Vollzugshemmung bei Grundstücksschenkung

Wurde bei einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung eine Vollzugshemmung vereinbart, wonach der Notar von der bereits erteilten Eintragungsbewilligung erst dann Gebrauch machen darf, wenn die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist, ist die gemischt-freigebige Schenkung erst im Zeitpunkt der vertraglich vorgesehenen Kaufpreiszahlung ausgeführt.

Hintergrund: Streit um den Zeitpunkt einer Grundstücksschenkung

Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Beteiligte streiten im Urteilsfall um Zeitpunkt der Ausführung einer gemischten Schenkung.

  • Mit notariellem Vertrag vom 9.10.2012 verpflichtete sich Frau P ihr Grundstück der Klägerin gegen Zahlung eines Barkaufpreises i. H. v. 260.000 EUR sowie einer monatlich zu zahlenden Rente i. H. v. 1.000 EUR zu übertragen. Zudem verpflichtete sich die Klägerin, P zu pflegen, für sie zu kochen, sie zu waschen und erforderliche Gänge zum Arzt und/oder zur Apotheke vorzunehmen, soweit P hierzu nicht mehr in der Lage sein sollte.
  • Das Grundstück ist mit einem Mietshaus bestehend aus 8 Wohnungen und 2 Kellergewerberäumen bebaut. P bewohnte eine der Wohnungen, für die sie sich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zurückbehielt. Der Jahreswert des Wohnrechts wurde 12.000 EUR angesetzt.
  • Der Kaufpreis war bis zum 1.2.2013 durch Überweisung auf ein Notaranderkonto zu entrichten. Die Übergabe des Grundstücks sollte nach am Tag des Eingangs des Barkaufpreises, spätestens am 1.2.2013 erfolgen. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung sowie bewilligten und beantragten, die Eigentumsveränderungen im Grundbuch zu vollziehen. Unter II. „Ausfertigungen, Abschriften“ des Vertrags wurde vereinbart, dass den Vertragsparteien Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften lediglich ohne Auflassungserklärung erteilt werden sollten. Der Notar wurde angewiesen, eine Vertragsausfertigung mit der Auflassungserklärung dem Grundbuchamt erst einzureichen, sobald ihm alle Unterlagen vorliegen und alle vertraglichen Bedingungen für deren Einreichung erfüllt oder sichergestellt sind, insbesondere die Belegung des Kaufpreises ohne eventuelle Zinsen.
  • P verstarb am 24.11.2012 noch vor Eintragung des Eigentumswechsels. Die Klägerin ist Erbin der P und wurde am 15.2.2013 als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
  • Mit Bescheid vom 19.5.2016 setzte das Finanzamt (FA) Schenkungsteuer fest. Das FA sah in dem notariellen Vertrag eine gemischt-freigebige Zuwendung der P an die Klägerin, da die von der Klägerin übernommenen Gegenleistungen erheblich unter dem gemeinen Wert des übertragenen Grundstücks gelegen hätten. Bei der Bemessung der Steuer berücksichtigte das FA den Kapitalwert der Renten- und Pflegeverpflichtung sowie des Wohnrechts nach § 14 Abs. 2 BewG nicht, da die entsprechenden Leistungen wegen des Versterbens der P nicht erbracht worden seien.
  • Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie machte u. a. geltend, dass es zu der Ausführung der gemischten Schenkung wegen des Todes der P nicht mehr gekommen sei. Die Eigentumseintragung im Grundbuch sei erst am 15.2.2013 erfolgt. Zudem sei § 14 Abs. 2 BewG auf die Renten- und Pflegeverpflichtung nicht anzuwenden.
  • Das FA hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Es nahm eine Ausführung der Schenkung an, da der schuldrechtliche Vertrag abgeschlossen und die Einigung über den Eigentumswechsel in notarieller Form erklärt worden sei. Das FA hielt darüber hinaus an der Nichtberücksichtigung des vereinbarten Wohnrechts, der Pflege- sowie der Rentenverpflichtung nach § 14 Abs. 2 BewG fest.

Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg

Die Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen den Beteiligten in der Sache unstreitig sei, dass die Übertragung des Grundstücks eine gemischte Schenkung darstelle. Das FA habe zudem bei der Ermittlung der Steuer den Kapitalwert der Nutzungs- und Leistungsauflagen zu Recht nach § 14 Abs. 2 BewG gekürzt.

Das FA hat nach der Verkündung des Urteils des FG einen geänderten Schenkungsteuerbescheid erlassen.

Entscheidung: BFH hebt Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen auf

Der BFH hat die Entscheidung des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben, weil sich nach Verkündung des Urteils des FG der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat. An die Stelle des ursprünglichen Schenkungsteuerbescheids ist der Änderungsbescheid getreten und nach § 121 Satz 1 i. V. m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben.

