Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die bisher eingetretene Geldentwertung kann bei der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht durch einen Abschlag vom Nennbetrag der Kapitalzinsen berücksichtigt werden.
Die Besteuerung der Kapitalzinsen nach Maßgabe des Nominalprinzips (Grundsatz "D-Mark = D-Mark") ist zur Zeit mit Verfassungsgrundsätzen nicht unvereinbar.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1
Tatbestand
I. -
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1961 ob und inwieweit Zinsen aus Sparguthaben wegen des Kaufkraftschwunds der Deutschen Mark als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1961 - EStG -) außer Ansatz zu lassen sind.
Der Revisionskläger (Stpfl.) ist Rechtsanwalt. Er war im Streitjahr verheiratet. Der Stpfl. wurde mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Die Eheleute erklärten für den Veranlagungszeitraum 1961 Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsen aus Sparguthaben) in Höhe von 3.738 DM und Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Anwaltspraxis) in Höhe von 51.956 DM.
Das FA setzte die Einkommensteuer entsprechend der Steuererklärung fest.
Mit dem Einspruch beantragten die Eheleute, die Zinseinnahmen aus Sparguthaben bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht anzusetzen, da sie durch die Geldentwertung ausgeglichen seien.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In ihrer Berufung wiederholten die Eheleute ihr früheres Vorbringen. Ergänzend führten sie das Folgende aus: Die Zinsen aus ihren Sparguthaben stellten keine Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Das angesammelte Kapital hätten sie zu ihrer Altersversorgung bestimmt. Durch die Verzinsung des Sparkapitals werde lediglich die laufende Geldentwertung, die zur Zeit mit 3 1/2 v. H. jährlich anzunehmen sei, wieder ausgeglichen. Ein echter Kapitalertrag liege daher nicht vor. Tatsächlich diene die Verzinsung nur der Erhaltung des bereits versteuerten Kapitals. Die Zinseinnahmen könnten daher allenfalls insoweit einkommensteuerpflichtig sein, als sie den Satz von 3 1/2 v. H. jährlich überstiegen.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück. Zur steuerlichen Behandlung der Zinseinnahmen führte das FG aus, daß sich die Heranziehung der Zinsen zur Einkommensteuer aus dem Gesetz ergebe. änderungen des Geldwertes berührten ausschließlich die Vermögenssphäre, nicht den Einkommensbereich. Die Besteuerung von Dividenden aus Aktien beispielsweise sei ebenfalls nicht davon abhängig, ob der Wert der Aktien im Besteuerungszeitraum gestiegen oder gefallen sei. Wäre die Auffassung des Stpfl. richtig, so müßte ein Kursanstieg im Besteuerungszeitraum eine erhöhte, ein Fallen der Kurse eine verminderte Einkommensteuer zur Folge haben. Das sei nicht der Fall. Darauf, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Wertverlust der Sparguthaben des Stpfl. tatsächlich vorliege, komme es deshalb für die Entscheidung nicht an.
Mit seiner Rb. rügt der Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung.
II. - Der Senat gab dem BdF, der Deutschen Bundesbank, dem Deutschen Industrie- und Handelstag, der Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, dem Bundesverband des privaten Bankgewerbes und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der BdF, der dem Verfahren nach § 287 AO a. F. beitrat, führt zu der Frage, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Geldentwertung im Wege der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen sei oder ob gegen die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden müßten, das Folgende aus.
Die Vereinbarkeit des § 20 EStG mit dem Grundgesetz könne nur durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden, da es sich um ein nachkonstitutionelles Gesetz handele.
Zinsen aus Sparguthaben seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in ihrer vollen nominellen Höhe als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Eine Aufteilung der Zinsen in einen Anteil für Kapitalverzehr und einen "eigentlichen" Kapitalertrag finde im Gesetz keine Stütze. Der Einkommensbegriff des EStG könne nicht aus einer wirtschaftlichen Theorie abgeleitet werden. Einkommen sei nach dem geltenden EStG ein formaler Begriff. Er sei im Hinblick auf das Massenverfahren der Einkommensteuererhebung im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung pragmatisch umgrenzt. Eine Geldentwertung könne in diesem Rahmen, wenn überhaupt, dann allenfalls bei einem rapiden Währungsverfall, wie er 1923 und infolge der sogenannten gestoppten Inflation vor dem 21. Juni 1948 eingetreten sei, berücksichtigt werden. Solche Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor.
Bei der Bestimmung des Begriffes "Zinsen" sei vom allgemeinen Zinsbegriff des bürgerlichen Rechts auszugehen. Danach seien Zinsen Früchte einer Geldforderung (§ 99 BGB). Für die Erfassung von Zinseinnahmen gelte das Nominalwertprinzip, wonach als Maßstab für den Wert des Geldes nur das Geld selbst zulässig sei, nicht jedoch andere Bezugsgrößen (Grundsatz Mark = Mark, §§ 1 bis 3 des Ersten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens vom 20. Juni 1948 - WährG - ((Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 15 vom 2. August 1948, Beilage Nr. 5 S. 1 ff. )). Wertveränderungen der Kapitalanlage könnten mangels Rechtsgrundlage weder bei den Einnahmen noch bei den Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Verringerung der Kaufkraft einer Geldforderung falle nicht unter die berücksichtigungsfähigen Werbungskosten (§ 9 EStG). Auch auf dem Wege über die Auslegungsvorschrift des § 1 Abs. 2 StAnpG ergebe sich nichts anderes. Die Anwendung dieser Vorschrift könne, wie der RFH wiederholt betont habe, nicht zu Befreiungen führen, die im Gesetz nicht vorgesehen seien (RFH-Urteil IV a A 34/22 vom 28. Juni 1922, RFH 10, 18, 19). Die volle Erfassung der Nominalzinsen entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Da der Wortlaut des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers sich deckten, sei für eine weitergehende Auslegung kein Raum. Die derzeitige Höhe des Zinsniveaus sei kein Indiz dafür, daß der Nominalzins einen Ausgleichsbetrag für den Kapitalverzehr enthalte. Für die zutreffende Beurteilung des gegenwärtigen Zinsniveaus sei vielmehr bedeutsam, daß der Zins nicht nur ein Entgelt für die Zurverfügungstellung von Kapital, sondern vor allem ein wichtiges kreditpolitisches Steuerungsmittel darstelle.
Es bestehe keine Veranlassung, eine Geldentwertung aus übergeordneten Rechtsnormen, z. B. aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) oder aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Unter der Einkunftsart "Einkünfte aus Kapitalvermögen" seien Erträge sowohl aus Sachwerten (Aktien, GmbH-Anteilen usw.) als auch aus Forderungen zusammengefaßt, die nach den gleichen Grundsätzen ermittelt und daher auch gleich besteuert würden.
Das geltende Steuerrecht trage auch dem Sozialstaatsprinzip Rechnung. Nachteile besonders für wirtschaftlich schwächere Bevölkerungskreise bei der Besteuerung von Zinsen aus ungesicherten Forderungen (Spareinlagen usw.) könnten nicht eintreten. Bei Arbeitnehmern werde eine Veranlagung nur durchgeführt, wenn sich ihre Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug unterlegen hätten, auf mehr als 800 DM beliefen (§ 46 Abs. 2 EStG). Nach § 9 a Nr. 2 EStG sei bei jedem Steuerpflichtigen ein Werbungskosten-Pauschbetrag von 150 DM (bei zusammen veranlagten Ehegatten 300 DM) von den Einnahmen aus Kapitalvermögen abzuziehen. Diese Sonderregelungen wirkten sich bei Sozialrentnern und bei Pensionären in gleich günstiger Weise aus. Das bedeute, daß die Masse der kleinen Sparer nach dem geltenden Recht für ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Regel keine Einkommensteuer zu entrichten habe, es sei denn, daß noch andere Nebeneinkünfte, z. B. aus Hausbesitz, vorhanden seien. Wenn außer Zinserträgen keine anderen Einkünfte vorlägen, werde die Besteuerung praktisch erst bei einem verhältnismäßig großen Sparkapital wirksam. Daher seien die Personengruppen, die ihre Alterssicherung in die eigene Hand genommen und dafür den Weg des Sparens gewählt haben, nicht sozial ungerecht behandelt.
Im übrigen werde man davon ausgehen dürfen, daß viele Kleinsparer heute nicht mehr als in finanziellen Dingen unerfahren angesehen werden könnten. Zumindest von Sparern mit größerem Vermögen sowie von Steuerpflichtigen, die ihre Altersversorgung selbst in die Hand nähmen, werde man erwarten können, daß sie genau überlegten, in welchem Umfange sie ihre Ersparnisse in Sachwerten oder in Sparguthaben anlegten. Schließlich dürften die Sparbegünstigten durch Sparprämien, Wohnungsbauprämien oder durch Abzug der Sparbeiträge als Sonderausgaben nicht außer acht gelassen werden. Das gegenwärtige prämienbegünstigte Sparvolumen sei so hoch, daß einkommensteuerschwächere Personen es noch nicht einmal voll ausnutzen könnten.
