Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bank ist verpflichtet, Auskunft über die Identität bestimmter Depotkunden zu geben, um die sie vom FA im Rahmen des deutsch-schwedischen Amtshilfeverkehrs ersucht worden ist.
2. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die deutschschwedische Amtshilfe sind dritte Personen zur Auskunft auch im Interesse der Besteuerung in Schweden verpflichtet.
2. Ein Geschäftsgeheimnis i. S. des Art. XII Abs. 3 Satz 2 des deutsch-schwedischen Rechfshilfevertrages liegt vor, wenn es sich um Tatsachen und Umstände handelt, die von großer wirfschaftlicher Bedeutung und praktischer Nutzbarkeit sind und deren unbefugte Nutzung zu beträchtlichen Schäden führen kann.
Normenkette
AO §§ 22, 175; AO 1977 §§ 30, 93, 117
Tatbestand
A.
I. Zu den Depotkunden der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Bank, gehören u. a. Personen, die nach den Depotunterlagen eine schwedische Anschrift haben und in deren Wertpapierdepots sich Aktien der schwedischen Gesellschaft T befinden. In den Jahren 1972 und 1973 kassierte die Klägerin die fälligen Dividenden dieser Gesellschaft für diese Depotkunden und schrieb sie ihnen gut. Beim Inkasso verwendete die Klägerin die nach schwedischem Recht vorgeschriebenen amtlichen Formblätter der schwedischen Steuerverwaltung. In den Fällen, in denen ihre Kunden das Formblatt nicht zugleich als Antrag auf Ermäßigung der schwedischen Abzugssteuer auf Dividenden (Couponsteuer) behandelt wissen wollten und die Klägerin nicht dazu ermächtigt hatten, ihren Namen und ihre Anschrift anzugeben, bezeichnete die Klägerin sich in den Formblättern als Bezugsberechtigte der Dividenden. Durch den Zusatz "für einen Kunden in Schweden" machte sie jeweils kenntlich, daß es sich bei den Endberechtigten um Personen mit einer schwedischen Anschrift handelte. Namen und Anschrift der Kunden führte sie nicht auf. Sie vermerkte in den Formblättern jedoch, daß die Couponsteuer nach dem vollen Steuersatz von 30 % vorzunehmen sei (für in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Personen verringert sich der Steuersatz auf 15 %). Dementsprechend wurde in diesen Fällen die Couponsteuer in Schweden mit 30 % einbehalten und den Endberechtigten die Dividende nur mit 70 % des Bruttobetrages vergütet. Die ausgefüllten Formblätter wurden bestimmungsgemäß den schwedischen Steuerbehörden zugesandt.
Mit Auskunftsersuchen vom 8. Januar 1973 an den Bundesminister der Finanzen (BdF) ersuchte das schwedische Finanzministerium mit Bezug auf Art. 24 des deutsch-schwedischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 17. April 1959 - im folgenden: DBA - (BGBl II 1960, 1815) um Auskunft über Namen und Anschriften von Empfängern von Dividenden der Gesellschaft T, die nach den Angaben in dem Formblatt ihren Wohnsitz in Schweden haben. Dem Schreiben waren Kopien der Bescheinigungen beigefügt. Das Auskunftsersuchen war damit begründet, daß es die zur Feststellung der in Schweden ansässigen Personen erforderlichen Angaben erbitte, "um das nach den schwedischen Steuergesetzen geltende Besteuerungsverfahren anwenden zu können". In dem Auskunftsersuchen wird dazu u. a. ausgeführt, daß das übliche Verfahren in Fällen, in denen die Couponsteuer von in Schweden ansässigen Personen entrichtet werde, darin bestehe, daß auf die Dividenden die normale schwedische Einkommensteuer erhoben und die Couponsteuer auf Antrag erstattet werde. Später stützte das schwedische Finanzministerium sein Ersuchen ausdrücklich auch auf das deutsch-schwedische Abkommen über Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen vom 14. Mai 1935 - im folgenden: RHV - (RGBl II 1935, 866) und erstreckte es mit Schreiben vom 13. Dezember 1973 auf weitere Aktionäre.
Mit Schreiben vom 28. Mai 1975 ersuchte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Klägerin um Auskunft über Namen und Anschriften derjenigen Empfänger von Dividenden der Gesellschaft T, für die sie im einzelnen benannte Formblätter ausgestellt habe; sie sei zu dieser Auskunft nur hinsichtlich der Personen verpflichtet, welche die alleinige schwedische Staatsangehörigkeit besäßen.
Nach erfolgloser Beschwerde erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, das Auskunftsersuchen vom 28. Mai 1975 und die Beschwerdeentscheidung vom 16. September 1975 aufzuheben, hilfsweise, das FA für verpflichtet zu erklären, dem seinem Auskunftsersuchen zugrunde liegenden Amts- und Rechtshilfeersuchen des schwedischen Finanzministeriums nicht zu entsprechen.
II. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hob das Auskunftsersuchen und die Beschwerdeentscheidung durch Urteil vom 12. Dezember 1977 II 160/75 auf (Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 257 - EFG 1978, 257 -).
Entscheidungsgründe
B.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
I. Maßgebende Rechtslage
Es kann unentschieden bleiben, ob für die Entscheidung auf die zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes geltende Rechtslage abzustellen ist oder ob die durch die Abgabenordnung inzwischen eingetretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 18. November 1975 VII R 85/74, BFHE 117, 430, BStBl II 1976, 257). Denn sowohl nach der früheren als auch nach der gegenwärtigen Rechtslage erweist sich das Auskunftsersuchen des FA als rechtmäßig.
