Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat bleibt dabei, daß es für die Frage nach einer künstlerischen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Grenzbereich künstlerischer und gewerblicher Tätigkeit darauf ankommt, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als solche künstlerisch zu nennen ist; auf den Gebrauchszweck oder die spätere Verwendung der Arbeit kommt es nicht an.
2. Erfordert die Entscheidung der Frage, ob eine künstlerische Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt wird, eine Sachkunde und will das FG aufgrund eigener Sachkunde entscheiden, so muß dies für die Beteiligten vorher mit der Möglichkeit einer Stellungnahme erkennbar sein.
2. Entscheidet das FG aufgrund eigener Sachkunde, so muß aus den Urteilsgründen zu entnehmen sein, worauf die Sachkunde einzelner Mitglieder des Gerichts beruht.
2. Holt das FG ein Sachverständigengutachten ein, so sind dabei die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis durch Sachverständige zu beachten. Dies gilt auch, soweit auf die bei einzelnen OFD gebildeten Gutachterkommissionen zurückgegriffen wird.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; FGO §§ 76, 96, 82; ZPO § 402 ff.
Tatbestand
Im Revisionsverfahren ist nur noch die Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuermeßbescheide 1963 und 1964 streitig.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielt in den Streitjahren 1962 bis 1964 ein Atelier für Werbefotografie, in dem er sämtliche fototechnischen Arbeiten selbst besorgte. Er machte hauptsächlich Werbefotos für bestimmte Herstellerfirmen, die die Fotoaufnahmen von ihren Produkten für Anzeigen-, Katalog- und Messewerbung benützten. Diese Firmen halten eine eigene Werbeabteilung, die dem Kläger angab, welche Erzeugnisse in das Fertigungsprogramm aufgenommen werden und welchem Zweck sie dienen sollten. Durch jahrelange Zusammenarbeit der Werbeabteilung mit dem Kläger wurde ein besonderer Stil für die Fotoaufnahmen entwickelt. Festgehalten am Thema und aufgrund der Aussprache vor den einzelnen Werbevorhaben erhielt der Kläger persönliche Gestaltungsfreiheit; in der Motivgestaltung und Farbenauswahl wurde ihm freie Hand gelassen.
Nachdem der Kläger ab 1957 als Künstler i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt und deshalb als nicht gewerbesteuerpflichtig behandelt worden war, kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) im Anschluß an eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1962 bis 1964 zu der Auffassung, der Kläger sei gewerblich tätig, und erließ Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1962 bis 1964. Aufgrund des im Einspruchsverfahren eingeholten Gutachtens des Gutachterausschusses für bildende Künstler bei der OFD vom 12. Februar 1968 ging das FA davon aus, daß zwar die Werbeaufnahmen für die erwähnten Firmen die Voraussetzungen eines Kunstwerks erfüllten, wies aber den Einspruch als unbegründet ab, da die Tätigkeit des Klägers wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit den umfangreichen fototechnischen Arbeiten gewerblicher Natur sei.
Das FG gab der Klage hinsichtlich des Erhebungszeitraums 1962 statt. Insoweit ging es davon aus, daß das FA nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 5. März 1970 IV 213/65 (BFHE 100, 1, BStBl II 1970, 793) das Recht auf Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheids für 1962 verwirkt habe, da der Kläger nach der Einkommensteuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 1963 nicht mehr mit einem Gewerbesteuermeßbescheid für 1962 habe rechnen brauchen.
Dagegen wies das FG die Klage für die Erhebungszeiträume 1963 und 1964 als unbegründet ab und führte dazu im wesentlichen aus:
Für die steuerrechtliche Abgrenzung der künstlerischen von der gewerblichen Tätigkeit sei auf die im europäischen Kulturkreis seit dem 19. Jahrhundert übliche Gliederung in freie Künste, Kunstgewerbe und Kunsthandwerk zurückzugreifen. Kunstgewerbe und Kunsthandwerk zählten, soweit sie sich mit der Herstellung von Gebrauchsgegenständen befaßten, zur gewerblichen Tätigkeit. Wenn sich durch neue Techniken andere Formen des Kunstgewerbes entwickelten, die mit seinen traditionellen Gattungen die Definition gemeinsam hätten, daß dem Nutzungswert von Gebrauchsgegenständen ein Schönheitswert hinzugefügt werde, so dürften neue und alte Formen des Kunstgewerbes nicht ungleich behandelt werden. Es erscheine daher gerechtfertigt, das gesamte Kunstgewerbe der gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen. Nach diesen Grundsätzen sei die Tätigkeit des Klägers als gewerblich einzustufen. Die von ihm gefertigten Fotoaufnahmen hätten eindeutig und bestimmungsgemäß einen Gebrauchswert; sie dienten ausschließlich der Verkaufswerbung. Selbst wenn den Arbeiten des Klägers zusätzlich ein Kunstwert beizumessen sei, so werde die Tätigkeit hierdurch ebensowenig zu einer künstlerischen i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wie z. B. die des Kunstschmieds oder Kunsttischlers.
