Leitsatz (amtlich)
1. AFG § 101 Abs 1 enthält nicht mehr die Einschränkung des AVAVG § 75 Abs 1, wonach arbeitslos iS des Gesetzes nur derjenige sein kann, der berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt.
2. Arbeitnehmer iS AFG § 101 ist, wer im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der anschließenden Arbeitslosigkeit dem Kreis von Personen zuzurechnen ist, die andernfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würden; dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Leitsatz (redaktionell)
Ein jeweils im Winterhalbjahr einer Vollzeitbeschäftigung in abhängiger Stellung als Waldarbeiter nachgehender selbständiger Landwirt hat für die Zeit der aus witterungsbedingten Einflüssen erfolgenden Einstellung der Forstarbeiten Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Normenkette
AFG § 101 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25, S. 2 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 102 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 103 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AVAVG § 75 Abs. 1 Fassung: 1957-04-03, § 89a Abs. 1 Fassung: 1929-10-12
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1929 geborene Kläger bewirtschaftet ein landwirtschaftliches Anwesen und ist in den Wintermonaten regelmäßig abhängig als Waldarbeiter tätig. Das landwirtschaftliche Anwesen des Klägers umfaßt rund 15 ha; davon stehen 5 ha im Eigentum des Klägers, 10 ha sind Pachtland. Der Kläger hält im Durchschnitt 12 Kühe und besitzt zusammen mit dem Jungvieh insgesamt 30 Stück Vieh. Im Vordergrund seiner Landwirtschaft steht die Milchwirtschaft. Im Winterhalbjahr ist der Kläger regelmäßig beim staatlichen Forstamt Göppingen als Waldarbeiter beschäftigt.
Während seiner Beschäftigung als Waldarbeiter in der Zeit vom 22. November 1971 bis zum 6. Juni 1972 mußte die Arbeit in der Zeit vom 3. bis 20. Februar 1972 wegen ungünstiger Witterungsverhältnisse eingestellt werden. Der Kläger meldete sich am 3. Februar 1972 arbeitslos und beantragte Alg. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger mit Rücksicht auf seine überwiegende Tätigkeit als selbständiger Landwirt nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) anzusehen sei. Sein Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Bescheid vom 9. Februar 1972/Widerspruchsbescheid vom 12. April 1972).
Das Sozialgericht (SG) Ulm hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 3. bis 20. Februar 1972 Alg zu bewilligen (Urteil vom 11. Oktober 1972). Es hat die Berufung zugelassen. Das SG hat aufgrund der von ihm beigezogener Rentenversicherungsunterlagen sowie von Auskünften des staatlichen Forstamts G und des Finanzamts G Feststellungen über den zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Klägers als Waldarbeiter seit dem Jahre 1966 getroffen und sodann ausgeführt: Von der Höhe des Einkommens her habe der Kläger durch die unselbständige Tätigkeit mindestens ebensoviel erzielt wie durch die selbständige Tätigkeit als Landwirt. Infolgedessen stünden die Tätigkeit des Klägers als selbständiger Landwirt und die unselbständige Tätigkeit als Waldarbeiter gleichberechtigt nebeneinander. Selbst wenn der Kläger regelmäßig nur für etwa sechs Monate im Jahr als Arbeitnehmer tätig sei, stehe dies der Annahme seiner Arbeitnehmereigenschaft - zumindest für diesen Zeitraum - nicht im Wege. Der Arbeitnehmerbegriff des § 75 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sei im übrigen durch die Regelung in § 101 AFG verändert worden. Es sei nicht mehr erforderlich, daß der Betreffende berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflege.
Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zurückgewiesen (Urteil vom 23. Januar 1974). Es hat die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei als Arbeitnehmer im Sinne des § 101 AFG anzusehen. Maßstab dafür sei die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zu einem wesentlichen Teil die Existenzgrundlage des Arbeitslosen bilde. Sinn des Alg sei es nämlich, den Lebensbedarf des Arbeitnehmers bei Gefährdung seiner Existenzgrundlage sicherzustellen. Entscheidend sei infolgedessen allein der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme durch das Beschäftigungsverhältnis, nicht die Höhe der Einkünfte. Das LSG hat hierzu festgestellt, daß die Arbeitsverhältnisse des Klägers in den Winterhalbjahren jeweils rund sechs Monate dauerten. Es handelte sich dabei um eine Vollzeitbeschäftigung mit tariflicher Arbeitszeit, die 1971/1972 40 Wochenstunden betrug. Während der Dauer der Waldarbeit beschränkt sich die Tätigkeit des Klägers in der Landwirtschaft auf die Verrichtung von Stallarbeiten, die morgens und abends je eine Stunde in Anspruch nimmt. Demgegenüber ist er genötigt, in seiner Landwirtschaft im Frühjahr nach- und im Herbst vorzuarbeiten, so daß seine wöchentliche Arbeitszeit als Landwirt in diesen Zeiten 60 bis 70 Stunden beträgt. Der Auffassung der Beklagten, daß für die Frage der Arbeitnehmereigenschaft hier die Wochenstundenzahl im Jahresdurchschnitt maßgeblich sei, könne nicht gefolgt werden. Insbesondere sei der Entstehungsgeschichte des AFG nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber den Begriff des Arbeitnehmers in § 101 AFG im gleichen Sinne wie in § 75 AVAVG verstanden wissen wollte. Entscheidend sei danach, ob der Arbeitslose, auch wenn er einen Jahresdurchschnitt von 20 Wochenstunden als Arbeitnehmer nicht erreiche, nicht nur kurzfristig einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe bzw. nachgehen wolle. Dies sei insbesondere der Regelung der Beitragspflicht zu entnehmen. Danach gelte eine Vollzeitbeschäftigung, deren Dauer von vornherein auf mehr als drei Monate vereinbart wurde, als beitragspflichtig (§§ 168, 169 AFG in Verbindung mit § 168 Abs. 1 und 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Der mit diesen Vorschriften verfolgte Schutzzweck müsse auch bei der Auslegung des Begriffs Arbeitnehmer in § 101 AFG berücksichtigt werden.
Infolgedessen sei der Kläger für die Zeit vom 3. bis zum 20. Februar 1972 als arbeitslos im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG anzusehen. Zwar könne die zeitliche Inanspruchnahme des Klägers durch die selbständige Tätigkeit im Jahresdurchschnitt höher als 20 Wochenstunden gewesen sein. Diesen Durchschnitt könne man in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 75 AVAVG (BSGE 18, 222) jedoch nur dann heranziehen, wenn die selbständige Tätigkeit im Hinblick auf die Arbeitszeit häufigen Schwankungen unterworfen sei. Wenn aber - wie hier - eine scharfe Zäsur zwischen der jeweiligen Periode der seit Jahren auf sechs Monate im Winterhalbjahr befristeten Waldarbeit und der jeweils die warme Jahreszeit umfassenden anderen Periode selbständiger Tätigkeit vorhanden sei, sei dieses vom BSG praktizierte Verfahren nicht anzuwenden. Im übrigen bilde das Anspruchsmerkmal "Verfügbarkeit" ein Korrektiv dafür, daß der Anspruch auf Alg nicht für Zeiten erhoben werden könne, die nach Beendigung der unselbständigen Tätigkeit liegen. Für die Frage, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers die Geringfügigkeitsgrenze des § 102 AFG überschreite, sei danach auf den durchschnittlichen Zeitaufwand im Winterhalbjahr 1971/72 abzuheben. In dieser Zeit habe die selbständige Tätigkeit des Klägers nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung die Grenze von 20 Wochenstunden in keinem Fall überschritten. Bei einem echten Doppelberufler wie bei dem Kläger sei scharf zu trennen zwischen der selbständigen Tätigkeit als Landwirt und der unselbständigen Beschäftigung als Waldarbeiter. Als solcher unterliege er uneingeschränkt der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Es widerspräche den Grundsätzen des Versicherungsprinzips, während einer solchen Beschäftigung zwar Beiträge zu erheben, andererseits aber Leistungen zu versagen, wenn der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit eintrete. Am Status des Klägers als Arbeitnehmer in dieser Zeit habe sich nichts geändert; er verbleibe in dem Personenkreis, den das Gesetz schütze.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 101 AFG, §§ 103, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt hierzu im wesentlichen vor: Zunächst habe das LSG seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) nicht genügt und im übrigen die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) überschritten. Über die Dauer der unselbständigen Tätigkeit des Klägers als Waldarbeiter habe das LSG nämlich keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Nach der vom Forstamt ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 3. Februar 1972 sei der Kläger in den Kalenderjahren 1969 bis 1971 nur wie folgt beschäftigt gewesen:
1969 = 5 Monate und 19 Tage,
1970 = 5 Monate und 29 Tage,
1971 = 4 Monate und 23 Tage.
Gegenteilige Feststellungen des LSG seien für das BSG nicht bindend. Das LSG hätte sich für seine Feststellung, der Kläger habe die Tätigkeit in seiner Landwirtschaft während des Winterhalbjahres nur an zwei Stunden pro Tag ausgeübt, nicht allein auf die Angaben des Klägers stützen dürfen. In geeigneten Fällen könne zwar das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten bei seiner Überzeugungsbildung verwenden, wenn ihm dieser glaubhaft erscheint. Hier hätten die Angaben des Klägers jedoch zu Bedenken Anlaß geben müssen; es sei nämlich nur schwer vorstellbar, daß der Kläger bei der Bewirtschaftung eines Anwesens von 15 ha und der Haltung von 30 Stück Vieh nur eine Arbeitsleistung von täglich 2 Stunden erbringe. Das LSG hätte daher in dieser Richtung weitere Ermittlungen anstellen müssen.