Ein übergang vom geltenden Nominalwertprinzip zum Realwertprinzip sei undurchführbar. In ein und derselben Periode könne die Kaufkraft des Geldes, und zwar je nach der Verwendungsart des Geldes, sowohl zunehmen als auch abnehmen. Es müsse dann auch die Kaufkraftsteigerung steuerlich berücksichtigt werden. Das würde dazu führen, daß die öffentliche Finanzwirtschaft beeinträchtigt würde, da das Steueraufkommen in Perioden der Geldwertminderung durch die Steuerfreiheit von Einkommensteilen geschmälert würde, während umgekehrt in Zeiten der Geldwertsteigerung die öffentliche Hand über mehr Mittel verfügen würde, als sie an sich brauche. Schließlich seien die volkswirtschaftlichen Gefahren in Betracht zu ziehen, die bei Einführung des Indexdenkens bestünden.
Der Gesetzgeber habe neuerdings seinen Willen bekräftigt, am Nominalwertprinzip - auch bei der Besteuerung - festzuhalten. Denn er habe es abgelehnt, bei der Aktienrechtsreform 1965 eine Substanzerhaltungsrücklage, die dann auch steuerliche Bedeutung gehabt haben würde, zuzulassen, da ein Umbau des Steuerrechts von Nominalwertprinzip auf das Sachwertprinzip wegen der unabsehbaren Folgen für die gesamte Rechtsordnung nicht verantwortet werden könne.
Zu dem Ersuchen des erkennenden Senats um äußerung vor allem zu der Frage, von welchem Hundertsatz bei der Bemessung der Geldentwertung in den einzelnen Jahren seit 1950 auszugehen sei und wie die weitere Geldwertentwicklung beurteilt werden müsse, nahm die Deutsche Bundesbank wie folgt Stellung.
Es sei zunächst auf die statistischen Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich bei der Messung von Geldwertveränderungen ergäben. Es sei unrichtig, dabei nur den Binnenwert der Währung zu berücksichtigen. Der Außenwert der DM habe sich stetig erhöht. Bei der Messung des Binnenwertes der DM sei zu beachten, daß das Preisniveau lange Zeit durch staatlich regulierte Preise beeinflußt worden sei. Dazu komme, daß alle originär ermittelten Preisindizes sich auf einen genau umschriebenen Kreis von Gütern beschränkten. Maßgebend bleibe grundsätzlich die Zusammensetzung des Warensortiments des Ausgangsjahrs. Eine statistische Fehlerquelle liege deshalb darin, daß die tatsächliche Zusammensetzung sich allmählich ändere.
Alle wichtigen Preisindizes für die Bundesrepublik wiesen für den Zeitraum der Jahre 1950 bis 1964 steigende Tendenz, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, auf. Der Preisindex für die Lebenshaltung sei pro Jahr durchschnittlich um 2,1 v. H. gestiegen. Die Aussagekraft dieser Steigerungsraten sei dadurch beeinträchtigt, daß das Preisniveau im Jahre 1950 noch einen extrem niedrigen Stand aufgewiesen habe, da zu dieser Zeit noch staatliche Preisbindungen z. B. für Brot, Mieten, Verkehrstarife und Versorgungstarife bestanden hätten.
Beschränkte Aussagekraft komme auch dem Preisindex aller in die inländische Verwendung eingehenden Waren und Leistungen zu, der aus der Sozialproduktberechnung abgeleitet werde. Dieser Index weise eine jahresdurchschnittliche Steigerung von 2,8 v. H. auf. Für die Jahre 1953 bis 1964 betrage die Steigerung jährlich 2,4 v. H. Dieser Index baue zum Teil auf Schätzungen auf und beziehe auch den Staatsverbrauch ein, dessen Preisindex um 4,3 v. H. pro Jahr seit 1950 gestiegen sei. Wegen seiner hypothetischen Bestandteile sei die Verwendbarkeit dieses Indexes für die Geldwertmessung problematisch.
Brauchbarer sei ein Index der Preise des privaten Verbrauchs oder - weniger umfassend - der Preisindex für die Lebenshaltung. Jedoch komme auch dem Preisindex für die Lebenshaltung nur begrenzte Aussagekraft zu. Denn dieser Index weise aus verschiedenen Gründen gewisse übertreibungen des Preisanstiegs auf. Sie seien für die Zeit von 1950 bis 1957 auf jährlich 0,6 v. H., für die Zeit von 1958 bis 1962 mit 0,2 v. H. pro Jahr zu beziffern. Schließlich berücksichtigte der Index nicht gebührend die Qualitätsverbesserungen, die gegenüber dem Basisjahr eingetreten und ebenfalls für Preissteigerungen ursächlich geworden seien. Auch habe sich oft die Qualität bei gleichbleibendem Preis verbessert. Es sei ferner zu beachten, daß die Indexsteigerung wegen der nachträglichen Preisfreigaben oder wegen der Anpassungen weiterhin gebundener Preise auf alle Fälle Elemente enthalte, die nicht mit einer Geldwertverschlechterung gleichgesetzt werden könnten. Zusammenfassend ergebe sich, daß auch der Preisindex für die Lebenshaltung kein exaktes Mittel sei, die Veränderung der Verbraucherpreise in einer für alle Verbraucher gültigen Weise über einen längeren Zeitraum hinweg zu messen. Im allgemeinen werde es nicht als Geldwertminderung zu werten sein, wenn der Preisindex für die Lebenshaltung der "mittleren" Verbrauchergruppe um etwa 1 v. H. pro Jahr steige, und nur mit Einschränkungen könne es als Indiz für eine Geldwertverschlechterung gelten, wenn der Index sich zwischen 1 und 2 v. H. pro Jahr erhöhe. Jenseits dieser Grenzen sei allerdings eindeutig eine Verringerung der Kaufkraft des Geldes auf der Verbraucherebene festzustellen.
Es sei außerdem zu berücksichtigen, daß die Einkommensentwicklung einen starken selbständigen Einfluß auf die Preise ausübe. Die Steigerung der Nominaleinkommen werde von der Preissteigerung nicht entfernt aufgezehrt. Sie ermögliche einen starken Zuwachs von Sparkapital. Auf Grund dieser vergrößerten Sparfähigkeit seien im Verhältnis zum Einkommen die Ersparnisse von 1950 bis 1964 überproportional gestiegen. Zwar könnten nicht "Geldwertminderungen" und einkommensbedingte Mehrersparnis "aufgerechnet" werden. Aber es bestünden Zusammenhänge. Ohne die bloß nominale Steigerung der Einkommen wäre die gesamte Ersparnisbildung der privaten Haushalte seit 1950 nominell um etwa ein Viertel kleiner gewesen. Das bedeute, daß die Summe aller privaten Geldersparnisse trotz der Preissteigerungen kaum einen realen Wertverlust erlitten habe, da die tatsächliche Ersparnis etwa um ebensoviel stärker gestiegen sei, als dem Anstieg des privaten Preisniveau entspreche.
Die Annahme, daß die anhaltende leichte Preissteigerung in den jüngstvergangenen Jahren als ein notwendiger und nicht mehr zu beseitigender Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklung angesehen werden müsse, sei nicht zwingend. Eine Erklärung über die wahrscheinliche weitere Entwicklung der Preise und des Geldwerts könne daher nicht abgegeben werden.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag nahm zu dem Rechtsproblem wie folgt Stellung.
Wenn man der Erwägung folge, wonach der vom Markt gewährte Nominalzins ein Entgelt für den Kaufkraftschwund enthalte - was von vielen Kreisen angenommen werde -, dann werde man auch davon ausgehen dürfen, daß der Markt auch die relativ kleine Marge für die zu entrichtende Einkommensteuer vergüte. Dann aber erübrige sich eine steuerliche Berücksichtigung des Geldwertschwunds. Für die folgenden Ausführungen werde jedoch davon ausgegangen, daß ein solcher Ausgleich für die Geldentwertung im Zins nicht enthalten sei.
Das vorliegende Rechtsproblem habe grundsätzliche rechtliche und volkswirtschaftliche Bedeutung. In steuerrechtlicher Hinsicht sei wesentlich, daß es für die Anwendung des § 20 EStG nur auf die Einkünfte ankomme, die aus der Kapitalanlage gezogen würden. Wertsteigerungen wie Wertminderungen des Kapitals kämen nicht als positive oder negative Einkünfte in Betracht. § 20 EStG biete daher nach seinem Wortlaut nicht die Möglichkeit, eine Geldentwertung, die sich wertmindernd auf die Vermögenssubstanz als Einkommensquelle ausgewirkt habe, bei der einkommensteuerlichen Behandlung der aus dieser Quelle zugeflossenen Zinsen zu berücksichtigen. In den einschlägigen Befreiungsvorschriften des EStG (§ 3 Nrn. 21, 26 bis 28, 45, 53, 54, 56 und § 3 a) sei eine Berücksichtigung der Geldentwertung nicht vorgesehen.
