Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob ein Steuerpflichtiger durch Krankheitskosten außergewöhnlich belastet ist (§ 33 EStG), sind zwar nicht die Bezüge aus einer Krankentagegeldversicherung, wohl aber die Bezüge aus einer Krankenh austagegeldversicherung zu berücksichtigen, und zwar insoweit, als Kranken haus kosten angefallen sind (Abweichung von dem Urteil VI 231/60 U vom 15. September 1961, BFH 73, 687, BStBl III 1961, 516).
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, die als Fachärztin freiberuflich tätig ist, hat im Jahre 1966 an Krankheitskosten einschließlich der Kosten für Krankenhaus- und Kuraufenthalt 6 388 DM aufgewendet. Sie hat aus der Krankentagegeldversicherung 26 300 DM und aus der Krankenhaustagegeldversicherung 7 200 DM erhalten.
Bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer für das Jahr 1966 ließ das FA die 6 388 DM - entgegen dem Antrag der Steuerpflichtigen - als außergewöhnliche Belastung unberücksichtigt, weil die Steuerpflichtige wegen der Ersatzleistung durch die Krankenhaustagegeldversicherung nicht belastet sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es gab dem FA zwar zu, daß Versicherungsleistungen abzusetzen seien, soweit sie nach Inhalt und Zweck der Versicherung die Krankheitskosten decken sollten (Abschn. 186 EStR mit Hinweis auf Urteil des BFH VI 231/60 U vom 15. September 1961, BFH 73, 687, BStBl III 1961, 516). Das gelte aber, so führte das FG weiter aus, nicht für Zahlungen aus einer Krankentagegeld- und einer Krankenhaustagegeldversicherung. Denn diese Zahlungen stünden, wie auch der BFH in dem bereits erwähnten Urteil dargelegt habe, mit den eigenen Krankheitskosten in keinem Zusammenhang.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des geltenden Rechts (§ 33 EStG). Es ist nach wie vor der Auffassung, daß die der Steuerpflichtigen erwachsenen Krankheitskosten durch die ihr aus der Krankenhaustagegeldversicherung gewährten Leistungen ausgeglichen seien und aus diesem Grunde keine Belastung darstellten. Wenn das FG sich auf das Urteil des BFH VI 231/60 U vom 15. September 1961 (a. a. O.) berufe, so sei das eine ungerechtfertigte Typisierung. In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall habe in der Tat die Nichtanrechnung der Versicherungsleistungen den wirtschaftlichen Verhältnissen besser entsprochen; in dem vorliegenden Fall sei es aber gerade umgekehrt. Die Steuerpflichtige sei allein schon für den Krankheitsfall mit täglich 150 DM Krankentagegeld versichert. Es ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß das Krankenhaustagegeld (lt. Vertrag 100 DM täglich) auch nur teilweise zur Deckung von Lebenshaltungskosten aus Anlaß des entstandenen Verdienstausfalls bestimmt gewesen sei. Auch nach Ansicht maßgeblicher Kommentare (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 16-30 zu § 33 EStG; Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, Anm. 9 zu § 33, und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Anm. 20 zu § 33 EStG) sei vielmehr festzustellen, daß Krankenhaustagegelder zur Abdeckung von Krankenhauskosten bestimmt seien (ebenso Jüsgen in DStZ 1960, 350). Im Streitfall gehörten zu den geltend gemachten Krankheitskosten in Höhe von 6 388 DM allerdings auch Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen. Es könne zweifelhaft sein, ob das ausgezahlte Krankenhaustagegeld gegen diese Kosten aufzurechnen sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Steuerpflichtige beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist, wenn auch nur zum Teil, begründet.