Umsatzsteuerpflicht für Schwimmunterricht
Hintergrund: Kinder-Schwimmschule
Der BFH hatte zu entscheiden, ob der Betrieb einer Schwimmschule nach Unionsrecht steuerbefreit ist.
Eine GbR führte im Wesentlichen Schwimmkurse für Kinder durch, die von den Kursteilnehmern oder deren Eltern vergütet wurden. In einem Grundkurs wurden Kindern ab vier Jahren die Grundlagen vermittelt. In weiterführenden Kursen wurden die erlernten Fähigkeiten vertieft. Die GbR sah ihre Leistungen als steuerfrei an.
Das FA vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 oder Nr. 22 UStG lägen nicht vor.
Das FG gab der Klage statt. Die Leistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Bei der Vermittlung grundlegender Schwimmtechniken handele es sich um Schulunterricht.
Hiergegen legte das FA Revision ein. Die Leistungen seien auch nach dem Unionsrecht nicht steuerfrei, da die GbR keine Privatlehrerin sei.
Der BFH hatte das Verfahren ausgesetzt und die Problematik nach § 267 AEUV dem EuGH vorgelegt (BFH v. 27.3.2019, V R 32/18, BStBl II 2019, 457).
Hierauf hat der EuGH geantwortet, der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL erfasse nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht (EuGH Dubrovin & Tröger - Aquatics v. 21.10.2021, C-373/19, BFH/NV 2021, 1629). Nach Ergehen dieses EuGH-Urteils konnte der BFH nunmehr über die Revision des FA entscheiden.
Entscheidung: Die Erlernung elementarer Grundfähigkeiten genügt nicht
Der BFH hält aufgrund der sich aus dem EuGH-Urteil ergebenden Bindungswirkung an seiner bisherigen Auffassung nicht fest. Er hob das stattgebende FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Der GbR steht die unionsrechtliche Steuerfreiheit nicht zu.
Keine Steuerfreiheit nach nationalem Recht (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG)
Danach kommt eine Steuerfreiheit für eine Schwimmschule in Betracht, wenn sie mit ihren Kursen auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Dies ist zwar grundsätzlich auch bei Schwimmprüfungen denkbar. Im Streitfall lagen aber keine derartigen Prüfungen vor. Auf die Frage, ob eine "Schwimmschule" als allgemeinbildende Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG anzusehen sein kann, kommt es daher nicht an.
Keine Anwendung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG
Dafür fehlt es der GbR bereits an der vorausgesetzten unternehmerbezogenen Voraussetzung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, einer Volkshochschule oder einer Einrichtung, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dient.
Auch keine Befreiung nach Unionsrecht
Entgegen der bisherigen (und nunmehr aufgegebenen) Rechtsprechung des BFH kann sich die Klägerin nicht auf eine unionsrechtlich abgeleitete Steuerfreiheit berufen.
Bisherige Auffassung des BFH
Der BFH hatte bisher vertreten, dass Schwimmunterricht als von Privatlehrern erteilter Schulunterricht steuerfrei sein kann. Er hatte dies damit begründet, dass der nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von Privatlehrern steuerfrei erteilte Schul- und Hochschulunterricht insbesondere das Kleinkindschwimmen umfasst. An der Erlernung des Schwimmens zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse und zum anderen werde das Schwimmen auch in öffentlichen Schulen unterrichtet (BFH v. 5.6.2014, V R 19/13, BFH/NV 2014, 1687). Ob hieran festzuhalten ist, war aufgrund des EuGH-Urteils A & G Fahrschul-Akademie vom 14.3.2019, C-449/17 (EU:C:2019:202, BFH/NV 2019, 511) zweifelhaft geworden. Aus diesem Grund richtete der BFH das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (BFH v. 27.3.2019, V R 32/18, BStBl II 2019, 457).
Urteil des EuGH Dubrovin & Tröger
In dem Urteil Dubrovin & Tröger entschied der EuGH, dass der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst. Der EuGH begründet dies damit, dass der Schwimmunterricht ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht ist, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt. Der EuGH weist damit den vom BFH in dem Vorlagebeschluss besonders hervorgehobenen Aspekt als unbeachtlich zurück, der Schwimmunterricht diene der Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit, über die jeder Mensch (insbesondere zur Bewältigung von Notsituationen beim Kontakt mit Gewässern) verfügen sollte.
Änderung der Rechtsprechung
Im Hinblick auf die eindeutige Aussage des EuGH hält der BFH an seiner bisherigen Auffassung nicht fest.
Hinweis: Parallele zu Ballett- und Tanzunterricht
Der EuGH verlangt für das Vorliegen von Schul- und Hochschulunterricht die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen. Ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht genügt nicht, auch wenn er im Allgemeininteresse liegt (EuGH-Urt. Dubrovin & Tröger, Rz 31). Insoweit erscheint es fraglich, ob an dem BFH-Urteil zur Befreiung von Ballett- und Tanzunterricht festzuhalten ist (BFH v. 24.1.2008, V R 3/05, BStBl II 2012, 267). Der BFH hat derartige Unterrichtsleistungen selbst dann als steuerfrei angesehen, wenn nur sehr wenige Schüler (rund 2 %) eine weitere Berufsausbildung anstrebten. Denn derartige Kurse ermöglichten es, die vermittelten Fähigkeiten später durch Vertiefung und Fortentwicklung beruflich zu nutzen. Ob hieran im Hinblick auf das Erfordernis der Vermittlung eines breiten und vielfältigen Spektrums von Stoffen (so der EuGH im Urt. Dubrovin & Tröger) weiter festzuhalten ist, ließ der BFH ausdrücklich offen. Denn im Streitfall fehlte es jedenfalls an Kursteilnehmern, die die Schwimmkurse für eine spätere Berufstätigkeit, z.B. als Schwimmlehrer, besuchten.
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