Das LSG habe ferner nicht dargetan, welche Dauer eine unselbständige Beschäftigung haben müsse, um die Arbeitnehmereigenschaft bejahen zu können. Es habe sich zu Unrecht darauf beschränkt, daß die Beschäftigung nicht kurzfristig sein dürfe. Das allein reiche jedoch nicht aus, wie der Wortlaut des § 101 Abs. 1 AFG ergebe. Vielmehr müsse der Arbeitslose für eine längere Zeit für eine Arbeitnehmertätigkeit in Betracht kommen. Insoweit sei nicht allein und ohne weiteres auf die beitragsrechtlichen Vorschriften abzustellen; denn der Arbeitnehmerbegriff in § 101 AFG habe einen anderen Inhalt als der in §§ 168, 169 AFG. Dies zeige sich schon daran, daß es für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 101 AFG genüge, wenn eine Person, die längere Zeit nicht mehr beschäftigt war, künftig als Arbeitnehmer tätig sein wolle. Im übrigen habe das LSG verkannt, daß es gerade bei der Anwendung des § 168 RVO darauf ankomme, ob eine Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt werde.
Dem LSG könne auch nicht in seiner Beurteilung über die Entstehungsgeschichte des § 101 AFG gefolgt werden. Aus der Regierungsbegründung zu dieser Vorschrift und dem Ausschußbericht ergebe sich, daß § 101 AFG gegenüber der Regelung in § 75 AVAVG keine materiell-rechtliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Neufassung enthalten sollte. Als Arbeitnehmer im Sinne des § 101 AFG sei also nach wie vor nur derjenige anzusehen, der - wie bisher - berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflege. Infolgedessen sei auch zu § 101 AFG die Rechtsprechung des BSG zu § 75 AVAVG zu berücksichtigen. Danach sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtschau der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Antragstellers den Schluß zulasse, daß seine Lebensgrundlage im Zeitpunkt der Antragstellung und für die Zukunft die unselbständige Beschäftigung gegen Entgelt bilde (BSGE 14, 164, 167). Infolgedessen sei die selbständige Tätigkeit eines Antragstellers angemessen zu berücksichtigen. Das gelte auch für den Fall, daß er während einer bestimmten Jahreszeit, in der er seine selbständige Tätigkeit nicht ausübt, regelmäßig eine Arbeitnehmertätigkeit verrichte. Gerade bei einem Wechsel zwischen selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit komme es darauf an, ob nach dem gesamten Berufsbild von einem Arbeitnehmer gesprochen werden kann. In den Kalenderjahren 1969 bis 1971 sei der Kläger jeweils weniger als sechs Monate als Waldarbeiter beschäftigt gewesen, also nicht überwiegend als Arbeitnehmer. Es seien zwar auch die Verhältnisse für die Zukunft zu berücksichtigen (BSGE 14, 164; 20, 190). Insoweit bestehe jedoch kein Anhalt für die Annahme, daß der Kläger in den späteren Jahren wesentlich länger als Waldarbeiter beschäftigt worden sei. Da der Kläger infolgedessen nicht berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflege, sei er auch nicht Arbeitnehmer im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG.
Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge, stehe die Regelung des § 101 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AFG dem Anspruch des Klägers entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 18, 222) sei bei der Prüfung, ob die selbständige Nebentätigkeit eines Arbeitslosen die in § 75 Abs. 3 Satz 2 AVAVG genannte Grenze überschreite, nur von seiner eigenen Arbeitsleistung abhängig. Maßgebend sei insoweit - jedenfalls beim Betrieb einer eigenen Landwirtschaft - im allgemeinen der Jahresdurchschnitt der Arbeitszeit. Der Auffassung des LSG, diese Grundsätze könnten nur Anwendung finden in Fällen, in denen die selbständige Tätigkeit im Hinblick auf die Arbeitszeit häufigen Schwankungen unterworfen sei, nicht aber wenn - wie hier - eine scharfe Zäsur vorliege zwischen der auf das Winterhalbjahr befristeten Waldarbeit und der selbständigen Tätigkeit im Sommer, könne nicht gefolgt werden. Auch in diesen Fällen sei vielmehr ein Durchschnittswert zu suchen, der auf ein Jahr abgestellt ist. Für diesen Fall müsse das LSG noch Feststellungen treffen, da es lediglich ausgeführt habe, die zeitliche Inanspruchnahme des Klägers "möge" im Jahresdurchschnitt mehr als 20 Wochenstunden betragen haben.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 11. Oktober 1972 die Klage abzuweisen und zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend die durch Zulassung statthafte Berufung der Beklagten (vgl. BSGE 2, 225) als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger steht der erhobene Anspruch auf Alg zu.
