Freiberufliche Einkünfte einer Mitunternehmerschaft

Bei Zusammenschlüssen von Freiberuflern werden intern die Aufgaben auf die einzelnen Gesellschafter verteilt. Eine freiberufliche Tätigkeit liegt gleichwohl vor, wenn jeder Gesellschafter über die persönlichen Berufsqualifikationen verfügt und eine freiberufliche Tätigkeit – wenngleich auch in einem nur sehr geringen Maße – tatsächlich ausübt.

Grundsätzliches

In der Beratungspraxis kommt der Abgrenzung zwischen gewerblichen Einkünften und Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit u.a. wegen der eventuellen Gewerbesteuerpflicht eine große Bedeutung zu.

Gewerbliche Einkünfte werden nur dann erzielt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Ob eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt, richtet sich nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen folgenden freiberuflichen Tätigkeiten:

Fallgruppe 1 (bestimmte Berufsausübung): Selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit.

Fallgruppe 2 (Katalogberufe): Die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen.

Fallgruppe 3 (ähnliche Berufe): Die selbständige Berufstätigkeit der den Katalogberufen ähnlichen Berufe.

Ein Angehöriger eines freien Berufs ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Eine Personengesellschaft kann nicht selbst die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit erfüllen. Vielmehr müssen alle Gesellschafter der Personengesellschaft die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen, um eine Freiberuflichkeit der Personengesellschaft zu begründen (tätigkeitsbezogene Betrachtung). Jeder Gesellschafter muss mithin

  • über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und
  • eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten.

Vom BFH zu klärende Frage

Der BFH hatte zu klären, ob die Ausübung einer nur geringfügigen freiberuflichen Tätigkeit innerhalb einer Personengesellschaft schädlich für die Qualifikation zugunsten von freiberuflichen Einkünften ist.

Sachverhalt: Zahnarztgemeinschaft mit einem Arzt, der nur ganz geringfügig am Patienten tätig wird

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Die Klägerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft, die aus sieben approbierten Zahnärzten besteht.
  • An der Partnerschaftsgesellschaft ist auch Dr. AM beteiligt. Neben seiner Tätigkeit für die Klägerin war Dr. AM im Streitjahr auch Gesellschafter-Geschäftsführer der G-GmbH, deren Geschäftszweck der Automobil-Handel ist.
  • Im Streitjahr 2010 beschäftigte die Klägerin neben den Partnern fünf weitere Zahnärzte und erzielte Umsatzerlöse, zu denen Dr. AM einen Umsatz i.H.v. 0,028 % beitrug. Daraus folgt, dass Dr. AM fast keine eigenen unmittelbaren Behandlungsleistungen am Patienten erbrachte.
  • Als Seniorpartner erzielt Dr. AM einen Vorabgewinn von 15 %. Die Honorierung erfolgte für die Übernahme der Organisationsarbeiten der Praxis, damit sich die anderen Partner auf die Betreuung der Patienten am Stuhl fokussieren konnten.
  • Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.3.2011 beschlossen die Partner der Kl. mehrheitlich Folgendes: „Die Gesellschafter sind übereingekommen, dass der seit Gründung der Gesellschaft unterdurchschnittliche Beitrag des Gesellschafters Dr. AM zur gemeinsamen Berufsausübung dem Gesellschaftszweck widerspricht. ... Der Gesellschafter Dr. AM wird aufgefordert, entsprechend dem in § 1 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags definierten Gesellschaftszwecks einer „gemeinsamen Berufsausübung“ mit dem 1.4.2011 wieder am Sitz der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Erbringung zahnärztlicher Leistungen bereitzustellen“.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Partnerschaftsgesellschaft erziele gewerbliche Einkünfte.

FG Rheinland-Pfalz: Gewerbliche Einkünfte liegen vor

Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 16.9.2021, 4 K 1270/19, EFG 2022, 490) erzielt die Partnerschaftsgesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte. Dies begründete sich daraus, dass ein Mitunternehmer nur in geringem Umfang eigene originär freiberufliche (Zahnarzt-)Leistungen an Patienten erbrachte und durch diese gewerbliche Tätigkeit eines Einzelnen sämtliche Einkünfte der Partnerschaftsgesellschaft gewerblich sind.

Entscheidung: Praxisgemeinschaften erzielt weiterhin freiberufliche Einkünfte

Der BFH schloss sich der Auffassung der Vorinstanz nicht an und hielt die Revision für begründet.

  • Sämtliche Gesellschafter der Personengesellschaft erfüllten die Voraussetzung für eine freiberufliche Tätigkeit, weil sie als Zahnärzte über die persönliche Berufsqualifikation verfügten.
  • Sämtliche Zahnärzte übten persönlich auch eine freiberufliche Tätigkeit aus. Bei Mit- und Zusammenarbeit im Rahmen einer Mitunternehmerschaft muss der jeweilige Mitunternehmer selbst nicht persönlich an jedem Auftrag leitend und eigenverantwortlich mitwirken. Es genügt, wenn der einzelne Mitunternehmer die berufstypische freiberufliche Tätigkeit zumindest in geringem Umfang leitend und eigenverantwortlich ausübt.
  • Die berufstypische Tätigkeit ist bei einem (Zahn-)Arzt durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt (Rz. 25).
  • Diese patientenbezogene Betrachtung schließt eine freiberufliche Tätigkeit nicht aus, wenn gerade bei größeren Zusammenschlüssen von Berufsträgern neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit am Patienten vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Gesellschaft erbracht werden (Rz. 25).
  • Die nachweisliche konsiliarische Beratung von fünf Patienten durch Dr. AM verbunden mit geringfügigem Umfang auch eine behandelnde Tätigkeit reichte für die Erbringung von berufstypischen Tätigkeiten und für die Begründung seiner freiberuflichen Tätigkeit aus (Rz. 28).

Praxisfolgen

Die Rezensionsentscheidung sorgt für Klarheit bei der Abgrenzung von gewerblichen und freiberuflichen Einkünften in den Fällen der Personenzusammenschlüsse – und zwar über den Entscheidungsfall hinaus auch für Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten, Steuerberatern und weiteren Katalogberufen.

Es ging nur um die Frage, ob durch die fast ausschließliche administrative und organisatorische Tätigkeit eines Mitunternehmers seine tatsächliche steuerliche freiberufliche Tätigkeit verloren geht und damit die Gesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt. Der BFH hat dies vereint, weil eine äußerst geringfügige berufstypische Tätigkeit am Patienten (hier: 5 Patienten im Jahr) ausreichend für die Erfüllung einer Katalogberufstätigkeit sei. Sofern jedoch ausschließlich administrative und organisatorische Tätigkeiten erbracht würden, löse dies – außer bei Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze – eine Gewerblichkeit aus. Diese Prüfung hat je Veranlagungsjahr zu erfolgen; Beweisvorkehrungen sind zu treffen.

Die spitzfindige Entscheidung des BFH wird von den Personenzusammenschlüssen sicherlich begrüßt. Sie könnte aber auch als Überbordung angesehen werden und die grundsätzliche Frage der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen „gewerblichen“ und „freiberuflichen“ Einkünften in Frage stellen. Es bleibt abzuwarten, ob ein neuer Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagieren wird.

BFH, Urteil v. 4.2.2025, VIII R 4/22; veröffentlicht am 27.3.2025

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