Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Verwaltungsakt über die Feststellung der Versicherungsfreiheit eines selbstständigen Künstlers hat keine Dauerwirkung. Gegenstand einer Anfechtungsklage ist nur die Rechtmäßigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses. erneute Beantragung der Feststellung der Versicherungspflicht bei späterer Änderung der Verhältnisse. Antragstellung durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheids. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verwaltungsakt über die Feststellung der Versicherungsfreiheit eines Künstlers in der Künstlersozialversicherung wegen Unterschreitens der Mindesteinkommensgrenze hat keine Dauerwirkung, sondern hat nur die Verhältnisse zum Zeitpunkt seines Erlasses zum Gegenstand.
2. Bei späterer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist die Feststellung der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung erneut zu beantragen. Ein derartiger Antrag liegt regelmäßig in der Vorlage eines die Überschreitung der Mindesteinkommensgrenze belegenden Einkommensteuerbescheids.
Orientierungssatz
Diese Auslegung der §§ 3, 8 und 12 KSVG über die Versicherungsfreiheit eines selbstständigen Künstlers bei mehrfacher Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 Euro ist mit Verfassungsrecht vereinbar.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; KSVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2, § 12 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2004-12-09, S. 2, Abs. 3 S. 1; SGB IV § 15 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab 1.4.2007 festgestellt hat.
Die 1959 geborene Klägerin ist seit 1986 als Malerin, Zeichnerin und Graphikerin selbstständig tätig und nach dem KSVG versichert. Aus ihren Einkommensteuerbescheiden ergaben sich für das Jahr 2002 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1713 Euro und für die Jahre 2003 bis 2005 lediglich negative Einkünfte (für 2003 -5485 Euro, für 2004 -6464 Euro und für 2005 -3635 Euro). Im Dezember 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 23.5.1986 über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG aufzuheben und Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG festzustellen, da Tatsachen, die eine Steigerung des Einkommens bis über die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze erwarten lassen könnten, nach den Werten der Vorjahre nicht ersichtlich seien.
Darauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 24.12.2006 mit, die geringen Einnahmen in den Jahren 2004/2005 seien durch die mit einem Atelierumzug verbundenen Kosten und die Neupositionierung in anderem Umfeld verursacht. 2006 habe sich ihre Einkommenslage verbessert. Sie sei als qualifizierte und professionelle Künstlerin bekannt und habe 2005 mit erheblichem Aufwand eine Produzentengalerie aufgebaut, die ihr gleichzeitig als Schauraum diene. Mit Schreiben vom 30.1.2007 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, ihre aktuelle Einkommenssituation durch die Vorlage aller Einnahmebelege (Rechnungen und Kontoauszüge) aus dem Jahr 2006 darzustellen. Nachdem keine weiteren Unterlagen eingegangen waren, stellte die Beklagte Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 fest (Bescheid vom 20.3.2007). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos, nachdem sie ua eine ebenfalls mit negativen Einkünften (-2498,74 Euro) abschließende Gewinnermittlung für das Jahr 2006 vorgelegt hatte (Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007).
