Leitsatz (amtlich)
Leistungen, die nach dem Inkrafttreten des UStG 1967 bewirkt werden, unterliegen der Besteuerung nach dem UStG 1967 auch dann, wenn der Unternehmer die Istversteuerung beibehalten hat und bereits vor dem Inkrafttreten des UStG 1967 Vorschüsse auf die Leistungen empfangen und versteuert hat. Die Steuerschuld nach dem UStG 1967 entsteht in diesem Falle mit Ablauf des ersten Voranmeldungszeitraums nach Inkrafttreten des UStG 1967. Die nach dem UStG 1951 entstandene Umsatzsteuer ist gegenzurechnen.
Normenkette
UStG 1967 § 13 Abs. 1 Nr. 1b, § 27 Abs. 1, 4, § 33
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsklägerin), eine Anwaltssozietät, unterliegt der Regelbesteuerung nach dem UStG 1967. Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) hat ihr gestattet, die Steuer - wie bis zum 31. Dezember 1967 - nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen (§ 20 Abs. 1 UStG 1967). Sie vereinnahmte 1967 Vorschüsse in Höhe von ... DM für Leistungen, die erst nach dem 31. Dezember 1967 bewirkt wurden. Das FA unterwarf den Betrag entsprechend dem Erlaß des BdF vom 15. März 1968 (BStBl I 1968, 473) in einem Vorauszahlungsbescheid für Januar 1968 einer Steuer von 5. v. H., setzte andererseits die bereits in 1967 entrichtete Umsatzsteuer von ... DM (4 v. H. von ... DM) ab.
Die Beschwerde der Steuerpflichtigen blieb erfolglos. Das FG, dessen Urteil in den EFG 1971 S. 416 veröffentlicht ist, hat der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben und ausgeführt: Das Vorgehen des FA sei nicht zu beanstanden (§ 27 Abs. 1 und 4 UStG 1967). Allerdings lasse § 27 UStG 1967 die Frage offen, wann eine Steuerschuld bei Fortführung der Istversteuerung entstehe. Ein Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1968 scheide aus, weil das UStG 1967 erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sei. § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG 1967 müsse so angewandt werden, als ob die Steuerschuld im frühestmöglichen Termin nach dem Inkrafttreten des UStG 1967 - d. h. mit Ablauf des ersten Voranmeldungszeitraums 1968 (hier mit Ablauf des 31. Januar 1968) - entstanden sei. Hingegen sei zu berücksichtigen, daß nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 die Umsatzsteuer nicht zum Entgelt gehöre. Die Steueranforderung Januar 1968 sei um 82,29 DM zu kürzen.
Die Steuerpflichtige macht mit der Revision geltend: Aus § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG 1967 sei entgegen der Auffassung des FG herzuleiten, daß die Besteuerung der Vorschüsse noch nach altem Recht durchzuführen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 ist auf Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, die nach dem 31. Dezember 1967 ausgeführt worden sind, das UStG 1967 anzuwenden. Das trifft auf die hier streitigen Umsätze zu. Sie unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG 1967 in der bis zum 30. Juni 1968 geltenden Fassung einem Steuersatz von 5 v. H. Der sich hiernach ergebende Steuerbetrag ist um die bereits in 1967 entrichtete Umsatzsteuer von 4 v. H. gemäß § 27 Abs. 4 UStG 1967 zu kürzen (ebenso Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 6. Aufl., § 27 Anm. 44; Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 10. Aufl., § 27 Anm. 115; vgl. auch BdF-Erlaß vom 15. März 1968, a. a. O.).
Der Senat vermag nicht der Auffassung der Steuerpflichtigen zuzustimmen, die es infolge der Fortführung der Istversteuerung bei der schon in 1967 erfolgten Besteuerung belassen möchte. Diese Auffassung widerspricht dem in § 27 Abs. 1 UStG 1967 zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, daß in solchen Fällen ohne Rücksicht darauf, wann das Entgelt vereinbart oder vereinnahmt worden ist, die Besteuerung (nicht nach altem Recht, sondern) nach dem UStG 1967 - Mehrwertsteuer - zu erfolgen habe. Zweifelhaft kann - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - allenfalls die Frage sein, wann die Steuerschuld nach neuem Recht entstanden ist. § 27 UStG 1967 regelt diese Frage nicht. § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG 1967, nach dem die Steuerschuld bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, ist entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen nicht anwendbar; die Vorschrift ist erst am 1. Januar 1968 in Kraft getreten (§ 33 Satz 1 UStG 1967) und kann sonach nicht für Vereinnahmungen vor dem 1. Januar 1968 gelten.
Das Fehlen einer Regelung über die Entstehung der Steuerschuld kann jedoch nicht - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - dazu führen, die Leistungen der Steuerpflichtigen entgegen dem Willen des Gesetzgebers der Besteuerung nach dem UStG 1967 zu entziehen, soweit ihnen vor dem 1. Januar 1968 erbrachte Vorschüsse gegenüberstehen. Der Gesetzgeber hat den Steuertatbestand vollständig geregelt, aber offensichtlich für die hier gegebene, nicht oft vorkommende Fallgestaltung übersehen, eine Bestimmung über die Entstehung der Steuerschuld anzufügen. Da nicht angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe einen nicht vollziehbaren Steuertatbestand einführen wollen, ist die vorhandene Gesetzesregelung entsprechend ihrem Sinn und Zweck im Wege teleologischer Extension zu ergänzen (dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 374 ff.). Unter diesen Gesichtspunkten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die Entstehung der Steuerschuld auf den ersten nach Inkrafttreten des UStG 1967 möglichen Zeitpunkt angesetzt hat. Das bei einer Istbesteuerung übliche Abstellen auf den Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung (vgl. auch § 3 Abs. 5 Nr. 4a StAnpG) ist nicht möglich. Andererseits besteht kein Grund, die Besteurung nicht alsbald nach Inkrafttreten des UStG 1967 eintreten zu lassen. Sonach ist die Vorentscheidung zu bestätigen. Auf die Frage, ob aus den Vorschüssen die Umsatzsteuer nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 auszuscheiden ist, braucht der Senat nicht einzugehen. Das insoweit allein beschwerte FA hat keine Revision eingelegt.
Fundstellen
BStBl II 1972, 24 |
BFHE 1972, 293 |