Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzungen für Gewährung von vollstationärer Krankenhausbehandlung. gerichtliche Überprüfung der Notwendigkeit. keine Einschätzungsprärogative des Krankenhausarztes. Divergenz. unterschiedliche geschäftsplanmäßige Zuständigkeit von Senaten
Leitsatz (amtlich)
1. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich nach medizinischen Erfordernissen. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eines Krankenhausaufenthalts auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen des Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben muss.
2. Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine "Einschätzungsprärogative" kommt dem Krankenhausarzt nicht zu.
Orientierungssatz
Die unterschiedliche geschäftsplanmäßige Zuständigkeit von zwei Senaten schließt eine Divergenz nicht aus.
Normenkette
SGB 5 § 39 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1992-12-21, § 109 Abs. 4 S. 2, § 112 Abs. 1; SGG § 41 Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
I. Im Ausgangsverfahren ist streitig, ob die beklagte Krankenkasse dem klagenden Sozialhilfeträger Kosten zu erstatten hat, die dieser für eine stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung des beigeladenen Versicherten aufgewendet hat.
Der Versicherte, der unter Betreuung steht, war aufgrund einer Minderbegabung mit Verhaltensstörungen, ua in Form einer Neigung zu auto- und fremdaggressiven Impulsdurchbrüchen und sexueller Enthemmung bei insgesamt dissoziativer Fehlreaktionsbereitschaft, seit 1991 mit kurzen Unterbrechungen stationär in Einrichtungen der Psychiatrie untergebracht. Zuletzt befand er sich von Dezember 1996 bis März 2000 durchgehend in der Fachklinik H., einer Klinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation. Die Beklagte übernahm nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) die dort angefallenen Kosten der stationären Behandlung bis einschließlich 11. März 1997 und lehnte weitere Zahlungen mit der Begründung ab, dass der Zustand des Versicherten in der Folgezeit entgegen der Einschätzung des verantwortlichen Abteilungsarztes keine Krankenhausbehandlung mehr erfordert habe. Für den Klinikaufenthalt ab 12. März 1997 trat daraufhin der Kläger als Kostenträger ein.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die für den stationären Aufenthalt vom 12. März 1997 bis 19. März 2000 aufgewendeten Kosten in Höhe von 196.773,07 € nebst Zinsen zu erstatten, weil nach den eingeholten ärztlichen Gutachten die Krankenhausbehandlung des Versicherten notwendig gewesen sei. Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) nach Anhörung eines weiteren ärztlichen Sachverständigen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Bei dem Versicherten habe nach dem Beweisergebnis eine pflegerische Behandlung im Rahmen einer Unterbringung im Vordergrund gestanden; die notwendige ärztliche Behandlung in Gestalt einer Verlaufskontrolle und einer fortlaufenden, im Wesentlichen gleichbleibenden medikamentösen Therapie hätte auch ambulant, beispielsweise im Rahmen der Unterbringung in einer heilpädagogischen Einrichtung, erfolgen können.
Im Revisionsverfahren hat die Beklagte sich im Wege eines Teilvergleichs bereit erklärt, dem Kläger die Hälfte der Kosten der stationären psychiatrischen Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 12. März 1997 bis zum 27. Juli 1998 zu erstatten. Bezüglich des streitig gebliebenen Erstattungsanspruchs für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis zum 19. März 2000 in Höhe von 112.389,91 € beabsichtigt der mit der Sache befasste 1. Senat, die Revision des Klägers zurückzuweisen, sieht sich daran aber durch Rechtsprechung des 3. Senats gehindert. Der 1. Senat entnimmt den Feststellungen des LSG, dass eine medizinisch begründete Notwendigkeit, den Versicherten stationär in einem Krankenhaus zu behandeln, nicht bestanden hat, und leitet daraus ab, dass die Beklagte nicht leistungspflichtig sei. Der 3. Senat bejahe indessen einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse auch dann, wenn der Patient an sich ambulant versorgt werden könne, dazu aber, wie der Versicherte im vorliegenden Fall, eine spezielle Unterbringung und Betreuung in einer geschützten Umgebung benötige und die Krankenkasse ihm eine geeignete Einrichtung nicht konkret benannt habe. Zudem billige der 3. Senat dem Krankenhausarzt bei der Beurteilung der (medizinischen) Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu Unrecht einen gerichtlicher Überprüfung nicht oder nur eingeschränkt zugänglichen Entscheidungsspielraum zu.