In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Klägerin Rechnungen aus dem ersten Halbjahr 2007 über insgesamt 3600 Euro sowie das Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin vorgelegt, wonach die Einnahmen im ersten Halbjahr 2007 bei 5100 Euro liegen sollten und für das zweite Halbjahr Einnahmen in Höhe 6000 Euro prognostiziert wurden. Abzüglich der zu erwartenden Ausgaben über 6600 Euro ergebe sich für 2007 ein Betriebsergebnis in Höhe von 4500 Euro - mit steigender Tendenz für die Jahre 2008 und 2009. Die späteren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 bestätigten jeweils Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze (5074 und 8429 Euro). Für das Jahr 2009 weist der Einkommensteuerbescheid allerdings wieder einen Verlust (-5565 Euro) aus.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.9.2010 und des LSG vom 19.6.2013): Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als Grundlage ihrer Einkommensprognose für die Zeit ab 1.4.2007 ausschließlich die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 herangezogen habe, da die Klägerin die Gelegenheit zur Vorlage weiterer Einkommensbelege aus dem Jahr 2006 nicht wahrgenommen habe. Die im Juli 2007 vorgelegten Rechnungsbelege für das erste Halbjahr 2007 führten - bezogen auf das gesamte Jahr 2007 - lediglich zu einem geschätzten Gewinn von 3000 Euro und könnten zudem frühestens ab 1.8.2007 berücksichtigt werden. Die erst im Klageverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen ließen ebenfalls keine positive Prognose zu und könnten zudem nicht Grundlage einer Einkommensschätzung für das Kalenderjahr 2007 sein. Die Gründe für den Einkommensrückgang seien nach dem Gesetz unbeachtlich. Die Versicherungsfreiheit bestehe bis heute fort.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundsätze, die bei einer Schätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit zu berücksichtigen seien (§§ 3, 8, 12, 13 KSVG). Insbesondere habe das LSG bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und unberücksichtigt gelassen, dass alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides bekannten und ermittelbaren Umstände der Schätzung zugrunde zu legen seien. Die Einkommensprognose sei in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen. Schließlich habe das Berufungsgericht der Feststellung der Versicherungsfreiheit rechtsfehlerhaft eine Dauerwirkung zugemessen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.6.2013 und des SG Berlin vom 22.9.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 20.3.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hält die Urteile für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig. Die Beklagte hat mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 (Bescheid vom 20.3.2007, Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007) ihren Bescheid vom 23.5.1986 aufgehoben, mit dem sie die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung festgestellt hatte. Die Klägerin kann daher ihr Anliegen der Sicherung einer ununterbrochenen Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung (KSV) durch eine schlichte Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreichen. Einer zusätzlichen Feststellung der Versicherungspflicht über den 31.3.2007 hinaus bedarf es dafür nicht.
2. Der Gegenstand der Anfechtungsklage ist auf die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Versicherungsfreiheit ab 1.4.2007 sowie die darin gleichzeitig liegende Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Feststellung der Versicherungspflicht (Bescheid vom 23.5.1986) beschränkt. Entscheidend dafür ist grundsätzlich nur die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt seines Erlasses (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 33 mwN). Denn ein Verwaltungsakt, der Versicherungsfreiheit feststellt, hat keine Dauerwirkung. Anders als bei der Feststellung der Versicherungspflicht nach §§ 1 und 8 KSVG wird bei der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG gerade kein fortdauerndes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten festgestellt. Vergleichbar einer ablehnenden Entscheidung über einen Leistungsantrag entfaltet eine negative Feststellung über ein Versicherungsverhältnis über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus grundsätzlich keine rechtliche Wirkung (vgl hierzu Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 63 ff mwN). Daher ist die Frage, wie lange eine rechtmäßig festgestellte Versicherungsfreiheit fortbesteht, entgegen der Auffassung des LSG, nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin kann jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht stellen, über den zunächst durch Verwaltungsakt und möglicherweise anschließendem Widerspruchs- und Klageverfahren als eigenständiger Streitgegenstand zu entscheiden ist. Ein solcher Antrag kann unter Umständen auch konkludent, zB durch die Vorlage neuer Einkommensbelege gestellt werden. Die Prüfung, ob die Klägerin zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft in der KSV gestellt hat, gehört daher nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern ist Aufgabe der Beklagten. Sollte dies der Fall und der Antrag auch begründet sein, hätte die Beklagte zugleich zu prüfen, ob die Versicherungspflicht nach dem KSVG mit dem Umzug der Klägerin ins Ausland wieder entfallen sein könnte. Gegebenenfalls wäre der Bescheid über die erneute Feststellung der Versicherungspflicht entsprechend zu befristen.
