Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Klägerin betrieb in der Zeit vom 1. Januar 1975 bis Ende November 1977 die amtlich anerkannte (§ 52 des Schwerbehindertengesetzes - SchwbG) und geförderte Werkstatt für Behinderte "Gut Kronsberg". Die Beklagte ist die für die Beigeladene zu 4) örtlich zuständige Krankenkasse. Zwischen den Beteiligten ist streitig, nach welchen gesetzlichen Bestimmungen sich die Versicherungspflicht für eine Gruppe von Behinderten richtete zu der die Beigeladene zu 4) gehört. Es handelt sich um Behinderte, die nicht in der Produktionsabteilung, sondern in einer sogenannten "Einarbeitungs-, Trainings- und Ausbildungsstufe" der Werkstatt für Behinderte tätig sind.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 4. November 1975, daß alle in dieser Trainingsstufe tätigen Behinderten - einschließlich der Beigeladenen zu 4) - der Versicherungspflicht nach Maßgabe von Art 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl. I S. 1061) - SVBG - unterfallen (die Abkürzung SVBG bezieht sich auch im folgenden auf Art 1 des Gesetzes, soweit nichts anderes gesagt ist). Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, ihres Erachtens nehme die Beigeladene zu 4) wie die übrigen in dieser Abteilung arbeitenden Behinderten an berufsfördernden Maßnahmen teil und unterläge daher der Versicherungspflicht nach den §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst b , 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst b der Reichsversicherungsordnung (RVO), 168 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AM) 9 Regeln, die durch Art 2 § 1 Nr. 1 , A 14 und § 4 Nr. 2 SVBG eingefügt worden sind.
Nach erfolglos verlaufenem Widerspruchsverfahren (Bescheid vom 12. Januar 1976) begehrte die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) klageweise die Aufhebung des Bescheides vom 4. November 1975 in Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie die Feststellung, daß die im Trainingsbereich der Klägerin tätigen Behinderten der Versicherungspflicht nach §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst b, 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst. b RVO und der Beitragspflicht nach § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG unterlägen. Nachdem das angerufene Gericht die in der Trainingsabteilung der Klägerin tätigen Behinderten beigeladen hatte, trennte es den Rechtsstreit insoweit ab, als er die Versicherungspflicht der anderen Werkstattangehörigen betraf, so daß sich der Rechtsstreit nunmehr auf die Versicherungs- und Beitragspflicht der Beigeladenen zu 4) beschränkte. Mit Urteil vom 17. April 1978 wies das SG die Klage ab. Auch die im Trainingsbereich tätigen Behinderten unterlägen der Versicherungspflicht nach Art 1 SVBG. Zwar könne dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 SVBG geschlossen werden, weil dort nur von "beschäftigten", nicht aber von "lernenden" Behinderten die Rede sei. Diese Auslegung sei jedoch durch das sozialpolitische Anliegen des Gesetzes, alle in Behindertenwerkstätten Tätigen nach Maßgabe von Art 1 SVBG in die Sozialversicherung einzubeziehen, geboten. Die von der Klägerin in Betracht gezogenen Vorschriften seien indessen für Behinderte in anderen Einrichtungen - namentlich Berufsbildungswerken - einschlägig.
Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten Sprungrevision, die sie wie folgt begründete: Die von ihr herangezogenen Bestimmungen seien auf alle Behinderten anzuwenden, die zum Zwecke der Berufsförderung tätig seien. Deshalb seien auch in Werkstätten für Behinderte nur die im Produktionsbereich Tätigen aufgrund von Art 1 SVBG zu versichern. Dieser Deutung des Geltungsbereiches dieser Regelung stehe auch nicht die Bestimmung von § 3 Abs. 2 SVBG entgegen, wonach aus dem Anwendungsbereich von Art 1 SVBG nur die nach § 165 Abs. 1 Nr. 4 RVO zu versichernden Rehabilitanden ausgenommen seien. Denn diese Vorschrift diene allein dazu zu verhindern, daß jene Rehabilitanden, die nicht an einer berufsfördernden Maßnahme teilnähmen, nach den Regeln der Sozialversicherung für Behinderte behandelt würden. Auch der Zweck des Gesetzes gebiete diese Auslegung: In dem Trainingsbereich befänden sich regelmäßig Behinderte, die noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig seien, wogegen im Produktionsbereich nur Behinderte beschäftigt werden, welche aufgrund der Schwere ihrer geistigen, körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein könnten.