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Nachdem der 3. Senat auf Anfrage an seiner Rechtsprechung festgehalten hat, hat der 1. Senat mit Beschluss vom 7. November 2006 dem Großen Senat folgende Rechtsfragen zur Beantwortung vorgelegt: |
1. |
Setzt der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus voraus, dass allein aus medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht erreicht werden kann? |
2. |
Hat das Gericht die Voraussetzungen gemäß Frage 1 voll zu überprüfen? |
II. Die Vorlage ist zulässig.
Beide dem Großen Senat unterbreiteten Rechtsfragen sind entscheidungserheblich. Sie stehen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis insofern, als die Erheblichkeit der einen von der Beantwortung der jeweils anderen Frage abhängt. Ein Erstattungsanspruch des Klägers nach den §§ 102 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch kommt nur in Betracht, wenn die von ihm erbrachte Leistung (Gewährung von Krankenhausbehandlung als Sachleistung) rechtmäßig von der Beklagten zu erbringen gewesen wäre. Das wäre der Fall, wenn der Versicherte als ihr Mitglied in der streitbefangenen Zeit gegen sie einen Anspruch auf (vollstationäre) Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gehabt hätte. Die erste Frage zielt auf die Klärung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, die zweite auf deren Feststellung durch Verwaltung und Gerichte. Erfordert die Vorschrift, wie der vorlegende Senat annimmt, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ausschließlich medizinisch begründet ist, so kommt es darauf an, ob das Gericht das Vorliegen dieser Voraussetzung selbst uneingeschränkt zu überprüfen hat oder ob dem behandelnden Krankenhausarzt insoweit eine Einschätzungsprärogative zugebilligt wird.
Der Einwand des Klägers, auf die Vorlagefragen komme es nicht an, weil die Beklagte für den Klinikaufenthalt des Beigeladenen unabhängig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Krankenhausbehandlung jedenfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes aufkommen müsse, greift nicht durch. Das Vorbringen bezieht sich auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), derzufolge der Versicherte vor einer Inanspruchnahme als Kostenschuldner geschützt ist, wenn er nach den Umständen darauf vertrauen durfte, dass ihm die Krankenhausbehandlung als Sachleistung der Krankenkasse gewährt werde (BSGE 78, 154 = SozR 3-2500 § 39 Nr 3; BSGE 79, 190, 194 = SozR 2500 § 13 Nr 12; BSGE 82, 158 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5; siehe auch BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25) . Da der gute Glaube des Versicherten keinen Anspruch auf Krankenhausbehandlung begründet, sondern nur bewirkt, dass die Krankenkasse ihm das Fehlen des Leistungsanspruchs nicht entgegenhalten kann und ihn gegebenenfalls von Vergütungsforderungen des Krankenhauses freistellen muss, ist zweifelhaft, ob sich der Sozialhilfeträger im Erstattungsstreit auf ein etwaiges Vertrauen des Versicherten berufen kann. Dem braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden, weil es im konkreten Fall bereits an einem Vertrauenstatbestand auf Seiten des Beigeladenen fehlt. Denn dessen Betreuer war spätestens anlässlich der Anmeldung des Erstattungsanspruchs am 21. Juli 1998 und damit vor Beginn der jetzt im Revisionsverfahren noch streitigen Zeit von der Weigerung der Krankenkasse in Kenntnis gesetzt worden.
Die Vorlage erfüllt die Anforderungen einer Divergenzanrufung nach § 41 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz, denn der 1. Senat würde mit der von ihm beabsichtigten Entscheidung in beiden Punkten von Entscheidungen des 3. Senats abweichen.