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH und insbesondere des erkennenden Senats, eine außergewöhnliche Belastung des Steuerpflichtigen im Sinne des § 33 EStG durch Krankheitskosten dann nicht anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige wegen seiner Aufwendungen dadurch entschädigt worden ist, daß ihm entsprechende Beihilfen oder Versicherungsleistungen gewährt wurden. Hat der Steuerpflichtige die auf einen Unfall zurückzuführenden Krankheitskosten von dem Unfallverursacher ersetzt erhalten, so versteht sich von selbst, daß der Steuerpflichtige, auch wenn er (zunächst) die Krankheitskosten bezahlt hat, sie doch nicht trägt und also durch sie auch nicht belastet ist. Wenngleich es für die Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung, sofern die Aufwendungen nur - wie gerade Krankheitskosten - typischerweise den Einkünften entnommen werden, grundsätzlich unerheblich ist, ob dies auch tatsächlich geschehen ist oder ob sie zu Lasten des Vermögens entrichtet sind, und obwohl im Hinblick auf die zweite Alternative die Anerkennung auch dann nicht versagt werden kann, wenn dem Steuerpflichtigen die für die Begleichung der Aufwendungen erforderlichen Mittel geschenkt worden sind, muß im Fall des Ersatzes der Aufwendungen durch Beihilfen oder Versicherungsleistungen die Belastung doch deswegen verneint werden, weil hier eine enge Bindung zwischen Aufwand und Ersatz besteht, indem die Ersatzleistung, wenngleich ihr vertragliche Vereinbarungen zugrunde liegen, doch ähnlich wie im Fall der Ersatzleistung durch den Unfallverursacher gerade durch den krankheitsbedingten Aufwand ausgelöst wird. Bedenkt man, daß die Beihilfen, obgleich sie zusätzlichen Arbeitslohn darstellen, steuerfrei sind und daß den nach § 3 Nr. 1 EStG nicht steuerpflichtigen Versicherungsleistungen noch steuerliche Vorteile in Gestalt des Abzugs der Krankenkassenbeiträge als Sonderausgaben gegenüberstehen, so erscheint es auch aus diesem Grunde berechtigt und dem Sinn der Tarifbegünstigungsvorschrift des § 33 EStG entsprechend, Beihilfen und Versicherungsleistungen anders zu behandeln als geschenkte Beträge. Der Senat sieht danach keinen Anlaß, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, daß die einem Steuerpflichtigen erwachsenen Krankheitskosten insoweit keine Belastung im Sinne des § 33 EStG darstellen, als ihnen Beihilfen oder Versicherungsleistungen gegenüberstehen.
Wenn wie im Streitfall von der Versicherung Krankentagegelder und Krankenhaustagegelder gezahlt worden sind, so kommt es für die Frage, ob diese Leistungen eine Belastung durch die vom Steuerpflichtigen tatsächlich gezahlten Krankheitskosten ausschließen, darauf an, ob man hier ebenso wie bei Leistungen einer unmittelbar auf Ersatz der Krankheitskosten ausgehenden Versicherung einen engen Zusammenhang bejahen kann oder muß. In dem bereits von dem FG angeführten Urteil VI 231/60 U vom 15. September 1961 hat der Senat einen solchen Zusammenhang verneint. Wenngleich hier wie dort die Krankheit des Steuerpflichtigen das die Versicherungsleistungen auslösende Moment bildet, hat der Senat bei den Krankentagegeldern und Krankenhaustagegeldern - anders als bei den eindeutig dem Ersatz dienenden Leistungen der Krankenkassen - angenommen, daß sie nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, dazu bestimmt seien, die durch die Krankheit verursachten Kosten zu ersetzen.
An dieser Beurteilung ist insoweit festzuhalten, als es um die Krankentagegeldversicherung geht. Wie sich aus dem Merkblatt über den im Streitfall abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag ergibt, werden die Krankentagegelder im Fall der völligen Arbeitsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die durch die Krankheit angefallenen Kosten als Ausgleich für den Verdienstausfall gezahlt. Das Einkommen einerseits - "das insgesamt versicherte Krankentagegeld darf das Einkommen aus beruflicher ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen" - und das Kranksein andererseits spielen die entscheidende Rolle. Anders als bei der Krankheitskostenversicherung ist hier ein Zusammenhang mit den durch die Krankheit verursachten Kosten nicht gegeben. Ob hier überhaupt noch eine "Krankenversicherung" im Sinne des § 3 Nr. 1 EStG vorliegt (so das BFH-Urteil IV R 144/68 vom 22. Mai 1969, BFH 95, 447, BStBl II 1969, 489), erscheint dem Senat zweifelhaft; die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil eine verbösernde Entscheidung in diesem Punkte ohnehin nicht möglich wäre.