Die Klägerin und das beigeladene Land Niedersachsen beantragen, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 17. April 1978 sowie des Bescheides der Beklagten vom 4. November 1975 und ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1976 festzustellen, daß die im Trainingsbereich der anerkannten Werkstatt für Behinderte der Klägerin - Werkstatt für Behinderte, H… I… Straße 14, G… K… beschäftigt gewesene Beigeladene Frau L… versicherungspflichtig war nach den §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst b, 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst b RVO und § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das SG habe zu Recht auch die im Trainingsbereich beschäftigten Behinderten dem Kreis der nach Art 1 SVBG Versicherungspflichtigen zugerechnet. Sie bekräftigt ihre Auffassung mit einem Hinweis auf die Grundsätze der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Ausgestaltung von Behindertenwerkstätten. Danach soll zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Werkstattkapazität darauf verwandt werden, eine Trainings-, Einarbeitungs- und Ausbildungsstufe zu schaffen, damit den Behinderten eine der beruflichen Ausbildung vergleichbare berufs- und arbeitsweltbezogene Grundbildung vermittelt werden soll.
II
Die Sprungrevision ist zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Insoweit ist das Urteil des SG aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Das SG hat sie mit Recht auch insoweit für zulässig gehalten, als die Klägerin nicht nur die Aufhebung der Bescheide, mit denen die Beklagte u.a. die Beigeladene zu 4) nach § 1 SVBG für versicherungspflichtig erklärt hat, sondern darüber hinaus die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst b, 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst b RVO und § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG beantragt hat. An dieser Feststellung hat die Klägerin schon deswegen ein berechtigtes Interesse, weil mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nur negativ über die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 4) entschieden wäre, andererseits aber auch die Klägerin eine positive Entscheidung über die Versicherungspflicht - wenn auch nach anderen Vorschriften und mit anderen rechtlichen Wirkungen - begehrt.
Das SG hat ferner in der Sache zu Recht entschieden, daß die Beigeladene zu 4) während ihrer Beschäftigung in der Trainingsstufe der anerkannten Werkstätte für Behinderte "Gut Kronsberg'' in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung nach Art 1 SVBG versichert war.
Behinderte sind während der Dauer einer Ausbildung grundsätzlich wie sonstige Arbeitnehmer versichert, und zwar in der Krankenversicherung unter den Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 2 RVO und in der Rentenversicherung unter den Voraussetzungen des § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO (oder den entsprechenden Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes). Denn diese Versicherungspflicht ist nicht auf Ausbildungsverhältnisse im Bereich des freien Arbeitsmarktes beschränkt (BSG SozR Nr. 37 zu § 165 RVO). Daneben sind in der Krankenversicherung die Bezieher von Übergangsgeld im Rahmen beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen und in der Rentenversicherung auch sonstige Bezieher von Übergangsgeld in bestimmten Grenzen versicherungspflichtig (§§ 165 Abs. 1 Nr. 4, 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a Buchst c RVO).
Von diesen die Versicherungspflicht begründenden Vorschriften werden indessen nicht alle Behinderten erfaßt; zweifelhaft war dies vor allem für die in Einrichtungen für Behinderte Ausgebildeten, weil ihnen keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird (vgl. BT-Drucks 7/1992, S. 10 linke Spalte Mitte). Aus diesem Grunde ergänzen die §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b und 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst b RVO den Versicherungsschutz dahingehend, daß auch Behinderte, die in Einrichtungen für Behinderte, insbesondere in Berufsbildungswerken, an berufsfördernden Maßnahmen teilnehmen, der Versicherungspflicht unterliegen, sofern sie nicht bereits nach den vorgenannten allgemeinen Vorschriften versichert sind. Der Geltungsbereich dieser Auffangvorschriften beschränkt sich dabei auf Personen "in Einrichtungen für Behinderte" (siehe zu diesem Begriff Hessisches LSG, Urteil vom 6. Dezember 1979 - L 1 Ar-1114/78 -). Beispielhaft ("insbesondere") werden insoweit in der Vorschrift Berufsbildungswerke erwähnt, ohne daß der Kreis der in Betracht kommenden Einrichtungen auf sie begrenzt worden ist (BT-Drucks 7/1992 a.a.O.).