In der Zeit vom 3. bis 20. Februar 1972, für die der Kläger Alg begehrt, war er arbeitslos im Sinne von § 101 AFG. Die übrigen Voraussetzungen des Gesetzes für diesen Anspruch des Klägers auf Alg (§ 100 AFG) liegen nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG vor (§ 163 SGG). Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG ist arbeitslos im Sinne dieses Gesetzes ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausübt. § 101 Abs. 1 Satz 2 AFG bestimmt, daß der Arbeitnehmer jedoch nicht arbeitslos ist, wenn er 1. eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet, oder 2. mehrere geringfügige Beschäftigungen oder Tätigkeiten entsprechenden Umfanges ausübt, die zusammen die Grenze des § 102 AFG überschreiten. Nach § 102 AFG ist eine Beschäftigung nicht mehr geringfügig, wenn sie - von gelegentlichen Abweichungen von geringer Dauer abgesehen - entweder der Natur der Sache nach oder nach dem Arbeitsvertrag mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt. Ergänzende, hier aber nicht interessierende Sonderregelungen, trifft § 102 Abs. 2 AFG.
Der Kläger war in der Zeit vom 3. bis 20. Februar 1972 als Arbeitnehmer im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG anzusehen, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und der in dieser Zeit nur eine geringfügige Beschäftigung als Selbständiger ausübte (§ 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 AFG). Arbeitnehmer in diesem Sinne ist derjenige, der im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der anschließenden Arbeitslosigkeit dem Kreis von Personen zuzurechnen ist, die andernfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würden. Die faktische Beschäftigungslosigkeit (Arbeitslosigkeit) darf ferner nicht endgültig sein, wie sich aus dem Wort "vorübergehend" in § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG ergibt. Wer mit Eintritt einer bestimmten Arbeitslosigkeit für immer oder jedenfalls für unbestimmte Zeit aus dem Arbeitsleben als abhängig Beschäftigter ausgeschieden ist, steht nicht mehr nur vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Wann diese Umstände gegeben sind, ist eine Frage des Einzelfalles.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für das Anspruchsmerkmal "Arbeitslosigkeit" im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG nicht (mehr) erforderlich, daß der Antragsteller nach der Gesamtschau seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse "berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt". Diese in § 75 AVAVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl I 321) vorgenommene Einschränkung des Arbeitnehmerbegriffs als Teilmerkmal der für den Anspruch auf Alg erforderlichen Voraussetzung "arbeitslos" ist in § 101 AFG nicht mehr enthalten.
Wie die Rechtsentwicklung zeigt, handelt es sich insoweit nicht um einen dem Merkmal "Arbeitslosigkeit" etwa stets und ohne weiteres immanenten Begriffsinhalt. Das AVAVG vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187) enthielt in § 87 lediglich die heute im wesentlichen in § 100 AFG normierten Vorschriften über die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Eine Definition des Begriffs der Arbeitslosigkeit wurde hier noch nicht gegeben, Erst durch das Gesetz vom 12. Oktober 1929 (RGBl I 153) wurde in das AVAVG ein § 89 a eingefügt, der in Abs. 1 die Teildefinition enthielt: "Arbeitslos ist, wer berufsmäßig überwiegend als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht ...". Die Einfügung dieses § 89 a AVAVG wurde mit dem Bedürfnis erklärt, daß die fehlende Definition des Begriffs der Arbeitslosigkeit als Lücke im Gesetz empfunden werde, die zu Zweifeln und Rechtsunsicherheit in erheblichem Umfang Anlaß geben würde (vgl. Schmeißer, Kommentar zum AVAVG in der Fassung der Notverordnung vom 1. Dezember 1930, Bd. 1, 1931, Anm. 1 zu § 89 a; ferner Begründung zur Novelle vom 24. September 1929, Reichstagsdrucks. Nr. 1311, IV. Wahlperiode, S. 14). § 89 a AVAVG in dieser Fassung wurde durch die Verordnung über Arbeitslosenhilfe vom 5. September 1939 (RGBl I 1674) wieder aufgehoben.