3. Die Klage musste auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfolglos bleiben, weil die Beklagte ihre im Jahre 1986 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung nach § 8 Abs 2 S 2 KSVG (idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze ≪2. KSVG-ÄndG≫ vom 13.6.2001, BGBl I 1027) iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X (idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Änderung der Verhältnisse rechtmäßig aufgehoben hat.
Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Infolge der Eigenart der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit findet § 48 SGB X nach § 8 Abs 2 KSVG nur eine modifizierte Anwendung, denn nur in den in § 8 Abs 2 S 1 KSVG aufgeführten Fällen lässt sich genau feststellen, wann eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. In den übrigen Fällen (§ 8 Abs 2 S 2 KSVG) ist daher der Bescheid über die Versicherungspflicht bei Änderung der Verhältnisse nur mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die Künstlersozialkasse (KSK) von der Änderung Kenntnis erhält, es sei denn, der Versicherte hat vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (vgl dazu Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 8 RdNr 8). Soweit mit der Aufhebung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
a) Der angefochtene Verwaltungsakt ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2006 zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG und der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört.
b) Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG festgestellt hatte (im Bescheid vom 23.5.1986), entfaltet eine Dauerwirkung, da er ein zeitlich nicht befristetes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten begründet, das sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft (vgl dazu Schütze, aaO, § 45 RdNr 63 ff).
c) In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl zB BSGE 59, 111 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 74, 131 = SozR 3-5870 § 2 Nr 25; BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2; BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, 44).
Bei Erlass des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht im Mai 1986 galt die Klägerin zunächst noch als Berufsanfängerin, für die nach § 3 Abs 2 KSVG (in der bis zum 31.12.1988 gültigen Fassung durch Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung - Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG - vom 22.12.1981, BGBl I 1497) Versicherungspflicht bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit unabhängig vom Erreichen eines Mindesteinkommens bestand.
Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat (vgl Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 ff, mwN). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum bereits seit langer Zeit abgelaufen war und die Beklagte möglicherweise schon viel früher einen Aufhebungsbescheid mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit hätte erlassen können.
Der Ausgangsbescheid mit der Feststellung der Versicherungspflicht war nach § 39 Abs 2 SGB X bis zum 31.3.2007 wirksam, da er bis dahin nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich aber die entscheidungserheblichen Umstände wesentlich geändert; denn ein die Versicherungspflicht feststellender Verwaltungsakt hätte jedenfalls ab 1.4.2007 nicht mehr erlassen werden dürfen, weil die Klägerin zu dieser Zeit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG (idF 2. KSVG-ÄndG vom 13.6.2001, BGBl I 1027) versicherungsfrei war.
aa) Gemäß § 3 Abs 1 S 1 KSVG ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer in dem Kalenderjahr aus selbstständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3900 Euro nicht übersteigt. Abweichend davon bleibt nach § 3 Abs 3 KSVG (idF des 2. KSVG-ÄndG) die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die dort genannte Grenze nicht übersteigt.
Arbeitseinkommen ist nach der Legaldefinition in § 15 Abs 1 SGB IV (in der insoweit bis heute unveränderten Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durch Bekanntmachung vom 23.1.2006, BGBl I 86) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Aufgrund der Anknüpfung des maßgeblichen Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht könnte es für den Künstler überlegenswert sein, gegenüber dem Finanzamt in Wahrnehmung seiner steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend zu machen, wenn dadurch ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestarbeitseinkommensgrenze des § 3 Abs 1 S 1 KSVG verbleibt. Die Abwägung, aus diesem Grund einen steuerrechtlichen Nachteil in Kauf nehmen zu wollen, ist Sache des Künstlers. Insoweit obliegen weder der Beklagten noch den Sozialgerichten Hinweis- oder Beratungspflichten; denn es handelt sich um eine ausschließlich steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit. Weitergehende sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nicht; die anzustellende Prognose hat sich ausschließlich an den objektiven Gegebenheiten zu orientieren.
Versicherte und Zuschussberechtigte haben nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG (idF durch Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) der KSK bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen, das sie aus der Tätigkeit als selbstständige Künstler und Publizisten erzielen, bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift schätzt die KSK die Höhe des Arbeitseinkommens, wenn der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht erstattet oder die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren.
Ausgangspunkt der nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG anzustellenden Prognose für das voraussichtlich zu erzielende Arbeitseinkommen sind danach zunächst die Angaben des Versicherten nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG. Erst wenn seine Meldung mit den ihr zugrundeliegenden Verhältnissen unvereinbar ist, nimmt die KSK selbst die für die weiteren Entscheidungen maßgebliche Einschätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens vor.
bb) Sachgerechte Prognosen beruhen in der Regel auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Daher wird nach der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN) in anderen Zusammenhängen, in denen prognostische Beurteilungen über Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzustellen sind, auf die Verhältnisse in der Vergangenheit Bezug genommen. Insbesondere bei schwankendem Arbeitsentgelt sei der zu erwartende Verdienst unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte zu schätzen (BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Entsprechendes gilt bei selbstständig Tätigen, deren Arbeitseinkommen fast immer schwankt (BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41). Dabei wird nach ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung des regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 S 1 Halbs 1 RVO sowie iS des § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen ausgegangen (vgl BSG SozR 2200 § 205 Nr 41; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6; für Einkünfte aus Kapitalvermögen: BSG SozR 2200 § 205 Nr 52).
Der Gesetzgeber ist auch in Bezug auf die Einkommensprognose nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG davon ausgegangen, dass Rückschlüsse für das voraussichtliche Einkommen insbesondere aus dem in der Vergangenheit erzielten Einkommen zu ziehen sind. Dies ergibt sich aus verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes: Nach der Regelung des § 3 Abs 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nach § 3 Abs 1 KSVG nicht übersteigt. Die Regelung soll einen allzu häufigen und kurzzeitigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden. Sie bietet aber zugleich Anhaltspunkte dafür, dass das in der Vergangenheit erzielte Einkommen für die Einkommensprognose nicht unberücksichtigt bleiben kann. Insbesondere wenn sich das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit in den letzten Jahren dicht an der Mindestgrenze des § 3 Abs 1 KSVG bewegte, kann es für eine sachgerechte Prognose erforderlich sein, das Einkommen der letzten sechs Kalenderjahre zu ermitteln und bei der Prognose zu berücksichtigen. Durch die recht langen Zeiträume wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Künstler möglicherweise längere Zeiträume für die Fertigstellung und/oder den Verkauf eines Werkes benötigen, dann aber unter Umständen höhere Gewinne erzielen können. Für den Nachweis der Angaben zur Höhe des Arbeitseinkommens kann die KSK die Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbesondere von Einkommensteuerbescheiden oder Gewinn- und Verlustrechnungen, verlangen (§ 13 S 3 KSVG). Diese Unterlagen beziehen sich regelmäßig auf bereits vergangene Zeiträume. Es macht aber nur dann einen Sinn, der KSK das Recht zur Anforderung von Unterlagen aus der Vergangenheit einzuräumen, wenn sie diese für die Einkommensprognose benötigt, die auch zur Ermittlung der Beitragshöhe erforderlich ist. Schließlich zeigt auch die Regelung des § 12 Abs 1 S 3 KSVG, dass sich die Einkommensprognose insbesondere am Einkommen der letzten Jahre orientiert. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, deren voraussichtliches Arbeitseinkommen in dem in § 3 Abs 2 KSVG genannten Zeitraum (regelmäßig drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit, verlängert um Zeiten nach Satz 2) mindestens einmal die in § 3 Abs 1 KSVG genannte Grenze nicht überschritten hat, der ersten Meldung nach Ablauf dieses Zeitraums vorhandene Unterlagen über ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen beizufügen.
Insgesamt haben für eine vorausschauende Betrachtung regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung als die weiter zurückliegende Vergangenheit, und Einkommensentwicklungen ist angemessen Rechnung zu tragen.
cc) Eine von den Verhältnissen der Vergangenheit abweichende Einschätzung ist aber geboten, wenn Verhältnisse dargelegt werden, die das Erzielen hiervon abweichender Einkünfte nahelegen. Dabei sind grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Hierbei wird von der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage gefordert, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN). Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können - wenn sich in den vergangenen Jahren keine gewinnbringenden Verdienste realisieren ließen - nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie häufig und mit welcher Differenz die Mindestgrenze in den letzten Jahren verfehlt wurde und welche Veränderungen der Verhältnisse bessere Verdienstaussichten nahelegen. Denn erforderlich ist, dass die Möglichkeit von Verdiensten oberhalb der Mindestgrenze näher liegt als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze.
dd) Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Nach § 12 Abs 3 S 1 KSVG sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahreseinkommens maßgebend waren, auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der KSK eingeht. Dies gilt entsprechend, wenn das Jahresarbeitseinkommen geschätzt worden ist (§ 12 Abs 3 S 2 KSVG). Neue Unterlagen, die eine treffsicherere Prognose erlauben oder zeigen, dass das prognostizierte Einkommen tatsächlich nicht erzielt wurde, können daher nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden.
Für - richtige - Prognosen gilt ohnehin grundsätzlich, dass sie für die Vergangenheit auch dann maßgebend bleiben, wenn sie sich im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend erweisen. Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern. Stimmt die - richtige - Prognose mit dem späteren Verlauf nicht überein, so kann das jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung sein (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6).
Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl BSG SozR 4-7833 § 6 Nr 4 RdNr 16).
Allerdings ist die Prognoseentscheidung der Sozialverwaltung bezüglich des voraussichtlichen Arbeitseinkommens gerichtlich voll überprüfbar. Der Sozialverwaltung steht dabei kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu (vgl hierzu zB Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 39 RdNr 34). Die Gerichte haben insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt sind (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3a).
ee) Nach diesen Grundsätzen war die Einschätzung der Klägerin, sie werde im Jahre 2007 ein Arbeitseinkommen von mehr als 3900 Euro erzielen, mit den Verhältnissen unvereinbar, die ihr als Grundlage für ihre Meldung bekannt waren, und die Beklagte durfte deshalb das voraussichtliche Arbeitseinkommen unterhalb des Mindesteinkommens von 3900 Euro einschätzen.
(1) Die Versicherungspflicht konnte nicht nach § 3 Abs 3 KSVG bestehen bleiben, weil das Arbeitseinkommen der Klägerin schon in den letzten fünf Kalenderjahren (2002 bis 2006) die Mindesteinkommensgrenze nicht mehr erreicht hatte.
(2) Das Arbeitseinkommen der Klägerin aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit verfehlte in den letzten fünf Jahren vor Feststellung der Versicherungsfreiheit die Mindesteinkommensgrenze des § 3 Abs 1 KSVG deutlich, ohne dass eine positive Einkommensentwicklung erkennbar gewesen wäre. Die Klägerin konnte lediglich im Jahr 2002 positive Einkünfte in Höhe von 1713 Euro erzielen; für die Jahre 2003 bis 2005 weisen die Einkommensteuerbescheide durchgängig negatives Arbeitseinkommen aus, und auch aus der Gewinnermittlung für 2006 ergab sich ein negatives Einkommen. Vor diesem Hintergrund waren Ermittlungen für weiter zurückliegende Zeiträume nicht mehr erforderlich. Wegen der deutlichen Verfehlung der Mindestgrenze konnten weiter zurückliegende Zeiträume für die Prognose außer Betracht bleiben, da den unmittelbar zurückliegenden fünf Jahren für die vorausschauende Betrachtung eine größere Bedeutung zukommen als der weiter zurückliegenden Vergangenheit. Umstände, nach denen bei dieser Sachlage Einkommensmöglichkeiten ab 1.4.2007 oberhalb der Mindestgrenze näher lagen als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze, waren zur Zeit der Verwaltungsentscheidung nicht ersichtlich.