Auch wenn man entscheidend sein ließe, welcher Wert bei einem Gegenstand, der bestimmungsgemäß einen Gebrauchs- und einen Kunstwert habe, überwiege, käme man zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Gebrauchswert stehe bei den Fotografien des Klägers eindeutig im Vordergrund. Anhaltspunkte dafür, daß daneben ein lediglich künstlerisch interessiertes Publikum sich mit den Fotografien des Klägers befasse, bestünden nicht. Es müsse davon ausgegangen werden, daß sie ihren Wert ganz oder nahezu verlören, wenn die Auftraggeber des Klägers sie einmal nicht abnähmen. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH, nach der ein Fotograf in aller Regel kein Künstler i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei. Die Einholung eines weiteren Gutachtens, von dem nach den Erfahrungen des Senats ohnehin die erforderliche Nachvollziehbarkeit nicht erwartet werden könne, sei für die Streitjahre weder möglich noch erforderlich. Ausreichende Unterlagen, die einen charakteristischen Querschnitt der Arbeiten wiedergäben, seien nach dem Vorbringen des Klägers für die Streitjahre nicht mehr vorhanden.
Mit der Revision begehrt der Kläger die Aufhebung der Gewerbesteuermeßbescheide 1963 und 1964. Er rügt u. a. Verletzung materiellen Rechts und führt im wesentlichen aus: Der vom FG entwickelte Kunstbegriff entspreche weder den außersteuerlichen Kunstkriterien noch der höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung. Die Entwicklung der Verhältnisse und die Verkehrsauffassung zwängen dazu, den Kläger als Angehörigen der freien Berufe anzusehen. Der Kläger sei dem neuen Berufstyp des Foto-Designers zuzurechnen, der in zunehmendem Maße auf den Gebieten der Werbe-, Mode- und Industriefotografie kreativ tätig werde. Die Bedeutung dieses Berufes ergebe sich auch daraus, daß gegenwärtig an allen staatlichen Kunstakademien von Foto-Designern mit dem Rang eines Professors das Fach Foto-Design gelehrt werde. Auch nach dem Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13. Januar 1975 (Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe, Bundestags-Drucksache 7/3071, Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 7. Wahlperiode, Anlagen zu den Stenografischen Berichten, Bd. 200) sei der Beruf des Foto-Designers dem Bereich der bildenden Kunst zugeordnet. Jedenfalls gehöre der Foto-Designer zu dem Katalog der ähnlichen Berufe i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. In allen Erhebungen des repräsentativen Berichts werde der Foto-Designer zusammen mit dem Bildjournalisten in einer gemeinsamen Berufssparte aufgeführt. Die besondere Informationsfähigkeit der fotografischen Bildsprache schaffe dem Foto-Designer darüber hinaus eine der schriftstellerischen und unterrichtenden Arbeit verwandte Tätigkeit. Daß der Kläger eine dem Berufsbild des Foto-Designers entsprechende kreative Tätigkeit ausübe, ergebe sich aus seiner Mitgliedschaft im Bund freischaffender Foto-Designer e. V. (BFF).
Für den Erhebungszeitraum 1963 habe das FA aus den gleichen Gründen wie für 1962 das Recht auf Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheids verwirkt. Bereits am 25. März 1965 sei der Einkommensteuerbescheid für 1963 ergangen, in dem die Einkünfte des Klägers ebenso wie für 1962 der freiberuflichen Tätigkeit zugeordnet worden seien, während die Betriebsprüfung, aufgrund derer das FA seine Meinung geändert habe, erst im Jahre 1966 geendet habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die ihr zugrunde liegenden Gewerbesteuermeßbescheide für 1963 und 1964 aufzuheben oder unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Gewerbesteuermeßbescheide 1963 und 1964 betrifft und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das angefochtene Urteil ist im genannten Umfang aufzuheben, weil es auf unrichtiger Anwendung der § 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG beruht.