II. §§ 175 der Reichsabgabenordnung (AO), 93 der Abgabenordnung (A O 1977).
Nach § 175 AO hat auch wer nicht Steuerpflichtiger ist dem FA über Tatsachen Auskunft zu erteilen, die für die Ausübung der Steueraufsicht oder in einem Steuerermittlungsverfahren für die Feststellung von Steueransprüchen von Bedeutung sind. Dem entspricht die Regelung des § 93 AO 1977, wonach Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die Auskünfte zu erteilen haben, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlich sind.
1. Diese Bestimmungen allein rechtfertigen das Auskunftsersuchen des FA nicht. Sie begründen eine Auskunftsverpflichtung grundsätzlich nur im Interesse der inländischen Besteuerung (§§ 3 Abs. 1 AO, 1 Abs. 1 AO 1977). Im vorliegenden Fall werden aber Auskünfte für die Besteuerung in Schweden gefordert. Die (entsprechende) Anwendung der §§ 175 AO, 93 AO 1977 im Interesse der Besteuerung in Schweden ist daher nur möglich, wenn sie durch besondere Rechtsnorm angeordnet ist.
2. Diese Rechtsnorm enthält der in innerstaatliches Recht transformierte RHV, der - wie nachfolgend unter III. näher darzulegen sein wird - im vorliegenden Fall Anwendung findet. Nach Art. VII Abs. 1 RHV ist die Behörde, an die ein Amtshilfeersuchen gerichtet wird, verpflichtet, "ihm zu entsprechen und dabei dieselben Zwangsmittel anzuwenden wie bei der Erledigung eines entsprechenden Ersuchens der Behörde des ersuchten Staates. Auch die Formen der Erledigung richten sich nach den Gesetzen des ersuchten Staates." Diese Bestimmung ist nicht etwa dahin zu verstehen, daß die Vertragspartner sich Amtshilfe nur in Fällen leisten wollten, in denen der Umstand, daß auch die Besteuerung im ersuchten Staat betroffen ist, diesen nach innerstaatlichem Recht zum Handeln i. S. des Ersuchens berechtigt. Einer solchen Annahme steht entgegen, daß es dann zu einem Amtshilfeverkehr nur in seltenen Ausnahmefällen kommen könnte. In Art. VII Abs. 1 RHV verpflichten sich vielmehr die Vertragspartner, daß die Behörden des ersuchten Staates alle rechtlichen Befugnisse, die ihnen zum Zwecke der inländischen Besteuerung zustehen, im Rahmen des Vertrages im Interesse der Besteuerung des ersuchenden Staates nutzen werden.
Diese Bestimmung wurde mit ihrer Transformation nationales Recht (vgl. unten III Nr. 1) und beinhaltet damit - da nur so eine Durchführung des Abkommens entsprechend seinem dargestellten Sinn sichergestellt ist - die entsprechende Erweiterung der Befugnisse der Behörden. Die Finanzbehörden haben damit das Recht erhalten, die Befugnisse im Interesse des Vertragspartners zu nutzen, die ihnen - bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts - nach innerstaatlichem Recht zustehen (vgl. das Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 23. Dezember 1970 zu der entsprechenden Frage der Anwendung des schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. Mai 1951, Entscheidungen internationaler Steuerfälle, 1971/1972, S. 175, 181, 182). Aus den §§ 175 AO, 93 AO 1977 i. V. m. dem RHV ergibt sich also die Befugnis der Finanzbehörden der Bundesrepublik Deutschland, von Personen Auskünfte zu verlangen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung in Schweden erheblichen Sachverhalts erforderlich sind, falls die übrigen Voraussetzungen des RHV erfüllt sind.
Für das neue Recht ergibt sich die Richtigkeit dieser Auffassung auch aus § 117 Abs. 2 und 4 AO 1977. Danach können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen leisten (Absatz 2). Ihre Befugnisse und die Rechte und Pflichten der Beteiligten und anderer Personen richten sich nach den für die Steuern i. S. von § 1 Abs. 1 AO 1977 geltenden Vorschriften; § 114 AO 1977 (Durchführung der Amtshilfe) findet entsprechende Anwendung (Absatz 4). Daraus ergibt sich, daß in entsprechender Anwendung des § 93 Abs. 1 AO 1977 auch Auskünfte im Interesse der Besteuerung in Schweden im Rahmen der entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen gefordert werden dürfen und geleistet werden müssen (vgl. Tipke-Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 117 AO 1977 Anm. 10 Buchst. a letzter Absatz).
Für das frühere Recht können aus § 117 Abs. 2 und 4 AO 1977 keine gegenteiligen Schlüsse gezogen werden; entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Regelung nur bestätigender Natur.
3. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 steht dem Auskunftsersuchen nicht entgegen. Danach sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Diese Bestimmung findet auf Amtshilfeersuchen keine Anwendung (Tipke-Kruse, a. a. O., § 117 AO 1977 Anm. 2 Abs. 2). Denn sie betrifft die Frage, ob ein Auskunftsersuchen gestellt werden darf. Im Rahmen des Amtshilfeverkehrs ist das jedoch eine Entscheidung des ersuchenden Staates, und ihre Rechtmäßigkeit richtet sich nach der zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vereinbarung. Dem Gesetzgeber des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 kann nicht die Absicht unterstellt werden, in Abänderung völkerrechtlicher Vereinbarungen darüber entscheiden zu wollen, unter welchen Voraussetzungen der ersuchende Staat Amtshilfeersuchen stellen darf. Überdies ist § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 eine Soll-Vorschrift; ihre Anwendung erscheint sinnwidrig in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Auskunft gerade dazu dienen soll, die Steuerpflichtigen festzustellen.