(3) Bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin von (nur) einem Atelierumzug 2004/2005 berichtet und auf die damit verbundenen Kosten sowie die Neupositionierung auf dem Markt hingewiesen. Besondere Kosten in den Jahren 2004/2005, bei deren Wegfall das Erreichen oder Überschreiten der Mindesteinkommensgrenze nahe läge, lassen sich den Einkommensteuerbescheiden nicht entnehmen, denn die Klägerin hat in den Jahren 2003 und 2006 Verluste in ähnlicher Höhe erzielt wie 2004/2005.
(4) Die Klägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen die mit dem Atelierumzug verbundene Neupositionierung ab 1.4.2007 ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestgrenze nahe legen könnte. Es kann offenbleiben, ob das im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorgelegte Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin der Beklagten noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides zugegangen ist, da selbst unter dessen Berücksichtigung eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze nicht gerechtfertigt war. Das Unternehmenskonzept trägt eine solche Prognose nicht, da die dort zugrunde gelegten Einnahmen für das erste Halbjahr 2007 in Höhe von 5100 Euro im Widerspruch zu den für diesen Zeitraum zeitgleich vorgelegten Rechnungen über lediglich 3600 Euro stehen. Denn es ist nicht ersichtlich, worauf - neben Einnahmen aus Verkäufen - eine Einkommenserwartung noch basieren könnte. Werden der Prognose für das erste Halbjahr 2007 lediglich Einnahmen in Höhe der vorgelegten Rechnungen zugrunde gelegt, wird die Mindesteinkommensgrenze im Jahr 2007 nicht erreicht, auch wenn für das zweite Halbjahr die von der Diplombetriebswirtin prognostizierten Zahlen übernommen werden. Denn unter Berücksichtigung der prognostizierten Ausgaben in Höhe von 6600 Euro war im Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen für 2007 lediglich ein Einkommen von etwa 3000 Euro zu erwarten (Einnahmen 1. Halbjahr: 3600 Euro plus Einnahmen 2. Halbjahr: 6000 Euro minus Ausgaben: 6600 Euro). Insoweit sind die Feststellungen des LSG im Revisionsverfahren unangegriffen geblieben und daher bindend. Eine Änderung der Vermarktungs- und Verkaufsstrategie durch einen Atelierumzug und ein neues Vermarktungskonzept führen nicht zu einer Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze, wenn unter Berücksichtigung des dazu erstellten Unternehmenskonzeptes und der nach der Umstellung tatsächlich erzielten Einnahmen Verdienste oberhalb der Mindestgrenze nicht zu erwarten sind.
(5) Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KS 2/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen), dass eine Einkommensprognose über der Geringfügigkeitsgrenze nicht allein auf den Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder die Anerkennung seiner Werke in Fachkreisen gestützt werden kann, wenn in den letzten Jahren trotz des Bekanntheitsgrades und der fachlichen Anerkennung lediglich Verluste erzielt wurden und eine positive Einkommensentwicklung nicht erkennbar ist. Denn Bekanntheit und Anerkennung durch Andere stellen regelmäßig keine plötzlichen Ereignisse dar, sondern gehen regelmäßig mit einer entsprechenden Entwicklung einher. Das Einkommen der Klägerin aus den letzten Jahren lässt aber keine Entwicklung in der Weise erkennen, dass bei weiterem stetigem Verlauf voraussichtlich ein Einkommen oberhalb der Mindestgrenze zu erwarten wäre.