Die unterschiedliche geschäftsplanmäßige Zuständigkeit der beiden Senate schließt eine Divergenz nicht aus. Zwar ist der Behandlungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse, über den der 1. Senat zu entscheiden hat, von dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse, für den der 3. Senat zuständig ist, zu trennen. Beide Ansprüche korrespondieren aber in der Weise, dass sie sich inhaltlich im Kern decken, weil die Leistung des Krankenhauses zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten dient. Die aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich deshalb für beide Senate in gleicher Weise.
Was das Erfordernis der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit anbelangt, will der 1. Senat allein auf den Gesundheitszustand des Patienten abstellen und danach entscheiden, ob dieser, losgelöst von sonstigen persönlichen Umständen, eine stationäre Versorgung mit den Mitteln eines Krankenhauses erfordert. Nach der Rechtsprechung des 3. Senats (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2; BSGE 94, 139 = SozR 4-2500 § 112 Nr 4; Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 KR 40/04 R - GesR 2005, 558) ist das Merkmal der Erforderlichkeit der Behandlung im Krankenhaus dagegen nicht "abstrakt", bezogen auf den festgestellten medizinischen Bedarf, sondern "konkret", bezogen auf die speziellen Versorgungsbedürfnisse des Versicherten, zu verstehen. Krankenhausbehandlung ist danach auch dann notwendig, wenn ein Patient, der an sich ambulant behandelt werden könnte, wegen der Art der Erkrankung oder aus anderen Gründen eine Betreuung durch hinreichend geschulte medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung benötigt und andere bedarfsgerechte Einrichtungen als das Krankenhaus weder flächendeckend vorhanden sind noch im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen.
Eine entscheidungserhebliche Divergenz besteht auch in der Frage der gerichtlichen Kontrolldichte. Während der 1. Senat der Meinung ist, dass Verwaltung und Gerichte die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung selbst in vollem Umfang zu überprüfen und festzustellen haben, geht der 3. Senat davon aus, dass sie an die Beurteilung des behandelnden Krankenhausarztes gebunden sind, sofern diese unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt (vgl Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 23/05 - SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 12 und die zusammenfassende Darstellung im Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 10) .
Die in dieser Frage bestehende Divergenz ist durch die zwischenzeitliche Präzisierung der beiderseitigen Rechtsauffassungen nicht ausgeräumt worden. Der 1. Senat hat in dem Vorlagebeschluss vom 7. November 2006 - B 1 KR 32/04 R (Umdruck RdNr 55) deutlich gemacht, dass auch er den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht ausnahmslos von der objektiven Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung abhängig macht, sondern die - bei rückschauender Betrachtung möglicherweise fehlerhafte - Einschätzung des Krankenhausarztes ausreichen lässt, wenn die Entscheidung, den Patienten stationär aufzunehmen, aufgrund der im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Informationen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen hat. Umgekehrt hat der 3. Senat in seiner Antwort auf die Anfrage des 1. Senats betont, auch nach seiner Auffassung sei über die sachliche Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nach objektiven Kriterien zu entscheiden; er wende sich nur dagegen, dass eine fachlich vertretbare Beurteilung des Krankenhausarztes später aufgrund eines am grünen Tisch erstatteten anderslautenden Gutachtens korrigiert werde (Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 10) . In einer neueren Entscheidung vom 28. Februar 2007 - B 3 KR 15/06 R (SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 19) hat der 3. Senat den subjektiv gefärbten Begriff der Vertretbarkeit durch die stärker objektiv ausgerichtete Formulierung ersetzt, die Entscheidung des Krankenhausarztes sei hinzunehmen, wenn er die Krankenhausbehandlung unter Abwägung aller konkret in Betracht kommenden, ihm bekannten oder zumindest erkennbaren teilstationären oder ambulanten Behandlungsmöglichkeiten aus fachlich einwandfreien Gründen für notwendig gehalten habe.