III. Der Rechtshilfevertrag
1. Der RHV ist vorkonstitutionelles Recht. Er ist durch eine Bekanntmachung der Reichsminister des Auswärtigen und der Finanzen vom 23. Dezember 1935 (RGBl II 1935, 866) in innerstaatliches Recht transformiert worden. Damit ist er nach der damaligen staatsrechtlichen Lage zu innerstaatlich verbindlichem Recht geworden. Diese staatsrechtliche Lage ist für die Beurteilung des damaligen Transformierungsvorganges auch unter der Herrschaft des Grundgesetzes maßgebend (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 26. März 1957 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 310, 334). Der Vertrag hat seine Geltung auch nicht inzwischen verloren. Die Vertragsstaaten gehen nach wie vor von seiner Fortgeltung aus, ebenso die herrschende Meinung im Schrifttum. Der Vertrag steht inhaltlich auch nicht mit den Bestimmungen des Grundgesetzes in Widerspruch; er gilt daher auch heute noch fort (Art. 123 Abs. 1 GG).
2. Der Anwendung des RHV steht der Umstand nicht entgegen, daß die Vertragsparteien inzwischen ein DBA abgeschlossen haben, das in seinem Art. 24 eine Amtshilfeklausel enthält. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob das FA sein Auskunftsersuchen auch auf die §§ 175 AO, 93 AO 1977 i. V. m. Art. 24 DBA stützen kann. Denn auch wenn das nicht der Fall ist, Art. 24 DBA also keine so weitgehende Amtshilfevereinbarung der Vertragsparteien darstellt, kann daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, die Vertragsparteien des DBA hätten den RHV insoweit stillschweigend außer Kraft setzen wollen, als er eine weitergehende Amtshilfe vorsieht.
Die Regelungsinhalte beider Abkommen unterscheiden sich. Durch das DBA soll die Doppelbesteuerung vermieden werden (Art. 1). Die Amtshilfeklausel des Art. 24 fügt sich im wesentlichen in diesen Rahmen ein ("um dieses Abkommen durchzuführen"). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Amtshilfebestimmung insoweit über diesen Rahmen hinausgeht, als sie auch Amtshilfe vorsieht, "um Steuerverkürzungen zu verhindern". Der RHV sieht dagegen eine umfassende Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen vor. Das macht insbesondere sein Art. I deutlich; nur dessen Buchst. a bezieht sich auf die unter das damals geltende DBA fallenden Steuern, während Buchst. b klarstellt, daß das Abkommen auch auf alle anderen öffentlichen Abgaben anwendbar ist. Auch Art. II RHV belegt den umfassenden Geltungsbereich des Abkommens; danach ist "in allen Steuersachen" Amts- und Rechtshilfe zu leisten. Das alles spricht dafür, daß nach dem Willen der Vertragsparteien beide Abkommen voneinander unabhängig sein sollten. Eine teilweise Außerkraftsetzung des früheren RHV durch das spätere DBA ohne eine ausdrückliche Regelung im letzteren kann daher nicht angenommen werden.
3. Nach Art. II RHV sind die Vertragsstaaten verpflichtet, "in allen Steuersachen sowohl bei der Ermittlung und Festsetzung von Steuern und Sicherheiten als auch im Rechtsmittelverfahren und in der Betreibung sich gegenseitig Amts- und Rechtshilfe zu leisten". Der Begriff "Steuersache" i. S. dieser Bestimmung ist umfassend. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Vertragsparteien diesem Begriff einen einschränkenden Sinn hätten beilegen und Rechts- und Amtshilfe nur in Fällen zusagen wollen, in denen das Feststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sie aber hätten ausschließen wollen in Fällen, wo es sich wie hier um die Überprüfung der Richtigkeit von Steuerfestsetzungen oder um die Frage handelt, ob ein an sich erforderliches Festsetzungsverfahren überhaupt durchgeführt wurde. Das schwedische Finanzministerium ersuchte im vorliegenden Fall um Auskunft über die Namen der in Schweden ansässigen Dividendenempfänger, um, wie es in dem Ersuchen ausdrücklich heißt, "das nach den schwedischen Steuergesetzen geltende Besteuerungsverfahren anwenden zu können". Es handelt sich danach um eine Steuersache in dem dargelegten Sinn.
4. Der Verpflichtung zur Gewährung der Amtshilfe steht Art. IV Satz 2 RHV nicht entgegen. Danach ist im Ersuchungsschreiben u. a. der Name des Beteiligten anzugeben. Gemeint ist hier der Beteiligte des Amtshilfeverfahrens, der meist, aber nicht ausnahmslos, der Steuerpflichtige ist, dessen "Steuersache" Gegenstand des Amtshilfeersuchens ist. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Amtshilfeersuchen auf die Erlangung einer konkreten einzelfallbezogenen Auskunft eines Dritten abzielt, ist dieser Dritte - hier also die Klägerin - Beteiligter i. S. des Art. IV Satz 2 RHV. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, daß auch der im nationalen Besteuerungsverfahren um Auskunft ersuchte Dritte Beteiligter i. S. der Reichsabgabenordnung ist (vgl. § 78 Nr. 2 AO 1977). Dem Umstand, daß dem Ersuchungsschreiben nur der Name der Klägerin, nicht aber auch der - ja erst festzustellende - Name des etwaigen schwedischen Steuerpflichtigen zu entnehmen ist, kommt also keine Bedeutung zu.