Das FG hat den Begriff der künstlerischen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verkannt, wenn es die Abgrenzung von Kunst und Gewerbe allein anhand einer Gliederung in freie Künste, Kunstgewerbe und Kunsthandwerk sowie unter Beachtung des Verwendungszwecks des geschaffenen Werkes vornehmen will. Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH schließt auch im Grenzbereich zwischen Kunst und Gewerbe der gewerbliche Verwendungszweck und die bestimmungsmäßige Verwendung als Gebrauchsgegenstand die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht aus, wenn die Arbeiten des Steuerpflichtigen nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen (vgl. u. a. Urteile vom 10. März 1960 IV 105/58, HFR 1961, 51; vom 25. Juli 1963 IV 204, 205/59, StRK, Einkommensteuergesetz, § 18, Rechtsspruch 292; vom 24. Januar 1963 IV 321/61 U, BFHE 76, 592, BStBl III 1963, 216; vom 20. Dezember 1966 IV 100/62, BFHE 88, 245, BStBl III 1967, 371; vom 2. Oktober 1968 I R 1/66, BFHE 94, 210, BStBl II 1969, 138; vom 25. November 1970 I R 78/69, BFHE 101, 211, BStBl II 1971, 267; vom 11. Juli 1960 V 96/59 S, BFHE 71, 549, BStBl III 1960, 453). Die hiermit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten geben keinen Anlaß zu einer Änderung dieser mehrfach und eingehend begründeten Rechtsprechung, zumal auch in anderen Rechtsbereichen wie z. B. im Urheberrecht das Lichtbildwerk im allgemeinen und die Werke der angewandten Kunst im besonderen - darunter fallen die auf die praktischen Bedürfnisse des Lebens abgestellten Gebrauchsgegenstände mit ihrem sich daraus ergebenden Gebrauchszweck - gemäß § 2 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vom 9. September 1965 (BGBl I 1965, 1273) zu den geschützten Werken der Kunst gehören können, wenn sie gemäß § 2 Abs. 2 UrhG als persönlich-geistige Schöpfungen anzusehen sind (vgl. u. a. v. Gamm, Kommentar zum Urheberrechtsgesetz, München 1968, § 2 Rdziff. 21; § 26 Rdziff. 5; Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., München 1974, S. 96 ff.). Wenn die Rechtsprechung des BFH sich jetzt auf im Rahmen der rechtlichen Definition weit gefaßte und entsprechend unbestimmte Begriffsmerkmale stützt, so ist dies dadurch bedingt, daß die Beantwortung der Frage, was künstlerisches Schaffen ist, weitgehend von den Verhältnissen des Einzelfalles abhängt und die Definition sich deshalb auf die Festlegung eines der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung tragenden äußersten Rahmens beschränken muß.
Soweit das FG die Künstlereigenschaft des Klägers deshalb verneint hat, weil wegen des Werbezwecks der künstlerische Wert hinter den Gebrauchswert zurücktrete, ist seinen Ausführungen gleichfalls nicht beizutreten. Eine künstlerische Tätigkeit kann auch dann vorliegen, wenn jemand zwar seine Leistungen in den Dienst der Werbung stellt, diese aber aufgrund künstlerischer Fähigkeiten und in künstlerischer Weise vollbringt. Entscheidend ist, ob die Arbeiten ohne Rücksicht auf ihre Verwendung künstlerischen Charakter aufweisen. Dazu ist erforderlich, daß sie nicht das Produkt handwerksmäßig erlernter bzw. erlernbarer Tätigkeit darstellen, sondern darüber hinaus etwas Eigenschöpferisches enthalten und eine künstlerische Gestaltungshöhe aufweisen. An der künstlerischen Eigenschaft der Bilder des Klägers würde es fehlen, wenn er die genauen Angaben oder die Grundgedanken für seine Aufnahmen von den auftraggebenden Firmen erhalten und nur die praktische Ausgestaltung durchzuführen gehabt hätte (vgl. u. a. BFH-Urteile IV 100/62 und IV 105/58 U). Die Feststellung der Vorinstanz, daß jedes Werbevorhaben mit dem Kläger genau durchgesprochen worden sei, daß er aber persönliche Gestaltungsfreiheit gehabt habe, weist zwar auf eine enge Zusammenarbeit mit der Werbeabteilung der Firmen hin. Daraus allein folgt jedoch nicht, daß dem Kläger kein oder kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Tätigkeit verblieben ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juli 1965 V 162/63, StRK, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 17, Rechtsspruch 34, HFR 1966, 34). Trotz der Beschränkung in der Motivwahl ist es nicht ausgeschlossen, daß die künstlerische Qualität der Aufnahmen in der eigenschöpferischen Motivgestaltung sowie in der Nutzbarmachung der fotografischen Technik zum Zweck einer eigenschöpferischen Bildaussage liegt.
2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil es an entscheidungserheblichen Feststellungen fehlt und das weitere Revisionsvorbringen allein das Klagebegehren nicht rechtfertigt.
a) Der Kläger kann sich nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf eine Gewerbesteuerfreiheit für die Jahre 1963 und 1964 berufen. Das FA ist, wie das FG rechtlich zutreffend ausgeführt hat, bei der Veranlagung an eine Rechtsauffassung, die es für ein Vorjahr zugrunde gelegt hat, grundsätzlich nicht gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749, mit weiteren Nachweisen). Ebensowenig ist das Recht des FA zum Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheids für das Jahr 1963 verwirkt. Der Kläger durfte allenfalls erst von dem Zeitpunkt an darauf vertrauen, für den abgelaufenen Erhebungszeitraum keinen Gewerbesteuermeßbescheid mehr zu erhalten, in dem er den Einkommensteuerbescheid für das nächste Jahr erhielt (vgl. BFH-Urteil VIII 23/65). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Kläger bereits mit Steuerbescheid für 1964 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, nicht wie in früheren Jahren mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, zur Einkommensteuer herangezogen wurde. Daß der Steuerbescheid für 1964 erst nach der Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1962 bis 1964 erlassen wurde, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
b) Der Senat tritt nicht der Auffassung des Klägers bei, daß ein Werbefotograf oder Foto-Designer grundsätzlich eine künstlerische Tätigkeit ausübe. Die Unterrichtung des Fachs Foto-Design an Staatlichen Kunstakademien und Werkkunstschulen, das Bestehen von Fotogalerien und Ausstellungen von international bekannten Foto-Designern auf Messen und in Museen lassen ebensowenig wie in den Bereichen Kunsthandwerk, Kunstgewerbe, Gebrauchsgrafik und industrielle Formgebung den Schluß zu, daß der Foto-Designer nach der Verkehrsanschauung schlechthin eine künstlerische Tätigkeit ausübt. Auch der Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13. Januar 1975 (a. a. O.), der den Beruf des Foto-Designers dem Bereich Bildende Kunst/Design zuordnet, enthält keine derartige verbindliche Festlegung. Dieser Bericht verzichtet - ausgehend von dem weitgehend sozialpolitischen Anliegen der Berichterstattung - auf jede wertende Betrachtung des Begriffs "Künstler" und umfaßt damit künsterische Tätigkeitsbereiche in einem "sehr weiten Sinne" (vgl. S. 5, 6, 13, 14 [56], 104 des Berichts). Auch die im Bericht veröffentlichten Umfrageergebnisse zum Begriff der künstlerischen Tätigkeit, auf die sich der Kläger beruft, in denen aber der Foto-Designer nicht aufgeführt wird, lassen eine derartige Schlußfolgerung nicht zu (vgl. S. 13, 14, 104 des Berichts).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist seine Tätigkeit weder einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten Beruf noch einem diesem ähnlichen Beruf zuzurechnen. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils I R 78/69 ist der Kläger nicht als Bildjournalist anzusehen. Der freiberufliche Bildberichterstatter ist nach Aufgabe und Tätigkeit Journalist, der an der Gestaltung des geistigen Inhalts publizistischer Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Film, Rundfunk, Fernsehen mitwirkt; Sinn und Zweck der Bilder muß darin bestehen, der Allgemeinheit über ein allgemein oder doch weite Kreise interessierendes Thema zu berichten. Demgegenüber dienen die Bilder des Klägers in erster Linie Werbezwecken seines Auftraggebers. Die Aufführung des Foto-Designers und des Bildjournalisten in einer gemeinsamen Berufssparte im Künstlerbericht der Bundesregierung besagt nichts über die Ähnlichkeit beider Berufe. Ein Beruf muß vielmehr tatsächlich einem bestimmten in der Vorschrift des § 18 EStG angeführten Beruf ähnlich sein. Nur auf diese Weise ist eine einigermaßen bestimmte Abgrenzung möglich (vgl. auch BFH-Urteil VIII 23/65).
