Aufhebung einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 GrEStG ist bei der Aufhebung einer Wohnungseigentümergemeinschaft unter Bildung von Miteigentum nicht entsprechend anwendbar.

Blick in das Gesetz

Bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, unterliegt sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 5 GrEStG).

Wird ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von den Miteigentümern flächenweise geteilt, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist (§ 7 Abs. 1 GrEStG).

Rechtsfrage

Stellt die Auflösung von bestehenden Wohneinheiten mit anschließender Umwandlung in Miteigentumsanteile, die Angleichung dieser Miteigentumsanteile und die flächenmäßige Neuaufteilung in eine entstehende Wohnungseigentümergemeinschaft einen Tausch i. S. des § 1 Abs. 5 GrEStG dar?

Sachverhalt: Mehrfacher Rechtsträgerwechsel bei der Auflösung und Umstrukturierung einer Wohneigentümergemeinschaft

Der Kläger und die A Bank bildeten 2 Wohnungseigentümergemeinschaften in Bezug auf ein Eckhaus. In dem Gebäude befanden sich eine Bankfiliale und mehrere Wohnungen. Es stand auf 2 Grundstücken. Die hinsichtlich des Flurstücks 1 begründete Wohnungseigentümergemeinschaft 1 (W 1) bestand aus 3 Einheiten des Wohnungs- oder Teileigentums, von denen eine – verbunden mit einem Anteil von 600/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum – der A Bank und zwei – verbunden mit einem Anteil von jeweils 200/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum – dem Kläger zugeordnet waren. Die hinsichtlich der Flurstücke 2 bis 7 begründete Wohnungseigentümergemeinschaft 2 (W 2) bestand aus 10 Einheiten des Wohnungs- oder Teileigentums, von denen eine Einheit zusammen mit einem Anteil von 163/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum der A Bank und 9 Einheiten zusammen mit Anteilen von insgesamt 837/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum dem Kläger gehörten.

Mit Notarvertrag vom 16.12.2016 trafen der Kläger und die A Bank im Wesentlichen folgende Vereinbarung:

  • Die W 1 und 2 wurden mit der Folge aufgehoben, dass an dem Flurstück 1 die A Bank zu 600/1000 und der Kläger zu 400/1000, an den Flurstücken 2 bis 7 die A Bank zu 163/1000 und der Kläger zu 837/1000 beteiligt waren (Teil B des Vertrags).
  • Die A Bank veräußerte ihre Miteigentumsanteile an den Flurstücken 2, 5 und 7 zum Preis von 5.000 EUR an den Kläger (Teil C des Vertrags).
  • Um gleiche Beteiligungen (A Bank: 400/1000, Kläger: 600/1000) an beiden Grundstücken zu erreichen, übertrug die A Bank 200/1000 ihres Miteigentums am Flurstück 1 auf den Kläger. Dieser übertrug 237/1000 seines Miteigentums an den Flurstücken 3, 4 und 6 gegen Zahlung eines Kaufpreises von 222.000 EUR auf die A Bank (Teil D des Vertrags).
  • Sodann vereinigten die Vertragsparteien die Flurstücke 1, 3, 4 und 6 nach § 890 Abs. 1 BGB zu einem Grundstück. Sie begründeten Wohnungs- und Teileigentum gemäß § 3 WEG der im Jahr 2016 geltenden Fassung (WEG a. F.). Dabei wurde der A Bank Teileigentum an einer Einheit mit einem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum von 400/1000 zugeordnet. Der Kläger erhielt neben Teileigentum an einer Einheit Wohnungseigentum an 9 Einheiten mit Miteigentumsanteilen von insgesamt 600/1000 (Teil E und Anlage 3 des Vertrags).
  • Der Kläger und die A Bank gingen in dem Vertrag von einem Verkehrswert des Gesamtobjekts, d. h. beider Grundstücke, von 1.445.000 EUR aus. Davon sollten 965.000 EUR auf das Eigentum des Klägers und 480.000 EUR auf das Eigentum der A Bank entfallen.

Das Finanzamt (FA) setzte unter Zugrundelegung der Wertermittlungen im Notarvertrag mit mehreren Bescheiden Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Den Teil B des Vertrags beurteilte es als Tausch von Miteigentumsanteilen an den Einheiten des Sondereigentums. Für den Erwerb nach Teil C des Vertrags setzte es ebenfalls Grunderwerbsteuer fest. Den Teil D des Vertrags beurteilte es als Tausch von Miteigentumsanteilen mit Zuzahlung und setzte Grunderwerbsteuer fest. Auch den Teil E des Vertrags behandelte es als Tausch von Miteigentumsanteilen. Unter Heranziehung von § 7 Abs. 1 GrEStG kürzte es die Bemessungsgrundlage um 60 %.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision rügt der Kläger die isolierte Betrachtung der einzelnen Vertragsteile. Bei den Befreiungsvorschriften bestehe eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung auf den Streitfall rechtfertige. Die Bereinigung einer verworrenen Miteigentümerstruktur sei vom Gesetzgeber nicht als regelungsbedürftiger Fall erkannt worden. Nach dessen Vorstellung solle die Grunderwerbsteuer nur die sich im Erwerbsvorgang offenbarende Leistungsfähigkeit erfassen. Durch die Neuordnung der Miteigentumsanteile sei der Kläger aber nicht leistungsfähiger geworden.

Entscheidung: BFH hebt Entscheidung des FG auf und verweist zurück

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Der BFH hat im Einzelnen folgende Entscheidung getroffen:

Vertragsteil B

Im Hinblick auf diesen Vertragsteil ist das FG zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Erwerb des Klägers als Tausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 GrEStG steuerbar und die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 GrEStG nicht analog anzuwenden ist. Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG hat es aber den gemeinen Wert der Einheiten des Sondereigentums des Klägers unzutreffend ermittelt.