Die genannten Vorschriften der RVO treffen ihrem Wortlaut nach auch auf die im Trainingsbereich einer Behindertenwerkstatt Beschäftigten zu. Denn auch diese Werkstätten sind begrifflich "Einrichtungen für Behinderte", auch die im Trainingsbereich einer solchen Werkstatt Beschäftigten nehmen an einer berufsfördernden Maßnahme teil (zu der umfassenden Bedeutung des Begriffs der berufsfördernden Maßnahme, die sich nicht auf anerkannte Ausbildungsgänge beschränkt , vgl. Ausschußbericht zu Art 2 § 1 Nr. 1 des Regierungsentwurfs eines SVBG, BT-Drucks 7/3237, S. 7). Gleichwohl kann der Senat der Auffassung der Klägerin und des beigeladenen Landes nicht folgen, die im Trainingsbereich einer Behindertenwerkstatt beschäftigten Personen seien deswegen nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b und § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst. b RVO und nicht nach dem SVBG in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung versichert.
Das SVBG enthält gegenüber den Vorschriften der RVO Sonderregelungen für bestimmte Einrichtungen für Behinderte, in erster Linie für die Werkstätten für Behinderte (und Blindenwerkstätten), die als insoweit speziellere (engere) Normen nach den für eine Gesetzeskonkurrenz geltenden Grundsätzen die allgemeineren Vorschriften der RVO verdrängen. Wie schon aus dem Wortlaut des § 1 SVBG abzulesen ist, werden Werkstätten für Behinderte dort nicht beispielhaft aufgezählt, sondern es wird eine eigene - institutionell abgegrenzte - Regelung für diese Werkstätten und die ihnen gleichgestellten Einrichtungen (Anstalten, Heime und gleichgestellte Einrichtungen - § 2 Abs. 1 SVBG) getroffen. Das deutet bereits darauf hin, daß mit den Personen, die in diesen Einrichtungen "beschäftigt" werden, alle Behinderten gemeint sind, die dort Aufnahme gefunden haben. Eine solche Folgerung erscheint um so unbedenklicher, als der Gesetzgeber auch sonst den Begriff der Beschäftigung in einem weiteren, Ausbildungsverhältnisse mitumfassenden Sinn verwendet (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG; § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG). Auch die in Vorbereitung befindliche , von der Bundesregierung schon beschlossene Werkstättenverordnung zum Schwerbehindertengesetz spricht von den "im Arbeitstrainings- oder Arbeitsbereich beschäftigten Behinderten" (§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs, dem insoweit der Bundesrat bereits zugestimmt hat, BR-Drucks 554/79).
Für eine weite Auslegung, des Beschäftigungsbegriffs, die auch die in Ausbildung Stehenden mitumfaßt, sprechen schließlich folgende Überlegungen: Das SVBG hat den Versicherungsschutz der Behinderten, die in geschützten Einrichtungen, insbesondere in anerkannten Behindertenwerkstätten, beschäftigt werden, vor allem insofern verbessert, als der Eintritt der Versicherungspflicht - anders als nach den allgemeinen Vorschriften über die Versicherungspflicht entgeltlicher Beschäftigungen - nicht mehr von dem Bezug einer Vergütung abhängig ist (vgl. BT-Drucks 7/1992 S. 9, 12 f.). Auch Behinderte, die für die Zeit ihrer Beschäftigung kein oder nur ein geringes Entgelt erhalten, werden mithin von der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung erfaßt; sie stehen den aufgrund einer entgeltlichen Beschäftigung Versicherten gleich (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SVBG; vgl. ferner § 2 Abs. 2 Satz 1 SVBG: Als beschäftigt gelten Behinderte, die ohne oder gegen Entgelt … eine Leistung erbringen …). Er erscheint deshalb nur folgerichtig, den Begriff der Beschäftigung in § 1 SVBG nicht auf Tätigkeiten zu beschränken, die - wenn auch nur ihrem Zweck nach - auf die Erzielung eines Entgelts und, da ein Entgelt in der Regel nur für ein bestimmtes Arbeitsergebnis gezahlt wird, auf ein solches Ergebnis gerichtet sind.