5. Nicht zu folgen ist der Auffassung des FG, das Auskunftsersuchen des FA sei deswegen unrechtmäßig, weil es nicht in Übereinstimmung stehe mit Art. XII Abs. 1 RHV. Danach wird die Amtshilfe zur Durchführung von Steueransprüchen nur gegen Steuerpflichtige gewährt, die nur die Staatsangehörigkeit des ersuchenden Staates besitzen. Diesem Umstand trägt das von der Klägerin angefochtene Auskunftsersuchen Rechnung. Es heißt darin ausdrücklich, daß die Klägerin zur Auskunft nur hinsichtlich der Personen verpflichtet ist, die allein die schwedische Staatsangehörigkeit besitzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das so formulierte Auskunftsersuchen nicht in einer zur Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsakts führenden Weise unbestimmt. Dessen Worten ist vielmehr unschwer zu entnehmen, daß die Klägerin nur um Auskunft hinsichtlich jener Personen ersucht worden ist, die keine andere als die schwedische Staatsangehörigkeit besitzen. Der Klägerin sind die Namen aller in Betracht kommenden Personen bekannt. Ihr ist zumutbar, sich durch Rückfrage bei diesen Personen über ihre Staatsangehörigkeit zu erkundigen. Das gilt um so mehr, als die hier bekannten Tatsachen (die betreffenden Personen haben eine Anschrift in Schweden, sind Eigentümer der Aktien einer schwedischen Gesellschaft und sind nicht bereit, ihrer deutschen Bank zu erlauben, ihren Namen gegenüber den schwedischen Steuerbehörden preiszugeben) mit großer Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß die (möglichen) Steuerpflichtigen die alleinige schwedische Staatsangehörigkeit haben. Die Klägerin kann sich durch eine Rückfrage Gewißheit über den Umfang der sie nach dem Auskunftsersuchen des FA treffenden Auskunftspflicht verschaffen. Dabei kann hier unentschieden bleiben, ob die Klägerin nach dem Auskunftsersuchen die Auskunft nur in jenen Einzelfällen verweigern kann, in denen ihr positiv bekannt wird, daß die betreffende Person nicht oder nicht nur die schwedische Staatsangehörigkeit besitzt, ober ob sie das auch tun kann, wenn ihre Erkundigungen zu keinem bestimmten Ergebnis (non liquet) geführt haben. Denn diese nach dem Wortlaut des Auskunftsersuchens nicht ohne weiteres zu behebende Unklarheit ist jedenfalls nicht derart, daß sie zur Unrechtmäßigkeit des Ersuchens führt, über die allein hier zu entscheiden ist.
Nach der genannten Fassung des Auskunftsersuchens hat das FA die Klägerin nicht um eine unbeschränkte Auskunft ohne Ansehung der Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen gebeten. Es braucht daher die Frage nicht entschieden zu werden, ob ein etwaiges unbeschränktes Auskunftsersuchen im Hinblick auf Art. XII Abs. 1 RHV Rechtens gewesen und die Klägerin dann berechtigt gewesen wäre, die geforderte Auskunft zu verweigern, ober ob im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung des Art. XII Abs. 1 RHV davon ausgegangen werden muß, daß diese Bestimmung, falls ihre Voraussetzungen gegeben sind, nur der ersuchten Behörde die Befugnis auf Verweigerung der Auskunft gibt, ohne auch gleichzeitig dem um Auskunft ersuchten Dritten das Recht zu geben, bereits seinerseits der ersuchten Behörde die Auskunft zu verweigern.
6. Der Pflicht zur Leistung der Amtshilfe im vorliegenden Fall steht auch Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV nicht entgegen. Danach können Ersuchen abgelehnt werden, "soweit ihnen nur unter Verletzung eines Geschäfts-, Betriebs- oder Gewerbegeheimnisses genügt werden könnte".
Nach §§ 175 AO, 93 AO 1977 sind um Auskunft ersuchte Dritte nicht berechtigt, die Auskunft zur Wahrung ihres Geschäfts-, Betriebs- oder Gewerbegeheimnisses (im folgenden kurz Geschäftsgeheimnis genannt) zu verweigern. Sie sind dadurch geschützt, daß die Finanzbehörde ihrerseits zur Wahrung des Steuergeheimnisses - das das Geschäftsgeheimnis umschließt (§§ 22 Abs. 2 Nr. 3 AO, 30 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) - verpflichtet sind. Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß der Dritte auch dann, wenn er im Interesse der internationalen Amtshilfe um Auskunft ersucht wird, kein Recht hat, sich auf sein Geschäftsgeheimnis zu berufen. Es könnte die Meinung vertreten werden, daß die Regelung des Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV im Rahmen einer reinen Staatenverpflichtung lediglich der ersuchten Behörde das Recht gibt, von der Weitergabe der Auskunft an die ersuchende Behörde abzusehen, wenn das Geschäftsgeheimnis entgegensteht, ohne in diesem Fall auch dem Dritten das subjektive Recht zu verleihen, seinerseits im Gegensatz zur Regelung des innerstaatlichen Rechts der ersuchten Behörde die Auskunft zu verweigern. Für eine solche Auffassung spräche auch, daß Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV die Nichterteilung der Auskunft im Falle einer möglichen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses in das Ermessen der Behörde des ersuchten Staates stellt ("können ablehnen"). Diese Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn auf das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses i. S. des Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht berufen.
a) Was unter Geschäftsgeheimnis i. S. der entsprechenden Regelungen des Rechts- und Amtshilfeverkehrs (z. B. auch § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO 1977, Art. 26 Abs. 2 Buchst. c des OECD-Musterabkommens - vgl. Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, Vorbem. Anh. A S. 102 -, Art. 24 DBA) zu verstehen ist und ob dieser Begriff in gleicher Weise wie der gleichlautende Begriff in den §§ 22 Abs. 2 Nr. 3 AO, 30 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 auszulegen ist, ist in der Literatur umstritten. In der Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage, soweit ersichtlich, nur das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27. November 1975 III (II) 82/74 (EFG 1976, 62) geäußert.
