Keine Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen eines Kreditinstituts an seine Privatkunden
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, und die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben; Entsprechendes gilt nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Sachverhalt: Sachzuwendungen eines Kreditinstituts an seine Privatkunden zur allgemeinen Kundenpflege
Die Klägerin betreibt ein Kreditinstitut. Sie lud in den Streitjahren 2012 und 2015 unterschiedliche, von ihrem Vorstand betreute, vermögende Privatkunden zu zwei Veranstaltungen ein ‑ eine Schifffahrt mit Weinprobe und ein Golfturnier. Konkrete Produkte wurden bei diesen Veranstaltungen nicht beworben. Auch die Einladungen enthielten keinen Hinweis auf eine bestimmte Geldanlage oder mögliche Beratungsgespräche.
Alle eingeladenen Privatkunden unterhielten bei der Klägerin zumindest ein Spar- und/oder Girokonto. Teilweise hatten diese Privatkunden über die Klägerin auch in ganz unterschiedliche Wertpapiere (Aktien, Investmentanteile, Schuldverschreibungen) investiert. Etwa 20 % der Privatkunden hatten der Klägerin Kapital für einen festen Zins und eine feste Laufzeit überlassen. Ein geringer Anteil der eingeladenen Privatkunden hatte von der Klägerin auch einen Kredit erhalten.
Die Klägerin unterwarf die Veranstaltungskosten der Pauschalsteuer gemäß § 37b EStG und meldete sie in den Lohnsteuer-Anmeldungen für Dezember 2012 und Oktober 2015 an. Das Finanzamt hob nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung unter anderem für die streitgegenständlichen Lohnsteuer-Anmeldungen auf.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Besteuerung der streitigen Sachzuwendungen wandte. Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG statt.
Entscheidung: BFH weist die Revision des FA als unbegründet zurück
Die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG erfasst nur solche betrieblich veranlassten Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern dem Grunde nach zu einkommensteuerbaren und einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn § 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl.
Keine einkommensteuerbaren Einkünften bei den Zuwendungsempfängern
Nach diesen Maßstäben kommt eine Pauschalierung der Einkommensteuer für die streitigen Zuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht in Betracht. Zwar waren diese als Marketingmaßnahmen betrieblich veranlasst. Gleichwohl schuldete die Klägerin hierfür keine Pauschalsteuer gemäß § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn die von ihr gewährten, betrieblich veranlassten Zuwendungen führten ‑ als einzige in Betracht kommende Einkunftsart ‑ bei den Zuwendungsempfängern nicht zu einkommensteuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 11 EStG aufgeführten (laufenden) Kapitalerträge sowie Gewinne aus Veräußerungen und gleichgestellten Vorgängen gemäß § 20 Abs. 2 EStG. Dabei ist grundsätzlich jede einzelne Kapitalanlage als gesonderte Einkunftsquelle zu betrachten und deren Einnahmen und Ausgaben getrennt zu erfassen. Ob eine Vermögensmehrung als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen ist, bestimmt sich nach dem Veranlassungsprinzip. Nach § 20 Abs. 3 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Die Vorschrift stellt den Umfang der erfassten Einnahmen klar, ohne dass es auf die Bezeichnung der Erträge ankommt.
Veranstaltungen als (Werbe-)Maßnahme zur Kundenpflege
Im Streitfall haben die Privatkunden zwar im Rahmen von Spar-, Girokonto- und Festgeldverträgen sowie durch den Erwerb von Aktien, Investmentanteilen oder Schuldverschreibungen Kapital an die Klägerin beziehungsweise an Dritte überlassen und aus diesen Kapitalanlagen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen können. Die streitigen Sachzuwendungen der Klägerin waren nach der Tatsachenwürdigung des FG aber weder ein durch diese Kapitalanlagen veranlasstes zusätzliches Entgelt, noch ein gegebenenfalls vorgezogenes Entgelt für eine geplante künftige Kapitalüberlassung. Vielmehr handelte es sich bei den Veranstaltungen um (Werbe-)Maßnahmen der Kundenpflege und -bindung, welche den Kundenberatern der Klägerin allgemein als "Türöffner" dienten und deren Chancen auf künftige Geschäftsabschlüsse, insbesondere die Vermittlung weiterer Kapitalanlagen auch von Drittanbietern, mit den vermögenden Teilnehmern erhöhen sollten.
Das FG hat schließlich auch zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verneint. Dieser Vorschrift unterfallen betrieblich veranlasste Geschenke, die grundsätzlich zum Betriebsausgabenabzug berechtigen, wenn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG diesen nicht verwehrt. Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG sind unentgeltliche Zuwendungen, das heißt die Zuwendung darf nicht als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Empfängers gedacht sein und nicht in einem unmittelbaren zeitlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer solchen Leistung stehen. Das Vorliegen einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne der §§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG und die gleichzeitige Annahme eines steuerbaren Kapitalertrags im Sinne des § 20 EStG schließen sich jedoch denklogisch aus. Auch § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst nur die Einkommensteuer, die durch Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG entsteht, wenn und soweit der Empfänger dieser Geschenke dadurch Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 13 bis 24 EStG erzielt. Das ist vorliegend bei den streitigen Sachzuwendungen der Klägerin an die Privatkunden hinsichtlich der insoweit allein in Betracht kommenden Einkünfte aus Kapitalvermögen ‑ wie dargelegt ‑ nicht der Fall.
BFH, Urteil v. 9.8.2023, VI R 10/21; veröffentlicht am 9.11.2023
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