(6) Dass sich die Prognose nicht verwirklicht hat, weil im später erstellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 tatsächlich Einkünfte oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausgewiesen sind, ändert am Ergebnis nichts, denn die - richtige - Prognose bleibt für die Vergangenheit maßgebend. Die versicherungsrechtliche Stellung wird dadurch nicht in die Vergangenheit hinein verändert. Die Beklagte wird jedoch - wie bereits ausgeführt - zu prüfen haben, ob und ggf ab wann aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung für eine erneute Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV bestand.
d) Die Aufhebung des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht mit Wirkung ab 1.4.2007 war rechtmäßig. Der Bescheid vom 23.5.1986 war nach § 48 SGB X iVm § 8 Abs 2 KSVG mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die KSK von der Änderung Kenntnis erhält; denn ein Fall des § 8 Abs 2 S 1 KSVG liegt nicht vor. Nach der Anhörung der Klägerin musste die Beklagte, als ihre weitere Nachfrage vom 30.1.2007 nach Belegen zur aktuellen Einkommenssituation bis zum Erlass des Aufhebungsbescheides am 20.3.2007 unbeantwortet blieb, davon ausgehen, dass Belege, die eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze für das Kalenderjahr 2007 rechtfertigen könnten, nicht beigebracht werden, und hatte damit seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse.
4. Diese Auslegung der §§ 3, 8 und 12 KSVG verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Von Verfassungs wegen ist insbesondere eine andere Auslegung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit bei mehrfacher Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 Euro nicht geboten. Wie alle Grundrechte begründet auch die nach Art 5 Abs 3 GG geschützte Kunstfreiheit zunächst und vor allem ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe in den jeweiligen Schutzbereich. Konkrete Pflichten des Staates, Kunst oder Künstler zu fördern, ergeben sich daraus nicht. Zwar enthält das Grundrecht auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, weil sich aus ihm die Staatszielbestimmung eines Kulturstaates ergibt, mit der Aufgabe, ein freiheitliches Kunst- und Wissenschaftsleben zu erhalten und zu fördern. Dabei verbleibt dem Gesetzgeber aber insbesondere im Hinblick auf Förderpflichten bzw sozialversicherungsrechtliche Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum. Soweit der Gesetzgeber eine Förderung vornimmt, steht das Verfahren und die Gleichbehandlung der Betroffenen nach Art 3 Abs 1 GG im Vordergrund (vgl hierzu zB BVerfGE 36, 321, 331 ff; Wittreck in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Kunst) RdNr 4, 33, 69 ff mwN; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 5 RdNr 105 ff, 110a f mwN). Gleiches gilt für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Künstler. Die Versicherungsfreiheit der Klägerin ist nicht an den Kunstbegriff oder eine bestimmte Form der Kunst geknüpft. § 3 Abs 1 S 1 KSVG bindet die Sozialversicherung nach dem KSVG vielmehr an ein mit der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit zu erzielendes Mindesteinkommen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/26, S 18, betreffend das KSVG in der ursprünglichen Fassung vom 27.7.1981, BGBl I 705) ist die Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG an die allgemeinen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts angelehnt, nach denen geringfügige Beschäftigung prinzipiell versicherungsfrei ist, und trägt der Besonderheit Rechnung, dass Einkommen aus selbstständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit außerordentlichen Schwankungen unterliegen können. Die Geringfügigkeitsgrenze wird deshalb nicht - wie sonst üblich - auf einen Monat, sondern auf ein Jahr bezogen. Zudem gelten Ausnahmen für Berufsanfänger (§ 3 Abs 2 KSVG) und solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nicht übersteigt (§ 3 Abs 3 KSVG). Eine darüber hinausgehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung geringfügiger Beschäftigung oder Tätigkeit im künstlerischen/publizistischen Bereich ist verfassungsrechtlich gerade im Hinblick auf eine Gleichbehandlung mit anderen geringfügig Tätigen nicht geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass insbesondere der volle Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung bei einem nach geringfügigem Einkommen bemessenen Beitrag eine erhebliche Anforderung an die Solidargemeinschaft darstellt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen