Leitsatz (amtlich)
1. Eine in Italien lebende Mutter italienischer Staatsangehörigkeit hat Anspruch auf Elternrente aus der UV nach ihrem in der Bundesrepublik Deutschland bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglücken ledigen Sohn bis zu dessen vollendetem 26. Lebensjahr, wenn er sie vor seinem Tode aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat. Es ist unerheblich, ob weitere ggf unterhaltspflichtige Kinder vorhanden sind (Fortführung von BSG 1974-06-27 8 RU 292/73 = SozR 2200 § 596 Nr 3).
2. Das den Statistischen Jahrbüchern für die Bundesrepublik Deutschland zu entnehmende durchschnittliche Heiratsalter lediger Männer bezieht sich auf die Wohnbevölkerung. Dieser Mittelwert unterscheidet nicht nach Deutschen und Ausländern (teilweise Aufgabe von BSG 1975-10-22 8 RU 194/74 = SozR 2200 § 622 Nr 6).
Normenkette
RVO § 593 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15, § 596 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; BGB § 844 Abs. 2 Fassung: 1896-08-18, § 1606 Abs. 3 S. 1; BGBEG Art. 19 Fassung: 1896-08-18
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 06.10.1977; Aktenzeichen L 7 U 188/76) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 05.11.1975; Aktenzeichen S 3 U 887/74) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Oktober 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit vom 21. November 1972 bis 31. Juli 1975 Elternrente nach § 596 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Die in Italien lebende Klägerin ist italienische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter des 1949 geborenen und am 21.September 1972 durch einen Arbeitsunfall bei der Bauunternehmung H., bei der er seit 1. Februar 1972 beschäftigt war, tödlich verunglückten M (M.). Dieser hatte dort bis zum Unfall 8.374,43 DM verdient und der Klägerin im April 1972 183.150,- Lire, im Juni 1972 109.389,- Lire, im Juli 1972 110.394,- Lire und in einem weiteren Monat 91.575,- Lire überwiesen. Im Januar 1972 war er in Italien arbeitslos. Vorher hatte er - soweit nicht arbeitslos - durchschnittlich ein Einkommen von monatlich 50.000,- Lire. Die Klägerin lebt seit 1957 von ihrem ebenfalls in ärmlichen Verhältnissen lebenden Ehemann getrennt. Sie bezieht kein Arbeitseinkommen, erhält keine Rente und keinen Unterhalt. Aus einem 9 ar großen Grundstück hat sie jährliche Einnahmen von 70.000,- Lire, obwohl sie bei ihrem Gesundheitszustand monatlich 150.000,- Lire für ihren Lebensunterhalt benötigen würde.
Außer dem Verunglückten hat die Klägerin noch drei weitere, 1946, 1954 und 1957 geborene ledige Söhne. Der älteste Sohn A. hat von 1966 bis 1973 ebenfalls bei der Bauunternehmung H. in Deutschland gearbeitet und dort 1972 brutto 13.547,- DM, vom 1. Januar 1973 bis 31. März 1973 brutto 4.988,- DM und vom 13. Juni bis 30. August 1973 brutto 3.250,- DM verdient. Seitdem lebt er in Italien. Er gewährt der Klägerin keinen Unterhalt. Der dritte Sohn S. lebt mit der Klägerin in Hausgemeinschaft. Bei Gelegenheitsarbeiten verdiente er 2.000,- bis 2.500,- Lire monatlich. Der vierte Sohn G. lebt ebenfalls bei der Klägerin, er war arbeitslos.
Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin Elternrente zu gewähren (Bescheid vom 14. Februar 1974). Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, Elternrente nach dem Sohn M. zu gewähren (Urteil vom 5. Dezember 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Elternrente vom 21. November 1972 bis 31. Juli 1975 zu bewilligen. Im übrigen hat es die Klage ab- und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 6. Oktober 1977).