Mit dieser aus §§ 1 und 2 SVBG gewonnenen Auslegung deckt sich § 3 Abs. 2 SVBG. Dort werden von der Versicherungspflicht nach dem SVBG nur diejenigen ausgenommen, die nach den §§ 165 Abs. 1 Nr. 4 und 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8a RVO (sowie den entsprechenden Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes) versichert sind. Danach unterfallen dem SVBG alle in Werkstätten für Behinderte Betreute, gleichgültig ob sie als produzierende Arbeitnehmer oder zu ihrer Ausbildung beschäftigt sind. Ob etwas anderes gelten kann, wenn eine Werkstätte für Behinderte gleichzeitig eine institutionell abgegrenzte Einrichtung betreibt, die einem Berufsbildungswerk entspricht, kann hierbei dahinstehen; denn bei dem hier streitigen Trainingsbereich der Werkstätte für Behinderte "Gut Kronsberg" handelt es sich nach den Feststellungen des SG und den Einlassungen der Beteiligten eindeutig um einen nicht ausscheidbaren Bestandteil einer solchen Werkstätte.
Bestätigt wird die dem Wortlaut und der Systematik entnommene Auslegung des § 1 SVBG durch die Entstehungsgeschichte des SVBG. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung wird an mehreren Stellen deutlich gemacht, daß sich das Gesetz auch auf solche Beschäftigungen in Werkstätten für Behinderte erstreckte die Ausbildungs- und Einführungscharakter haben. So wird z.B. zu Art 1 § 1 ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich auf die in geschützten Einrichtungen "lernenden und beschäftigten Behinderten" bezieht (BT-Drucks 7/1992, S. 12 unter B Art 1 zu § 1 Buchst a; s. ferner S. 13 zu § 3). Eine im Gesetz nicht näher bezeichnete Ausnahme gilt dabei allerdings für Personen, die zur Durchführung der Aufgaben der Einrichtung eingestellt worden sind, sofern es sich nicht um Personen handelt, die zu dem von der Anstalt betreuten Personenkreis gehören und die lediglich im Rahmen der Betreuung zugleich - sei es auch aufgrund eines besonderen Vertrages - für die Zwecke der Anstalt tätig werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Januar 1980 - L 16 Kr 7/78 -).
Für die versicherungsrechtliche Gleichbehandlung aller Personen, die in den genannten institutionell abgegrenzten Einrichtungen betreut werden, einschließlich der zur Beschäftigten, spricht schließlich, daß dadurch Schwierigkeiten bei der Feststellung der Versicherungspflicht vermieden werden. Während eine Abgrenzung der Werkstätten für Behinderte und der ihnen gleichgestellten Einrichtungen und auch die Abgrenzung zwischen dem Betreuungspersonal und dem betreuten Personenkreis verhältnismäßig leicht möglich ist, kann die Abgrenzung zwischen denjenigen Behinderten, die als (produzierende) Arbeitnehmer beschäftigt werden, und solchen, die ausgebildet werden, Schwierigkeiten bereiten. Das gleiche gilt für eine Unterscheidung zwischen denjenigen, die bereits nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO und den entsprechenden Vorschriften der Rentenversicherung versichert sind, und denjenigen, die erst durch das SVBG in die Versicherung einbezogen werden (BSGE 46, 244, 248). Der möglichst schnellen Feststellbarkeit und Klarheit der Verhältnisse kommt aber gerade im Bereich der Versicherungspflicht besondere Bedeutung zu (Urteile des erkennenden Senats vom 13. Mai 1980 - 12 RK 40/79 und 12 RK 27/78 -, beide zur Veröffentlichung bestimmt). Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, daß es oft von Zufällen oder regionalen Gegebenheiten abhängen wird, ob ein Behinderter in einer Werkstätte für Behinderte oder einem Berufsbildungswerk aus- oder fortgebildet wird. Die sich daraus ergebenden versicherungsrechtlichen Unterschiede müssen indessen nach der Systematik des Gesetzes in Kauf genommen werden und lassen sich hier teilweise auch aus den unterschiedlichen Aufgaben und Schwerpunkten der Einrichtungen rechtfertigen.