Nach dem Kriege galt das AVAVG, zum Teil in unterschiedlichen Fassungen, als Länderrecht fort. Eine dem § 89 a AVAVG entsprechende Vorschrift war zunächst nicht vorhanden. Durch die Verordnung Nr. 111 der Militärregierung für Deutschland - Britische Zone - (Amtsblatt der Militärregierung 1947 S. 614) wurde jedoch ein § 87 a in das AVAVG eingefügt. Diese Vorschrift wurde auch in den übrigen Ländern durch Besatzungsrecht entsprechend übernommen (vgl. die Übersicht bei Dräger/Buchwitz/Schönefelder, Kommentar zum AVAVG, 1961, S. 1147 unter laufenden Nrn. 33 a ff). Die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Alg waren danach in § 87 AVAVG entsprechend der heutigen Bestimmung in § 100 AFG geregelt. § 87 a AVAVG in dieser Fassung traf zur Frage der Arbeitslosigkeit nur in Bezug auf selbständige Gewerbetreibende eine einschränkende Regelung, ohne die Grundregel des früheren § 89 a AVAVG von 1929 aufzunehmen. In der Folgezeit wurde durch die Rechtsprechung der Begriff der Arbeitslosigkeit als eine Voraussetzung für den Anspruch auf Alg im wesentlichen mit den Merkmalen der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung ausgefüllt (vgl. insbesondere BSGE 2, 67; 115; 277; SozR Nrn. 4, 9, 10 und 11 zu § 87 a AVAVG a. F.; BSGE 3, 1). Nach dieser Rechtsprechung waren im Ergebnis nur die selbständigen Vollgewerbetreibenden im Sinne von § 87 a Abs. 1 Satz 1 AVAVG von dem Bezug von Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen; sie galten nicht als arbeitslos.
Im übrigen hat das BSG jedoch Arbeitslosigkeit stets anerkannt, wenn der Antragsteller abhängig beschäftigt war und in dem üblichen Maß dem Arbeitsmarkt subjektiv und objektiv zur Verfügung stand (vgl. insbesondere den Leitsatz in BSGE 2, 67). In dieser Entscheidung hat das BSG weiterhin ausgeführt, daß es nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden sei, ob Verfügbarkeit (hier als Merkmal des Begriffs Arbeitslosigkeit) gegeben sei (aaO S. 72): "Voraussetzung dafür ist jedenfalls nicht, daß Arbeitnehmereigenschaft in dem Sinne vorliegt, wie sie seinerzeit § 89 a gefordert hatte. Nach dessen Wortlaut sollte arbeitslos nur sein, "wer berufsmäßig überwiegend als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt" - eine ähnliche Fassung sieht der Entwurf der großen Novelle zum AVAVG in § 87 a vor -. Damit wurde also Arbeitslosigkeit grundsätzlich nur bei Personen anerkannt, welche die Arbeitnehmertätigkeit als Lebensgrundlage erwählt hatten. Eine solche Begrenzung läßt sich jedoch - mindestens nach der Wandlung der Lebensbedingungen seit dem Zweiten Weltkrieg - nicht mehr rechtfertigen. Es wäre nicht verständlich, weshalb z. B. eine Ehefrau, die nach früherer Auffassung bei dem Einkommen ihres Ehemannes nicht zum Kreise der Arbeitnehmer rechnete, jetzt aber aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen gewillt ist hinzuzuverdienen, nicht als arbeitslos gelten soll, wenn bei ihr die Voraussetzungen der Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv gegeben sind."
Erst in § 75 Abs. 1 AVAVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl I 321) wurde erneut die früher in dem alten § 89 a AVAVG enthaltene Begriffsbestimmung eingeführt, daß arbeitslos im Sinne des § 74 Abs. 1 AVAVG nur ist, wer berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Abs. 3 und 4 dieser Vorschrift enthielten weiterhin Sonderregelungen für Selbständige und Inhaber von Gewerbescheinen.
§ 101 AFG verlangt demgegenüber - wie dargelegt - nicht mehr, daß der Arbeitslose in der Hauptsache berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig sein muß. Diese Änderung im Wortlaut gegenüber § 75 Abs. 1 AVAVG spricht unter Berücksichtigung der aufgezeigten Rechtsentwicklung bereits dafür, daß insoweit auch eine Rechtsänderung eingetreten ist. Dem steht abweichend von der Auffassung der Beklagten nicht die Entstehungsgeschichte des § 101 Abs. 1 AFG entgegen. In § 92 des Regierungsentwurfs zum AFG (BT-Drucks. V/2291) heißt es zwar noch: "Arbeitslos im Sinne des § 90 ist, wer berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer beschäftigt zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und nur geringfügige Beschäftigungen im Sinne des § 93 oder in entsprechendem Umfang selbständige Tätigkeiten oder Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger ausübt. Die Arbeitszeiten mehrerer Beschäftigungen oder Tätigkeiten dürfen zusammen ... die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung nicht überschreiten."
§ 101 AFG erhielt dann durch den Ausschuß für Arbeit seine jetzige Fassung (vgl. BT-Drucks. V/4110, § 92). Als Begründung hierzu wird angeführt: "Der Ausschuß hat den § 92 des Regierungsentwurfs zur Verbesserung der Übersicht über die geregelten Tatbestände neu gefaßt" (vgl. zu BT-Drucks. V/4100, S. 17 zu § 92).