Nicht spruchreife Sache wird zurückverweisen

Der BFH hat zudem entschieden, dass die Sache nicht spruchreif und an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen ist. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit des geänderten Schenkungsteuerbescheids abschließend beurteilen zu können. Der Senat kann anhand der Feststellungen des FG nicht prüfen, ob die gemischte Schenkung aus dem notariellen Vertrag ausgeführt wurde und wann in diesem Fall die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entstanden ist.

Hinweise des BFH zur Ausführung der Schenkung

  • Eine Grundstücksschenkung ist bereits dann ausgeführt, wenn die Auflassung nach § 925 BGB beurkundet worden ist und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 GBO).
  • Mit Rücksicht auf den von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorausgesetzten Leistungserfolg setzt die Ausführung der Grundstücksschenkung voraus, dass der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte durch die vertragliche Vereinbarung in die Lage versetzt wird, jederzeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeizuführen. Nur unter diesen Voraussetzungen liegt ein auf den Eigentumsübergang gerichteter zivilrechtlich abgeschlossener Erwerbsvorgang vor, auf den für die Ausführung der Zuwendung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG abzustellen ist.
  • Eine Grundstücksschenkung ist dagegen noch nicht ausgeführt, wenn aufgrund vertraglicher Abrede der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf. In diesem Fall tritt die Ausführung der Zuwendung erst zu diesem späteren Zeitpunkt ein.
  • Haben die Vertragsparteien daher bei einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung eine Vollzugshemmung dahingehend vereinbart, dass der bevollmächtigte Notar von der Eintragungsbewilligung erst dann Gebrauch machen darf, wenn die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist, ist die gemischt-freigebige Schenkung erst in diesem Zeitpunkt ausgeführt.
  • Ob eine solche Vollzugshemmung vereinbart wurde, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Die Vertragsauslegung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz und bindet das Revisionsgericht, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d. h. jedenfalls möglich ist. Die Bindung des BFH an eine Vertragsauslegung des FG entfällt jedoch insbesondere dann, wenn dessen Auslegung widersprüchlich oder lückenhaft ist. Hat das FG die (präzise) Auslegung eines entscheidungserheblichen Vertrags unterlassen, so kann sie das Revisionsgericht auf der Grundlage der dafür ausreichenden Tatsachenfeststellungen selbst vornehmen.
  • Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann der Senat anhand der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend prüfen, zu welchem Zeitpunkt die Grundstücksschenkung ausgeführt wurde. Dafür fehlt es an der Feststellung, ob und wann der nach dem Kaufvertrag zu leistende Barkaufpreis von der Klägerin gezahlt wurde. Die Vertragsparteien haben eine Vollzugshemmung bis zur Kaufpreiszahlung vereinbart, sodass die Schenkung erst im Zeitpunkt der Zahlung des Barkaufpreises ausgeführt und die Steuer in diesem Zeitpunkt entstanden sein kann.

Ausführung der Schenkung nicht bereits bei Abschluss des Notarvertrags

Die Klägerin konnte ohne Zahlung des Barkaufpreises nicht zu jeder Zeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeiführen. Den Vertragsparteien wurden zur Sicherung der Rechte des Verkäufers lediglich Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften ohne Auflassungserklärung erteilt (sog. Auflassungssperre oder Kopierlösung). Die Klägerin konnte über den bevollmächtigten Notar von der erteilten Eintragungsbewilligung daher erst nach Eingang des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto Gebrauch machen. Bis dahin bestand nach den vertraglichen Abreden ein Vollzugshemmnis. Diesem Vollzugshemmnis entsprechend war nach § 4 des Vertrags auch die Übergabeverpflichtung der Verkäuferin bis zur Zahlung des Kaufpreises aufgeschoben.

Hinweise des BFH für den zweiten Rechtsgang

Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass die Schenkung bis zum Tod der P nicht mehr ausgeführt wurde, dürfte das Schenkungsversprechen durch Kollision erloschen sein, soweit keine Ausnahmekonstellation vorliegt, was nach Aktenlage nicht ersichtlich ist und nicht festgestellt wurde. In diesem Fall ist das FG nicht gehindert, den geänderten Schenkungsteuerbescheid insgesamt aufzuheben.

Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Schenkung noch zu Lebzeiten der P ausgeführt wurde, weist der Senat darauf hin, dass das FA bei der Ermittlung der Gegenleistung für die teilentgeltliche Übertragung des Grundstücks an die Klägerin den Kapitalwert der Nutzungs- und Leistungsauflagen nach § 14 Abs. 2 BewG zutreffend gekürzt hat. Es sind keine Gründe ersichtlich, bei der Anwendung von § 14 Abs. 2 BewG zwischen Leistungsauflagen einerseits sowie Nutzungs- und Duldungsauflagen andererseits zu unterscheiden.

BFH, Urteil v. 21.8.2024, II R 11/21; veröffentlicht am 5.12.2024

Alle am 5.12.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



Schlagworte zum Thema:  Schenkungssteuer, Grundstück, Notar