Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.11.1977) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1977 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als Konkursverwalter die Genehmigung zur Massenentlassung der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin verweigert werden durfte.
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma B., E. in G. (Gemeinschuldnerin). Über deren Vermögen wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Schwelm vom 4. Dezember 1974 der Anschlußkonkurs eröffnet, nachdem ein am 25. November 1974 gestellter Antrag auf Eröffnung eines Vergleichsverfahrens abgelehnt worden war, der nach den Vorstellungen der Gemeinschuldnerin der Liquidation des Unternehmens dienen sollte. Die Gemeinschuldnerin konnte die Erfüllung der Mindestquote nicht nachweisen. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung waren im Betrieb der Gemeinschuldnerin 240 Arbeitnehmer beschäftigt. Für 142 Arbeitnehmer betrug die gesetzliche Kündigungsfrist 2 Wochen, für die übrigen einen Monat oder länger.
In einem unter dem 10. Januar 1975 für die Gläubigerversammlung aufgestellten Bericht des Klägers wird mitgeteilt, daß das Jahr 1971 mit einem Ergebnis von – 58.176,– DM, das Jahr 1972 mit – 1.694.000,– DM und das Jahr 1973 mit einem Ergebnis von – 3.017.000,– DM abschloß, während der Verlust für das Geschäftsjahr 1974 auf 1.980.000,– DM geschätzt wurde. In der Konkursbilanz waren als Aktivposten insgesamt 17.210.581,– DM, als Passivkosten 28.682.116,– DM angegeben.
Am 4. Dezember 1974, dem Tag der Konkurseröffnung, zeigte der Kläger bei dem Arbeitsamt die am selben Tage erfolgte Kündigung der gesamten Belegschaft als Massenentlassung nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) an. Zugleich beantragte der Kläger, der angezeigten Massenentlassung unter Abkürzung der Sperrfrist rückwirkend zum Tage der Anzeige zuzustimmen.
Der für die Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 KSchG beim Landesarbeitsamt eingerichtete Ausschuß (§ 20 Abs. 1 KSchG) lehnte die Zustimmung dafür ab, daß die angezeigte Massenentlassung vor Ablauf der Sperrfrist von 1 Monat nach Eingang der Anzeige wirksam würde (Bescheid vom 8. Januar 1975). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1975).
Zur Begründung wurde ausgeführt: Die in pflichtgemäßer Ermessensausübung vorgenommene Abwägung der nach § 20 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigenden Interessen der betroffenen Arbeitnehmer, des Arbeitgebers und der Öffentlichkeit habe die beantragte Zustimmung nicht zugelassen. Auch die Interessen des Arbeitgebers (Gemeinschuldners) gäben keinen Anlaß zur Fristverkürzung, weil die durch die Sperrfrist entstehenden Lohnforderungen der geschützten Arbeitnehmer für, die Masse vertretbar seien. Die Ablehnung der Fristabkürzung rechtfertige sich auch deswegen, weil die Gemeinschuldnerin ihre Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erfüllt habe, obwohl dazu spätestens bei Beantragung des Liquidationsvergleiches (25. November 1974) zwingender Anlaß bestanden habe. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt seien Veränderungen des Betriebes, die voraussichtlich zu Massenentlassungen iS von § 17 KSchG führen würden, zweifelsfrei erkennbar geworden.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, zuzustimmen, daß die Entlassungen durch den Kläger vom 4. Dezember 1974 ab diesem Tag wirksam werden (Urteil vom 24. März 1976).
Mit Urteil vom 30. November 1977 hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die Entscheidung, die Sperrfrist zu verkürzen oder auf 2 Monate zu verlängern, also die Entlassung eher oder später wirksam werden zu lassen (§ 18 Abs. 1 2. Halbs und Abs. 2 KSchG) sei in das pflichtgemäße Ermessen des nach § 20 Abs. 1 KSchG zuständigen Ausschusses gestellt. Das Gesetz habe dem Ausschuß vorgeschrieben, daß er bei der Entscheidungsfindung bestimmte Interessen und Zustände zu berücksichtigen habe, ohne daß dem Ausschuß etwa ein Vorrang in der Berücksichtigung oder eine Abstufung in der Gewichtigkeit der zu beachtenden Gesichtspunkte vorgeschrieben sei. Diese einander widerstreitenden Interessen habe der Ausschuß hinreichend beachtet. Er habe auch die Gründe, die für seine Entscheidung maßgebend waren, hinreichend deutlich dar getan. Damit sei die Ermessensausübung ordnungsgemäß.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 17, 18 und 20 KSchG sowie des 8 AFG. Er führt dazu aus; Die sich aus den Kündigungsschutzbestimmungen des KSchG ergebenden Beschränkungen könnten den Konkursverwalter nicht binden, wenn der Betrieb geschlossen werde. Das sei die ganz überwiegende Auffassung in der konkursrechtlichen Literatur. Diese Beschränkungen hätten nur Sinn in einem lebenden Betrieb, nicht aber wenn ein Betrieb nicht mehr bestehe. Bei Stillegung des Betriebes infolge Konkurs könnten die Beschränkungen des §§ 17 ff nach ihrem Zweck nicht eingreifen, da ein Arbeitsplatz, der Grundlage der Beschränkungen sei, nicht mehr vorhanden sei. Der Konkursverwalter sei nicht einmal Interessenvertreter der Vermögensmasse des Gemeinschuldners, sondern Sachwalter der Gläubiger. Ob Arbeitsplätze wegfallen sollten, stehe im Konkurs nicht in Frage; der Wegfall sei vielmehr zwangsläufig Folge des Konkurses, und zwar gerade bei größeren Unternehmen.
Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß die §§ 17 ff KSchG auch im Konkurs Geltung hätten, sei das angefochtene Urteil nicht richtig.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. März 1976 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und nicht die Arbeitsgerichte sind für die Überprüfung der Entscheidung des Ausschusses nach § 18 KSchG zuständig, der Kläger ist als Konkursverwalter prozeßführungsbefugt und die Beklagte ist die richtige Beklagte (Urteil des Senats vom 21. März 1978 – 7/12 RAr 6/77 –). Die Berufung des Klägers hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet (vgl. BSGE, 22, 181, 182).
Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. In Betrieben mit in der Regel mindestens 50 und weniger als 500 Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG verpflichtet, dem Arbeitsamt schriftlich Anzeige zu erstatten, bevor er mindestens 10 vH der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer innerhalb von 4 Wochen entläßt. Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden nach § 18 Abs. 1 KSchG vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit Zustimmung des Landesarbeitsamtes wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden. Mit der Anzeige des Arbeitgebers gem § 17 Abs. 1 KSchG an das Arbeitsamt wird eine Sperrfrist in Lauf gesetzt, über deren Verkürzung der Ausschuß entscheidet. Kündigungen zu einem Termin vor Ablauf der Sperrfrist sind zwar rechtsgültig, die Arbeitsverhältnisse enden aber erst mit Ablauf der Sperrfrist (Hueck, KSchG, Komm, 9. Aufl, § 18 Rd Nrn 24 und 4).
Zu Unrecht meint der Kläger, nach dem allgemeinen Sinn und Zweck der §§ 17 ff KSchG könnten diese Vorschriften nicht für den Konkursverwalter gelten. Die Annahme des Klägers, der Konkurs vernichte als solcher die Arbeitsplätze, so daß für das Bestreben, die Arbeitsplätze zu erhalten, kein Raum mehr sei, trifft nicht zu. Durch den Konkurs wird weder automatisch die Betriebstätigkeit beendet noch löst der Konkurs bestehende Vertragsverhältnisse von selbst auf. Das Gegenteil ergibt sich aus der Konkursordnung (KO), insbesondere aus den §§ 17 ff KO. Auch wenn der Unternehmer in Konkurs fällt, bleiben die Arbeitnehmer ihm zur Arbeitsleistung verpflichtet und hat er weiterhin die Lohnzahlung zu erbringen und den übrigen Arbeitgeberpflichten zu genügen. Es ist Sache des Konkursverwalters, von den besonderen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die ihm die KO zur Beendigung der laufenden Vertragsbeziehungen zur Verfügung stellt. Gemäß § 129 Abs. 2 KO hat bis zur Beschlußfassung durch eine Gläubigerversammlung der Konkursverwalter nach seinem Ermessen das Geschäft des Gemeinschuldners zu schließen oder fortzuführen. Auch nach Eröffnung des Konkurses ist es damit nicht ausgeschlossen, daß der Betrieb als Ganzes veräußert wird und damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Kläger selbst sprach in seinem Bericht vom 10. Januar 1975, also selbst zu einem Zeitpunkt, zu dem er den Arbeitnehmern bereits gekündigt hatte, noch davon, daß eine Komplexverwertung des Betriebes der Gemeinschuldnerin erstrebt werde. Wollte man wie der Kläger die Auffassung vertreten, daß der Konkursverwalter anders als der Gemeinschuldner, über dessen Vermögen der Konkursverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat (§ 6 KO), nicht an die §§ 17 ff KSchG und § 8 AFG gebunden sei, weil die Basis für eine Rettung der Arbeitsplätze ohnehin entschwunden sei, so könnte man in den Fällen, in denen die Betriebsstillegung ohne Konkurs feststehen würde, dem Arbeitgeber auch nicht mehr die Pflichten aus den §§ 17 ff KSchG entgegenhalten. Denn auch in diesen Fällen ist die Rettung der Arbeitsplätze nicht mehr möglich. Das würde aber bedeuten, daß der Arbeitgeber von seiner Pflicht, Anzeige nach § 8 AFG zu erstatten, und seiner Pflicht nach §§ 17 ff KSchG, auf die Interessen seiner Arbeitnehmer sonst Bedacht zu nehmen, immer dann schon befreit wäre, wenn er genügend lange gegen diese Pflichten verstoßen hätte. Daß dies nicht Sinn des Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand.
Daß der Konkursverwalter ebenso wie der Gemeinschuldner, dessen Rechte er wahrnimmt (§ 6 KO), anzeigepflichtig nach § 17 KSchG ist, ist auch in der Literatur überwiegend anerkannt (Hueck, KSchG, 9. Aufl. § 17 Anm. 19; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl, Band 1, S 692 Anm. 5; Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 3. Aufl, S 841 Note 8; Jäger, Komm zur KO, 80 Aufl, 1958, § 22 Anm. 22, 23; Menzel-Kuhn, Komm zur KO, 8. Aufl 1976, § 22 Anm. 18). Jäger stellt einerseits den Grundsatz auf, daß die Kündigungsschutzbestimmungen auch im Konkursfall gelten, weist aber andererseits darauf hin, daß manche Kündigungsschutzbestimmungen weniger dem sozialen Schutz als solchem dienen, sondern einem Schutz gegen Benachteiligung im Betrieb. Daß dann, wenn der Betrieb als solcher verlorengeht, Bestimmungen nicht mehr von Bedeutung sind, die lediglich dem Schutz gegen Benachteiligung im Betrieb dienen, ist richtig, Hinsichtlich der §§ 17 ff KSchG und des § 8 AFG gilt dies jedoch nicht. Sie haben, wie das LSG zu Hecht ausgeführt hat, einerseits den Zweck, dem Arbeitsamt ein rechtzeitiges Reagieren auf die Schwierigkeiten zu ermöglichen, die sich aufgrund einer Massenentlassung ergeben, andererseits auch den Sinn, Kündigungen zunächst einmal hinauszuschieben, um den Arbeitsmarkt vor einem plötzlichen Überschwemmen mit Arbeitskräften zu bewahren. Schließlich geben sie den Arbeitnehmern eine verlängerte Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Lohn geltend zu machen, wodurch sie eine Zeitlang nicht auf das gegenüber dem Lohn niedrigere Arbeitslosengeld (Alg) oder später Arbeitslosenhilfe (Alhi) angewiesen sind. Wenn demgegenüber Böhle/Stammschräder (Anm. 7 zu § 22 KO) ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, daß die Kündigungsschutzbestimmungen des KSchG allgemein nur bei Fortführung des Betriebes des Gemeinschuldners verbindlich sind, so vermag das nicht zu überzeugen.
Der Ausschuß nach § 20 KSchG hat §§ 17, 18, 20 KSchG und § 8 AFG richtig angewandt und seine Befugnisse nicht überschritten.
Die Zustimmung zur Massenentlassung vor Ablauf der Sperrfrist steht im pflichtgemäßen Ermessen des Ausschusses (Urteil des Senats vom 21. März 1978 – 7/12 RAr 6/77 –).
Das Landesarbeitsamt hat vor seiner Entscheidung nach § 18 Abs. 1 KSchG zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Entlassungen rechtzeitig nach § 8 des AFG angezeigt hat oder aus welchen Gründen er die Anzeige unterlassen hat. Es soll die Ergebnisse dieser Prüfung bei seinen Entscheidungen berücksichtigen (§ 18 Abs. 3 KSchG). In § 20 Abs. 2 KSchG wird vorgeschrieben, der Ausschuß habe sowohl das Interesse des Arbeitgebers als auch der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehörte, zu berücksichtigen. Wenn er das unterläßt und auch nur einen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt übersieht, ist seine Entscheidung rechtswidrig.
Es gehört aber zum Bereich seines pflichtgemäßen Ermessens, wie er die Interessen gewichtet, welchen Interessen er im Einzelfall den Vorrang einräumt. Das Gesetz hat ihm für diese Abwägung keine Richtlinien vorgeschrieben. In § 18 Abs. 3 KSchG ist lediglich angeordnet, daß bei der Entscheidung neben den Gesichtspunkten des § 20 Abs. 3 KSchG auch berücksichtigt werden soll, ob der Arbeitgeber die Entlassungen rechtzeitig angezeigt oder aus welchen Gründen er die Anzeige unterlassen hat.
Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes dann gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die angefochtenen Bescheide des Ausschusses sind danach nicht rechtswidrig.
Vor der Entscheidung vom 8. Januar 1975 hat der Ausschuß dem Kläger und dem Betriebsrat Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger war zu der Sitzung geladen, aber nicht erschienen. Die Mitglieder des letzten Betriebsrates der Gemeinschuldnerin hatten teilgenommen. Bei der Entscheidung ist der Ausschuß, wie es für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung notwendig ist, von dem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen. Er hat diesen Sachverhalt im Bescheid ausführlich dargelegt und gewürdigt. Er hat auch, wie sich aus seinen Bescheiden ergibt, die nach § 20 Abs. 3 KSchG einander widerstreitenden Interessen berücksichtigt und ihnen in der angefochtenen Entscheidung Rechnung getragen. Sowohl aus dem Bescheid vom 8. Januar 1975 wie auch aus dem Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1975 geht hervor, daß der Ausschuß die nach § 20 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigenden Interessen gesehen und gewogen hat. Er hat, wie er in seiner Begründung deutlich zum Ausdruck gebracht hat, sowohl das Interesse des Arbeitgebers als auch der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört hat, berücksichtigt. Er hat seiner Pflicht genügt, die Gründe für seine Ermessensentscheidung erkennbar zu machen.
Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Ausschuß sie ua damit begründet hat, daß der Arbeitgeber die Anzeige nicht rechtzeitig erstattet habe. Wenn der Ausschuß diesem Gesichtspunkt Bedeutung beigemessen hat, so hat er damit weder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten, noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (Urteil des Senats vom 21. März 1978 – 7/12 RAr 6/77 –).
Daß der Arbeitgeber hier die Massenentlassungen nicht rechtzeitig nach § 8 AFG angezeigt hat, ist zutreffend. Nach § 8 AFG hat der Arbeitgeber Massenentlassungen dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes unverzüglich schriftlich mitzuteilen, wenn erkennbare Veränderungen des Betriebes innerhalb der nächsten 12 Monate voraussichtlich dazu führen, daß Arbeitnehmer in der in § 17 Abs. 1 KSchG bezeichneten Zahl entlassen oder auf eine andere Tätigkeit umgesetzt werden, für die das Arbeitsentgelt geringer ist.