Trotz dieser klarstellenden Erläuterungen bleibt der Befund, dass der 3. Senat dem Krankenhausarzt einen gerichtlicher Kontrolle nicht zugänglichen Entscheidungsspielraum überlässt, während der 1. Senat die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung in vollem Umfang überprüft. Der Dissens wird dadurch vertieft, dass der 3. Senat auch die Vertretbarkeit der Entscheidung des Krankenhausarztes, also die Frage, ob die Grenzen einer fachgerechten Beurteilung eingehalten wurden, nicht von Amts wegen überprüft, sondern sie als gegeben unterstellt, solange die Krankenkasse diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen erhebt (BSGE 94, 139 = SozR 4-2500 § 112 Nr 4 RdNr 21; Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 KR 40/04 R - GesR 2005, 558, 560; siehe dazu auch die Anmerkung von Weddehage, KH 2006, 49, 50) . Das führt im Ergebnis dazu, dass im Vergütungsstreit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des Krankenhauses vermutet wird.
III. 1. Die erste Vorlagefrage wird vom Großen Senat bejaht. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedarf und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung steht.
Das Gesetz regelt die Voraussetzungen des Anspruchs auf vollstationäre Krankenhausbehandlung in § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V. Danach muss die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Für sich alleine gibt diese Formulierung keinen endgültigen Aufschluss darüber, ob mit dem Merkmal der Erforderlichkeit ausschließlich der medizinische Bedarf gemeint ist oder ob auch andere Umstände die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründen können. Fest steht nach dem Wortlaut nur, dass der Aufenthalt im Krankenhaus einem Behandlungszweck dienen muss und die Krankenkasse deshalb nicht leistungspflichtig ist, wenn der Patient aktuell keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit, im Krankenhaus behalten oder dort untergebracht wird (ständige Rechtsprechung des BSG; siehe zuletzt BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 13 mwN; zum früheren Recht der RVO: BSGE 47, 83, 85 f = SozR 2200 § 216 Nr 2 S 3 f; BSGE 59, 116 = SozR 2200 § 184 Nr 27; BSG SozR 2200 § 184 Nr 22 S 32 f und Nr 28 S 41 ff) . Davon geht auch der 3. Senat ausdrücklich aus (Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 5 und 8) .
Etwas deutlicher als aus der aktuellen Gesetzesfassung ließen sich Inhalt und Ziele der Krankenhausbehandlung aus dem Wortlaut des früheren § 184 Reichsversicherungsordnung (RVO) ablesen, der bis zum Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 die Voraussetzungen dieser Leistung regelte. Danach war Krankenhauspflege zu gewähren, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich war, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Auch diese Formulierung ließ aber Raum für eine Interpretation, die zur Begründung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung andere Gesichtspunkte als den bloßen medizinischen Bedarf mit heranzog.
Mag der reine Gesetzestext in Bezug auf die Vorlagefrage mehrere Deutungen zulassen, so ergibt sich aus der Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der Systematik des Krankenversicherungsrechts sowie dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 39 Abs 1 SGB V mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Krankenkasse eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur schuldet, wenn der Gesundheitszustand des Patienten sie aus medizinischen Gründen erfordert. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten einer dennoch durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist.
Die Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften im 3. Kapitel des SGB V muss sich am Gegenstand der GKV als einer Versicherung gegen Krankheit orientieren. Deren Aufgabe ist es, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Satz 1 SGB V) . Es geht dabei um die Bereitstellung der für diese Zwecke benötigten medizinischen Versorgung, wie sich aus zahlreichen Einzelvorschriften des Leistungsrechts, insbesondere aus der Beschreibung der Leistungsziele in § 11 Abs 1 und § 27 Abs 1 Satz 1 sowie aus dem Leistungskatalog in § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V ersehen lässt. Zu den Aufgaben der Krankenversicherung gehört es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Für derartige Risiken haben die Krankenkassen nicht einzustehen. Sie haben auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch schwerkranke Patienten, zu beheben, weil sie dafür weder Verantwortung tragen noch Geldmittel verwenden dürfen. Maßnahmen und Leistungen, die nicht durch medizinische Erfordernisse der Krankheitserkennung oder -behandlung veranlasst sind, gehören deshalb grundsätzlich nicht zum Gegenstand der Krankenversicherung.