3. Nach Zurückverweisung der Streitsache wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung folgendes zu beachten haben:
Das FG wird zunächst klären müssen, ob die Tätigkeit des Klägers, auch wenn man den künstlerischen Charakter der Werbeaufnahmen unterstellt, wegen überwiegend anderer Arbeiten, z. B. über die Entwicklung dieser Aufnahmen hinausgehende sonstige fototechnische Arbeiten und umfangreiche Labortätigkeit, einen gewerblichen Charakter hatte oder im Falle einer gemischten Tätigkeit eine Aufteilung in Betracht kommt (zur Frage der Trennbarkeit vgl. BFH-Urteil vom 7. März 1974 IV R 196/72, BFHE 111, 522, BStBl II 1974, 383). Eine eigene Serienproduktion oder die Vervielfältigung des Kunstwerks im Auftrag des Herstellers durch Dritte führt in der Regel zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1964 IV 238/61 U, BFHE 81, 315, BStBl III 1965, 114).
Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Frage der künstlerischen Tätigkeit entscheidungserheblich ist, so wird es zu prüfen haben, ob der Kläger nach seinem Gesamtschaffen eigenschöpferisch tätig war und seine Arbeiten über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine künstlerische Leistungshöhe erreichten. Da es hierzu nicht genügt, daß dem Kläger künstlerische Fähigkeiten zuerkannt werden und die wenigen noch vorhandenen Fotos aus den Streitjahren u. U. als Kunstwerke anzusehen sind, es andererseits aber sachgerecht erscheint, die folgenden Jahre in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, wenn sich die Tätigkeit des Klägers nicht wesentlich geändert hat, wird das FG entweder aufgrund eigener Sachkunde oder nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Frage der künstlerischen Tätigkeit des Klägers zu entscheiden haben. Dabei gehört es allerdings auch zu den Mitwirkungspflichten des Klägers, einen charakteristischen Querschnitt seiner Aufnahmen vorzulegen.
Hinsichtlich einer zur Tatsachenfeststellung notwendigen Sachkunde ist folgendes zu beachten:
Beabsichtigt das FG, die Feststellungen aufgrund eigener Sachkunde zu treffen, so muß dies insbesondere im Bereich der Grenz- und Übergangsfälle für die Verfahrensbeteiligten erkennbar sein oder ihnen mitgeteilt werden, damit sie Gelegenheit haben, hierzu Stellung zu nehmen (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1967 IV ZR 10/66, Monatsschrift für Deutsches Recht 1967 S. 745; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl. 1976, C III c 5 zu § 286 ZPO; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., Anm. III Nr. 4 vor § 402; Mösl, Deutsche Richterzeitung 1970 S. 110). Aus den Urteilsgründen muß hervorgehen, auf welchen Kenntnissen und Erfahrungen die Sachkunde des Gerichts beruht und daß nicht sachkundigen Mitgliedern des Kollegiums die erforderliche Sachkunde vermittelt worden ist, um die Nachprüfung zu ermöglichen, ob sich das Gericht diese Sachkunde nicht zu Unrecht beigemessen hat (vgl. u. a. BFH-Urteile V 162/63 sowie vom 19. Juni 1968 I R 25/67, BFHE 92, 336, BStBl II 1968, 543, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens für geboten, so ist ein förmliches Beweisverfahren durchzuführen, bei dem gemäß § 82 FGO die dort angeführten Vorschriften der ZPO (§§ 402 ff.) sinngemäß anzuwenden sind. Falls erforderlich, muß das FG von der Möglichkeit des § 411 Abs. 3 ZPO Gebrauch machen. Das gilt auch, soweit für den Beweis durch Sachverständige auf die bei einzelnen OFD gebildeten Gutachterkommissionen zurückgegriffen wird. Der Sachverständige hat seinem Gutachten den Begriff der künstlerischen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wie er von der Rechtsprechung des BFH entwickelt wurde, zugrunde zu legen. Das Gutachten muß so gehalten sein, daß es dem Gericht die Bildung einer sicheren Überzeugung ermöglicht. Ist dies auch nach der persönlichen Anhörung des Sachverständigen nicht der Fall, kommt eine Anwendung des § 412 Abs. 1 ZPO in Betracht.
Fundstellen
BStBl II 1977, 474 |
BFHE 1977, 410 |