BGH: Steuerberaterhaftung wegen Beihilfe zum Anlagebetrug

Wer als Steuerberater ein betrügerisches Schneeballsystem durch seine berufliche Tätigkeit unterstützt, kann sich schadensersatzpflichtig machen. Dafür genügt es nach Ansicht des BGH, wenn der Berater es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass die Geschäftstätigkeit auf Betrug angelegt ist und er dies billigend in Kauf nimmt.

In dem vom BGH entschiedenen Fall war eine Steuerberaterin seit 2011 für ein Unternehmen tätig, das angeblich elektronische Datenspeicher (Storagesysteme) an Anleger verkaufte und dann von diesen zurückmietete. Die Systeme sollten dann an gewerbliche und staatliche Nutzer weitervermietet werden. Den Anlegern wurden Renditen von 8 bis 12 Prozent versprochen.

Geschädigte Anleger verlangen Schadensersatz

Tatsächlich existierten die Speichermedien nicht. Das Unternehmen betrieb ein Schneeballsystem, bei dem die Zahlungen an Altanleger aus den Einlagen der Neuanleger finanziert wurden.

Nach einer Selbstanzeige des Haupttäters wurde das System 2017 aufgedeckt. Die Steuerberaterin wurde wegen Beihilfe zum Betrug zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Geschädigte Anleger verlangen nun Schadensersatz von ihr.

Im Zivilprozess stritt die Steuerberaterin ab, von dem Schneeballsystem Kenntnis gehabt zu haben. Sie behauptete, das Geständnis im Strafprozess nur abgelegt zu haben, um einer Haftstrafe zu entgehen. Die Vorinstanzen glaubten ihr und wiese die Klagen ab.

Beihilfe auch ohne positive Kenntnis möglich

Die Revision zum BGH war allerdings erfolgreich, sodass eine andere Strafkammer des Oberlandesgerichts nun erneut auf Grundlage des BGH-Urteils eine Entscheidung treffen muss.

Zwar habe die Steuerberaterin und Buchhalterin nur berufstypische "neutrale" Handlungen vorgenommen. Diese können aber eine strafbare Beihilfe darstellen.

Für die Haftung ist nach dem BGH-Urteil nicht erforderlich, dass die Steuerberaterin positiv wusste, dass es sich um ein betrügerisches Schneeballsystem handelte. Es reiche aus, wenn sie dies für sehr wahrscheinlich oder zumindest überwiegend wahrscheinlich hielt und trotzdem weitermachte. Dabei sei eine lediglich isolierte Würdigung der einzelnen Beweisindizien ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft der Beklagten sprechenden Umstände rechtsfehlerhaft. Die Vorinstanz habe die Beweisergebnisse nicht in der erforderlichen Gesamtschau umfassend gewürdigt.

Zahlreiche Indizien

Zahlreiche Indizien sprachen dafür, dass sich der Verdacht für die Steuerberaterin aufgedrängt haben musste:

  • Die Zahlungsströme waren typisch für ein Schneeballsystem. Der laufende Liquiditätsbedarf konnte nur aus Geldern von Neuanlegern gedeckt werden.
  • Der Haupttäter sagte aus, das System sei nach der Beanstandung durch die BaFin "recht offensichtlich" gewesen. Die Steuerberaterin habe den fingierten "abgekürzten Zahlungsweg" ohne Weiteres akzeptiert.
  • Die angeblichen Nutzungsentgelte für die Speichersysteme erreichten das Unternehmen nie. Trotzdem veranlasste die Steuerberaterin Barauszahlungen in Millionenhöhe.
  • Eine Buchhalterin bemerkte nach wenigen Monaten zahlreiche Ungereimtheiten (keine Aufzeichnungen über Standorte der Geräte, keine Informationen über Lieferanten und Kunden, keine Zahlungseingänge). Als sie die Steuerberaterin auf fast identische Rechnungen verschiedener Unternehmen hinwies, sagte diese nur "Vergessen Sie's!".

Hinweis: Beihilfe zum Betrug

Für eine Beihilfe zum Betrug muss die Hilfeleistung die Tat nur fördern oder erleichtern. Der Gehilfe muss nicht alle Einzelheiten kennen, sondern nur die zentralen Merkmale der Haupttat. Auch berufstypische "neutrale" Handlungen können eine strafbare Beihilfe sein.

Weiß der Gehilfe, dass der Haupttäter ausschließlich eine Straftat begehen will, ist sein Beitrag stets als Beihilfe zu werten. Hält er es nur für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, liegt eine Beihilfe vor, wenn das erkannte Risiko strafbaren Verhaltens derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.

BGH, Urteil v. 7.11.2024, III ZR 79/23


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