Dies bestätigt eine gesetzessystematische Betrachtung, denn soweit ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, legt das Gesetz dies ausdrücklich fest. So hat es für bestimmte Fallgestaltungen ergänzende Leistungen vorgesehen, die eine Krankenbehandlung unterstützen oder erst ermöglichen sollen, ohne selbst unmittelbar einem medizinischen Zweck zu dienen. Das gilt etwa für die in § 38 SGB V geregelte Haushaltshilfe oder für die Gewährung von Fahrkosten als akzessorischer Leistung zur Krankenbehandlung (§ 60 SGB V) . Mit der Einführung der Soziotherapie (§ 37a SGB V) für Versicherte, die wegen einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche und ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, hat der Gesetzgeber eine weitere ergänzende Leistung geschaffen, die an der Nahtstelle zwischen Krankenbehandlung und allgemeiner Lebenshilfe angesiedelt ist und selbst keinen medizinischen Inhalt hat. Dadurch, dass dem psychisch Kranken zur Sicherstellung der benötigten ambulanten Behandlung und zur Bewältigung der damit zusammenhängenden Probleme für eine begrenzte Zeit eine fachkundige Betreuungsperson zur Seite gestellt wird, sollen wiederkehrende, medizinisch nicht indizierte Krankenhausaufenthalte (sog "Drehtüreffekt") vermieden werden (so die Begründung zum Entwurf des GKV-Reformgesetzes 2000,BT-Drucks 14/1245 S 66) . Eine Soziotherapie ist nicht bei solchen Patienten erforderlich, die bereits in ihrem sozialen Umfeld, sei es in der Familie oder in einer betreuten Wohngemeinschaft, einem Übergangswohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung, über eine ausreichende Hilfe verfügen. Auch durch diese Leistung wird deshalb zu Lasten der GKV eine Lücke in der Versorgung psychisch Kranker geschlossen, die ihren Ursprung letztlich nicht im Risikobereich der Krankenversicherung, sondern in einer partiell unzureichenden sozialen Eingliederung und Betreuung dieses Personenkreises hat.
Den genannten ergänzenden Leistungen ist gemeinsam, dass sie dazu bestimmt sind, eine konkrete medizinische Behandlung zu ermöglichen oder zu unterstützen. Der allein auf die konkrete Behandlung bezogene Zweck bildet auch die Rechtfertigung dafür, dass außermedizinische Gesichtspunkte wie die Lebensumstände und die häusliche Situation des Versicherten etwa bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, ob ein chirurgischer Eingriff im konkreten Fall ambulant durchgeführt werden kann oder ob ausnahmsweise eine stationäre Aufnahme erfolgen muss, weil eine ausreichende Überwachung und Nachbetreuung des Patienten in seiner häuslichen Umgebung nicht gewährleistet ist (siehe dazu § 115b Abs 1 SGB V in Verbindung mit den dort vorgesehenen dreiseitigen Vereinbarungen zum ambulanten Operieren) . Davon unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation, in der der Versicherte bereits aus anderen Gründen unabhängig von dem bestehenden Behandlungsbedarf eine geeignete Unterbringung und Betreuung außerhalb des Krankenhauses benötigt.
Nachdem das SGB V nicht nur die medizinischen, sondern auch die ergänzenden Leistungen der Krankenbehandlung selbst abschließend regelt (siehe dazu bereits BSGE 81, 240, 244 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 S 30; BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 4 S 28) , verbietet sich auch aus rechtssystematischen Gründen eine Auslegung, welche den Anwendungsbereich des § 39 Abs 1 SGB V auf Fälle erstreckt, in denen die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht mit medizinischen Erfordernissen, sondern mit dem Fehlen alternativer Versorgungs- oder Unterbringungsmöglichkeiten begründet wird.
Der vom 3. Senat vertretenen Auffassung stehen schließlich die Entstehungsgeschichte des § 39 SGB V und die voraufgegangene, maßgeblich durch die Rechtsprechung des BSG geprägte Rechtsentwicklung entgegen.