Nach Förster (in Koch, Abgabenordnung, § 117 Anm. 11) ist der Begriff eng auszulegen; die Vorschrift solle die Wirtschaftsspionage verhindern. Ähnlich sagt Menck (Internationale Amtshilfe in Steuersachen, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1971 S. 5761 - DStZ A 1971, 5761 -), daß hierunter "Kenntnisse zu verstehen (sind), die selbständiger beruflicher oder geschäftlicher Nutzung fähig sind"; bei der Abgrenzung des Begriffs sei in erster Linie von objektiven Merkmalen auszugehen und der Geheimhaltungswille der Beteiligten nur ergänzend heranzuziehen, weswegen Angaben über einzelne Geschäftsbeziehungen und ihre Abwicklung in aller Regel kein Berufs- und Geschäftsgeheimnis sei. Auch Baranowski (Internationale Steuerauskunft in rechtsstaatlicher Sicht, DStZ A 1975, 296, 299) schließt sich dieser Auffassung an; er meint, die Abkommensregelungen schützten solche Tatsachen, die innerhalb der durch das allgemeine Steuergeheimnis geschützte Geheimnissphäre des Steuerpflichtigen eines besonderen Schutzes gegen Wirtschaftsausspähung bedürften, was die in den Abkommen bezeichneten Geheimnisse von dem weiten Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses i. S. des § 22 AO unterscheide. Unter demselben Aspekt sieht offenbar auch Schmid-Gassmann (Der schweizerische Schutz des Geschäftsgeheimnisses gegenüber dem Ausland, Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1970 S. 464 - AWD 1970, 464 -) den durch Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz gewährten Schutz eines Geschäftsgeheimnisses; anscheinend ist er der Auffassung, daß die Verletzung eines solchen Geheimnisses nur vorliegt, wenn die allgemeinen Interessen der schweizerischen Volkswirtschaft verletzt sind. Das FG Baden-Württemberg schließlich (a. a. O. S. 63 rechte Spalte unten) ist der Auffassung, daß die Begriffe "Geschäftsgeheimnis" i. S. des § 22 AO und im Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich nicht deckungsgleich seien, da sonst die Rechts- und Amtshilfe so gut wie lahmgelegt würde; die Geheimhaltungsverpflichtung in Art. 22 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Frankreich gebe Aufschluß darüber, daß auf zwischenstaatlicher Ebene dem Gesichtspunkt der Geheimhaltung Rechnung getragen würde, während es einer solchen Bestimmung nicht bedurft hätte, wenn die Vertragspartner bei ihrem Informationsaustausch alles aussparen müßten, was nach § 22 AO als Geschäftsgeheimnis angesehen werden müsse; der geschützte Geheimnisbereich könne hier nicht vom Willen des Geschützten abhängig gemacht werden.
Die Gegenmeinung wird vor allem von Ritter vertreten (Internationale Steuerauskunft in rechtsstaatlicher Sicht, DStZ A 1974, 267, 271). Ritter hält die Auffassung von Menck (a. a. O.) für zu eng, legt den Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses weit aus und stellt ihn dem Inhalt des gleichlautenden Begriffs in § 22 Abs. 2 Nr. 3 AO gleich. Nach seiner Auffassung erfaßt er alles, "was einem Geschäftsbetrieb oder Beruf eigentümlich, also nicht allgemein bekannt und deshalb so wichtig ist, daß es nach dem Willen des Unternehmers geheimgehalten werden soll". Dieser Auffassung folgen im Ergebnis auch Tipke-Kruse (a. a. O., § 117 AO 1977 Anm. 11). Die Vorinstanz hat sich dieser weiten Auslegung des Begriffes angeschlossen, allerdings beschränkt auf die Frage der Auskunft nach § 117 Abs. 3 AO 1977.
b) Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung aus folgenden Gründen nicht:
Den deutschen Finanzbehörden obliegt es, die deutsche Besteuerung entsprechend den innerstaatlichen Gesetzen durchzuführen. Diese Pflicht dient nicht nur fiskalischen Belangen, d. h. dem Staat die Geldmittel zu verschaffen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Sie dient auch der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Steuergerechtigkeit und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Zur Durchführung dieser Aufgabe haben die Finanzbehörden eine grundsätzlich unbeschränkte Ermittlungspflicht (§§ 204 Abs. 1 AO, 88 AO 1977), deren Korrelat die Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten der Betroffenen sind. Dabei ist der Personenkreis, dem diese Pflichten obliegen, nicht auf die Steuerpflichtigen beschränkt. Die Finanzbehörden können vielmehr auch dritte Personen um Auskünfte ersuchen über einen Sachverhalt, der für die Besteuerung erheblich ist (§§ 175 Abs. 1 AO, 93 Abs. 1 AO 1977). Diese dritten Personen können ihre Mitwirkung - wie bereits oben ausgeführt wurde - nicht davon abhängig machen, daß dadurch ihr Geschäftsgeheimnis nicht verletzt wird, da ihr Interesse durch die Pflicht der Finanzbehörden zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§§ 22 AO, 30 AO 1977) geschützt ist. Einen inneren Schutz (gegenüber den Finanzbehörden) des Geschäftsgeheimnisses gibt es also nicht, da der äußere Schutz (gegenüber der Öffentlichkeit) gewahrt ist.
Dieser äußere Schutz wird durch die Amtshilfe zugunsten einer ausländischen Finanzbehörde im Grunde nicht durchbrochen. Es werden vielmehr lediglich die Finanzbehörden des ersuchenden Staates den deutschen Finanzbehörden gleichgestellt. Dieser Ausweitung stehen die §§ 22 AO, 30 AO 1977 nicht entgegen, da sie durch Gesetz - dazu zählt auch ein in innerstaatliches Recht transformiertes Rechtshilfeabkommen - zugelassen ist, die Auskunft also nicht "unbefugt" erteilt wird (vgl. § 22 Abs. 2 AO, § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO 1977). Das Korrelat ist die Regelung in diesen Abkommen zur Wahrung des Steuergeheimnisses (und damit des Geschäftsgeheimnisses) im ersuchenden Staat. So heißt es in Art. XIV RHV, daß auf die Auskünfte im Wege der Amtshilfe "in jedem der beiden Staaten die gesetzlichen Vorschriften dieses Staates über die Amtsverschwiegenheit und Geheimhaltung Anwendung" finden (vgl. auch Art. 26 Abs. 1 Satz 2 des OECD-Musterabkommens bei Korn-Dietz-Debatin, a. a. O., Vorbem. Anhang A S. 102). An die Stelle des nationalen Steuergeheimnisses tritt also das "internationale Steuergeheimnis" (vgl. Ritter, a. a. O., S. 270), das im wesentlichen den gleichen Inhalt, aber einen größeren räumlichen Geltungsbereich hat.
Da also auch in diesem erweiterten Bereich die Interessen des auskunftspflichtigen Dritten durch die Pflicht auch der ausländischen Finanzbehörden zur Wahrung des Steuergeheimnisses in ausreichendem Umfang gewahrt sind, ist es ebensowenig wie im engeren nationalen Bereich grundsätzlich gerechtfertigt, diesen Personen das Recht zu geben, sich gegenüber den Finanzbehörden auf ihr Geschäftsgeheimnis zu berufen. Sofern Rechtshilfeabkommen dennoch vorsehen, daß der ersuchte Staat Amtshilfeersuchen nicht nachkommen muß, soweit dadurch Geschäftsgeheimnisse verletzt werden würden, können also für ihre Auslegung der Inhalt der nationalen Bestimmungen über das Steuergeheimnis (Geschäftsgeheimnis) - die als Schutz nach außen, nicht aber gegenüber den Finanzbehörden, eine ganz andere Zielrichtung haben - nicht herangezogen werden. Das Geschäftsgeheimnis in diesem Sinn kann vielmehr im Hinblick auf das Bestehen des internationalen Steuergeheimnisses nur eine gegenüber dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses im Rahmen des innerstaatlichen Steuergeheimnisses engere Bedeutung haben (vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg; III (II) 82/74). Die Bestimmung des Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV kann auch nicht bedeuten, daß sie für einen Teilbereich des Steuergeheimnisses, nämlich für das Geschäftsgeheimnis, den §§ 22 AO, 30 AO 1977 - die durch die Transformation des RHV gerade derogiert worden sind - wieder Wirksamkeit verleihen will. Das entbehrte schon deswegen der Rechtfertigung, weil kein Grund ersichtlich ist, wieso die aus den §§ 22 AO, 30 AO 1977 zu entnehmende grundsätzliche Gleichrangigkeit des Geschäftsgeheimnisses mit dem sonstigen Steuergeheimnis im Rahmen der Rechts- und Amtshilfe einer Vorrangigkeit und erhöhten Schutzbedürftigkeit des ersteren weichen sollte.
Im übrigen muß bei der Auslegung des Begriffes des Geschäftsgeheimnisses i. S. des RHV auch der Sinn und Zweck der Amtshilfe berücksichtigt werden. Die Finanzbehörden sind in ihrer Tätigkeit grundsätzlich auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt. Bei steuerlichen Auslandsbeziehungen bleiben daher ihre Möglichkeiten hinter ihrem Auftrag zurück, für die zutreffende Besteuerung zu sorgen. Sich damit abzufinden, hieße Einnahmeausfälle, Besteuerungsungleichheit, mangelnde Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrungen in Kauf nehmen. Es besteht daher ein erhebliches Interesse daran, die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auch auf das Ausland auszudehnen, zumal die internationale Verflechtung zunimmt (vgl. auch die Begründung der Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 336 vom 27. Dezember 1977 S. 15, und die Begründung der Entschließung des Rates vom 10. Februar 1975 über Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der internationalen Steuerflucht und Steuerumgehung, ABlEG Nr. C 35 vom 14. Februar 1975 S. 1). Diesem Interesse kann im wesentlichen nur durch den Abschluß internationaler Abkommen über eine Zusammenarbeit der Finanzbehörden entsprochen werden. Solche Abkommen sind aber nur zu erreichen, wenn anderen Staaten eine entsprechende Rechts- und Amtshilfe seitens der Bundesrepublik Deutschland zugesagt wird. Die Gewährung der Rechts- und Amtshilfe ist also die zwangsläufige Folge der aus den genannten Gründen dringend erwünschten Erlangung der Rechts- und Amtshilfe durch andere Staaten. Dieser Umstand darf nicht unberücksichtigt bleiben bei der Interessenabwägung im Spannungsfeld zwischen dem staatlichen Informationsverlangen zur Durchsetzung der zutreffenden Besteuerung und der Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Steuerpflichtigen und dritter Personen.