Soweit es um die Krankenhaustagegeldversicherung geht, hält der Senat an der bisherigen Beurteilung nicht mehr fest. Nach dem Merkblatt wird das Krankenhaustagegeld "ab 1. Tag eines medizinisch notwendigen Krankenhausaufenthalts mit unbegrenzter Leistungsdauer gewährt". Wenn auch das Tagegeld anders als im Falle der Krankheitskostenversicherung ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich angefallenen Krankenhauskosten gewährt wird, so ist hier wegen der Anknüpfung an den Krankenhausaufenthalt doch ebenfalls der Zusammenhang mit den Krankheitskosten zu bejahen. Im Grunde handelt es sich um eine zusätzliche Krankheitskostenversicherung mit dem besonderen Ziel, die heute erfahrungsgemäß hohen Krankenhauskosten abzudecken. Richtig ist zwar, daß die Krankenhaustagegelder ebenso wie die Krankentagegelder dem Berechtigten zur freien Verfügung gewährt werden. Während aber bei diesen allein die völlige Arbeitsunfähigkeit ausreicht und also unmittelbar krankheitsbedingte Kosten nicht anzufallen brauchen, ist bei jenen doch der normalerweise mit Kosten verbundene Krankenhausaufenthalt vorausgesetzt.
Mit Recht wirft das FA die Frage auf, ob die Krankenhaustagegelder, wenn sie nun einmal als mit den Krankheitskosten - und zwar speziell mit den Krankenhauskosten - in Zusammenhang stehend angesehen werden müssen, die durch die Krankheit entstandene Belastung im Sinne des § 33 EStG ohne Rücksicht auf die Art der Kosten oder aber nur insoweit ausgleichen, als es sich um Krankenhauskosten handelt. Erhält ein Steuerpflichtiger wegen der ihm erwachsenen Krankheitskosten sowohl Beihilfen als auch Krankenkassenleistungen, so ist es nach dem Urteil des erkennenden Senats VI 26/64 U vom 26. Juni 1964 (BFH 80, 200, BStBl III 1964, 547) nicht erforderlich, nach dem je gegebenen Krankheitsfall zu untersuchen, ob die Krankheitskosten hier den Ersatz übersteigen, dort aber hinter ihm zurückbleiben; vielmehr muß der Gesamtbetrag der Kosten dem Gesamtbetrag der Ersatzleistungen gegenübergestellt werden. Diese Grundsätze, die der Senat wegen der globalen Beziehung der je gegebenen Leistungen zu den Krankenkosten nach wie vor für zutreffend hält, können aber auf den Streitfall nicht angewandt werden. Wenn schon das Krankenhaustagegeld wegen seiner engen Verknüpfung mit dem Krankenhausaufenthalt und den durch diesen bedingten Kosten als belastungsmindernd angesehen wird, so muß die enge Verknüpfung auch dazu führen, daß es nur gegen die durch den Krankenhausaufenthalt verursachten Kosten verrechnet wird. Zu den Krankenhauskosten können allerdings nicht etwa nur die reinen Unterbringungs- und Verpflegungskosten gerechnet werden; zu ihnen gehören vielmehr auch die Arzt- und Arzneikosten, soweit sie mit dem Krankenhausaufenthalt zusammenhängen.
Das Urteil des FG war danach aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG - von seinem Standpunkt aus durchaus zutreffend - bisher noch nicht aufgeklärt hat, ob in den von der Steuerpflichtigen geltend gemachten 6 388 DM auch andere Kosten als Krankenhauskosten enthalten sind. Die Sache war daher zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413019 |
BStBl II 1972, 177 |
BFHE 1972, 63 |