Unter der Geltung des früheren § 184 RVO war das BSG stets davon ausgegangen, dass es bei der Prüfung, ob eine Krankenhauspflege notwendig ist, allein auf die medizinische Notwendigkeit ankommt. Der seinerzeit für das Leistungsrecht der Krankenversicherung zuständige 3. Senat hatte bereits zu der ursprünglichen Gesetzesfassung, die eine Krankenhauspflege nur für begrenzte Zeit und nur als Ermessensleistung vorsah, in mehreren Urteilen, beginnend mit der Entscheidung vom 27. August 1968 (BSGE 28, 199, 201 f = SozR Nr 22 zu § 1531 RVO) , geäußert, der Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege setze voraus, dass die besonderen Mittel eines Krankenhauses benötigt würden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl auch BSG SozR Nr 21, Nr 23, Nr 30 zu § 184 RVO; Urteil vom 18. November 1969 - 3 RK 24/68 - USK 69109) . An dieser Rechtsprechung hatte er nach der Umwandlung der Krankenhauspflege in eine zeitlich unbegrenzt zu gewährende Pflichtleistung durch das Gesetz zur Verbesserung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (KVLG) vom 19. Dezember 1973 (BGBl I 1925) in zahlreichen weiteren Entscheidungen festgehalten (exemplarisch: BSGE 47, 83, 85 f = SozR 2200 § 216 Nr 2 S 2 f; BSGE 49, 216, 217 = SozR 2200 § 184 Nr 15 S 26; BSGE 59, 116, 117 = SozR 2200 § 184 Nr 27 S 38; SozR 2200 § 184 Nr 28 S 40 f; Urteil vom 3. Juli 1985 - 3 RK 17/84 - USK 85160) . In dem Urteil vom 12. Dezember 1979 (BSGE 49, 216 = SozR 2200 § 184 Nr 15) hatte er seine Rechtsprechung zusammengefasst und bekräftigt, dass soziale Erwägungen allgemeiner Art oder familiäre Umstände einen Anspruch auf Krankenhauspflege gegen den Träger der GKV nicht begründen können, die stationäre Behandlung vielmehr allein aus medizinischen Gründen notwendig sein muss. Reiche eine ambulante Behandlung aus, könne die Notwendigkeit von Krankenhauspflege nicht damit begründet werden, dass der Versicherte mangels eines geeigneten Pflegeplatzes außerhalb des Krankenhauses nicht ordnungsgemäß betreut werden könne. Soziale Notlagen zu beseitigen sei nicht die Zweckbestimmung eines Krankenhauses. Ebenso wenig könne die in der Krankenkasse organisierte Solidargemeinschaft der Versicherten verpflichtet werden, Krankenhausbetten ihrem eigentlichen Bestimmungszweck zu entfremden und auf ihre Kosten für Pflegefälle zur Verfügung zu stellen.
An die so beschriebene Rechtslage hat der Gesetzgeber bei der Überführung des Krankenversicherungsrechts in das Sozialgesetzbuch angeknüpft. Das Gesundheitsreform-Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) hat zwar die Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung textlich neu gefasst; es hat sie aber inhaltlich, insbesondere was das Erfordernis einer ausschließlich medizinisch begründeten Indikation anbelangt, nicht verändert, sondern im Gegenteil die Subsidiarität der stationären Behandlung gegenüber allen anderen Behandlungsformen stärker als bisher in den Vordergrund gerückt. Aus der Gesetzesbegründung, die der 1. Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 7. November 2006 ausführlich wiedergegeben hat, ist ersichtlich, dass der bestehende Rechtszustand beibehalten, jedoch der Vorrang der preisgünstigen ambulanten Behandlung verdeutlicht werden sollte (BT-Drucks 11/2237 S 177 zu § 38 des Entwurfs) .
Angesichts einer über mehrere Jahrzehnte unveränderten, im krankenversicherungsrechtlichen Schrifttum akzeptierten Rechtsprechung, die durch Fortschreibung des durch sie konkretisierten Rechtszustandes Eingang in das geltende Recht gefunden hat, ist für eine Auslegung des Gesetzes, die den Anwendungsbereich des § 39 Abs 1 SGB V auf andere als medizinisch begründete Behandlungsnotwendigkeiten erweitert, kein Raum. Nachdem sich auch die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben, muss eine mit erheblichen finanziellen Auswirkungen verbundene Neubewertung der von der Krankenversicherung zu tragenden Risiken, wie sie der 3. Senat befürwortet, dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
2. Die zweite Vorlagefrage erfordert eine differenzierende Antwort: Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat jedoch von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen.