Die Entwertung des Geldkapitals könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Werbungskosten berücksichtigt werden. Denn Ausgaben, die lediglich der Erhaltung des Vermögens zu dienen bestimmt seien, stellten keine Werbungskosten dar. Das gelte auch für die Wertverluste am Stammrecht (Hinweis auf RFH-Urteil VI A 1476/28 vom 28. November 1928, RStBl 1929, 65; Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - IV 1/47 S vom 26. März 1947, MinBlFin 1950, 323). Auch der Begriff des Einkommens biete für eine Berücksichtigung der Geldentwertung keine Stütze. Der gesetzliche Einkommensbegriff schließe sich an keine wissenschaftliche Lehrmeinung an. Es handle sich um einen nach praktischen Bedürfnissen gestalteten wirtschaftlichen Begriff. Nach geltendem Recht würden die Einkünfte nach dem Nominalwert besteuert. Es könne davon ausgegangen werden, daß die Besteuerung des Nominalzinses nach wie vor dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Daran seien die Gerichte gebunden. Nicht jede Veränderung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 StAnpG) berechtige den Richter, vom Nominalwertprinzip als Besteuerungsgrundlage abzuweichen. Von einem nachhaltigen Kaufkraftschwund erheblichen Ausmaßes, der ein Eingreifen des Richters notwendig machen könnte, könne nicht die Rede sein. Der Preisindex für die Lebenshaltung, der als Maßstab für die Geldwertentwicklung dienen könne, sei von 1950 bis 1964 um 33,8 v. H., also im Jahresdurchschnitt (bei Verteilung auf die einzelnen Jahre) um 2,4 v. H. gestiegen. Die durchschnittliche Erhöhung von Jahr zu Jahr betrage nur 2,1 v. H. Es könne nicht auf eine dauerhafte Geldentwertung geschlossen werden. Die für die Währungspolitik verantwortlichen Stellen - Bundesregierung und Bundesbank - seien bemüht, den Geldwert stabil zu halten.
Die Frage, ob die Geldentwertung nach Sinn und Zweck des EStG zu berücksichtigen sei, müsse im Zusammenhang mit dem WährG gesehen werden. Danach stelle die Nominalwertrechnung das tragende Prinzip unserer Rechts-, Wirtschafts- und Währungsordnung dar. Die unkontrollierte Anwendung von Sachwertklauseln habe deshalb der Gesetzgeber ausgeschlossen. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH dürfe eine Berücksichtigung der Geldentwertung nur im Falle einer wesentlichen Verschlechterung des Geldwerts in Betracht gezogen werden (Hinweis auf die BFH- Urteile IV 39/51 U vom 13. März 1952, BFH 56, 305, BStBl III 1952, 120; I 42/51 U vom 13. Juni 1952, BFH 56, 510, BStBl III 1952, 199; IV 241/52 U vom 18. Juni / 3. Dezember 1953, BFH 58, 417, BStBl III 1954, 72). Auch im Zivilrecht werde der Geldentwertung unter den gegebenen Verhältnissen nicht eine Bedeutung zugemessen, die das Eingreifen der Gerichte erforderlich machen könne. So habe der Bundesgerichtshof (BGH) betont, daß es den Gerichten nicht freistehe, aus Billigkeitsgründen eine Angleichung langfristiger Vertragsverhältnisse an die durch Kaufkraftminderung des Geldes geschaffene Lage vorzunehmen. Das könne nur durch den Gesetzgeber geschehen (BGH-Entscheidung V ZR 9/58 vom 14. Oktober 1959, NJW 1959, 2203 ff.; ähnlich Entscheidung vom 21. Dezember 1960, Zeitschrift für Bergrecht, Bd. 102 ((1961)) S. 337 ff.). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei betont worden, daß eine Aufwertung der Ruhegelder im Hinblick auf die Verschlechterung der Kaufkraft allenfalls dann in Betracht komme, wenn die vom Arbeitgeber gezahlten Beträge so sehr an Kaufkraft eingebüßt hätten, daß es mit der Fürsorgepflicht und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre, den Pensionär mit solchen Zahlungen abzuspeisen (Hinweis auf die Entscheidung 3 AZR 516/63 vom 12. März 1965, Der Betrieb 1965 S. 822 ff. - DB 1965, 822 ff. -).
Die bisherige Auslegung des Begriffs Kapitaleinkünfte verstoße nicht gegen Verfassungsgrundsätze. Die gleichartige Besteuerung der Erträge aus verschiedenen Einkunftsarten und der verschiedene Arten von Kapitalerträgen sei mit dem Gleichheitssatz vereinbar (Art. 3 Abs. 1 GG). Entscheidend sei der Nominalwert der Erträge. Es bleibe jedem Steuerpflichtigen unbenommen, sein Vermögen so anzulegen, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheine. Er könne Sachwerte oder Nominalwerte erwerben. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) könne nur dann vorliegen, wenn sich die Nichtberücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensteuer oder die Gleichstellung der Erträge aus Sachvermögen und derjenigen aus Geldvermögen für bestimmte Teile der Bevölkerung, insbesondere für die wirtschaftlich oder gesellschaftlich Schwächeren, besonders nachteilig auswirken würde. In dieser Hinsicht sei jedoch der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen nachgekommen. Zu erwähnen seien vor allem die Vorteile, die sich aus dem Wohnungsbauprämiengesetz (WoPG), aus dem Spar-Prämiengesetz (SparPG) und aus dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz ergäben. Abgesehen davon blieben auf Grund des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Verbindung mit der Härtemilderungsvorschrift des § 70 EStDV bei der Masse der kleinen Sparer die Kapitalzinsen bei der Einkommensteuerveranlagung steuerfrei. In gleicher Richtung wirke der Altersfreibetrag für Steuerpflichtige, die das 65. Lebensjahr überschritten hätten. Außerdem sei nach § 9 a Nr. 2 EStG ein Pauschbetrag für Werbungskosten von 150 DM (bei zusammen veranlagten Ehegatten von 300 DM) abzuziehen.
Währungspolitische und gesamtwirtschaftliche Erwägungen sprächen eindeutig gegen eine Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensteuer. Sie ließen diese Berücksichtigung sogar als äußerst bedenklich erscheinen, da sie zu unübersehbaren Konsequenzen und Weiterungen in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens führen und eine erhebliche Gefahr für die Währungs- und Wirtschaftsordnung heraufbeschwören würde. Sie hätte zur Folge, daß die gesamte Volkswirtschaft mit einem Geflecht von Indexklauseln überzogen würde. Auch müßte geprüft werden, ob bei einer die nominalen Zinseinkommen übersteigenden Geldentwertung ein Verlustvortrag zu gestatten sei und ob im Falle einer Steigerung des Geldwerts der Mehrheit als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sei.
Durch Einführung von Indexklauseln würde die Währungseinheit zumindest ihre Funktion als Rechenmaßstab verlieren. Die Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensteuer würde in scharfem Gegensatz zu den im WährG niedergelegten Grundsätzen der Währungsordnung stehen. Ein Geflecht von Indexbindungen für alle wesentlichen Nominalwerte würde die Flexibilität der Preise mindern und zu einer weitgehenden Erstarrung des Preisgefüges in der Volkswirtschaft führen. Eine hohe Flexibilität der Preise sei aber ein wesentliches Element der marktwirtschaftlichen Ordnung (Hinweis auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft "Problem von Index- und Preisgleitklauseln" vom 24. Februar 1957, Bundesanzeiger 1957 Nr. 70 S. 3). Hinzu komme, daß ein System von Indexklauseln dazu beitragen würde, daß schon in Gang befindliche Inflationsvorgänge sich ausbreiteten und beschleunigten. Würde durch das Urteil eines Bundesgerichts der Weg für eine solche Entwicklung gebahnt, so würden wichtige Gegenkräfte gegen einen inflationistischen Prozeß entscheidend geschwächt. Dadurch würde der Eindruck entstehen, selbst staatliche Stellen sanktionierten die Inflation. Dies würde zu einer nachhaltigen änderung der wirtschaftlichen Verhaltensweisen führen, wodurch die Inflationstendenz verstärkt würde. Es sei nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers, im Falle einer Geldentwertung Abhilfemaßnahmen zu treffen und diese so zu gestalten, daß kein wirtschaftlicher Schaden eintrete.
Die Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, deren Ausführungen in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1965 Bd. II S. 850 abgedruckt sind, nahm im wesentlichen wie folgt Stellung.
Eine Aufteilung des Zinses in einen Anteil für Kapitalverzehr und einen eigentlichen Kapitalertrag sei nicht möglich. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß höhere Zinssätze regelmäßig einen Ausgleich für Belastungen durch Preissteigerungen böten. Ein höherer Zins könne vielmehr Ausdruck wirtschaftspolitischer Bemühungen sein, Steigerungen des allgemeinen Preisniveaus entgegenzuwirken. Die Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensbesteuerung von Kapitalzinsen würde dazu führen, daß beispielsweise auch die Bezieher von Arbeitseinkommen begehren könnten, Teile der Lohn- und Gehaltserhöhungen mindestens von der progressiven Besteuerung freizustellen. Die Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensteuer würde auch dem Zweck des § 3 WährG widersprechen. Ein Urteil im Sinn der Revisionsanträge würde die Tendenzen zur Umgehung des § 3 WährG fördern. Eine gerichtlich anerkannte Geldentwertungsrate würde sich geradezu als Maßstab für eine sich verbreitende Anpassung von Geldforderungen anbieten. Eine Ausbreitung von Sicherungsklauseln würde den Inflationsprozeß beschleunigen.
Eine Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensteuer würde das Prinzip des Nominalismus aushöhlen, nach dem Geld als Zahlungsmittel und allgemeiner Wertmesser ein Gut eigener und nur sich selbst gleicher Art sei und sich nicht als der Wert einzelner Güter oder Leistungen darstelle. Die Preisgabe des Prinzips Mark Mark würde die Aufgabe einer geordneten Geldwirtschaft bedeuten. Eine Abkehr vom Grundsatz des Nominalismus lasse sich nur bei einer galoppierenden Inflation rechtfertigen. Die Geldentwertung wirke sich für die einzelnen Gruppen von Sparern je nach dem konkreten Sparziel unterschiedlich aus. So müßten Bausparer eine höhere als die durchschnittliche Entwertungsquote in Anspruch nehmen können, weil die Grundstücks- und Baupreise in besonderem Masse gestiegen seien. Dabei müßten auch regionale Unterschiede berücksichtigt werden.
Ein Versuch, die Auswirkungen der Geldentwertung durch die Rechtsprechung zu beseitigen, würde für die gesamte Wirtschaft mehr Nachteile als Vorteile zur Folge haben (Hinweis auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium "Probleme von Index- und Preisgleitklauseln" vom 24. Februar 1957, a. a. O.). Den Sparer vor den Folgen der Geldentwertung zu schützen, sei nur mit den Mitteln der Wirtschafts- und Währungspolitik möglich. Dies seien Aufgaben der Bundesregierung, des Bundesrates und der Bundesbank.
Der Bundesverband des privaten Bankgewerbes schloß sich der Stellungnahme der Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer an. Ergänzend führte er aus , daß die gegenwärtige Lage mit der Währungssituation nach den Weltkriegen nicht verglichen werden könne. Die Verhältnisse hätten sich seit Verkündung des EStG nicht grundlegend geändert. Die gegenwärtige Entwicklung der Preise halte sich im Rahmen von langfristigen Preisbewegungen, wie sie auch dem Gesetzgeber bekannt gewesen seien. Sie erforderten daher kein Abgehen von der gesetzlichen Regelung. Hinzu komme, daß es sich bei den Preissteigerungen der letzten Jahre weniger um eine echte Geldentwertung, als um einen Reflex überproportionaler Lohnsteigerungen gehandelt habe. Im Spareinlagenzins jedenfalls sei kein Ausgleich für einen Geldwertverlust enthalten. Dieser betrage (1965) für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist 3 1/2 v. H., für Spareinlagen mit einjähriger Kündigungsfrist 4 1/2 v. H. In keinem Jahre sei eine Entwertungsrate von 3 v. H. überschritten worden. Für das Jahr 1964 betrage die Rate 2,3 v. H. Die Bevölkerungskreise, die wegen ihrer geringen Geschäftsgewandtheit keine andere Art der Kapitalanlage kennten als das Sparen, würden in der Regel wegen des einkommensteuerfreien Betrages für Kapitalerträge in der Regel keine Steuer für ihre Spareinlagenzinsen zahlen.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband schloß sich gleichfalls der Stellungnahme der Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer an. Ergänzend führte er das Folgende aus. Im Sparzins sei keine Marge für Kaufkraftminderungen enthalten. Werde durch Urteil eines oberen Bundesgerichts eine Wertausgleich für Steigerungen des Preisniveaus bei Spareinlagenzinsen anerkannt, seien unübersehbare Folgewirkungen zu befürchten. Für einen großen und bevorzugt zu berücksichtigenden Kreis von Steuerpflichtigen seien auf Grund der geltenden Vorschriften die Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerfrei. Der Bestand an Sparguthaben unter 10.000 DM betrage 60,2 v. H. des Gesamtbestandes. Es handele sich um 97,4 v. H. sämtlicher Sparkassenbücher. Die Zahl der Sparkassenbücher mit einem Guthabenbestand über 30.000 DM habe Ende 1964 0,3 v. H. der Gesamtzahl betragen. Die Guthaben auf diesen Konten hätten 18,9 v. H. des gesamten Guthabenbestandes ausgemacht. Die hiernach bestehende Benachteiligung bestimmter Sparer sei zwar ungerecht, jedoch sei das Problem nicht durch eine steuerliche Berücksichtigung der Geldentwertung bei den Zinsen zu lösen. Die Wahrung der Stabilität des Preisniveaus durch die für die Währungspolitik zuständigen politischen Gremien und Stellen sei möglich. Daher brauche die Rechtsprechung nicht korrigierend einzugreifen.
Entscheidungsgründe
III. - Die als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet.
Die Geldentwertung kann aus den in den folgenden Abschnitten dargelegten Gründen bei der Bemessung der Einkünfte aus Kapitalvermögen weder im Wege der Auslegung des Gesetzes noch durch richterliche Rechtsfortbildung berücksichtigt werden. Auch verstößt die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht gegen Verfassungsnormen.
Der Senat verkannte bei der Entscheidung nicht, daß die Nichtberücksichtigung der Geldentwertung bei der Besteuerung der Kapitalzinsen für die Betroffenen oft eine empfindliche Härte bedeutet. Diese ist um so schwerer zu rechtfertigen, als die Einkommensbesteuerung im ganzen infolge einer dauernden Geldentwertung erhebliche Verzerrungen aufweist. Sie bestehen vor allem darin, daß einerseits weitgehend bei Sachwertbesitzern Kapitalgewinne zum Teil ungewöhnlichen Umfangs, die in dieser Höhe nur auf Grund der eingetretenen Geldentwertung möglich waren, nicht besteuert werden, weil sie entweder von vornherein nicht der Einkommensteuer unterliegen oder weil ihre Versteuerung auf einen späteren Zeitpunkt oder sogar auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird, ferner darin, daß die Entwertungsgewinne der Geldschuldner unerfaßt bleiben, während andererseits Gewinne und Arbeitserträge, die auf Grund der Geldentwertung erhöht sind, der progressiven Einkommensteuer unterworfen werden.
Berücksichtigt man, daß sich die Sachwerte und ihre Erträge, besonders bei den betrieblichen Einkunftsarten und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, ferner die Arbeitserträge (Gehälter und Löhne) und die Sozialversicherungsrenten bei nachhaltiger Geldentwertung stetig erhöhen, so ergibt sich, daß die einzige, durch die Geldentwertung geschädigte Bevölkerungsgruppe die der Geldsparer ist. Bei ihnen wirkt sich, wenn sie größere Geldbeträge, besonders zum Zwecke ihrer Altersversorgung langfristig angelegt haben, die Entwertung als erhebliche Härte aus. In den dem Senat zugegangenen Stellungnahmen wird das Vorliegen einer Härte teilweise verneint. Dabei wird jedoch nicht genügend beachtet, daß durch die dort erwähnten Steuervergünstigungen, Sparprämien, Pauschalen für Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen und durch lediglich der Vereinfachung der Veranlagung dienende Vorschriften (§ 46 EStG; § 70 EStDV) nur die Masse der kleinen Sparer steuerlich geschützt wird. Es handelt sich im wesentlichen um die Personenkreise, bei denen die Altersversorgung durch die Sozialversicherung oder durch sonstige Pensionsverhältnisse bereits geregelt ist. Diejenigen Steuerpflichtigen jedoch, die selbst ihre Altersversorgung in die Hand nehmen und daher höhere Beträge anlegen müssen, so besonders Angehörige der freien Berufe, sind durch die Geldentwertung nachhaltig betroffen. Bei ihnen stellt die volle Versteuerung der Zinseinkünfte eine besondere Härte dar.
Geht man im Streitfall davon aus, daß den Sparzinsen in Höhe von rd. 4.000 DM ein Sparkapital von rd. 100.000 DM zugrunde liegt, so betragen die Nominaleinkünfte nach Abzug einer Werbungskostenpauschale von 300 DM - unter der Annahme, daß der Pauschbetrag die tatsächlichen Werbungskosten ungefähr deckt - 3.700 DM, die Realeinkünfte nach Abzug einer Entwertungsquote von 2,4 v. H. (das sind 2.400 DM) 1.300 DM. Beträgt die auf die Nominaleinkünfte von 3.700 DM entfallende Einkommensteuerbelastung 25 v. H., das sind 925 DM, so verbleibt dem Stpfl. ein realer Ertrag von 375 DM. Berücksichtigt man weiter, daß der Stpfl. für das Sparkapital - nach Abzug der persönlichen Freibeträge - 1 v. H. Vermögensteuer zu leisten hat, so ergibt sich in solchen Fällen, daß, wirtschaftlich betrachtet, die gegenwärtige Besteuerung, die ihrem Wesen nach nur eine Belastung der Erträge darstellen soll, und zwar auch soweit es sich um die Vermögensteuer handelt, zu einem Eingriff in die Substanz führt.
Diese Umstände mußten den Senat veranlassen zu prüfen, ob die bisherige Auslegung der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG aufrechtzuerhalten ist oder ob weitergehende Rechtsfolgen in Betracht gezogen werden müssen.
IV. - Der Senat hatte zunächst zu prüfen, ob die Geldentwertung im Wege der Auslegung berücksichtigt werden kann und ob dem nicht entgegensteht, daß der Gesetzessinn auf Grund des Nominalprinzips (Grundsatz Mark = Mark, Geldnominalismus) etwa eindeutig festgelegt ist.
Unter rein einkommensteuerlichen Gesichtspunkten wäre es auf Grund wirtschaftlicher Auslegung des Zinsbegriffes an sich nicht ausgeschlossen, bei der Bemessung des Zinses die Entwertung der Forderung zu berücksichtigen.
Dem Stpfl. ist zunächst zuzugeben, daß bei einer anhaltenden Geldentwertung die Verkehrsauffassung (§ 1 Abs. 2 StAnpG) zwischen dem Nominalzins und dem Realzins zu unterscheiden pflegt. Realzins ist dabei derjenige Teil des Nominalzinses, der nach Abzug der beim Geldkapitalstamm eingetretenen Entwertung verbleibt. Dieser Gesichtspunkt einer realen Verzinsung des Kapitals wird auch in amtlichen Veröffentlichungen und im Schrifttum hervorgehoben (vgl. z. B. Zweites Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Zweites JG -, Bundestagsdrucksache V/123 Abschnitte 113, 181 c, 184; Rittershausen, Die Zentralnotenbank, S. 88 ff.; Steffan, Handbuch des Realkredits, 1963 S. 122 ff.). Er trifft auch da zu, wo das Zinsgefüge eindeutig keine sogenannte Geldentwertungsprämie (Währungsrisikoprämie) enthält, wie das beim Kontensparzins der Fall ist. Darauf, ob im Zinssatz eine Vergütung für die Einkommensteuerbelastung enthalten sei, wie der Deutsche Industrie- und Handelstag meint, kommt es nicht an. Für das Bestehen einer Verkehrsauffassung dahin, daß die Kapitalzinsen zumindest auch den Kaufkraftschwund des Geldkapitals ausgleichen, spricht der deutliche Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau bei langfristigen Geldanlagen (Kapitalmarktzins) und der Geldentwertung. Des Bestehen einer bestimmten Geldentwertungsquote als Zinsbestandteil und damit als zinserhöhender Bestandteil wird zwar in den dem BFH zugegangenen Stellungnahmen verneint. Gleichwohl betonte vor allem der Sachverständigenrat mit Recht wiederholt, daß zwischen dem Zinsniveau und der Geldentwertung ein fester Zusammenhang bestehe (vgl. Zweites JG, Abschnitte 184, 186, 207). Auch im Schrifttum liegen hierüber Angaben vor (vgl. Rittershausen, a. a. O., S. 196, 276, 281; Pfleiderer, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1965 S. 886; Steffan, a. a. O., S. 122; weniger bestimmt Zimmerer, Neue Betriebswirtschaft 1965 S. 63).
Hiernach sprechen gewichtige Gründe dafür anzunehmen, daß die Verkehrsauffassung jedenfalls den privaten Kapitalzins wirtschaftlich nicht mehr in vollem Umfang als Frucht des Geldkapitals, sondern, soweit es die beim Geldvermögen eingetretene Entwertung deckt, als einen der Erhaltung der Kapitalsubstanz dienenden Zufluß betrachtet.
Ein dieser veränderten Betrachtungsweise Rechnung tragendes Zinsbegriff ist mit der dem EStG zugrunde liegenden Trennung von Vermögensebene und Einkommens- (Einkünfte-) Ebene an sich vereinbar. Es ist deshalb denkbar, daß, soweit Zinsen einen Ersatz für die Geldentwertung des Kapitals darstellen, sie als einkommensteuerlich irrelevante Vermögenszuflüsse behandelt werden. Es geht somit nicht in erster Linie, wie der BdF annimmt, um die einkommensteuerliche Berücksichtigung der Vermögensentwertung als solcher, sondern um die Folgerung aus einer teilweisen Funktionsänderung des Zinses auf der Empfängerseite. Auch ist der Antrag des Stpfl. nicht darin zu verstehen, daß die Entwertungsrate als Werbungskosten abgezogen werden solle. Der Stpfl. begehrt vielmehr auszusprechen, daß nur der sich durch Berücksichtigung der jährlichen Geldentwertungsquote ergebende Realzins steuerbar sei.
Ist somit, wenn man den Wortlaut und die einkommensteuerrechtliche Systematik für sich betrachtet, eine engere Auslegung des Zinsbegriffs zwar denkbar, so verengt sich jedoch dieser Auslegungsrahmen, soweit der Begriff durch andere als einkommensteuerrechtliche Normen eindeutig in bestimmtem Sinn festgelegt wird. Diese rechtliche Bedeutung kommt dem Nominalprinzip (Grundsatz Mark = Mark) zu. Es besteht eine ähnliche Rechtslage wie bei dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung, demzufolge bei Vorliegen mehrerer Auslegungsmöglichkeiten diejenige gewählt werden muß, die der Verfassung entspricht (vgl. Spanner, Archiv für öffentliches Recht 1966, 91. Band S. 503, 507 ff. - AöR 1966, 91. Band, 503, 507 ff. - mit weiteren Nachweisen). Das gleiche muß in Ansehung solcher Normen gelten, die, ohne Verfassungsrang zu besitzen, ihrer Natur nach die Teilrechtsordnungen durchdringen. Das Nominalprinzip ist eine solche Norm.
Der Nominalismus besagt, daß bei Geldschuldverhältnissen der Nennwert maßgebend ist. Den Gegensatz bildet der sogenannte Valorismus, der auf den Kurswert oder Verkehrswert, insbesondere den Kaufkraftwert des Geldes abstellt. Das Nominalprinzip ist zwar in erster Linie für das Gebiet des Privatrechts bedeutsam (vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, I. Halbband, S. 780; F. A. Mann, Das Recht des Geldes, 1960 S. 55 ff.; Fögen, NJW 1953, 1321). Es gilt jedoch auch für öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse, und zwar für die Bestimmung sowohl des gesetzlichen Tatbestandes als auch der Rechtsfolgen (z. B. für die Höhe der Steueransprüche, vgl. Jahr, Drittes JG 1966, Bundestagsdrucksache V/1160 S. 178). In der hier zu entscheidenden Frage geht es um die Bedeutung des Nominalprinzips für die inhaltliche Bestimmung des Steuertatbestandes.
Gegen die Maßgeblichkeit des Nominalprinzips bei der Rechtsauslegung kann nicht eingewendet werden, daß der Grundsatz in verschiedener Hinsicht abdingbar (dispositiv) sei. Denn die Abdingbarkeit bezieht sich nur auf die Begründung und nähere Gestaltung von Rechtsverhältnissen, und zwar in erster Linie im bürgerlichen Recht auf Grund des Grundsatzes der Vertragsfreiheit, soweit nicht Sondervorschriften, wie z. B. § 3 WährG, eingreifen (vgl. F. A. Mann, Das Recht des Geldes, 1960 S. 66 ff.; derselbe, Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags - 40. DJT -, Bd. II Abschn. D S 35 ff.; Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 107 S. 78 ((92)) - RGZ 107, 78 ((92)) -; Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 14 S. 306 - BGHZ 14, 306 -). Auch öffentlich-rechtliche Ansprüche können mit Wertsicherungsklauseln ausgestattet werden (vgl. Gesetz über die Zahlung der Zölle in Gold vom 21. Juli 1919, RGBl I 1919 S. 1361).
Während somit das Nominalprinzip zwar für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen keine unbedingte Geltung besitzt, besteht jedoch eine andere Rechtslage bei der Beurteilung bestehender Schuldverhältnisse und ihrer Rechtsgrundlagen, soweit weder Wertsicherungen bedungen sind noch sich die Sachwertbezogenheit schon aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergibt. Bei der Auslegung von Gesetzen und Rechtsgeschäften, in denen bezifferte oder bezifferbare wirtschaftliche Größen genannt sind, kommt, soweit das Gesetz (z. B. § 242 BGB) nicht etwas anderes vorschreibt, das Nominalprinzip voll zur Geltung. Das ergibt sich aus dem währungsrechtlichen Grundsatz, daß die inländische Währung den alleinigen Rechenmaßstab (Recheneinheit) bildet, und daß das Geld somit ein Gut eigener und deshalb nur sich selbst gleicher Art ist (Fögen, NJW 1953, 1321; v. Caemmerer, 40. DJT, Bd. II Abschn. D S. 13). Mit der Verwendung bestimmter Nennbeträge oder mit der Bezugnahme auf bestimmte, zu beziffernde Größen in Rechtsgeschäften oder Rechtsvorschriften ist der Inhalt der Verbindlichkeit fixiert und für eine Umrechnung dieser Nennbeträge in Vergleichswerte (Kurswerte, Kaufkraft) ist kein Raum. Daher werden die in Gesetzen usw. enthaltenen Freibeträge und sonstigen festen Größen von einer Geldentwertung grundsätzlich nicht berührt (vgl. Jahr, Drittes JG, S. 184 ff.). Auch die in den gesetzlichen Tatbeständen abstrakt beschriebenen, bezifferbaren wirtschaftlichen Größen sind im Einzelfall im Sinn der inländischen Währung als Recheneinheit zu verstehen. Obgleich dies nirgends ausdrücklich vorgeschrieben ist, ist dieser selbstverständliche Grundsatz den einzelnen Rechtsvorschriften immanent.
Diese Maßgeblichkeit des Nominalprinzips ergibt sich auch aus einer weiteren Erwägung, die überall da zutrifft, wo das Steuerrecht an Begriffe des Zivilrechts anknüpft. Der Nominalismus gehört nach dem oben Ausgeführten zum Ordnungsgefüge des Zivilrechts. Dort gilt dieses Prinzip als Auslegungsgrundsatz uneingeschränkt, ausgenommen die Fälle der Aufwertung nach § 242 BGB. Es ist grundlegend für die Bestimmung des Inhalts der Geldschulden, der Forderungen und Nebenforderungen einschließlich der Zinsforderungen. Der Inhalt der zivilrechtlichen Begriffe wie Forderung, Zins usw. ist auch steuerrechtlich maßgebend, da die Ordnungsstruktur des Zivilrechts grundsätzlich steuerrechtlich zu beachten ist (BVerfGE 13, 331 ((340))).
Das Nominalprinzip durchdringt alle Rechtsnormen, die sich auf in Geldbeträgen meßbare wirtschaftliche Größen beziehen, und damit auch in Regelungen der Steuertatbestände. Es ist diesen Vorschriften immanent. Eine Rechtsfindung, die der Einzelnorm einen Sinn beilegte, der nicht mit dem Nominalprinzip in Einklang stünde, würde deshalb die der Auslegung gesetzten Grenzen überschreiten.
Das Nominalprinzip selbst kann rechtlich nicht in Frage gestellt werden. Auch das Reichsgericht ließ bei der Aufwertungsrechtsprechung den Grundsatz an sich unberührt (vgl. Nußbaum, Das Geld in Theorie und Praxis des deutschen und ausländischen Rechts, 1925 S. 125). Angesichts der tragenden Bedeutung des Geldnominalismus für das Rechts- und Wirtschaftsleben ist für eine verfassungsrechtliche Prüfung des Grundsatzes kein Raum. Er stellt eine der Grundlagen der geltenden Währungsordnung und der staatlichen Wirtschaftspolitik dar. Er ermöglicht das Funktionieren der Geldpolitik, und zwar sowohl der inflationären als auch der stabilisierenden Maßnahmen (vgl. Duden und v. Caemmerer, 40. DJT 1954, Bd. I S. 46 ff.; Bd. II Abschn. D S. 9). Daher kann sich im Falle einer Geldentwertung die Kritik nicht gegen die Geltung des Nominalprinzips selbst richten, sondern nur gegen diejenigen staatlichen Maßnahmen oder Unterlassungen, die auf der Grundlage dieses Prinzips bestimmte Gruppen benachteiligen und andere begünstigen.
Eine andere Frage ist jedoch, inwieweit die mittelbaren Auswirkungen des Nominalprinzips einer rechtlichen Beurteilung zugänglich sind. Denn auf der Grundlage des rechtlich nicht angreifbaren Nominalgrundsatzes können sich infolge staatlicher Maßnahmen oder Unterlassungen die wirtschaftlichen Verhältnisse so nachhaltig verändern, daß in einigen Bereichen der Rechtsordnung, so auch im Steuerrecht, unerträgliche Verzerrungen auftreten, denen dann auf rechtlichem Wege durch Gesetz oder durch Richterspruch Rechnung getragen werden muß. Auf diese Weise kann es infolge Veränderung der Verhältnisse dazu kommen, daß einzelne Rechtsvorschriften in Widerspruch zu höherrangigen Grundsätzen, besonders zu Verfassungsnormen, treten (unten VI).
Da somit der Inhalt des § 20 EStG durch das Nominalprinzip in dem Sinn eindeutig festgelegt ist, daß Zinsen alle diejenigen Beträge sind, die im Verkehr als solche angesehen werden, und zwar nach Maßgabe des ihnen zukommenden Nennwerts, ist für eine Auslegung gegen den Wortlaut kein Raum. Nach ständiger Rechtsprechung ist nur dann gegenüber dem an sich klaren Wortlaut eines Gesetzes dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung Geltung zu verschaffen, wenn diese Gesichtspunkte erkennbar eine vom Wortlaut abweichende Auslegung verlangen (vgl. BFH-Urteil III 193/60 S vom 11. Dezember 1964, BFH 81, 222, BStBl III 1965, 82). Unzulässig ist jedoch eine Auslegung gegen den klaren, unzweideutigen und vom Gesetzgeber auch so gewollten Wortlaut des Gesetzes. Eine sogenannte Auslegung gegen den Wortlaut kommt hiernach nur in Betracht, wenn dieser Wortlaut, gemessen am Gesetzessinn und Gesetzeszweck, unvollkommen ist. Nur in diesem Fall sind die Gerichte zu einer gesetzergänzenden oder den Gesetzeswortlaut einschränkenden Rechtsfortbildung berechtigt (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 279 ff.; BFH-Urteil IV 26/62 S vom 21. Februar 1964, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188). Steht dagegen der Wortlaut im Einklang mit Sinn und Zweck des Gesetzes, so gibt er den "Willen des Gesetzgebers" zutreffend wieder. Auf die Annahme einer Unvollkommenheit des Ausdrucks, die durch Auslegung oder Rechtsfortbildung, sei es nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise, sei es unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung oder der Entwicklung der Verhältnisse zu beheben wäre, ist dann kein Raum.
V. - Die Geldentwertung kann auch nicht im Wege einer gesetzändernden richterlichen Rechtsfortbildung berücksichtigt werden.
Nach der im Anschluß besonders an die Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts zu § 242 BGB (vgl. RGZ 107, 78) in einem Teil des Schrifttums vertretenen Meinung ist die Rechtsprechung befugt, einem dem Gesetz noch fremden Rechtsgrundsatz dann Raum zu geben und dadurch die gesetzliche Regelung umzubilden, wenn andernfalls ein Rechtsnotstand entstünde, durch den der Rechtsgedanke Schaden leiden würde (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320). Als ein solcher Zustand wird vor allem angesehen, wenn die Natur der Sache oder ein rechtsethisches Prinzip in einer für das allgemeine Rechtsbewußtsein unerträglichen Weise unberücksichtigt bleibt. Der Rechtsnotstand muß evident und auf andere Weise nicht zu beheben sein, und mit einem alsbaldigen Eingreifen des Gesetzgebers darf nicht zu rechnen sein. Nach dieser Auffassung ist entscheidend, daß das Ergebnis im Einklang mit dem Inhalt des allgemeinen Rechtsbewußtseins steht. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts (so Larenz, Schuldrecht, Bd. I S. 108; ferner Duden und v. Caemmerer, 40. DJT, Bd. I S. 5 f.; Bd. II Abschn. D S. 10). In Fällen, in denen das allgemeine Rechtsbewußtsein noch nicht so eindeutig reagiert, und in denen die Entscheidung in einer noch umstrittenen rechtspolitischen Frage zu treffen ist, dürfen die Gerichte dem Gesetzgeber jedoch nicht vorgreifen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 321).
Es kann dahingestellt bleiben, ob man eine derartige Befugnis des Richters, das Recht über den eindeutigen Wortlaut und den Sinn und Zweck eines Gesetzes hinaus um- oder fortzubilden, anerkennen kann. Denn selbst wenn man dieser Ansicht folgte, so wären die von ihr geforderten Voraussetzungen hier nicht gegeben.
Die seit den fünfziger Jahren eingetretene Verschlechterung des Geldwerts ist von der offenen Inflation der Jahre von 1918 bis 1923 nach Wesen und Ausmaß verschieden. Auch in der Rechtsprechung der anderen oberen Bundesgerichte wurden aus dieser sogenannten schleichenden Inflation keine vom Grundsatz Mark = Mark abweichenden Folgerungen gezogen und eine Anpassung von Schuldverhältnissen an die änderung der Kaufkraft (Aufwertung von Ansprüchen) in die Zuständigkeit des Gesetzgebers verwiesen (vgl. BGH-Urteile V ZR 9/58 vom 14. Oktober 1959, NJW 1959, 2203; V ZR 95/64 vom 2. November 1965, NJW 1966, 105; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts II C 15/60 vom 7. Juni 1962, NJW 1962, 1882, Urteil des Bundesarbeitsgerichts 3 AZR 516/63 vom 12. März 1965, DB 1965, 822).
Die Rechtsprechung nimmt nach alledem keine Ausnahmesituation in dem oben dargelegten Sinn an. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
VI. - Da nach dem bisher Ausgeführten die Geldentwertung bei der Besteuerung der Kapitalzinsen nicht im Wege der Auslegung, auch nicht durch Auslegung gegen den Wortlaut, berücksichtigt werden kann, hatte der Senat zu prüfen, ob die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gegen Verfassungsgrundsätze verstößt. Der Senat kommt aus den folgenden Gründen zur Verneinung der Frage. Daher kommt eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.
Die rechtliche Unangreifbarkeit des Grundsatzes Mark = Mark schließt, wie bemerkt, nicht aus, daß eine Geldentwertung infolge des Nominalprinzips zu unerträglichen Spannungen in einzelnen Bereichen der Rechtsordnung führen und die Verfassungswidrigkeit einzelner Normen zur Folge haben kann. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, daß eine Vorschrift infolge der Entwicklung der Verhältnisse (der Normsituation) nachträglich mit einer Norm höheren Ranges in Widerspruch treten kann (vgl. BVerfGE 12, 3141 ((353)); 16, 130 ((141)); BFH-Urteil IV 11/64 S vom 5. November 1964, BFH 80, 356, BStBl III 1964, 602 - VOL-Urteil - Abschn. IV 3, mit weiteren Nachweisen, Spanner, - Deutsches Steuerrecht 1965 S. 91, 93). Da das geltende EStG, das im wesentlichen auf dem EStG von 1925 beruht, auf relativ stabile Geldwertverhältnisse zugeschnitten ist, könnte eine länger dauernde Geldentwertung von nicht unbeträchtlichem Grade unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsam werden.
Der Senat kommt jedoch zu dem Ergebnis, daß ein Verstoß des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG weder gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) noch nach den derzeitigen Verhältnissen, die auch im Streitjahr vorlagen, eine Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 GG anzunehmen ist.
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Dem Gesetzgeber ist es verwehrt, tatbestandliche Differenzierungen oder Gleichstellungen vorzunehmen, die unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt sind. Der Gleichheitssatz ist u. a. dann verletzt, wenn wesentlich Ungleiches willkürlich gleichbehandelt wird (vgl. BVerfGE 4, 31 ((42)), 143 ((155); 16, 6 ((24 ff.))). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die gesetzliche Regelung ohne zureichende Gründe getroffen ist (vgl. Leibholz-Rinck, Grundgesetz, 1966 Anm. 2 zu Art. 3).
Der Gleichheitssatz gilt, wie das BVerfG mehrfach betonte, in besonderem Masse für Steuergesetze. Da diese einen besonders empfindlichen Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre der Steuerpflichtigen enthalten, müssen sie dem Gedanken einer möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen sorgfältig Rechnung tragen. Zwar hat der Gesetzgeber dabei weitgehende Gestaltungsfreiheit. Gewisse äußerste Grenzen sind jedoch auch ihm gesetzt (vgl. BVerfGE 21, 12 ((27))).
Eine rechtlich erhebliche Ungleichheit könnte darin gesehen werden, daß der Gesetzgeber die Erträge aus Sachvermögen und aus sonstigen, nicht der Geldentwertung unterliegenden Quellen einerseits und die Erträge aus einem der Entwertung unterliegenden Geldvermögen andererseits im gleichen Umfange, nämlich nach dem Nominalprinzip, zur Einkommensteuer heranzieht. Denn wirtschaftlich betrachtet besitzen die Erträge aus dem der Entwertung unterliegenden Geldvermögen ganz oder zum Teil die Bedeutung eines Kapitalersatzes und nicht mehr der Frucht des entwerteten Kapitals, während die Erträge aus Sachkapitalien in vollem Umfang als echte Früchte angesehen werden. Zu den nicht der Geldentwertung unterliegenden Einkunftsquellen gehören besonders die Sachwerte, die die Grundlage von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung bilden. Der Gegensatz zwischen der Besteuerung beider Vermögensgruppen ist noch dadurch verschärft, daß das Sachvermögen nicht nur keine Wertminderungen, sondern zum Teil sogar außerordentliche Wertsteigerungen, vor allem auf dem Grundstücksmarkt, erfahren hat, die weitgehend einkommensteuerlich nicht erfaßt werden.
Bei der Prüfung, ob die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, spielt der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit (Folgerichtigkeit) eine erhebliche Rolle (vgl. Leibholzrinck, a. a. O., Anm. 11 zu Art. 3). Dieser Gesichtspunkt spricht hier gegen die Annahme einer Verletzung des Gleichheitssatzes, da die Berücksichtigung der Geldentwertung an einer Stelle des Systems und die damit verbundene Einführung des Sachwertdenkens (Grundsatz der Substanzerhaltung) in das Einkommensteuerrecht kaum auf die Kapitalzinsen beschränkt bleiben könnte.
Einkommensteuerrechtlich erhebt sich zunächst die Frage, ob die Einschränkung der Steuerpflicht der Kapitalzinsen eine entsprechende Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Zinsen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben bedingt. Dieses Problem steht im Zusammenhang mit der sachgerechten Behandlung der Inflationsgewinne der Schuldner. Denn eine Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Zinsen kommt der Besteuerung der Schuldnergewinne gleich. Sodann liegt die Frage nahe, ob solange die Inflationsgewinne der Schuldner nicht erfaßt werden, Geldentwertungsabschläge bei Kapitalgewinnen (z. B. nach § 17 EStG) vorgenommen werden müssen, etwa in der in mehreren Schweizer Kantonen geregelten Form, daß die den Veräußerungserlösen gegenüberzustellenden Anschaffungskosten auf das inzwischen erreichte Kaufkraftniveau umgerechnet werden (vgl. C. D. Kahn, Die Besteuerung des Kapitalgewinns, Winterthur, 1954 S. 50 ff., 56, 79; Imboden, Die Geldentwertung als Problem des Finanzrechts, Archiv für schweizerisches Abgabenrecht. Bd. 25 ((1956)) S. 113 ff.; Höhn, Cahiers de droit fiscal international Vol. XLII ((1960)) S. 134).
Vor allem würde sich der Gesetzgeber vor die Frage gestellt sehen, ob der Gedanke der Substanzerhaltung auch bei der betrieblichen Gewinnermittlung anzuerkennen sei. Gegen seine Berücksichtigung im Steuerrecht sprach bisher vor allem der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Einführung des Substanzerhaltungsprinzips würde das Bilanzsteuerrecht erheblich umgestalten. Vor allem wären Absetzungen für Abnutzung nach Maßgabe der Wiederbeschaffungskosten zuzulassen. In diesem Zusammenhang müßte das Problem der Besteuerung der sogenannten Scheingewinne beim Umlaufvermögen aufgegriffen werden.
Nicht zu übersehen ist, ob und welche Vorkehrungen der Gesetzgeber für den umgekehrten Fall einer deflationären Entwicklung treffen müßte. Darauf wiesen mit Recht der BdF, die Bundesbank und der Deutsche Industrie- und Handelstag in ihren Stellungnahmen hin.
Die Berücksichtigung der Geldentwertung könnte nicht auf die Einkommensteuer beschränkt werden. Sie würde auch bei den Steuern vom Vermögen und bei verschiedenen Verkehrsteuern, so bei der Grunderwerbsteuer und bei der Erbschaftsteuer, eine Rolle spielen.
Die steuerliche Berücksichtigung der Geldentwertung hätte außerdem voraussichtlich Auswirkungen auf das Zivilrecht. Der Gedanke der Substanzerhaltung wäre auch im Handelsbilanzrecht anzuerkennen. Reine Geldschuldverhältnisse müßten laufend der Geldentwertung angepaßt werden; das Verbot der Wertsicherungsklauseln (§ 3 WährG) würde kaum aufrechterhalten werden können.
Wenn der Gesetzgeber angesichts einer hiernach in wichtigen Bereichen der Rechtsordnung möglichen Kettenreaktion von einer Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Besteuerung der Kapitalzinsen abgesehen hat und absieht, so handelt er nicht willkürlich. Dabei spielt es keine Rolle, ob und inwieweit sich die gesetzgebenden Gremien in der Vergangenheit tatsächlich mit solchen Erwägungen befaßt haben. Entscheidend ist, daß dem Gesetzgeber diese Einwände zu Gebote standen und auch bei einem noch höheren Grade der schleichenden Geldentwertung zu Gebote stehen würden.
Die Nichtberücksichtigung der Geldentwertung bei der Besteuerung der Kapitalzinsen ist auch deshalb nicht als willkürlich zu bezeichnen, weil sich der Gesetzgeber bei diesem Unterlassen auf vernünftige wirtschaftspolitische Erwägungen stützen kann. Der Senat macht sich hierzu die währungspsychologischen Erwägungen zu eigen, die in den ihm zugegangenen Stellungnahmen ausgeführt sind.
Bei der rechtlichen Würdigung dieses Gesichtspunktes ist davon auszugehen, daß das Steuerrecht, wie in der Rechtsprechung wiederholt betont wurde, ein legitimes Lenkungsinstrument der Wirtschaftspolitik darstellt (vgl. vor allem BVerfGE 19, 119 ((125))). Dieser Grundsatz ist nicht nur dahin zu verstehen, daß der Gesetzgeber berechtigt ist, steuerliche Maßnahmen zu treffen, um auf wirtschaftliche Abläufe positiv einzuwirken, sondern auch in dem negativen Sinne, daß er Maßnahmen, die an sich naheliegen könnten, unterläßt, um zu verhindern, daß die wirtschaftlichen Abläufe eine aus gesamtpolitischen Gründen unerwünschte Richtung nehmen. Das Unterlassen des Gesetzgebers ist nur dann willkürlich, wenn die zugrunde liegende Besorgnis des Gesetzgebers unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt gerechtfertigt ist.
Diese Voraussetzung ist jedoch bei der steuerrechtlichen Nichtberücksichtigung der Geldentwertung nicht gegeben. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß ihre Berücksichtigung zur Minderung des allgemeinen Vertrauens in die Stabilität des Geldwerts beitragen würde. In Währungsangelegenheiten kommt aber dem Vertrauensmoment entscheidende Bedeutung zu. Das gilt vor allem in einer Währungsordnung, in der das Geld keinen eigenen Stoffwert besitzt. Das Papiergeld stellt reines Vertrauensgeld dar (vgl. A. Weber, Geld und Kredit, Banken und Börsen, 6. Aufl., 1959 S. 23, 25; Schmölders, Geldpolitik 1962 S. 69 ff., mit weiteren Nachweisen). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Geldentwertung auf anderen Gebieten mit Breitenwirkung öffentlich anerkannt wurde, so daß die Einführung der sogenannten dynamischen Sozialrente (Amtliche Begründung in Bundestagsdrucksache II/2437 S. 59), durch die Berücksichtigung künftiger Preissteigerungen bei der Aufstellung der öffentlichen Haushalte (vgl. Erstes JG 1964/65 S. 135), bei der aus der Tagespresse bekannten Zulassung von Inflationsklauseln in Tarifverträgen. Obschon diese Vorgänge das Vertrauen in die Währung offenbar nicht erschüttert haben, ist die Befürchtung nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß eine jährliche änderung des EStG durch Einführung des jeweiligen Geldentwertungssatzes eine stärkere nachteilige psychologische Wirkung auf die öffentlichkeit ausüben könnte. Zwar würde diesem Gesichtspunkt bei einem höheren Grade der Inflation kein Gewicht mehr zukommen, weil die Tatsache der Geldentwertung dann stärker in das allgemeine Bewußtsein gerückt wäre. Wenn es sich jedoch um eine schleichende Inflation niederen Grades handelt, wie sie im Streitjahr vorlag, könnte das in der offenen gesetzlichen Berücksichtigung der jährlichen Geldentwertungsquote liegende amtliche Eingeständnis der Geldentwertung als einer Dauererscheinung erhebliche wirtschaftspolitische Nachteile zur Folge haben.
Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1, 19 Abs. 2 GG) Grundsätzlich wird durch Art. 14 GG das Vermögen nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungen geschützt (vgl. BVerfGE 19, 119 ((128 ff.)) und die dort aufgeführte weitere Rechtsprechung). Verfassungswidrig kann unter diesem Gesichtspunkt ein Steuergesetz nicht aus dem Grunde sein, weil es etwa zu einem enteignungsgleichen Eingriff führe - das kommt nicht in Betracht, weil Steuergesetze ihrer Natur nach alle belasten und keine Sonderopfer im Sinne des Enteignungsrechts (vgl. BGHZ 6, 270 ((280)); 9, 390 ((400))) auferlegen -, sondern nur dann, wenn durch den Eingriff der Wesensgehalt des Eigentums angetastet wird (Art. 19 Abs. 2 GG; vgl. BFH-Urteile III 237/58 U vom 26. April 1963, BFH 77, 258, BStBl III 1963, 413, III 106/60 U vom 10. Mai 1963, BFH 77, 267, BStBl III 1963, 415). Das wird für konfiskatorische Steuern und sogenannte Erdrosselungssteuern bejaht (vgl. BVerfGE 14, 105; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 6 S. 247; Bonner Kommentar, Erläuterung 13 zu Art. 14 GG). Unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie könnte die Geldentwertung bei der Einkommensteuer daher erst berücksichtigt werden, wenn die Inflation erheblich in die Substanz eingriffe. Dementsprechend kann die volle Besteuerung der Kapitalzinsen im Hinblick auf die Geldentwertung nur dann als Verstoß gegen die Eigentumsgarantie betrachtet werden, wenn in der Besteuerung von Kapitalzinsen, die dem Ersatz der Vermögensentwertung dienen, eine Verschärfung dieses Verstoßes liegt.
Die Frage, ob die Herbeiführung einer erheblichen Geldentwertung durch staatliche Maßnahmen oder Unterlassungen in die Grundrechte der Staatsbürger eingreifen kann, ist bisher nicht entschieden. Im Schrifttum liegen hierzu nur vereinzelte Stellungnahmen vor (vgl. Hettlage, Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Heft 14 S. 8, 33 - VVDStRL 14, 8, 33 -; W. Weber in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Bd. 2 S. 361; derselbe in VVDStRL 14, 83; Hamann, Grundgesetz, Anm. B 3 zu Art. 14).
Der Senat kann jedoch für die Entscheidung der vorliegenden Frage dahingestellt sein lassen, ob eine Inflationspolitik gegen die Eigentumsinstitutsgarantie der Verfassung verstoßen würde. Denn jedenfalls kann nach den Verhältnissen des Streitjahres nicht davon die Rede sein, daß die zur Entscheidung stehende steuerliche Regelung als Eingriff in die Substanz mit der Eigentumsgarantie unvereinbar sei. Von einem solchen Eingriff könnte erst dann gesprochen werden, wenn die jährliche Geldentwertungsquote mindestens die Zinssätze für langfristiges Sparkapital übersteigt. Im Streitjahr bewegte sich die Geldentwertung jedoch unterhalb dieser Grenze (vgl. Zweites JG des Sachverständigenrats, Abschn. 113). Der Senat geht dabei von der Entwicklung des Preisindexes der Lebenshaltung aus, da diesem Index im Vergleich zu den übrigen gebräuchlichen Indizes der Güterpreise allgemeinere Aussagekraft zukommt (vgl. Erstes JG 1964,65 des Sachverständigenrats, Abschn. 149; die oben angeführten Stellungnahmen der Deutschen Bundesbank und des Deutschen Industrie- und Handelstags; O. Veit, Grundriß der Währungspolitik, 1961 S. 35 ff.). Obgleich auch gegen diesen Index gewichtige Einwände vorzubringen sind, würde sich der Steuergesetzgeber bei einer Berücksichtigung der Geldentwertung im Einkommensteuerrecht auf ihn zu stützen haben. Denn auf dem Gebiete des Steuerrechts hat der Gesetzgeber weitgehend zu typisieren (vgl. BVerfGE 9, 20 ((32)); 11, 50 ((60)), 245 ((253)); 17, 1 ((23))). Der Geldwert ist zwar, wie im geldtheoretischen Schrifttum anerkannt ist, nur eine relative Größe, die vor allem durch die Verwendungszwecke des Geldes bedingt ist (vgl. Veit, a. a. O., S. 36 ff.; Schmölders, Geldpolitik 1962 S. 83 ff.). Da aber, wie bemerkt, für das Steuerrecht nur eine typisierende Betrachtungsweise in Frage kommt, ist der Senat nicht in der Lage, einer gesonderten Beurteilung mit Rücksicht auf einzelne Gruppen von Sparern Raum zu geben, die von der Geldentwertung, gemessen an bestimmten Sparzielen, besonders stark betroffen werden. Aus diesem Grunde muß vor allem die die Bausparer benachteiligende im Streitjahr vorliegende inflationäre Preisentwicklung auf dem Grundstücks- und Baumarkt unberücksichtigt bleiben (vgl. Erstes JG 1964/65, Abschn. 150 c).
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) Der Vorgang einer Geldentwertung berührt zwar das Prinzip der Sozialstaatlichkeit in besonders starkem Masse, da die Erhaltung einer wenigstens relativen Geldwertstabilität für einzelne Bevölkerungsgruppen eine Existenzfrage bilden kann (vgl. Hettlage, VVDStRL 14, 33). Der Senat hat jedoch nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob dem Sozialstaatsprinzip überhaupt unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung zukommt (vgl. Hamann, Grundgesetz, Anm. B 3 a zu Art. 20 S. 207 f.) oder ob es nur die Bedeutung einer Auslegungs- und Ermessensrichtlinie besitzt (vgl. Forsthoff und Bachof, VVDStRL 12, 36, 80; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, II. Aufl., Anm. VII 2 a und b zu Art. 20). Denn eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips mit der Folge, daß gesetzliche Vorschriften für verfassungswidrig erklärt werden müßten, könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, die Voraussetzungen für einen erträglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und für die Herstellung erträglicher Lebensbedingungen zu schaffen, willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund, nicht nachgekommen wäre (vgl. BVerfGE 1, 97 ((105))). Diese Voraussetzung ist aber bei der laufenden Geldentwertung weniger schweren Grades, die in den hier in Betracht zu ziehenden Jahren vorlag, nicht gegeben. Wegen des Willkürgesichtspunktes wird auf die Ausführungen zum Gleichheitssatz (Abschnitt VI, 1 b und c) Bezug genommen.
Auf die Frage, ob das Sozialstaatsprinzip schon aus dem Grunde nicht für verletzt angesehen werden könne, weil - wie der BdF und mehrere Spitzenverbände ausführen - nach dem bisherigen Stande der Einkommensteuergesetzgebung und wegen der Schaffung besonderer Sparvergünstigungen die schutzbedürftigen, wirtschaftlich schwächeren Kreise der Steuerpflichtigen private Geldkapitalzinsen kaum zu versteuern bräuchten, kommt es deshalb für die Entscheidung ebenfalls nicht an.
VII. - Der Senat bemerkt im übrigen, daß steuerrechtliche Maßnahmen an sich nur ein begrenztes Mittel darstellen können, um die Inhaber privaten Geldvermögens, besonders die Sparer, gegen die nachteiligen Auswirkungen einer Geldentwertung zu schützen. Denn auch bei einer Freistellung der Kapitalzinsen in Höhe der jährlichen Entwertungsquote von der Besteuerung bleibt dennoch im wesentlichen der Nachteil der Substanzentwertung bestehen. Je höher der Grad der Geldentwertung ist, um so geringere Bedeutung kommt, verglichen mit dem Ausmaß des Substanzverlustes, der Besteuerung des Ertrages zu, zumal auch der Geldwert der auf den Ertrag entfallenden Steuerleistung abnimmt.
Die Auswirkungen der Geldentwertung können auch nicht nur in bezug auf die Besteuerung der Kapitalzinsen gesehen werden. Von Bedeutung ist das System der Einkommensbesteuerung im ganzen, das, wie ausgeführt, infolge einer dauernden Geldentwertung erhebliche Verzerrungen aufweist. Es ist Sache des Gesetzgebers, hier - beispielsweise durch Steuerbefreiungen (Freibeträge) - den erforderlichen Ausgleich zu schaffen.
Fundstellen
Haufe-Index 424256 |
BStBl III 1967, 690 |
BFHE 1967, 422 |
BFHE 89, 422 |