Die Auffassung der Beklagten, daß damit nur eine redaktionelle Änderung des Regierungsentwurfs, und daher eine entsprechende Übernahme des Grundgedankens des § 75 Abs. 1 AVAVG stattgefunden hat, ist aus dieser Begründung nicht zu entnehmen. Der Ausschuß könnte dies zwar gemeint haben. Eine Neufassung zur Verbesserung der Übersicht über geregelte Tatbestände kann aber genau so gut eine Änderung in sachlicher Hinsicht enthalten. Infolgedessen bietet die Begründung des Ausschußberichtes keinen sicheren Anhalt dafür, daß es sich bei der Regelung in § 101 AFG durch den Ausschuß lediglich um eine redaktionelle Änderung des Regierungsentwurfs handelt. Schon aus diesem Grunde muß daher der Wortlaut des § 101 AFG als das entscheidende Kriterium dafür angesehen werden, ob er eine andere gesetzliche Regelung enthält als das frühere Recht. Selbst wenn dem Gesetzgeber insofern eine entsprechende Absicht nicht unterlegen haben sollte, wäre dies unbeachtlich, wenn tatsächlich im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmung eine Änderung eingetreten ist und die Absicht, eine Änderung nicht vorzunehmen, im Gesetz keinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BSGE 23, 275, 276 mit weiteren Nachweisen = SozR Nr. 2 zu § 26 GAL; BSGE 37, 163, 169 = SozR 4100 § 41 Nr. 1).
Gegen die Annahme, § 101 AFG stelle lediglich eine redaktionelle Änderung des früheren § 75 Abs. 1 AVAVG dar, spricht ferner folgendes: Schon § 75 Abs. 1 AVAVG bezog sich für den Begriff der Arbeitslosigkeit lediglich auf die Vorschriften über Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit ("Arbeitslos im Sinne des § 74 Abs. 1 ist ..."). Ebenso war es nach § 92 des Regierungsentwurfs ("Arbeitslos im Sinne des § 90 ist ...", aaO). Der Ausschuß für Arbeit schuf dann aber eine Fassung des § 92 des Regierungsentwurfs (jetzt § 101 Abs. 1 AFG), die einen ganz anderen Bedeutungsinhalt hat; es heißt nämlich nunmehr "Arbeitslos im Sinne dieses Gesetzes ist ...". Damit wurde aber ganz eindeutig eine sachliche Änderung gegenüber dem früheren Recht und gegenüber dem Regierungsentwurf getroffen; es wurde nämlich klargestellt, daß diese Legaldefinition auch für alle übrigen Vorschriften des AFG gilt, in denen der Begriff arbeitslos oder Arbeitslosigkeit vorkommt (vgl. z. B. §§ 2, 6, 44, 47, 91, 93, 97, 100, 103, 104, 105, 107 ff, 127). So wird es auch in der Literatur aufgefaßt (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, Anm. 2 zu § 101; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Anm. 2 zu § 101).
Ein weiteres kommt hinzu: Nach § 91 des Regierungsentwurfs (aaO) hieß es: "Arbeitnehmer sind auch Heimarbeiter (§ 2 Abs. 1 und 4 des Heimarbeitsgesetzes)". Der Ausschuß für Arbeit hat daraus in § 92 Abs. 2 die heute geltende Fassung beschlossen (§ 101 Abs. 2 AFG). Auch hier findet sich eine von dem Regierungsentwurf sachlich abweichende Regelung, in der der Begriff des Heimarbeiters nun auf die Vorschriften dieses Abschnittes beschränkt worden ist.
Aus allem ergibt sich, daß die Fassung des § 101 Abs. 1 AFG nicht mehr so zu lesen ist, als wenn sie noch das frühere Merkmal des § 75 Abs. 1 AVAVG oder das im Regierungsentwurf vorgesehene entsprechende Merkmal enthält, wonach arbeitslos nur derjenige ist, der berufsmäßig in der Hauptsache als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt ....
Für die Auslegung des § 101 Abs. 1 AFG ist sonach lediglich sein Wortlaut sowie seine Stellung im System der Anspruchsvoraussetzungen für das Alg maßgebend.
Hiervon ausgehend war der Kläger als Arbeitnehmer vorübergehend arbeitslos im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG. Er war - abgesehen von seinen früheren, die Anwartschaftszeit im Sinne von § 104 AFG erfüllenden Arbeitnehmertätigkeiten - bereits vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit am 3. Februar 1972 und bis zu diesem Zeitpunkt über zwei Monate als Waldarbeiter abhängig beschäftigt, wäre ohne Eintritt der Arbeitslosigkeit ununterbrochen als solcher beschäftigt gewesen und war schließlich auch nach Beendigung der Arbeitslosigkeit ab 21. Februar 1972 weiterhin - zunächst bis 6. Juni 1972 - als abhängig Beschäftigter tätig.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang eine mangelnde Sachaufklärung (§ 103 SGG) durch das LSG rügt, ist dieses Vorbringen nicht rechtserheblich. Enthält nämlich § 101 Abs. 1 AFG nicht mehr die einschränkende Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des § 75 Abs. 1 AVAVG, so kommt es auf die für die Anwendung dieser Vorschrift wesentliche "Gesamtschau seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse", wie sie sich aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers in früheren Jahren darstellt, nicht an. Aus diesem Grunde ist auch die Rechtsprechung des BSG zum früheren § 75 AVAVG in ihren entsprechenden Auswirkungen nicht mehr anwendbar. Die Entscheidung in BSGE 14, 164, auf die sich die Beklagte beruft, beruht auf einer Legaldefinition der "berufsmäßigen Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne der Regelung von § 75 Abs. 1 AVAVG, die aber - wie dargelegt - § 101 Abs. 1 AFG nicht mehr enthält. Das BSG hat sich ferner mehrfach mit der Frage der Arbeitslosigkeit sogenannter Doppelberufler befaßt, also von Personen, die entweder nebenher oder in Aufeinanderfolge selbständige und unselbständige Tätigkeiten ausübten (vgl. BSGE 14, 224; 16, 56; 18, 215; 18, 222). Diese Entscheidungen und ihre Inhalte können jedoch für die Auslegung der Vorschrift des § 101 AFG nicht mehr herangezogen werden; denn sie befassen sich wiederum nur mit den besonderen Regelungen des § 75 Abs. 3 AVAVG, die das AFG nicht mehr kennt. Bemerkenswert ist allerdings, daß auch dort eine Tendenz der Rechtsprechung deutlich wird, diese Regelung nicht im engen Sinne seines Wortlauts auszulegen, sondern erweiternd in dem Sinne, daß als arbeitslos auch jedenfalls der Selbständige gelten kann, der seine Existenzgrundlage nicht lediglich in der selbständigen Tätigkeit findet. Hierin fügt sich auch die Entscheidung des BSG vom 4. Februar 1965 - 11/1 RA 220/63 - (Praxis 1965, 188) ein, wonach die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 75 Abs. 1 AVAVG schon durch den Entschluß zur Aufnahme oder Wiederaufnahme abhängiger Arbeit begründet wird und nicht die vorherige Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit erforderlich ist, noch weniger die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. dazu ferner BSGE 18, 287; 20, 190). Schon wegen des ersatzlosen Wegfalls der früheren Regelung in § 75 Abs. 3 AVAVG im Recht des AFG besteht keine Bindung des Senats mehr an die frühere Rechtsprechung zu dieser Vorschrift, auf die sich die Beklagte beruft (insbesondere BSGE 18, 222). Es kommt also insbesondere nicht mehr darauf an, ob die selbständige Nebentätigkeit eines Arbeitslosen bestimmte Grenzen der Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt überschreitet.
So bestimmt § 101 AFG in Satz 2 selbst gewisse Fälle, in denen das Merkmal "Arbeitslosigkeit" nicht mehr gegeben ist. Danach ist jedenfalls auch die Tätigkeit eines Selbständigen in gewissem Umfang neben der Eigenschaft, arbeitslos zu sein und zu bleiben, möglich. Das bedeutet, daß das Gesetz an sich davon ausgeht, daß ein sogenannter Doppelberufler in den Genuß der Leistungen der Arbeitslosenversicherung gelangen kann. Die selbständige Tätigkeit darf lediglich während der Arbeitslosigkeit einen bestimmten Umfang nicht überschreiten. Davon ausgehend ist das Ergebnis gerechtfertigt, daß eine selbständige Tätigkeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit und nach Beendigung derselben solange keinen Einfluß hat, als nach den Umständen des Einzelfalles die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 101 Abs. 1 AFG für die Dauer des erhobenen Alg-Anspruchs zu bejahen ist. So ist es aber hier, wie schon dargelegt. Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, wann generell ein Sachverhalt gegeben ist, bei dessen Verwirklichung die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG nicht mehr zu bejahen ist - von dem schon erwähnten Fall des endgültigen Ausscheidens aus dem Arbeitsleben der abhängig Beschäftigten abgesehen. Insoweit könnte die in § 103 AFG getroffene Regelung über die Verfügbarkeit (insbesondere in seinem Abs. 1 Nr. 2) als Abgrenzungsmerkmal dienen. Aus dieser Regelung und ihrem Verhältnis zu der des § 101 Abs. 1 AFG erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß - als eine Folge der Änderung des § 101 Abs. 1 AFG im Verhältnis zum § 75 Abs. 1 AVAVG - für die Bestimmung des Begriffs der Arbeitslosigkeit und des Arbeitnehmers in § 101 AFG das subjektive Element der Bereitschaft, eine Tätigkeit als Arbeitnehmer aufzunehmen, nicht mehr im Rahmen des § 101 AFG enthalten, vielmehr dem Begriff der Verfügbarkeit in § 103 AFG zuzuordnen ist. Bei anderer Auffassung wäre eine Abgrenzung beider Vorschriften kaum denkbar. Dafür spricht auch der vom LSG herangezogene Rechtsgedanke aus §§ 168, 169 AFG in Verbindung mit § 168 Abs. 1 und 2 RVO. Die Beziehung zwischen dem Arbeitnehmerbegriff im Sinne des Beitragsrechts und im Sinne des Leistungsrechts wird besonders deutlich an der Regelung in § 169 Nr. 6 AFG, bei der das Gesetz von Arbeitnehmern in einer geringfügigen Beschäftigung (§ 102 AFG) spricht.
Hinzu kommt, und hiervon geht auch die Beklagte aus, daß die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft in bestimmten Fällen auch dann möglich ist, wenn der Antragsteller bis zum Eintritt seiner Arbeitslosigkeit eine abhängige Beschäftigung überhaupt noch nicht ausgeübt hat. Hier ist insbesondere an die Tatbestände zu denken, die den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AFG in Verbindung mit der Arbeitslosenhilfeverordnung vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) begründen können. Insoweit handelt es sich um Ersatztatbestände, die an die Stelle einer vorangehenden entlohnten Beschäftigung treten. Auch in diesen Fällen ist für den Anspruch auf Alhi Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung erforderlich, d. h., es muß sich bei dem Antragsteller um einen "arbeitslosen Arbeitnehmer" handeln, der im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der Gewährung von Alhi unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes in nicht nur geringfügigem Umfange eine Beschäftigung aufnehmen will. Ob diese Voraussetzung erfüllt wird, hängt regelmäßig von der Glaubhaftigkeit seiner erklärten Absichten und von den besonderen Lebensumständen des einzelnen Falles ab. Dies läßt sich jedoch mit der Regelung in § 101 AFG allein schwerlich beurteilen, sondern ergibt sich letztlich nur daraus, ob der Antragsteller im Sinne von § 103 AFG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Die weitgehende Zuordnung der subjektiven Merkmale der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg durch die in § 103 AFG getroffene Regelung der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung könnte jedenfalls dafür sprechen, den Begriff der Arbeitslosigkeit in § 101 AFG nur noch und ausschließlich nach der Tatsache der vorübergehenden Beschäftigungslosigkeit als Arbeitnehmer zu beurteilen.
Für den vorliegenden Fall ist dem LSG ferner darin zuzustimmen, daß die Arbeitslosigkeit des Klägers im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG nicht dadurch beseitigt worden ist, daß er in der Zeit vom 3. bis 20. Februar 1972 seine Tätigkeit als selbständiger Landwirt weiterhin ausgeübt hat. Nach den Feststellungen des LSG war diese Tätigkeit nämlich geringfügig im Sinne von § 102 Abs. 1 AFG; denn sie war auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt (§ 101 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AFG). Die von der Beklagten hiergegen erhobene Rüge unzureichender Sachaufklärung (§ 103 SGG) greift nicht durch. Die Beklagte führt nämlich nicht substantiiert an, wie es für eine formgerechte Sachaufklärungsrüge nach § 164 Abs. 2 SGG erforderlich wäre, zu welcher weiteren Sachaufklärung das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen und welches - andere - Ergebnis diese gehabt hätte (BSG in SozR Nr. 7 zu § 103 SGG und Nr. 64 zu § 162 SGG). Soweit dem Vorbringen der Beklagten hierzu entnommen werden kann, das LSG habe dabei auch die Vorschrift des § 128 SGG verletzt, hat sie ebenfalls keinen Erfolg. Im Rahmen des § 128 SGG ist das Gericht in seiner Beweiswürdigung frei. Die ihm dabei gesetzten Grenzen überschreitet das Gericht nur dann, wenn es zwingend zu einem anderen als dem gefundenen Ergebnis hätte gelangen müssen (BSGE 2, 236). Dies hat die Beklagte weder behauptet noch hat sie dies etwa substantiiert dargetan, wie es für die wirksame Rüge eines Verfahrensverstoßes nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich ist. Sie räumt im Gegenteil ein, daß sich das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung auch auf den Sachvortrag eines Beteiligten stützen dürfe (SozR Nrn. 20 und 56 zu § 128 SGG). Soweit die Beklagte meint, es sei nur schwer vorstellbar, daß ein Landwirt für die Bewirtschaftung seines Betriebes in den Wintermonaten lediglich eine Arbeitszeit von zwei Stunden täglich aufwende, nimmt sie nur eine von der des LSG abweichende eigene Beweiswürdigung vor, ohne substantiiert eine Verletzung des § 128 SGG durch das LSG darzutun.
Nach allem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1647876 |
BSGE, 229 |