Die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, obliegt nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet (BSGE 65, 94, 97 = SozR 2200 § 182 Nr 115 S 264 f; BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 26 f; Urteil des BSG vom 11. Oktober 1988 - 3/8 RK 20/87 - USK 88157; siehe auch Beschluss des 3. Senats vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 10) . Die Entscheidungsabläufe sind unterschiedlich, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Kasse mit dem Leistungsbegehren befasst wird. Beantragt der Versicherte vorab die Genehmigung einer gemäß § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 iVm Abs 4 SGB V vertragsärztlich verordneten Krankenhausbehandlung, so entscheidet die Krankenkasse ihm gegenüber durch Verwaltungsakt. Wird er dagegen, wie zumeist, wegen einer akuten Erkrankung oder eines Krankheitsverdachts ohne vorherige Konsultation der Krankenkasse stationär aufgenommen, so entscheidet diese über den Behandlungsanspruch lediglich indirekt, indem sie, erforderlichenfalls nach Einschaltung des MDK, dem die Leistung erbringenden Krankenhaus eine - in der Regel befristete - Kostenzusage (Kostenübernahmeerklärung) erteilt (zur rechtlichen Wirkung der Kostenübernahmeerklärung siehe: BSGE 86, 166, 170 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 5 f; BSGE 89, 104, 106 = SozR 3- 2500 § 112 Nr 2 S 12 f) . Dieser Vorgang wiederholt sich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt über eine Verlängerung des Krankenhausaufenthalts zu befinden ist. In allen Fällen hat die Krankenkasse vor ihrer Entscheidung die Erforderlichkeit der stationären Behandlung eigenständig und ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen. Nichts anderes gilt für das Gericht, das gegebenenfalls in einem nachfolgenden Rechtsstreit über den Behandlungsanspruch des Versicherten oder den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu entscheiden hat.
Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz keine Grundlage. Zwar heißt es in § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V, die Krankenhausbehandlung müsse "nach Prüfung durch das Krankenhaus" erforderlich sein. Diese durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) eingefügte Formulierung eröffnet dem behandelnden Arzt aber keinen Beurteilungsspielraum, sondern hebt lediglich hervor, dass das Krankenhaus die Notwendigkeit der stationären Behandlung mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Alternativen in eigener Verantwortung zu überprüfen hat. Durch die Fassung der Vorschrift soll, wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt, die Prüfungspflicht des Krankenhauses im Hinblick auf den Vorrang der ambulanten Behandlung verdeutlicht werden (BT-Drucks 12/3608 S 81 zu Nr 23 Buchst a) . Ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative im Sinne eines Entscheidungsfreiraums mit verminderter Kontrolldichte kann dem Krankenhausarzt dagegen schon deshalb nicht zukommen, weil nicht er, sondern die Krankenkasse über den Anspruch auf Krankenhausbehandlung entscheidet. Aber auch im Innenverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gibt es keinen Beurteilungsvorrang des behandelnden Arztes, der die Kasse bei ihrer Entscheidung bindet.
Aus den Vorschriften, welche die Stellung und die Funktion der Krankenhäuser innerhalb des Versorgungssystems der GKV regeln, lässt sich ein solcher Vorrang nicht herleiten. Die zugelassenen Krankenhäuser erbringen kraft gesetzlicher Aufgabenzuweisung die den Versicherten von den Krankenkassen als Sachleistung geschuldete Krankenhausbehandlung; sie sind gemäß § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur Behandlung der Versicherten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung regeln die Verbände der Krankenkassen und die Vereinigungen der Krankenhausträger entsprechend der Ermächtigung in § 112 SGB V durch zweiseitige Verträge auf Landesebene und durch Rahmenempfehlungen ihrer Spitzenverbände. In diesem Zusammenhang können auch Vereinbarungen darüber getroffen werden, auf welchem Wege Meinungsverschiedenheiten zwischen Krankenhaus und Krankenkasse über die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung bereinigt werden sollen und welches Verfahren dabei einzuhalten ist. Derartige Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene können aber nicht bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt.