Im übrigen sind die Unterschiede zwischen den beiden zuletzt genannten Gruppen von Versicherten, was die Berechnung der Beiträge im Bereich der Krankenversicherung betrifft, nicht sehr erheblich. Für diejenigen, die nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a RVO versicherungspflichtig sind, werden die Beiträge nach den jeweils festgesetzten Sachbezugswerten (§ 180 Abs. 1a i.V.m. der nach § 17 Satz 1 Nr. 3 SGB 4 ergangenen Verordnung) berechnet. Sie sind vom Träger der Einrichtung allein zu tragen, denn ihm obliegen nach § 165 Abs. 7 RVO die Pflichten des Arbeitgebers, mithin gemäß § 381 Abs. 1 Satz 2 RVO auch die Pflicht, den Beitrag in vollem Umfang zu tragen. Ist der Träger der Einrichtung nicht gleichzeitig Träger der Maßnahme, so erhält er allerdings die Beitragsaufwendungen nach § 42a des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehanglG) vom Träger der Maßnahme erstattet.
Bei Versicherten, die nach dem SVBG krankenversichert sind, ist der Berechnung der Beiträge der tatsächliche Verdienst, mindestens aber ein Betrag in Höhe von 20 v.H. des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, ohne Lehrlinge und Anlernlinge, im vorangegangenen Kalenderjahr zugrunde zu legen (§ 4 SVBG). Die Beiträge sind von dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber je zur Hälfte zu tragen (§ 3 Abs. 1 SVBG i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 RVO). Bei einem Arbeitsentgelt unter dem Mindestarbeitsentgelt hat der Träger der Einrichtung die Beiträge jedoch allein zu tragen (§ 5 SVBG). Ach im Rahmen des SVBG sind aber dem Träger der Einrichtung die Beiträge von den für den Beschäftigten zuständigen Kostenträgern zu erstatten (§ 3 Abs. 3 und 4 SVBG).
Im Bereich der Rentenversicherung ergibt sich hingegen eine erhebliche Besserstellung der nach dem SVBG versicherten Personen zu Lasten des Bundes und der Länder. Die Beiträge der nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a RVO Versicherten werden gemäß § 1385 Abs. 3 Buchst g RVO auch hier nach den jeweils festgesetzten Sachbezugswerten berechnet. Sie sind nach § 1385 Abs. 4 Buchst. a RVO vom Arbeitgeber allein zu tragen, wobei der Träger der Einrichtung die Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen hat. Ihm sind diese Beiträge ebenfalls nach § 42a RehAnglG vom Träger der Maßnahme zu erstatten.
Das SVBG sieht demgegenüber vor, daß die Rentenversicherungsbeiträge nach einem Arbeitsentgelt mindestens in Höhe von 90 v.H. des (wie in § 4 SVBG ermittelten) durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten zu berechnen sind (§ 8 SVBG). Zu tragen sind die Beiträge, wie im Bereich der Krankenversicherung, in Höhe des tatsächlichen Arbeitsentgelts je zur Hälfte von dem Beschäftigten und der Einrichtung. Der Beitrag für den Unterschiedsbetrag, zwischen dem tatsächlichen Verdienst und dem gesetzlichen Mindestbetrag ist jedoch vom Träger der Einrichtung allein zu tragen (§ 9 SVBG). Die Beiträge, die die Einrichtung für das tatsächliche Arbeitsentgelt zu tragen hat, werden ihr von dem für den Beschäftigten zuständigen Kostenträger erstattet (§ 3 Abs. 4 SVBG), im übrigen je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen (§ 10 Abs. 1 SVBG).
Die - allerdings erheblichen - Unterschiede, die hiernach im Bereich der Rentenversicherung zwischen der Beitragsberechnung für die nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a RVO und die nach § 1 SVBG Versicherten bestehen, müssen und können indes hingenommen werden. Sie sind ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehen und rechtfertigen sich durch die dadurch erreichte Verwaltungsvereinfachung selbst dann, wenn das SVBG teilweise auch auf Personen Anwendung finden sollte, für die es nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, gedacht war.
Sind somit auch die im Trainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte untergebrachten Behinderten nach dem SVBG in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung versichert, so gilt dies auch für die Beigeladene zu 4), da sie nach den Feststellungen des SG zu den dort beschäftigten Personen gehört hat.
Nicht näher eingegangen ist das SG in seinen Entscheidungsgründen auf den von der Klägerin außerdem gestellten Antrag auf Feststellung einer Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 4) nach dem AFG (§ 168 Abs. 1 Satz 2). Da das SG die Klage jedoch in vollem Umfange abgewiesen hat, ist von der Klagabweisung auch dieser Feststellungsantrag der Klägerin betroffen. Insoweit hält der Senat den Rechtsstreit indessen noch nicht für entscheidungsreif.
Die Beitragspflicht nach dem AFG kann sich im Falle der Beigeladenen zu 4) nur aus § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG ergeben. Danach sind jugendliche Behinderte, die in Einrichtungen für Behinderte, insbesondere in Berufsbildungswerken, an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, wie sonstige zur Berufsausbildung Beschäftigte beitragspflichtig. Der Begriff der Einrichtung für Behinderte ist in diesem Zusammenhang derselbe wie in §§ 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst b RVO und 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a Buchst b RVO. Er ist also umfassend zu verstehen, so daß auch Werkstätten für Behinderte hierunter fallen.
Anders als die Kranken- und die Rentenversicherung der in Behindertenwerkstätten Beschäftigten hat das SVBG ihre Beitragspflicht nach dem AFG in Art 1 nicht besonders geregelt. Eine Sonderregelung ist insoweit mit Absicht unterblieben, weil die Zeit dafür - vor allem wegen des Fehlens eines eigenen. Arbeitsmarktes für Behinderte - noch nicht gekommen sei (vgl. BT-Drucks 7/1992 S. 10 unter II 1a). Soweit es sich um, die Arbeitslosenversicherung der Behinderten in geschützten Einrichtungen, insbesondere in anerkannten Behindertenwerkstätten, handelt, sind mithin die allgemeinen Vorschriften des AFG anzuwenden (BT-Drucks a.a.O. S. 16 zu § 4 Nr. 3). Das hat der Senat auch schon für die im Produktionsbereich einer Behindertenwerkstatt Beschäftigten entschieden (BSGE 46, 244). Nichts anderes kann für die im Trainingsbereich einer solchen Werkstatt Tätigen gelten. Für eine solche umfassende Anwendung des § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG sprechen auch Gründe der Gleichbehandlung. Da es, wie oben schon dargelegt wurde, oft vom Zufall und den regionalen Gegebenheiten abhängt, ob ein Behinderter in ein Berufsbildungswerk oder aber in eine Werkstätte für Behinderte aufgenommen wird, wäre es nicht zu rechtfertigen, ihn im ersten Falle als beitragspflichtig anzusehen und ihm somit den Bezug von Leistungen nach dem AFG zu ermöglichen, während ihm im anderen Falle diese gesetzliche Wohltat versagt bliebe.
Das SG wird somit noch feststellen müssen, ob bei der Beigeladenen zu 4) während der fraglichen Zeit die Voraussetzungen des § 168 Abs. 1 Satz 2 vorgelegen haben (zur Ausbildung für eine Erwerbstätigkeit "auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt‹ vgl. BSGE 49, 114, 122 f.), und wird danach über ihre Beitragspflicht nach der AFG entscheiden. Insoweit hat der Senat deshalb das Urteil des SG aufgehoben und den Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen. Im übrigen hat er dagegen die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen, die abschließende Kostenentscheidung aber dem SG überlassen.12 RK 34/78
Bundessozialgericht
Verkündet am 11. Juni 1980
Fundstellen
Haufe-Index 518583 |
Breith. 1981, 291 |