Nach allem können nur solche Tatsachen und Umstände Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses im genannten Sinn sein, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind. Solche Tatsachen und Umstände sind in hohem Maße in Gefahr, in den Besitz von Nichtberechtigten zu gelangen. Ihre Nutzung durch diese kann der Wirtschaft des ersuchten Staates oder wenigstens dem berechtigten Inhaber des Geheimnisses beträchtlichen Schaden zufügen. Wegen dieser möglichen weitreichenden Auswirkungen kann ihr Schutz nicht allein dem internationalen Steuergeheimnis anheimgegeben werden. Dem hat Art. XII Abs. 3 Satz 2 RHV dadurch Rechnung getragen, daß er die Behörde des ersuchten Staates ermächtigte, die Amtshilfe abzulehnen, wenn dadurch ein Geschäftsgeheimnis verletzt würde.
c) Die Kenntnis, welche in Schweden ansässigen Personen bei der Klägerin Wertpapierdepots unterhalten, ist kein Geschäftsgeheimnis in diesem Sinn. Sie kann keinen, der in Schweden legitimerweise im Rahmen der Besteuerung davon Kenntnis nimmt, in den Stand setzen, daraus zu Lasten der Klägerin Nutzen zu ziehen. Selbst wenn unberechtigte Dritte in Schweden davon Kenntnis erlangten - zu welcher Annahme grundsätzlich kein Anlaß besteht -, könnte dies für die Klägerin allenfalls zum Verlust der Betreffenden als Kunden führen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch nicht unmittelbar von der Auskunft betroffene, im Ausland ansässige Depotkunden der Klägerin (etwa durch die Veröffentlichung dieses Urteils) davon erfahren, daß ihre Anonymität gegenüber ausländischen Steuerbehörden durch die Klägerin nicht mehr gewährleistet werden kann, und sich dadurch veranlaßt sehen, ihre Depots abzuziehen. Das kann aber schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil die sich daraus ergebende Geschäftseinbuße nicht die Folge der gegebenen Auskunft wäre, sondern lediglich die Folge der Beseitigung eines bisher bestehenden Irrtums der Kunden über die steuerlichen Auskunftspflichten ihrer Bank. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß ihr solche Geschäftsmöglichkeiten erhalten bleiben, ebenso wie sie kein Recht und keine Möglichkeit hat, mit inländischen Steuerpflichtigen Geschäfte mit dem Ziel zu tätigen, sie dem Zugriff der inländischen Finanzbehörden zu entziehen.
Hinzu kommt, daß sich dadurch die Wettbewerbslage der Klägerin gegenüber inländischen Banken nicht verschlechtern kann, da diese die gleichen Auskunftspflichten haben. Ein Abwandern der Kunden zu ausländischen Banken ist nur in Ländern denkbar, deren völkerrechtliche Amtshilfeverpflichtungen eingeschränkter sind als die der Bundesrepublik Deutschland. Überdies sind solche Nachteile im Vergleich zum Interesse an einem umfassenden Amtshilfeverkehr von untergeordneter Bedeutung. Sie hinzunehmen, ist der Klägerin zumutbar (Tipke-Kruse, a. a. O., § 117 AO 1977 Anm. 16 d; vgl. auch das zitierte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 23. Dezember 1970, wonach eine schweizerische Bank zur Erteilung einer Auskunft aus ihren Büchern und Belegen über Geschäfte mit einem Staatsangehörigen der USA verpflichtet ist, die die schweizerischen Finanzbehörden aufgrund eines Ersuchens von Behörden der USA nach dem schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen von 1951 einholen wollten, weil der betreffende Staatsangehörige der USA im Verdacht des Steuerbetrugs stand).
d) Entgegen der Auffassung des FG kann - jedenfalls im vorliegenden Fall - auch dem Umstand keine besondere Bedeutung zukommen, daß die Klägerin nichtsteuerpflichtige Dritte ist. Die Klägerin ist nach §§ 175 AO, 93 AO 1977 auskunftspflichtig wie der Steuerpflichtige selbst. Ihr Geschäftsgeheimnis unterliegt keinem höheren Schutz als das des Steuerpflichtigen (§§ 22 AO, 30 AO 1977). Nach der Regelung der Reichsabgabenordnung/Abgabenordnung 1977 ist ihre Auskunftspflicht im Interesse der gleichmäßigen inländischen Besteuerung durch ihre geschäftlichen Interessen überhaupt nicht eingeschränkt. Im Rahmen des vertraglich vereinbarten Rechts- und Amtshilfeverkehrs ergibt sich eine solche Einschränkung lediglich in dem oben geschilderten Umfang.
Fehl geht ferner auch der Hinweis der Klägerin, eine solche Auslegung des Begriffes "Geschäftsgeheimnis" i. S. des Art. XII Abs. 3 RHV bedeute einen Eingriff in den durch Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die durch die Pflicht der Klägerin zur Auskunftserteilung möglicherweise entstehenden Geschäftseinbußen sind nach der oben dargestellten Abwägung aller in Frage kommenden Interessen der Klägerin zumutbar und stellen ebensowenig einen Eingriff in ihren Gewerbebetrieb dar wie etwa ihre Pflicht zur Auskunftserteilung im Interesse der inländischen Besteuerung nach §§ 175 AO, 93 AO 1977, die ebenfalls Geschäftseinbußen zur Folge haben kann.
Unbegründet ist auch die Auffassung der Klägerin, das FG habe die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses bestätigt und damit das für das Revisionsgericht bindend festgestellt. Die tatsächlichen Würdigungen des FG stehen im Zusammenhang mit einer bestimmten Rechtsauffassung über die Bedeutung des Begriffes "Geschäftsgeheimnis" i. S. des Art. XII Abs. 3 RHV. Diese Rechtsauffassung nachzuprüfen, ist das Revisionsgericht befugt und verpflichtet. Da sich diese Rechtsauffassung als nicht haltbar erwiesen hat, sind auch die daraus gezogenen Folgerungen für den Senat nicht bindend.
Schließlich ist auch der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, die Wahrung des Steuergeheimnisses durch die schwedischen Steuerbehörden sei nicht gesichert. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, und es ist auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden, die Steuerlisten, die in Schweden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, enthielten Einzelheiten, aus denen sich etwas hinsichtlich der Art und Weise ergäbe, wie die schwedischen Steuerbehörden in den Besitz der tatsächlichen Grundlagen für die aus den Steuerlisten ersichtliche Besteuerung gelangt sind.
7. Das FA war für den Erlaß des Auskunftsersuchens sachlich und örtlich zuständig.
Der RHV beschränkt sich ebenso wie andere entsprechende Verträge darauf zu regeln, welche Behörden der Vertragsstaaten im Außenverhältnis (d. h. im Verhältnis zum jeweils anderen Staat) die Amtshilfe durchzuführen haben. Keine Bestimmung des RHV kann aber dahin ausgelegt werden, als regle sie die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden für ein Tätigwerden im Innern abweichend vom nationalen Recht (vgl. z. B. Art. III Abs. 2 und 3 RHV). Eine Bestätigung dieser Auffassung kann auch in Art. VII Satz 2 RHV gesehen werden, wonach sich "die Formen der Erledigung… nach den Gesetzen des ersuchten Staates" richten; unter "Formen der Erledigung" sind auch die Verfahrensregeln zu verstehen, zu denen die Frage der Zuständigkeit zählt. Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall geben also allein die deutschen Vorschriften Aufschluß.
Nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) sind die FÄ als örtliche Landesbehörden für die Verwaltung der Steuern zuständig. Damit steht die sachliche Zuständigkeit des FA im vorliegenden Fall fest.
Die §§ 175 AO, 93 AO 1977 regeln die örtliche Zuständigkeit nicht. Die Vorschriften der §§ 71 bis 76 AO bzw. der §§ 17 bis 29 AO 1977 beschränken sich im wesentlichen darauf, die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung zu regeln, nicht aber auch die Zuständigkeit für ein Auskunftsersuchen. Für die örtliche Zuständigkeit maßgebend ist dafür die entsprechende Regelung für die Zuständigkeit im Rahmen der innerstaatlichen Amtshilfe. Die innerstaatliche Amtshilfe ist in Art. 35 GG geregelt, enthält jedoch ebenfalls keine ausdrückliche Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit. Dieses Schweigen kann nur dahin gedeutet werden, daß örtlich zuständig jene Behörde ist, die von der ersuchenden Behörde um Amtshilfe gebeten wird. Für die internationale Amtshilfe bedeutet das, daß örtlich zuständig die vom Ausland ersuchte Behörde bzw. jene Behörde ist, die von dieser beauftragt worden ist.
Das FA ist demnach als örtlich zuständig für den Erlaß des Auskunftsersuchens anzusehen. Diese Auffassung wird bestätigt durch die §§ 77 AO, 24 AO 1977. Die erstgenannte Vorschrift beauftragt den BdF, die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen, falls sich aus den Vorschriften der Steuergesetze die Zuständigkeit eines bestimmten FA für einen einzelnen Fall oder für gewisse Arten von Fällen nicht herleiten läßt; im vorliegenden Fall hat der BdF bestimmt, daß das FA für das vorliegende Auskunftsersuchen örtlich zuständig sein soll. Nach § 24 AO 1977 ist die Finanzbehörde zuständig, in deren Bezirk der Anlaß für die Amtshandlung hervortritt, wenn sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus anderen Vorschriften ergibt. Anlaß für die Amtshandlung war die Tätigkeit der Niederlassung der Klägerin in A. Diese liegt im Bezirk des FA.
8. Bei der Auslegung des RHV hat sich der erkennende Senat nicht nur von dessen Wortlaut, sondern auch vom Sinn und Zweck seiner Bestimmungen leiten lassen. Diese nicht nur am Buchstaben orientierte Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen anerkannte Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips.
Es gibt keinen Rechtssatz, wonach die Auslegung völkerrechtlicher Verträge sich nur auf den Wortsinn stützen dürfe. Entstehungsgeschichte und Sinnzusammenhang sind zu beachten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Januar 1971 III R 125/69, BFHE 101, 536, 539, BStBl II 1971, 379, und das oben zitierte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts, a. a. O., S. 182). Bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge ist der objektive Sinn einer Vorschrift festzustellen, wobei diesem Auslegungsziel alle Auslegungsmethoden (grammatische, systematische, teleologische und historische) zu dienen bestimmt sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 1973 III R 118/70, BFHE 110, 187, 190, BStBl II 1973, 810). Wichtig für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge ist aber auch der Effektivitätsgrundsatz (regle de l'effet utile). Er besagt, daß Vertragsbestimmungen dahin auszulegen sind, daß ihr Zweck nach Möglichkeit erreicht wird, sie einen praktischen Nutzen haben und ihre Nutzwirkung sich entfalten kann (vgl. Kutscher, Thesen zu den Methoden der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aus der Sicht eines Richters, Luxemburg 1976 S. 43).
Die Auslegung des RHV hat der erkennende Senat nach diesen Grundsätzen vorgenommen. Sie verletzt ebensowenig das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip wie z. B. Steuergesetze belastender Natur, die nicht ohne weiteres nach ihrem Wortlaut klar sind, sondern der Auslegung auch nach Sinn und Zweck befürfen (vgl. Entscheidungen des BVerfG vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153, 160 ff., BStBl I 1961, 716 und vom 7. Juli 1971 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255, 264).
9. Danach lagen die rechtlichen Voraussetzungen vor, unter denen das FA berechtigt war und ist, von der Klägerin die geforderde Auskunft zu verlangen. Unter diesen Umständen war es nicht mehr in das Ermessen des FA gestellt, ob es die Klägerin um die Erteilung der Auskunft tatsächlich ersuchte. Denn es lag ein entsprechendes Ersuchen des schwedischen Finanzministeriums vor. Die deutschen Finanzbehörden waren daher nach Art. VII RHV verpflichtet, von den ihnen nach § 175 AO, § 93 AO 1977 zur Verfügung stehenden Befugnissen auch Gebrauch zu machen.
Fundstellen
BStBl II 1979, 268 |
BFHE 1979, 104 |