Durch die Verträge nach § 112 SGB V soll sichergestellt werden, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Die Krankenkassen könnten deshalb dem behandelnden Arzt hinsichtlich der Feststellung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit allenfalls dann vertraglich einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum einräumen, wenn sie selbst bei ihrer Entscheidung über einen solchen Spielraum verfügen würden. Das ist jedoch nicht der Fall, denn der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit in § 39 Abs 1 SGB V lässt sich unschwer durch Auslegung so konkretisieren, dass sein Inhalt eindeutig feststeht. Die Beurteilung, ob eine stationäre Behandlung objektiv notwendig ist, erfordert kein an eine bestimmte Person gebundenes höchstpersönliches Fachurteil, sondern kann jederzeit durch einen unabhängigen Sachverständigen nachvollzogen werden. Sie unterliegt deshalb im Streitfall der vollen richterlichen Nachprüfung. Dementsprechend hatte das BSG bereits zu dem Rechtszustand unter Geltung der RVO entschieden, dass das Gericht bei der Prüfung der Voraussetzungen der stationären Behandlung nicht an die Beurteilung des behandelnden Arztes gebunden ist (Urteil vom 16. November 1984 - 8 RK 33/84 - USK 84213) .
Der Grundsatz, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Prozess vom Gericht vollständig zu überprüfen ist, gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Denn auch in dieser Konstellation ist eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse unter Berufung auf einen Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache her erforderlich und deshalb mit dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Ob die Aufnahme ins Krankenhaus oder die Fortführung der stationären Behandlung über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus nach objektiven Maßstäben medizinisch geboten war, lässt sich mit sachverständiger Hilfe auch rückschauend klären. Nicht in rechtlicher, wohl aber in tatsächlicher Hinsicht, also im Rahmen der Beweiswürdigung, wird allerdings in Grenz- oder Zweifelsfällen bei einer nachträglichen Prüfung der Beurteilung des behandelnden Arztes besonderes Gewicht zukommen können, weil sich die in der Vergangenheit liegende Behandlungssituation auch bei einer ordnungsgemäßen Dokumentation des Krankheitsgeschehens und des Behandlungsverlaufs unter Umständen nur begrenzt nachvollziehen lässt und der Krankenhausarzt im Zeitpunkt der Behandlung in Kenntnis des Patienten und aller für die medizinische Versorgung relevanten Umstände im Zweifel am ehesten einschätzen konnte, welche Maßnahmen medizinisch veranlasst waren. Das relativiert die Befürchtung, die Krankenkasse könne mit Hilfe eines vom MDK "am grünen Tisch" erstatteten Gutachtens jederzeit noch Wochen oder Monaten nach Abschluss einer Behandlung deren Berechtigung in Zweifel ziehen und ihre Leistungspflicht bestreiten.
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In rechtlicher Hinsicht besteht bei einer nachträglichen Fehlbelegungsprüfung die Besonderheit, dass die Berechtigung der Krankenhausbehandlung nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen, sondern zu fragen ist, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat. Das BSG hat mehrfach entschieden, dass es dem behandelnden Arzt nicht angelastet werden kann, wenn er aufgrund einer für ihn nicht erkennbaren Irreführung oder Fehlinformation Behandlungsmaßnahmen einleitet, die sich später als unnötig herausstellen (vgl SozR 3-2500 § 39 Nr 4 - Krankenhauswanderer; SozR 3-2500 § 76 Nr 2 - unbegründeter Krankheitsverdacht) . In solchen Fällen können der Behandlungsanspruch des Versicherten und der Vergütungsanspruch des Krankenhauses auseinanderfallen, wenn zwar rückschauend feststeht, dass objektiv keine Notwendigkeit für eine Krankenhausbehandlung bestand, das Krankenhaus aber im Behandlungszeitpunkt von der Notwendigkeit ausgehen durfte und die Behandlung zu Recht zu Lasten der Krankenkasse durchgeführt hat. |
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Fundstellen
Haufe-Index 1848890 |
BSGE 2009, 111 |