Die Lage des Betriebes der Gemeinschuldnerin hat im vorliegenden Fall bereits so früh sich erkennbar ungünstig verändert, daß es der Arbeitgeberin möglich gewesen wäre, zumindest eine vorsorgliche Anzeige an das Arbeitsamt bereits 12 Monate vor der eigentlichen Entlassung zu erstatten. Ende 1974 geriet der Unternehmer in Konkurs. Seit 1971 hatte er aber ständig Verluste aus dem Betrieb hinnehmen müssen. Spätestens im Jahre 1973 mußte, als ein Verlust von über 3 Millionen entstanden war, und das bei einer Gesamtzahl der Aktivposten im Jahre 1974 von rund 17 Millionen und Passivkosten von insgesamt rund 28 Millionen, erkennbar sein, daß das Unternehmen in Gefahr geraten könne. Der Inhaber des Betriebes durfte unter diesen Umständen keineswegs, wie der Kläger meint, mit der Anzeige solange warten, bis der Konkurs völlig sicher und der Betrieb keineswegs mehr zu retten war. Daß der Gemeinschuldner von dieser irrigen Auffassung ausging, ergibt sich auch daraus, daß er nicht einmal im November 1974, als er den Gläubigern lediglich noch einen Liquidationsvergleich anbieten konnte, noch dazu einen solchen, der unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenze lag, eine Anzeige erstattete. Es war unter diesen Umständen lange vor der Eröffnung des Konkurses vorauszusehen, daß es zu Massenentlassungen kommen könne. Jedenfalls haben so schwerwiegende Gründe für die Notwendigkeit solcher Entlassungen gesprochen, daß die Arbeitgeberin mindestens zu einer vorsorglichen Mitteilung an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes verpflichtet war.
Von der Mitteilungspflicht nach § 8 AFG war die Arbeitgeberin auch nicht dadurch entlastet, daß sie bei Bekanntwerden der voraussichtlichen Massenentlassungen eine weitere Verschlechterung der Lage des Betriebes befürchten mußte. Dem Gesetzgeber ist bewußt gewesen, daß dem Arbeitgeber aus der Mitteilung von voraussichtlichen Massenentlassungen und aus den daraufhin eingeleiteten Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Nachteile erwachsen können. Er hat deshalb in § 8 Abs. 2 AFG ausdrücklich vorgeschrieben, daß die BA bei ihren Maßnahmen nach dem 2. Abschnitt des AFG das Interesse des Betriebes an einer Geheimhaltung der geplanten Veränderungen zu berücksichtigen habe, soweit dies mit dem arbeitsmarktpolitischen Interesse an einer frühzeitigen Einleitung der erforderlichen Maßnahmen vereinbar sei. Über diese gesetzliche Regelung hinaus kann die Befürchtung des Arbeitgebers nicht berücksichtigt werden.
Nach § 18 Abs. 3 KSchG ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Entlassungen rechtzeitig nach § 8 AFG angezeigt hat. Die Pflicht nach § 8 AFG dient dem arbeitsmarktpolitischen Interesse an einer frühzeitigen Einleitung der erforderlichen Maß nahmen durch die BA bei Massenentlassungen. Durch die vorgeschriebenen Anzeigen der Arbeitgeber soll es der BA ermöglicht werden, auf der Grundlage des AFG rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Aus diesem Sinn und Zweck des Gesetzes folgt aber nicht, daß die Anzeige nur dann nicht rechtzeitig iS des § 18 Abs. 3 KSchG erstattet ist, wenn durch ihre Verspätung im Einzelfall konkrete Maßnahmen des Arbeitsamtes verzögert wurden. Es genügt, daß der Arbeitgeber die erste Voraussetzung für ein rechtzeitiges Eingreifen der BA nicht geschaffen und die BA deshalb keine Möglichkeit dazu gehabt hat. Der Vortrag des Klägers, daß in der Branche, in der das in Konkurs geratene Unternehmen tätig gewesen sei, zu der Zeit, als die Massenentlassungen anstanden, ohnehin keine Aufnahmefähigkeit für Arbeiter vorhanden gewesen sei, weil in der betreffenden Gegend die Betriebe bereits überbesetzt gewesen seien und Kurzarbeit eingeführt hätten, ist damit ohne Bedeutung.
Aus all diesen Gründen ist die Revision unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen