
Auch die in der Zeit von 13.00--14.30 Uhr vorgesehenen, zum Teil allerdings ausgefallenen Besuche von öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Stadtrat, Rathaus, Provinzverwaltung, Industrie- und Handelskammer, waren als Ergänzung der zuvor abgehandelten politischen und wirtschaftlichen Themen nicht ausschließlich unmittelbar berufsbezogen, sondern sie dienten zugleich auch der privaten Wissenserweiterung.
Wenn man weiter berücksichtigt, daß der Lehrgang in einer Stadt von ausgeprägter touristischer Attraktivität stattfand, über die sich der Kläger in seinem Reisebericht selbst dahingehend geäußert hat, daß "Granada und seine nähere Umgebung touristisch, kulturell und geographisch viel zu bieten habe", so verstieß die Wertung des FG insgesamt gegen die Grundsätze der oben genannten BFH-Rechtsprechung. Die Vorentscheidung konnte daher keinen Bestand haben und die Klage mußte abgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 66004 |
BFH/NV 1997, 470 |
DStRE 1998, 254 |