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 596 Abs 1 RVO.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als sie verurteilt wurde, der Klägerin Elternrente zu bewilligen und unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts insoweit aufzuheben, als sie verurteilt wurde, der Klägerin Elternrente zu bewilligen und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das LSG hat zutreffend der Klägerin für die Zeit vom 21. November 1972 bis 31. Juli 1975 Elternrente nach § 596 Abs 1 RVO zuerkannt. § 596 Abs 1 RVO bestimmt: Hinterläßt der durch Arbeitsunfall Verstorbene Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern, die er aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde, so ist ihnen eine Rente von einem Fünftel des Jahresarbeitsverdienstes für ein Elternteil, von drei Zehnteln des Jahresarbeitsverdienstes für ein Elternpaar zu gewähren, solange sie ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Das LSG hat diese Anspruchsvoraussetzungen mit Recht bejaht. Der Sohn M. der Klägerin ist durch einen Arbeitsunfall verstorben. Er hat, wie das LSG von der Revision unangefochten und daher für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, aus seinem Arbeitsverdienst seine Mutter, die Klägerin, wesentlich unterhalten. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob auch die zweite Möglichkeit eines Elternrentenanspruchs nach § 596 Abs 1 RVO ("... ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde"), deren Voraussetzungen das LSG ebenfalls bejaht hat, anzunehmen ist. Der Verstorbene hat nämlich der Klägerin in vier Einzelüberweisungen 1972 insgesamt 494.508 Lire = rd 1700,- DM überwiesen. Rechtlich bedenkenfrei hat das Berufungsgericht diese Geldleistungen aus dem Arbeitsverdienst des Verstorbenen als wesentlichen Unterhalt gewürdigt. Insoweit hat das LSG festgestellt, daß erst die Zahlungen des Verstorbenen der Klägerin eine einigermaßen auskömmliche Lebenshaltung ermöglicht haben. Die Klägerin selbst hatte keine eigenen nennenswerten Einkünfte; ihre Einnahmen aus dem ihr gehörigen 9 ar großen Grundstück waren so geringfügig, daß sie das LSG mit Recht außer Betracht lassen konnte. Sie war zudem in die Armenliste der Gemeinde Rossano eingetragen und arbeitsunfähig krank. Sie bezog keine Rente. Als Italienerin war die Klägerin hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen den deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung deutschen Berechtigten gleichgestellt (vgl Allgemeines Abkommen über Soziale Sicherheit vom 5. Mai 1953 - BGBl 1956, Teil II, S.2 -; EWG-Verordnungen Nrn 3 und 4). Die in Italien lebende Klägerin hatte einen Unterhaltsanspruch gegen den Sohn M. nach italienischem Recht, weil der Vater des M. dem italienischen Staat angehört (vgl Palandt, BGB, EGBGB, 34. Aufl, Art 19 Anm 2; Toelzer, SozSich 1971, 166). Das in den Artikeln 433 ff Codice civile geregelte italienische Unterhaltsrecht verpflichtet jedenfalls Kinder zum Unterhalt ihrer Eltern, mag es teilweise auch in seinen Pflichten weiter als das deutsche Unterhaltsrecht gehen (zB sind Schwiegereltern und Schwiegerkinder - Art 435 Ziffern 4, 5 - sowie Geschwister - Art 433 Ziff 6, 439 - einander unterhaltspflichtig). Sind mehrere Personen im gleichen Rang verpflichtet, haften sie nicht als Gesamtschuldner, sondern nur anteilsmäßig nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse (Art 441 Abs 1). Zwar ordnet der Codice civile anders als § 1603 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht ausdrücklich an, daß nur derjenige unterhaltspflichtig ist, der in der Lage ist, Unterhalt zu leisten, ohne dadurch seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden. Dies ist jedoch keine sachliche Abweichung, sondern eine Einschränkung, die in Italien als selbstverständlich angesehen wird (vgl Grunsky/Wuppermann, Italienisches Familienrecht 1970, Sammlung Athenäum 14, VIII/1, S. 140). Umfang und Inhalt des Unterhaltsanspruches bestimmen sich nach Art 438 Abs 2. Danach sind für die Unterhaltshöhe der Bedarf des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten maßgebend. Daß der Unterhaltsanspruch mehr als nur das Existenzminimum umfaßt, ergibt sich ua aus Art 439, demzufolge der Unterhaltsanspruch unter Geschwistern nur auf Leistung des notdürftigen Unterhalts gerichtet ist, wobei eindeutig davon ausgegangen wird, daß im Normalfall der Unterhaltsanspruch darüber hinausgeht (Sammlung Athenäum aaO, VIII/2, S. 141).