  • Wird eine Wohnungseigentümergemeinschaft aufgehoben, erlischt das Sondereigentum. Es entsteht Miteigentum an den Einheiten des Sondereigentums, so dass jeder Gemeinschafter Miteigentum an den Wohnungen und dem Teileigentum der übrigen Gemeinschafter erwirbt. Hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums tritt durch die Aufhebung der Gemeinschaft keine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ein. Der Erwerb des Miteigentums an den Einheiten des Sondereigentums der übrigen Gemeinschafter bewirkt einen Rechtsträgerwechsel und unterliegt damit grundsätzlich der Grunderwerbsteuer.
  • Wie das FG zu Recht entschieden hat, ist § 7 Abs. 1 GrEStG nicht erweiternd auf den Tauschvorgang bei der Aufhebung einer Wohnungseigentümergemeinschaft unter Bildung von Miteigentum anzuwenden. Denn eine erweiternde Auslegung der Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 GrEStG bei der Besteuerung der Aufhebung von Wohnungs- und Teileigentum sowie Bildung von Miteigentum an dem Grundstück als Tauschgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 GrEStG nicht in Betracht, da keine Regelungslücke vorliegt.
  • Eine flächenweise Teilung i. S. d. § 7 Abs. 1 GrEStG kann auch dann gegeben sein, wenn das Miteigentum an einem Grundstück in der Weise beschränkt wird, dass jedem Miteigentümer Sondereigentum nach dem WEG eingeräumt wird. Anders als in einem solchen Fall kommt für den umgekehrten Vorgang der Aufhebung von Wohnungs- und Teileigentum und Bildung von Miteigentum eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 1 GrEStG nicht in Betracht. Grund hierfür ist, dass es zu einer abweichenden Zuordnung der Flächen kommt, die bislang im Sondereigentum standen und nun den Miteigentümern gemeinsam gehören.

Vertragsteil D

Bezüglich dieses Vertragsteils D hat das FG zutreffend entschieden, dass der Erwerb von Miteigentumsanteilen durch den Kläger von der A Bank gegen Übertragung seiner Miteigentumsanteile und Zahlung der A Bank in Höhe von 222.000 EUR grunderwerbsteuerrechtlich als Tausch von Miteigentumsanteilen mit Zuzahlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 GrEStG steuerbar ist. Jedoch hat es den vom FA bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG unzutreffend ermittelten gemeinen Wert der hingegebenen Miteigentumsanteile seiner Entscheidung zugrunde gelegt, so dass das Urteil (auch) aus diesem Grund aufzuheben ist.

Vertragsteil E

Auch im Hinblick auf diesen Vertragsteil, in dem das Miteigentum in Wohnungs- und Teileigentum und neue Miteigentumsanteile am gemeinschaftlichen Eigentum nach § 3 WEG a. F. aufgeteilt und dem Kläger und der A Bank zugeordnet worden ist, hat das FA bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer nach § 8 Abs. 1 GrEStG den Wert des Grundbesitzes fehlerhaft ermittelt. Darüber hinaus hat es § 7 Abs. 1 GrEStG unzutreffend angewandt. Das FG hat diese fehlerhafte Berechnung seinem Urteil zugrunde gelegt, so dass es aufzuheben ist.

Hinweise an das FG für den zweiten Rechtsgang

Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG für den Tausch des Sondereigentums in Miteigentum (Vertragsteil B) hat das FA den gemeinen Wert der Einheiten des Sondereigentums des Klägers unzutreffend ermittelt. Das FG ist dem gefolgt und hat zu den wertbegründenden Eigenschaften der Einheiten des Sondereigentums keine Feststellungen getroffen, sondern wie das FA die Angaben der Vertragsparteien bezüglich des Verkehrswerts des Gesamtobjekts in Höhe von 1.445.000 EUR und dessen Aufteilung auf den Kläger und die A Bank entsprechend deren Beteiligung vor der Aufhebung der W 1 und 2 seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass die von dem Kläger gegen das Miteigentum eingetauschten Einheiten des Sonder- und Gemeinschaftseigentums einen höheren oder niedrigeren Wert haben können. Darin liegt ein Verstoß gegen § 9 BewG.

Das FG hat es zudem versäumt, die für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG notwendigen Feststellungen zur Ermittlung des gemeinen Werts der hingegebenen Miteigentumsanteile zu treffen (Vertragsteil D). Der Annahme des FA, die vom FG im Urteil übernommen wurde, dass der von den Parteien im Vertrag vom 16.12.2016 angegebene Verkehrswert des Gesamtobjekts in Höhe von 1.445.000 EUR zu 40 % dem Flurstück 1 und zu 60 % den Flurstücken 3, 4 und 6 zuzurechnen sei, kann nicht gefolgt werden. Denn diese Annahme führt zu einem erheblichen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung.

Auch im Hinblick auf den Vertragsteil E hat es das FG versäumt, die für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG notwendigen Feststellungen zur Ermittlung des gemeinen Werts des vom Kläger hinzugebenden Miteigentumsanteils zu treffen. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der von den Vertragsparteien angenommene Gesamtwert des Grundbesitzes in Höhe von 1.445.000 EUR angemessen ist. Darüber hinaus hat das FG übersehen, dass das FA – bei Zugrundelegung der von ihm festgestellten Werte – zu Unrecht die Bemessungsgrundlage der Steuer nach § 7 Abs. 1 GrEStG um 60 % anstatt 100 % gekürzt hat.

BFH, Urteil v. 31.7.2024, II R 30/21; veröffentlicht am 5.12.2024

Alle am 5.12.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Grunderwerbsteuer, Steuerbefreiung, WEG