Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Reifeprüfung keine Werbungskosten; Aufteilungs- und Abzugsverbot
Leitsatz (NV)
1. Aufwendungen eines Kriminalbeamten des gehobenen Dienstes zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung sind selbst dann keine Werbungskosten, wenn er Rechtswissenschaft mit dem Ziel, in den höheren Kriminaldienst aufzusteigen, studieren will.
2. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gilt nicht beim Zusammentreffen von Werbungskosten und Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1985 Beamter des gehobenen Dienstes der Kriminalpolizei. Er beabsichtigte, sich um die Zulassung zum höheren Dienst der Kriminalpolizei zu bewerben. Um die Voraussetzungen hierfür nach der . . . Laufbahnverordnung zu erfüllen, bereitete er sich im Streitjahr 1985 bei der Kreisvolkshochschule . . . auf die Reifeprüfung vor. Er machte u. a. die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die Anerkennung. Im Einspruchsverfahren (1986) erklärten die Kläger auf Anfrage des FA, das Arbeitszimmer werde vom Kläger sowohl für die Vorbereitung von Einsatzmaßnahmen im Kriminalpolizeidienst als auch für die Vorbereitung seines Studiums der Rechtswissenschaften genutzt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es anerkannte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer . . . als Werbungskosten und führte aus: Die Kosten eines Erststudiums seien grundsätzlich keine Werbungskosten, sondern Berufsausbildungskosten. Von diesem Grundsatz habe der Bundesfinanzhof (BFH) eine Ausnahme für den Fall zugelassen, daß ein Sanitätsoffiziersanwärter zum Zwecke des Studiums der Zahnmedizin beurlaubt worden sei und ein Ausbildungsgeld erhalte. In einem solchen Fall seien die Ausgaben durch die Berufsausübung entstanden und daher zum Abzug zuzulassen (Urteil vom 28. September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87). Ein entsprechender Ausnahmefall sei im Streitfall gegeben, weil der Kläger das Studium der Rechtswissenschaft zu dem Zweck aufgenommen habe, um in seinem ausgeübten Beruf als Polizeibeamter in den höheren Dienst aufsteigen zu können.
Das FA begehrt mit seiner vom BFH zugelassenen Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt eine Verletzung der § 9, § 12 und § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und trägt vor: Zu den Berufsausbildungskosten gehörten Aufwendungen für das erstmalige Studium an einer Hochschule und alle Aufwendungen, die durch den Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen entstünden, also auch Aufwendungen, die anläßlich einer Vorbereitung auf die Reifeprüfung anfielen. Im Streitfall habe der Kläger den Raum sowohl für die Vorbereitung von Polizeieinsätzen, also berufliche Zwecke, als auch für die Vorbereitung auf die Reifeprüfung, also typische Ausbildungszwecke, genutzt. Mit der Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten habe das FG gegen das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 EStG verstoßen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Aufwendungen des Klägers für das häusliche Arbeitszimmer sind nur insoweit Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), als er das Arbeitszimmer für die Vorbereitung von Einsatzmaßnahmen im Kriminalpolizeidienst genutzt hat. Soweit das Arbeitszimmer im Streitjahr im Zusammenhang mit dem Besuch der Kreisvolkshochschule der Vorbereitung auf die Reifeprüfung gedient hat, sind die Aufwendungen Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat sich der Kläger im Streitjahr auf die Reifeprüfung vorbereitet, um vom gehobenen Dienst in den höheren Dienst aufsteigen zu können. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Kläger bereits im Streitjahr 1985 Rechtswissenschaft studiert habe. Deshalb tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG seine Entscheidung insoweit nicht, als es die Annahme von Werbungskosten mit dem Studium der Rechtswissenschaft begründet hat. Der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen dient der Ausbildung (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89, 90). Dies hat zur Folge, daß die damit zusammenhängenden Kosten bei ausreichendem Zusammenhang mit dem Beruf auch nur als Berufsausbildungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit einem Höchstbetrag von 900 DM bzw. 1200 DM und nicht als Werbungskosten abgezogen werden können. Ausnahmsweise gilt etwas anderes dann, wenn der Besuch der Allgemeinwissen vermittelnden Schule Gegenstand eines sog. Ausbildungsverhältnisses ist (BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89, 90). Der Kläger hat sich nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis befunden. Er hat nicht geltend gemacht und die Vorinstanz hat auch nicht festgestellt, daß der Besuch der Kreisvolkshochschule und die Vorbereitung auf die Reifeprüfung Gegenstand des Dienstverhältnisses des Klägers gewesen sind.
Zu einem anderen Ergebnis hätte es aber auch nicht geführt, wenn der Kläger im Streitjahr bereits Rechtswissenschaft studiert hätte. Denn auch die Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium sind nach der Rechtsprechung des Senats - vom Fall eines Ausbildungsdienstverhältnisses abgesehen - Ausbildungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616).
2. Entgegen der Auffassung des FG führt die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers zu Ausbildungszwecken nicht zu einem Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Der Senat hat - zeitlich nach Eingang der Revisionsbegründung - mit Urteil vom 22. Juni 1990 VI R 2/87 (BFHE 160, 562, BStBl II 1990, 901) entschieden, daß das Aufteilungs- und Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht beim Zusammentreffen von Werbungskosten und Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten) gilt und daß in einem solchen Fall die Aufwendungen für den als Arbeitszimmer geltend gemachten Raum entsprechend der anteilmäßigen Nutzung als Werbungskosten oder als Berufsausbildungskosten berücksichtigt werden können.
3. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, in welchem Umfang der Kläger das Arbeitszimmer einerseits zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung und andererseits - entsprechend seinem Vorbringen - für die Vorbereitung von Einsatzmaßnahmen im Kriminalpolizeidienst genutzt hat. Es wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen und ggf. die Kosten für das Arbeitszimmer anteilmäßig berücksichtigen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 418438 |
BFH/NV 1992, 733 |