Die Klägerin war aufgrund ihrer recht bedrängten wirtschaftlichen Lage unterhaltsbedürftig. M. war als Sohn zum Unterhalt verpflichtet, weil er in der Lage war, Unterhalt zu leisten, ohne hierdurch seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden. Mit Recht hat das LSG die Klägerin nicht auf den Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann verwiesen, weil sie seit 1957 von ihrem Ehemann keinen Unterhalt erhalten hat und auch nicht zu erlangen vermag. Die beiden jüngeren Söhne S. und G. der Klägerin waren aufgrund ihrer eigenen schlechten Lage ebenfalls nicht unterhaltspflichtig. Es mag sein, daß der älteste Sohn der Klägerin A., der bei demselben Arbeitgeber wie der Verstorbene beschäftigt gewesen war, wegen seines Einkommens der Klägerin ebenfalls hätte nach italienischem Unterhaltsrecht Unterhalt leisten müssen. Dies kann aber dahinstehen. Denn nach § 596 Abs 1 RVO ist für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente entscheidend, ob der unterhaltsbedürftige Hinterbliebene gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätte geltend machen können ("..., solange sie ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können").
Die Beklagte glaubt, den Elternrentenanspruch der Klägerin damit abwehren zu können, weitere Kinder der Klägerin seien verpflichtet und imstande gewesen, ihr einen angemessenen Unterhalt zu gewähren, was insbesondere für den Sohn A. gelte, der als Gastarbeiter in Deutschland nach Auskunft des italienischen Generalkonsulats die Klägerin laufend und ausreichend unterstützt habe. Damit kann die Beklagte nicht durchdringen. Sie geht nämlich damit von anderen Tatsachen aus, als sie das LSG festgestellt hat. Die Beklagte hat aber diese Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht mit Revisionsrügen angegriffen.
Im Kern vertritt die Beklagte mit ihrer Revision die Auffassung, die Unterhaltspflicht lebender Kinder gehe dem Anspruch auf Elternrente stets vor. Dieser bestehe erst als Ersatz eines Unterhaltsanspruchs, wenn alle Erwerbsquellen -einschließlich der Unterhaltsansprüche - ausgeschöpft seien und danach noch Bedürftigkeit bestehe. Die Beklagte meint, wenn dem nicht so sei, könnten andere Unterhaltsleistungen nach den §§ 1601 ff des BGB keinen Einfluß auf die Höhe der Elternrente haben, obwohl § 1606 Abs 3 Satz 1 BGB eine lediglich anteilige Haftung vorsehe. Die Unterhaltsersatzfunktion solle nur eingreifen, wenn keine sonstigen Verpflichteten vorhanden seien oder trotz der Leistungen der Elternteil noch bedürftig sei. Erst dann könne ein den Einkommensverhältnissen des Verstorbenen entsprechender Elternrentenanspruch als Unterhaltsersatzanspruch entstehen. Ausgehend von der Subsidiarität des Elternrentenanspruchs könne dem Hinweis des LSG auf die anders gelagerten Regelungen der §§ 843, 844 BGB nicht gefolgt werden.
Die Auffassung der Beklagten ist nicht zu halten. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf sollte mit der Neufassung des § 596 RVO durch Art 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 nicht nur der anspruchsberechtigte Personenkreis erweitert, sondern auch dem Entschädigungsgedanken in höherem Grade Rechnung getragen werden, wie er nicht nur in § 50 BVG aF, sondern auch in § 844 Abs 2 BGB zum Ausdruck komme (BT-Drucks IV/120, S. 59). Die ursprüngliche Formulierung des Entwurfes "für die Dauer der Bedürftigkeit" - so bereits in § 593 aF enthalten - wurde nach dem Ausschußbericht (BT-Drucks IV/938 - neu - S. 15) gestrichen und durch "so lange ... können" ersetzt. Mit der Vermeidung des fürsorgerechtlichen Begriffes "Bedürftigkeit" sollte der Ausrichtung des Rentenanspruches als Ersatz für den Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601 ff BGB Ausdruck gegeben werden. Gleichgeblieben ist als eine der Anspruchsvoraussetzungen "aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat"; hinzugekommen ist, "ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde". Im Unterschied zur Witwerrente und zur früher von der Rechtsprechung getroffenen Abgrenzung des "Ernährerbegriffes" in § 50 BVG aF (BSGE 9, 13) soll es auch weiterhin nicht auf einen überwiegenden, sondern auf den wesentlichen Unterhalt ankommen, zu dessen Erfüllung es nicht erforderlich ist, daß der Verstorbene mehr als die Hälfte beigetragen hat. Danach ist es nicht ausgeschlossen, daß mehrere Personen gleichzeitig den Berechtigten wesentlich unterhalten haben, das Vorhandensein mehrerer unterhaltspflichtiger Kinder also einer Elternrente nicht zwingend entgegensteht (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd II, S. 588 i, 590 mwN) - 41. Nachtrag - April 1974 -. Dies muß um so mehr gelten, als in § 596 Abs 1 letzter Halbsatz RVO nicht von einem Anspruch auf wesentlichen Unterhalt, sondern ganz allgemein von einem Anspruch auf Unterhalt die Rede ist. Allerdings wird teilweise die Ansicht vertreten, die Elternrente sei zwar ein Ersatz für den Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht, eine Änderung der bis 30. Juni 1963 vorhandenen Subsidiarität der Elternrente sei aber nicht beabsichtigt gewesen (Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 610, S. 7; Lauterbach, Unfallversicherung, Band 2, 3. Auflage 1977, § 596 Anm 6 g). Dazu wird auf den früheren Wortlaut (§ 593 RVO aF) und ein rechtskräftiges Urteil des Bayerischen LSG vom 8. November 1973 (Lauterbach, Kartei Nr 9194 zu § 596) verwiesen, wonach die Unterhaltsverpflichtung lebender Kinder gegenüber ihren Eltern dem Anspruch auf Gewährung von Elternrente aus der Unfallversicherung vorgehe, so daß § 596 RVO nur zum Zuge komme, wenn die Eltern alle möglichen Ersatzquellen zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts ausgeschöpft haben und trotzdem bedürftig bleiben. Der bei einem anderen Sachverhalt gefundenen Auslegung des § 596 RVO durch das Bayerische LSG ist in der dortigen verallgemeinernden Form nicht zuzustimmen. Dies ist bereits dem Urteil des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. April 1975 (SozR 2200 § 596 Nr 4) zu entnehmen. Der 2. Senat hebt hervor (Bl 21 f. aaO), bei eigener Unterhaltsbedürftigkeit der Berechtigten entfalle die Unterhaltspflicht des verunglückten Sohnes nicht schon dadurch, daß auch die anderen Söhne einen Teil zum Unterhalt der Klägerin beitragen können (§ 1603 Abs 1, § 1606 Abs 3 Satz 1 BGB). Podzun (aaO) beachtet zudem bei seiner Auffassung nicht hinreichend, daß auch der erkennende Senat im Urteil vom 27. Juni 1974 (SozR 2200 § 596 Nr 3) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien betont hat, der durch die erweiterte Regelung des § 596 RVO begründete Elternrentenanspruch stelle einen Ersatz für einen infolge eines Arbeitsunfalles entzogenen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch dar, mit dem gegenüber § 593 RVO aF dem Entschädigungsgedanken in höherem Maße Rechnung getragen werden solle, ähnlich wie dies in § 50 BVG aF zum Ausdruck gekommen sei und in § 844 Abs 2 BGB noch komme. Dieser Entschädigungsgedanke läßt es nicht zu, daß sich der Ersatzpflichtige darauf berufen kann, nunmehr sei ein anderer hilfsweise zur Unterhaltsgewährung verpflichtet. Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, der Unterhaltsverpflichtung weiterer Abkömmlinge den Vorrang gegenüber der Leistung eines Ersatzpflichtigen einzuräumen. Mit einer solchen Handhabung würde nämlich ein vorhandener Unterhaltsanspruch, an dessen Stelle bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen ein Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft getreten ist, zu Lasten nur anteilig Verpflichteter unwirksam. Sinn und Zweck des § 596 RVO würden damit entgegen dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu einer Entschädigung durch den Schädiger nicht erfüllt. Zum Urteil des Bayerischen LSG (aaO), auf das sich Lauterbach (aaO) und Podzun (aaO) für ihre nach der Ansicht des Senats unrichtige Auffassung berufen, ist ergänzend zu bemerken, daß das Bayer. LSG den Anspruch auf Elternrente wegen sonstiger Einkommensquellen mangels Bedürftigkeit verneint hat. Zu dieser Wertung ist es dadurch gelangt, daß es den Mietwert der Wohnung im eigenen Haus, eine Invalidenrente und Unterhaltsverpflichtungen lebender Söhne als Einkommensquellen festgestellt und darauf abgehoben hat, eine wesentliche Unterhaltsleistung sei nicht erfolgt, Unterhalt hätte nicht geltend gemacht werden können.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG, an die das BSG nach § 163 SGG gebunden ist, hat der verstorbene Sohn M. jedoch die Klägerin 1972 aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten. Die Revision bestreitet nicht, daß der geleistete Unterhalt in Anbetracht der dürftigen Einkommensverhältnisse und des Gesundheitszustandes der Klägerin, dieser eine einigermaßen auskömmliche Lebenshaltung ermöglicht hat, die durch seinen Wegfall gefährdet wurde. Da es zur Erfüllung des Begriffs "wesentlich unterhalten" genügt, daß der Verstorbene nicht mehr als die Hälfte des Unterhalts getragen hat, wobei ein Währungsgefälle und ein unterschiedlicher Lebensstandard zwischen Unterhaltsverpflichteten und -berechtigten zu berücksichtigen sind (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt, Jahrgang 1956, S. 297, 300), ist der anteilige Unterhaltsanspruch, der durch die Elternrente ersetzt werden soll, als nachrangig anzusehen, solange gegen den Verstorbenen ein Anspruch auf Unterhalt hätte geltend gemacht werden können. Selbst wenn der älteste Sohn in gleicher Weise anteilig zum Unterhalt der Klägerin beigetragen hätte, was von der Klägerin bestritten wird, wäre die Unterhaltsleistung des Verstorbenen noch wesentlich gewesen. Zudem räumt die Revision selbst ein, daß § 1606 Abs 3 Satz 1 BGB eine nur anteilige Haftung vorsieht. Sie meint nur, da andere Unterhaltsleistungen keinen Einfluß auf die Höhe des feststehenden Anspruchs aus § 596 RVO haben könnten, dürfe die Unterhaltsersatzfunktion der Elternrente erst zum Tragen kommen, wenn trotz Leistungen anderer Unterhaltsverpflichteter weiterhin Bedürftigkeit bestehe. Dabei wird übersehen, daß auf die Entschädigung keine Leistungen anderer anzurechnen sind, die nach ihrer Natur dem Schädiger nicht zugute kommen sollen (Palandt, BGB, 34. Aufl 1975, Anm 7 zu § 843 BGB; BGH NJW 1963, 1051). Das LSG durfte sich auch im Hinblick auf seine übrigen Feststellungen auf § 844 Abs 2 BGB beziehen und zu dem Ergebnis kommen, daß der Elternrentenanspruch durch mögliche anteilige Unterhaltsleistungen anderer Kinder nicht ausgeschlossen wird.
Dem LSG ist auch darin zu folgen, daß es den Elternrentenanspruch der Klägerin auf die Zeit vom 21. November 1972 bis 31. Juli 1975 beschränkt hat. Bei der Festsetzung des Endes der Elternrente hat sich das LSG an die Rechtsprechung des erkennenden Senats gehalten. Mit Urteil vom 27. Juni 1974 (SozR 2200 § 596 Nr 3) hat der erkennende Senat entschieden, daß als Mittelwert für den Zeitpunkt der Eheschließung bei ledigen jungen Männern im allgemeinen das vollendete 26. Lebensjahr anzunehmen ist. Dieser den Statistischen Jahrbüchern für die Bundesrepublik der Jahre 1963 bis 1973 entnommene Wert, dessen Richtigkeit der 2. Senat in seinem Urteil vom 23. April 1975 (SozR 2200 § 596 Nr 4) offen gelassen hat und den der erkennende Senat im Urteil vom 22. Oktober 1975 (SozR 2200 § 622 Nr 6) als maßgeblich für deutsche Männer angesehen hat, während viele spanische Männer erst mit 30 Jahren zu heiraten pflegten, entspricht der durchschnittlichen Zahl der standesamtlichen Eheschließungen lediger Männer, die in dieser Zeit der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland zugehörten. Zur Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland gehören auch die Ausländer, nicht aber die Mitglieder der im Bundesgebiet stationierten Streitkräfte (vgl Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1973 S. 32, 53, 56).
Da die bezeichneten Statistiken beim durchschnittlichen Heiratsalter nicht zwischen deutschen und ausländischen ledigen Männern unterscheiden, der erkennende Senat aber in seinem Urteil vom 22. Oktober 1975 (SozR 2200 § 622 Nr 6) - dort bei einem Spanier - von einer solchen Unterscheidung ausgegangen ist, ist eine derartige Unterscheidung nicht gerechtfertigt. Insoweit gibt der Senat seine Rechtsprechung auf. Das bedeutet: Der aus den Statistischen Jahrbüchern für die Bundesrepublik Deutschland zu entnehmende Mittelwert beim Heiratsalter lediger Männer bezieht sich unterschiedslos auf alle ledigen Männer der Wohnbevölkerung. Aus dieser Sicht ist die Feststellung des LSG nicht zu beanstanden, M. wäre mit vollendetem 26. Lebensjahr wegen Heirat nicht mehr in der Lage gewesen, die Klägerin wesentlich zu unterhalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen